Nach 1500 ausgestorbene Säugetiere sind nicht selten Beuteltiere

Wirft man einen Blick auf die Liste der ausgestorbenen Säugetiere und deren Verbreitungsgebiet, fällt auf, dass eine große Zahl an Beuteltieren (Marsupiala), die auf dem Kontinent Australien lebten, ausgestorben sind. Der bekannteste von ihnen: der Beutelwolf. Die Bejagung des größten räuberisch lebenden Beuteltiers Australiens führte zu seiner systematischen Ausrottung. Der letzte Tasmanische Tiger, so wurde der Beutelwolf auch genannt, starb 1936 im Zoo von Hobart.
Seit der Ankunft der Europäer in Australien sind viele Beutelsäuger stark gefährdet oder bereits ausgestorben. So auch Kängurus (Macropodidae) – die Beuteltiere, für die der australische Kontinent berühmt ist –, wie etwa das Östliche Hasenkänguru um 1890. Dann verschwanden noch diverse Rattenkängurus (Potoroidae): das Breitkopfkänguru um 1875 und das Nacktbrustkänguru in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und auch eine Vielzahl an Nasenbeutlern (Peramelemorphia) existiert heute nicht mehr, zum Beispiel der Kleine Kaninchen-Nasenbeutler, der Wüsten-Langnasenbeutler und der erst 2018 wissenschaftliche beschriebene und zwischen 1930 und 1960 ausgestorbene Langnasenbeutler Perameles papillon. Neben eingeschleppten Raubtieren (Rotfüchse oder Katzen), Nahrungskonkurrenten (Kaninchen) und Krankheiten spielt oft auch der Lebensraumverlust eine große Rolle beim Verschwinden der Beuteltierarten.
Ausgestorbene Säugetiere in Deutschland?
In Deutschland ausgestorbene Säugetierarten leben in den meisten Fällen noch in anderen Teilen Europas oder Asiens, sodass sie allenfalls bei uns verschwunden sind; dazu gehören beispielsweise Braunbären, Ziesel, Elche oder Wisente, wobei einige Arten wieder angesiedelt werden oder wurden oder sich ab und an von selbst wieder hierher verirren. Tatsächlich ausgestorben ist aber der berühmte Auerochse (Ur), der bei uns, im Mittleren Osten und in Zentralasien vorkam. Das Wildrind, das als größter Pflanzenfresser nach der Eiszeit gilt, starb nach intensiver Bejagung und Zerstörung seines Lebensraums 1627 aus. Heute versucht man, durch Abbildzüchtungen zumindest optisch ähnliche Rinder zu züchten.
Die Bayerische Kurzohrmaus (Microtus bavaricus), die endemisch in den Nördlichen Kalkalpen bzw. Ostalpen und in Tirol (Österreich) ist, galt ebenfalls als in Deutschland ausgestorben. Nachdem 2009 trotz intensiver Suche keine Mäuse dieser Art gefunden werden konnten, wird die Bayerische Kurzohrmaus in Deutschland in der Roten Liste als „ausgestorben“ geführt; die Weltnaturschutzorganisation IUCN listet sie aufgrund der Zerstörung ihres Lebensraums noch als „vom Aussterben bedroht“. Im Sommer 2023 gelang die Wiederentdeckung der Bayerischen Kurzohrmaus nun doch in Deutschland.
Auf Inseln ausgestorbene Säugetierarten

Während viele in der Neuzeit ausgestorbene Vögel oft auf Inseln – und nur dort – vorkamen, waren ausgestorbene Säugetiere vorwiegend auf dem Festland heimisch. Aber nicht alle: Beispielsweise eine ganze Reihe von Tieren aus der Gruppe der Neuweltmäuse kamen auf Inseln vor – und starben aus. Auf den Galápagos-Inseln verschwanden unter anderem die Darwin-Reisratte und die Galápagos-Riesenratte Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Grund waren eingeschleppte Hausratten, die Krankheitserreger mitbrachten, gegen die die Inselratten nicht immun waren. Aber auch andere gebietsfremde Arten, wie Katzen, wilde Hunde, Ziegen oder Schweine, haben sicherlich zum Verschwinden der endemischen Nager beigetragen.
Ähnliches passierte auf der australischen Weihnachtsinsel: Die dort lebende Maclear-Ratte und die Weihnachtsinsel-Ratte verschwanden 1903 oder 1904, als Hausratten Ende des 19. Jahrhunderts als Schiffsratten in einer Ladung Heu dort hingelangten. Diese brachten Flöhe samt Endoparasiten mit, die schließlich innerhalb kürzester Zeit zum Aussterben der heimischen Ratten führten. Übrigens existiert auf der Weihnachtsinsel von den ursprünglich dort lebenden fünf Säugetierarten nurmehr eine und die ist stark bedroht – der Weihnachtsinsel-Flughund (Pteropus melanotus natalis). Die Weihnachtsinsel-Spitzmaus (Crocidura trichura) ist vermutlich in den 1990er-Jahren und die Weihnachtsinsel-Zwergfledermaus 2009 verschwunden.
