riesenalk / Pinguinus impennis
Die ausgestorbenen Riesenalke mit Sommer- (links) und Wintergefieder (rechts) – ein Gemälde von John Gerrard Keulemans (vor 1903). Die Art war flugunfähig; vermutlich dienten die verkümmerten Flügel als Flossen beim Tauchen, während die Füße die Rolle des Steuers übernahmen. John Gerrard Keulemans, Public domain, via Wikimedia Commons)

Riesenalk

Die Insel der Pinguine – Vom Aussterben des Riesenalks

Der Riesenalk war ein großer, flugunfähiger Seevogel, dessen Erscheinung den Pinguinen der Südhalbkugel stark ähnelte. Einst bevölkerte er den Nordatlantik in Millionenstärke. Archäologische und historische Funde belegen, dass die Art über Jahrtausende hinweg gejagt wurde – bereits vor über 100.000 Jahren nutzten Neandertaler ihn als Nahrungsquelle. In prähistorischer Zeit erstreckte sich sein Verbreitungsgebiet von den kalten Gewässern des Nordatlantiks bis nach Florida und ins Mittelmeer.

Ab etwa 1500 begann die großflächige Jagd durch europäische Seeleute in den fischreichen Gewässern vor Neufundland. Diese Jagd wurde im späten 18. Jahrhundert durch den Federhandel erheblich intensiviert und trug maßgeblich zur Ausrottung der Art bei. Der englische Offizier und Händler George Cartwright äußerte bereits in seinem 1792 veröffentlichten Reisebericht über seine Erlebnisse in Neufundland und Labrador eine eindringliche Warnung vor der drohenden Ausrottung des „Pinguins“, wie der Riesenalk damals genannt wurde:

„In den letzten Jahren ist es üblich geworden, dass mehrere Mannschaften von Männern den ganzen Sommer auf Funk Island leben, um dort ausschließlich Vögel wegen ihrer Federn zu töten. Die Zerstörung, die sie angerichtet haben, ist unvorstellbar. Wenn diese Praxis nicht bald gestoppt wird, wird der gesamte Bestand fast vollständig ausgelöscht sein – besonders die Pinguine, denn dies ist mittlerweile die einzige Insel, auf der sie noch brüten. Alle anderen Inseln liegen so nahe an den Küsten Neufundlands, dass sie ständig geplündert werden.“

A Journal of Transactions and Events during a Residence of nearly Sixteen Years on the Coast of Labrador. Volume III. 1792. S. 55. G. Cartwright
Eldey
Die vor der Südwestküste Islands liegende Felseninsel Eldey (Feuerinsel) misst 190 Meter in der Länge und 110 Meter in der Breite. Sie gilt als der letzte Zufluchtsort der Riesenalke.
Dagur Brynjólfsson from Hafnarfjordur, Iceland, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Eine der letzten Riesenalk-Kolonien befand sich auf der für Menschen unzugänglichen Insel Geirfuglasker bei Island. Viele der Vögel verschwanden schließlich mitsamt der Insel bei einem Vulkanausbruch im Jahr 1830. Die überlebenden Riesenalke retteten sich auf die sich in der Nähe befindlichen Insel Eldey. Doch nachdem man rund 50 Vögel fünf Jahre nach dem Untergang Geirfuglaskers dort entdeckt hat, begann man schnell, diese zu fangen oder zu töten. Vor allem Museen waren an Exemplare der letzten lebenden Riesenalke interessiert, um diese Tierart der Nachwelt präsentieren zu können. Das vermeintlich letzte Riesenalk-Pärchen, das gerade dabei war, ein Ei auszubrüten, erlegten Jäger 1844. Ein späterer Hinweis, man hätte noch 1852 auf der Neufundlandbank einen lebenden Riesenalk gesichtet, wurde von der Weltnaturschutzorganisation IUCN akzeptiert.

Einzelheiten über das Aussterben des Riesenalks sind gut dokumentiert. Menschen jagten die Vögel zunächst, um an deren Federn, Fleisch, Fett und Öl zu kommen und als sie merkten, es gibt immer weniger Tiere dieser Art, wurde das Sammeln der Tiere zur unmittelbaren Ursache ihres Aussterbens. In Vom Aussterben bedroht? (1981) beschreibt Igor Akimuschkin das Ausmaß: 

„Sammler vollendeten die Tragödie, der Riesenalk wurde zu einer Seltenheit. Museen und Liebhaber zahlten viel Geld für Eier und Bälge. (…) Für einen Balg des Riesenalkes zahlte man schon fast hundert Kronen. Das war mehr, als Fett und Federn von einer ganzen Schaluppenladung eingebracht hatten.“

Vom Aussterben bedroht? 1981. I. Akimuschkin

In einer im Magazin eLife 2019 veröffentlichten Studie versuchten die Biologin Jessica E. Thomas und ihr Team herauszufinden, ob tatsächlich der Mensch den Riesenalk ausgerottet hat oder ob die Bestandszahlen bereits vor Beginn der intensiven Bejagung der Vögel vor rund 500 Jahren aufgrund natürlicher Umweltveränderungen rückläufig waren. Für die Studie sequenzierten die Wissenschaftler die vollständigen mitochondrialen Genome von 41 in Museen aufbewahrten Exemplaren. Die tierischen Überreste waren zwischen 170 und 15.000 Jahre alt und repräsentierten Individuen aus dem gesamten historischen Verbreitungsgebiet der Vögel.

