Mit Ankunft der Europäer in Amerika verschwanden die Braunbären
Der Mexikanische Grizzlybär war der erste der großen in Amerika lebenden Braunbären, der in Kontakt mit Europäern kam. Das war 1540, als sich der spanische Entdecker Francisco Vásquez de Coronado auf die Suche nach den sogenannten „Sieben Städten aus Gold“ begab. Coronado marschierte von Mexiko-Stadt nach New Mexico und zu den Buffalo Plains in Texas und Kansas. Damals umfasste das Territorium des Mexikanischen Grizzlybären noch die gesamte westliche Hälfte Nordamerikas, die Rocky Mountains mit eingeschlossen, von der Arktis bis nach Nordmexiko.
Ein paar Jahrhunderte später traf man Mexikanische Grizzlybären nur noch im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua in den isolierten Bergregionen Cerro Compano, Santa Clara und Sierro del Nido an. Was war geschehen? Ab den 1930er-Jahren wurde der Mexikanische Grizzly gejagt, gefangen und vergiftet – und zwar in einem solchen Ausmaß, dass er innerhalb kürzester Zeit aus Arizona, New Mexico, Südkalifornien und dem Süden von Texas verschwand.
Um 1960 herum soll es nur noch 30 Mexikanische Grizzlybären gegeben haben, die einige Bürger und auch die mexikanische Regierung zu schützen versuchten. Viehzüchter aus der Region machten es sich zwischen 1961 und 1964 hingegen zur Aufgabe, diese letzte überlebende Population Mexikanischer Grizzlybären zu finden und auszurotten.
Bereits 1964 galt der Mexikanische Grizzly als ausgestorben. Nachdem jedoch 1968 angeblich ein paar dieser Bären auf einer Ranch am Oberlauf des Río Yaqui in der Provinz Sonora in Mexiko gesichtet wurden, begab sich der US-amerikanische Zoologe Carl B. Koford auf eine dreimonatige Suchexpedition, um die Tiere zu finden – ohne Erfolg.
Mexikanischer Grizzlybär – Steckbrief
alternative Bezeichnungen | Mexikanischer Grizzly, Mexikanischer Silbergrizzly |
wissenschaftliche Namen | Ursus arctos horribilis, Ursus arctos nelsoni, Ursus horribilis nelsoni, Ursus nelsoni |
englische Namen | Mexican Grizzly Bear, Mexican Grizzly, Mexican Silver Grizzly, Mexican Silver Grizzly Bear, South-west Grizzly, South-west Grizzly Bear |
ursprüngliches Verbreitungsgebiet | Mexiko |
Zeitpunkt des Aussterbens | 1964 |
Ursachen für das Aussterben | Bejagung |
Eines der größten Landsäugetiere Mexikos – der Grizzly
Neben dem Bison galt der Grizzlybär als eines der größten und schwersten Säugetiere Mexikos. Seine Körperlänge betrug rund 182 Zentimeter und das Durchschnittsgewicht lag bei 318 Kilogramm. Er unterschied sich durch sein silbriges Fell von anderen Braunbären Nordamerikas, was ihm den spanischen Namen el oso plateado (der silberne Bär) einbrachte. Manchmal wurde der Mexikanische Grizzlybär aber auch mit dunklem oder gar rötlichen Fell beschrieben. Der Mexikanische Grizzly soll etwas kleiner als die Bären in den USA und in Kanada gewesen sein.
Wie andere Braunbären auch, waren Mexikanische Grizzlys Allesfresser. Hauptsächlich ernährten sie sich von Pflanzen, Früchten und Insekten (vor allem Ameisen). Gelegentlich fraßen sie auch kleinere Säugetiere und Aas. Und hin und wieder wohl auch mal Nutztiere der ländlichen Bevölkerung.
Mexikanischer Grizzlybär: Eine von vier Unterarten des Braunbären in Nordamerika?
Das Verbreitungsgebiet des Braunbären (Ursus arctos) ist riesig; er kommt in Europa, Asien und Nordamerika vor. Innerhalb dieses Verbreitungsgebiets weisen Braunbären große morphologische Unterschiede und Fellfärbungen auf, sodass über die Jahre unzählige Unterarten beschrieben wurden, deren Zahl später wieder nach unten korrigiert wurde.