Als das erste durch den Klimawandel ausgestorbene Säugetier gilt eine weitere inselbewohnende Ratte: die Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte. Sie lebte auf der kleinen australischen Koralleninsel Bramble Cay zusammen mit Seevögeln und Meeresschildkröten. Mit Beginn der 1990er-Jahre führte der menschengemachte Klimawandel zu einem Anstieg des Meeresspiegels, sodass die Inselfläche, die dauerhaft über dem Wasser lag, stetig kleiner wurde und Wirbelstürme und Überflutungen immer häufiger wurden. Bei einer Expedition auf die Insel im Jahr 2014 wies dort nichts mehr auf die Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte hin und es existierten nur noch zwei der elf dort heimischen Pflanzenarten.
Die Karibik zählt zu den wenigen ozeanischen Inselgruppen, die von nicht-flugfähigen Landsäugetieren bewohnt werden. Die Region weist die weltweit höchste Anzahl ausgestorbener Säugetierarten auf: Seit 1500 sind mindestens 29 Säugetierarten verschwunden, seit der Besiedlung der Westindischen Inseln vor 4.500 Jahren sind es 37. Alle Arten der Karibischen Spitzmäuse (Nesophontidae) starben spätestens im frühen 20. Jahrhundert aus, und sämtliche Riesenhutias (Heptaxodontidae) sind heute ebenfalls verschwunden. Zu den verlorenen Arten zählen außerdem der Jamaika-Affe, der im 18. Jahrhundert verschwand, sowie die Hispaniola-Stachelratte und die Puerto-Rico-Höhlenstachelratte, die beide im frühen 16. Jahrhundert ausstarben. Die Schwaneninseln-Ferkelratte von Little Swan Island starb Mitte des 20. Jahrhunderts aus.
Warum einige Säugetiere überleben – und andere aussterben
Nicht alle Säugetiere sind gleichermaßen vom Aussterben bedroht. Während einige Arten trotz massiver Umweltveränderungen überleben, verschwinden andere innerhalb weniger Jahrzehnte. Doch woran liegt das? Wissenschaftliche Studien zeigen, dass drei Hauptfaktoren maßgeblich beeinflussen, wie widerstandsfähig eine Art gegenüber Bedrohungen wie Lebensraumverlust, Jagd oder Klimawandel ist: Reproduktionsrate, Habitatgröße und Anpassungsfähigkeit.
Die Fortpflanzung entscheidet über das Überleben
Die Reproduktionsrate ist entscheidend für das Überleben einer Art. Schnell vermehrende Säugetiere wie Mäuse oder Ratten gleichen Verluste oft rasch aus und passen sich besser an Umweltveränderungen an. Arten mit niedriger Fortpflanzungsrate hingegen sind besonders anfällig für Bedrohungen. Diese Säugetiere haben nur wenige Nachkommen in langen Abständen und investieren viel Zeit in deren Aufzucht. Sie reagieren besonders empfindlich auf Bedrohungen, da Verluste in der Population nicht schnell ausgeglichen werden können. Stellers Seekuh bekam vermutlich nur alle paar Jahre ein Kalb und wurde innerhalb von 27 Jahren durch Jagd ausgerottet.
Kleine und große Lebensräume

(© See page for author, Public domain, via Wikimedia Commons)
Der Platzbedarf einer Art beeinflusst maßgeblich ihr Überleben. Während kleine Nagetiere oft mit begrenzten Habitaten auskommen, benötigen große Raubtiere und Pflanzenfresser riesige Territorien, um genügend Nahrung zu finden. Doch genau dieser hohe Flächenbedarf wird vielen Arten zum Verhängnis: Wenn ihre Lebensräume durch menschliche Aktivitäten zerstückelt oder verkleinert werden, finden sie nicht mehr ausreichend Ressourcen, um sich fortzupflanzen und langfristig zu überleben. Der Auerochse, einst in Europa, Asien und Nordafrika verbreitet, verschwand 1627, als sein Lebensraum immer stärker eingeengt und er intensiv bejagt wurde.
Doch nicht nur großräumig lebende Arten sind gefährdet. Inselbewohner oder Tiere mit eng begrenztem Habitat haben kaum Ausweichmöglichkeiten, wenn ihr Lebensraum zerstört wird. Viele australische Beuteltiere, wie der Schweinsfuß-Nasenbeutler, verschwanden nach der Einführung von Füchsen und Katzen, da sie auf bestimmte Ökosysteme angewiesen waren.
Anpassungsfähigkeit als Schlüssel zum Überleben
Ein weiterer entscheidender Faktor für das Fortbestehen einer Art ist ihre Fähigkeit, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Generalisten, die in verschiedenen Lebensräumen zurechtkommen und ein breites Nahrungsspektrum haben, überleben eher als hochspezialisierte Arten. Ein gutes Beispiel ist der Rotfuchs, der in Wäldern, Städten und sogar in Wüsten leben kann. Er ernährt sich von allem, was verfügbar ist, von kleinen Säugetieren über Früchte bis hin zu Aas.