Das Forscherteam suchte nach Hinweisen, wie etwa der Verlust der genetischen Vielfalt, die darauf hindeuten, dass die Zahl der Riesenalke ohnehin bereits schrumpfte. Das Ergebnis: Es wurden keine Beweise dafür gefunden, dass die Vögel aufgrund von Umweltveränderungen weniger wurden; ihre genetische Vielfalt erwies sich sogar als sehr hoch. Es ist demnach davon ausgehen, dass allein die Bejagung durch den Menschen zur Ausrottung der Vögel geführt hat.

Riesenalk – Steckbrief

alternative BezeichnungenBrillenalk, Großalk, Grand Pingouin, Geyrfugl
wissenschaftliche NamenPinguinus impennis, Alca impennis, Plautus impennisAlca borealis, Penguin impennis, Pingouin impennis, Chenalopex impennis, Alca major, Mataeoptera impennis
englischer NameGreat auk, Garefowl
ursprüngliches VerbreitungsgebietNordatlantik
Zeitpunkt des Aussterbens1852
Ursachen für das AussterbenBejagung
IUCN-Statusausgestorben

Der Riesenalk: Größer als heutige Alke

brillenalk riesenalk museum
Einer der letzten Riesenalke, den Jäger 1844 töteten. Das Exemplar befindet sich heute im Royal Belgian Institute of Natural Sciences.
MADe at Dutch Wikipedia, CC BY 1.0, via Wikimedia Commons)

Für Jäger stellte der Riesenalk eine leichte Beute dar, denn die Vögel empfingen die Menschen ohne Furcht, waren flugunfähig und konnten sich an Land nur schlecht fortbewegen. Der Riesenalk hatte etwa die Größe einer Gans und maß zwischen 70 und 85 Zentimeter. Sein Durchschnittsgewicht betrug fünf Kilogramm. Ob der Name Riesenalk ihm gerecht wird, kann nur ein Größenvergleich zeigen: Der heute gefährdete Papageitaucher oder Puffin (Fratercula arctica) etwa erreicht gerade mal eine Körperlänge von 28 bis 34 Zentimeter. Und der von der IUCN 2015 als potenziell gefährdet eingestufte Tordalk (Alca torda) kann zwischen 38 und 43 Zentimeter lang werden.

Dieter Luther vermutet in seinem Buch Die ausgestorbenen Vögel der Welt (1986), dass bei den Riesenalken ein Sexualdimorphismus bestand und dass sich die männlichen und weiblichen Tiere in Körper- und Schnabelgröße unterschieden. Trotzdem Wissenschaftler heute davon ausgehen, dass die Riesenalke an den Westküsten des Nordatlantik etwas größer waren als jene die an den östlichen Küsten lebten, werden keine Unterarten unterschieden.

Den Riesenalk klonen? Im Internet (etwa hier in einem Artikel von National Geographic) und unter Experten wird seit langem die Möglichkeit diskutiert, ob man den Riesenalk und andere bereits ausgestorbene Tiere wie etwa die Wandertaube, die Karibische Mönchsrobbe oder den Beutelwolf klonen sollte. Dazu könnten Wissenschaftler die DNA von in Museen befindlichen Exemplaren nutzen.

Riesenalke – Die arktischen „Pinguine“

Sein wissenschaftlicher Name Pinguinus impennis deutet darauf hin, dass man den Riesenalk ursprünglich als „Pinguin“ bezeichnet hat. Die Bezeichnung Pinguin hat man später dann auf die Vögel aus der Antarktis, die wirklichen Pinguine übertragen.

Der Naturforscher Georges-Louis Leclere de Buffon hatte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Berichte von James Cook und George Forster über deren Südseereisen gelesen. Das, was diese über die antarktischen Pinguine geschrieben haben, hat Buffon mit dem Wissen, was er über Riesenalke hatte, abgeglichen. Buffon bemerkte sogleich, dass beide Vogelarten wenige Gemeinsamkeiten aufwiesen. Er schlug daher vor, die nördlichen Vögel, die Alke, als „Pinguine“ zu bezeichnen und die südlichen als „Manchots“. Heute ist „manchot“ das Französche Wort für „Pinguin“ und damit sind die Tiere aus der Antarktis gemeint, nicht die Riesenalke.

Sicherlich besteht optisch zwischen Pinguinen und Alken eine gewisse Ähnlichkeit, denn der Bauch beider ist weiß, der Rücken schwarz und beide können aufrecht stehen. Allerdings haben Alke – mit Ausnahme des Riesenalks – ihre Flugfähigkeit bis heute bewahrt. Nur der Riesenalk hatte verkümmerte Flügel wie ein Pinguin und konnte deshalb nicht fliegen.