Der amerikanische Zoologe Clinton Hart Merriam beschrieb den Mexikanischen Grizzlybären in Descriptions of New Bears of North America 1914 als eine Unterart des Braunbären in Nordamerika: Ursus arctos nelsoni. Der Holotypus wurde 1899 von einem H. A. Cluff in Colonia Garcia im Bundesstaat Chihuahua in Mexiko geschossen.
In den 1950er-Jahren betrachtete die Wissenschaft die Braunbären Nordamerikas allesamt als eine Spezies mit besonders hoher Variabilität. Innerhalb dieses Systems nahmen Experten vier verschiedene Braunbär-Unterarten an: der Kodiakbär (U. a. middendorffi), der Alaska-Halbinsel-Braunbär (U. a. gyas), der Grizzlybär (U. a. horribilis) und der Mexikanische Grizzly. Diese Sichtweise ist nicht mehr zeitgemäß.
So geht etwa aus der Studie Phylogeography of Brown Bears of Alaska and Paraphyly within the Ursidae (1996) hervor, dass der Mexikanische Grizzlybär dieselbe mitochondriale DNA (mtDNA) wie alle anderen heute noch in Nordamerika lebenden Braunbären aufweist. Damit unterscheidet sich die zuvor anerkannte Unterart Ursus arctos nelsoni genetisch nicht von anderen eng verwandten Braunbären. Beim Mexikanischen Grizzlybär handelt es sich also vielmehr um eine ausgestorbene Population des Grizzlybären (Ursus arctos horribilis) in Mexiko.
Das ITIS (Integrated Taxonomic Information System) führt U. a. nelsoni als invalides Taxon beziehungsweise als Juniorsynonym. Der valide Name für den Mexikanischen Grizzly lautet U. a. horribilis. Der ausgestorbene Atlasbär, der bis etwa 1869 in Nordafrika lebte, gilt als valide Braunbären-Unterart.
Vom Festland-Grizzly (U. a. horribilis) wurden aufgrund morphologischer Unterschiede neben dem Mexikanischen Grizzlybären auch der Kalifornische Grizzly (U. a. californicus) und der Ungava-Labrador-Grizzly (U. a. ungavaesis) beschrieben. Beide „Unterarten“ sind heute ausgestorben.
Braunbär-Populationen der USA in Zahlen
Gemäß Merriams System der Braunbären Nordamerikas sind seit der Ankunft der Europäer auf dem nordamerikanischen Kontinent seit 1850 nahezu zwei Dutzend Braunbär-Unterarten ausgestorben. Zwar entspricht Merriams Klassifikation der Braunbären nach „geografischen Rassen“ nicht dem heutigen Stand der Forschung, doch zeigt es, in welchem Maße sich das Verbreitungsgebiet der Braunbären im Angesicht der Besiedlung Nordamerikas verkleinert hat.
So sind laut Merriam allein zwischen 1850 und 1900 die folgenden Formen ausgestorben: der Big-Plains-Grizzly, der California-Coast-Grizzly, der Sacramento-Grizzly, der Navaho-Grizzly, der Sonora-Grizzly und der New-Mexico-Grizzly. Nach 1900 sind 16 weitere lokale Formen verschwunden: die Grizzlybären in Mexiko, Texas, Arizona, Utah und Südkalifornien.
David Day gibt in The Doomsday Book of Animals (1981) Zahlen des US Fish and Wildlife Service wieder, die unterstreichen, welchen Einfluss die Bejagung auf die Braunbären-Populationen hatte. Die Zahlen für 1937 für die USA (ohne Alaska) lauteten: Arizona – 7 Bären, Colorado – 10, Idaho – 44, New Mexico – 3, Washington – 9, Wyoming – 480, Montana – 620, alle übrigen Staaten – 0. Zuvor, im Jahr 1830, lag die geschätzte Population in Kalifornien allein bei 5.000 Braunbären. Schon 1937 gab es in Kalifornien keine Bären mehr und weniger als 1.200 Braunbären insgesamt in allen Staaten südlich der kanadischen Grenze.
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