Spezialisierte Arten hingegen sind stark von bestimmten Lebensräumen oder Nahrungsquellen abhängig. Wenn diese Bedingungen sich ändern oder verschwinden, ist ihr Überleben bedroht. Dies geschah bei der Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte, die nur auf einer winzigen Koralleninsel vor Australien lebte. Auch die Karibischen Spitzmäuse, eine gesamte Familie von Insektenfressern, starben nach der Ankunft eingeschleppter Ratten aus.
Ausgestorbene Säugetiere: Daten & Fakten (Stand: 11/2024)
Die Weltnaturschutzorganisation IUCN listet aktuell 84 Säugetierarten und 9 Unterarten bzw. Varietäten, die nach 1500 (höchstwahrscheinlich) ausgestorben sind. Zu den ausgestorbenen Unterarten oder Varietäten gehören beispielsweise seit 1925 die Nordafrikanische Kuhantilope (Bubal) oder das Ende des 19. Jahrhunderts verschwundene Quagga, eine Zebra-Form. Daneben werden 798 Arten unter „Datenlage unzureichend“ und 241 als „vom Aussterben bedroht“ gelistet. Dabei handelt es sich nicht selten um Spezies, die nur von einem Exemplar (Holotypus) her bekannt oder seit Jahrzehnten verschollen sind, sodass davon auszugehen ist, dass in der Neuzeit sicherlich mehr als nur 84 Säugetierarten ausgestorben sind.
Der größte Teil der ausgestorbenen Säugetiere stammt, so die IUCN, mit 37 Arten und 3 Unterarten aus der Ordnung der Nagetiere (Rodentia). Den zweitgrößten Teil machen die Beuteltiere mit 13 ausgestorbenen Spezies aus. Weiterhin sind 9 Fledermausarten (u.a. der Riesenvampir), 8 Paarhufer (u.a. Blaubock, Jemen-Gazelle, Algerische Gazelle oder Lemerles Flusspferd), 7 Arten aus der Ordnung der Insektenfresser (Eulipotyphla), 6 Raubtiere (etwa Falklandwolf und Riesenfossa), 2 Primaten (ein Riesenlemur und der Jamaika-Affe), 3 Unterarten aus der Ordnung der Unpaarzeher (z.B. Quagga oder Syrischer Halbesel), 1 Hasentier (Sardischer Pfeifhase) und 1 Seekuh (Stellers Seekuh) ausgestorben.
Detailseiten gibt es zu folgenden Säugetieren:
- Algerische Gazelle
- Atlasbär
- Audubon-Dickhornschaf
- Auerochse
- Bali-Tiger
- Berberlöwe
- Berg-Affengesichtflughund
- Beutelwolf
- Big-Thicket-Schweinenasenskunk
- Blaubock
- Bola-Batu-Hirscheber
- Borys Weiße Fledermaus
- Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte
- Breitkopfkänguru
- Burmeister-Fuchs
- Chinesischer Flussdelfin
- Darwin-Reisratte
- Das Nacktbrustkänguru – Gefunden, verloren, gefunden und wieder verloren…
- Falklandwolf
- Florida-Rotwolf
- Galapagos-Riesenratte
- Hispaniola-Stachelratte
- Hokkaidō-Wolf
- Honshū-Wolf
- Ilin-Borkenratte
- Jamaika-Affe
- Japanischer Seelöwe
- Jemen-Gazelle
- Kaiserriesenratte
- Karibische Mönchsrobbe
- Kleiner Kaninchennasenbeutler
- Kleiner Samoa-Flugfuchs
- Königsgenette
- Kouprey
- Lemerles Flusspferd
- Maclear-Ratte
- Mexikanischer Grizzlybär
- Nordafrikanische Kuhantilope
- Nördliches Sumatra-Nashorn
- Östliches Hasenkänguru
- Palaeopropithecus ingens (Riesenlemur)
- Perameles papillon (Langnasenbeutler)
- Puerto-Rico-Höhlenstachelratte
- Pyrenäensteinbock
- Quagga
- Rauchgrauer Flughund
- Riesenfossa
- Riesenvampir
- Sardischer Pfeifhase
- Schomburgk-Hirsch
- Schwaneninseln-Ferkelratte
- Schweinsfuß-Nasenbeutler
- Seenerz
- Sizilianischer Wolf
- Stellers Seekuh
- Sturdee-Zwergfledermaus
- Südliches Wüstenwarzenschwein
- Syrischer Halbesel
- Taiwanischer Nebelparder
- Telefomin-Kuskus
- Vietnamesisches Nashorn
- Weihnachtsinsel-Ratte
- Weihnachtsinsel-Zwergfledermaus
- Wüsten-Langnasenbeutler
- Yunnan-Weißhandgibbon