Die Ähnlichkeit beider Vogelarten ist auf Parallelevolution zurückzuführen. Bei dieser entwickeln sich an unterschiedlichen Orten Arten ähnlich und weisen ähnliche Merkmale auf. Eine Verwandtschaft muss aber nicht bestehen. So besteht auch keine Verwandtschaft zwischen Alken und Pinguinen.

Während unsere heutigen Pinguine also auf der Südhalbkugel leben, war der Riesenalk auf der Nordhalbkugel anzutreffen. Walter Rothschild schrieb in seinem Buch Extinct Birds (1907), dass man anhand subfossiler Funde des Riesenalks sehen kann, dass dieser in erster Linie in Norwegen und Schweden, auf den Britischen Inseln sowie an der Ostküste Nordamerikas heimisch war.

Wo der Riesenalk lebte und brütete

Der Riesenalk bewohnte die kalten Küstengewässer des Nordatlantiks und nutzte abgelegene Inseln zur Brut. Er verließ das Wasser nur während der Brutzeit von Mai bis Juli und wählte dabei bevorzugt flache, felsige Inseln weit entfernt vom Festland, um sich vor Fressfeinden wie Eisbären und Menschen zu schützen. Sein historisches Verbreitungsgebiet erstreckte sich von Neufundland und Labrador (Kanada) bis in die USA, mit Massachusetts als südlichster Winteraufenthalt und seltenen Sichtungen bis nach Florida. Darüber hinaus war er an den Küsten Grönlands, Islands, Norwegens, Großbritanniens (Orkney-Inseln), Irlands und der Färöer-Inseln verbreitet.

Riesenalk Verbreitungsgebiet
Die Karte zeigt das Verbreitungsgebiet des Riesenalks (blau) mit Ausnahme des bekannten Verbreitungsgebiets auf der Iberischen Halbinsel sowie bekannte Brutplätze (gelb).
Shyamal, Public domain, via Wikimedia Commons)

In prähistorischer Zeit war sein Verbreitungsgebiet deutlich ausgedehnter. Walter Rothschild schrieb in seinem Werk Extinct Birds (1907), dass subfossile Funde darauf hindeuten, dass der Riesenalk vor allem in Norwegen, Dänemark, Schweden, auf den Britischen Inseln sowie entlang der Ostküste Nordamerikas von Labrador bis Florida verbreitet war. Fossilien aus dem Pleistozän legen nahe, dass der Riesenalk auch in Südfrankreich, Italien und an weiteren Küsten des Mittelmeerraums vorkam. Knochenfunde in Küstengebieten der Iberischen Halbinsel deuten darauf hin, dass er dort zumindest zeitweise heimisch war. Diese Funde stammen überwiegend aus dem Pleistozän, als die klimatischen Bedingungen für den Riesenalk günstiger waren.

Der südlichste Nachweis des Riesenalks stammt aus Marokko, wo ein Knochen in einer neolithischen Schicht der El-Harhoura-2-Höhle entdeckt wurde. In ihrer Studie von 2010 diskutierten Emilie Campmas und ihr Team zwei mögliche Szenarien für diesen Fund. Zum einen könnte der Riesenalk während des Winterhalbjahres weiter nach Süden gewandert sein als bisher bekannt. Zum anderen könnte der Knochen durch menschlichen Handel oder Migration dorthin gelangt sein, da die Fundschicht Hinweise auf menschliche Aktivitäten zeigt.

Nur wenige Brutkolonien des Riesenalks sind historisch belegt. Die vermutlich größte Kolonie befand sich auf Funk Island, etwa 60 Kilometer östlich von Neufundland. Bis zur Ankunft der Europäer sollen dort rund 100.000 Brutpaare gelebt haben. Weitere bekannte Brutstätten lagen auf Penguin Island im Süden Neufundlands und Rochers-aux-Oiseaux im Sankt-Lorenz-Golf.

In Island brütete die Art auf Geirfuglasker, Eldey und den Vestmannaeyjar-Inseln. Zusätzlich wurden Brutplätze auf den Orkney-Inseln, darunter St. Kilda und Papa Westray, sowie möglicherweise auf Calf of Man (nahe der Isle of Man) vermutet. Ein einzelner Brutvogel wurde im Süden Grönlands erlegt, was darauf hinweist, dass auch dort Brutkolonien existiert haben könnten.

Der Riesenalk in Museen und Sammlungen

Riesenalk in Paris
Museumsexemplar eines Riesenalks im Sommerkleid im Muséum national d’histoire naturelle in Paris, Frankreich.
(© Doreen Fräßdorf, 2024)

Als das Aussterben des Riesenalks absehbar wurde, intensivierten Museen und private Sammler weltweit ihre Anstrengungen, Exemplare dieser seltenen Art zu erwerben. Die Vögel und ihre Eier erzielten enorme Preise und wurden als wertvolle Sammlerstücke gehandelt. Akimuschkin (1981) bemerkt, dass die Seltenheit und der hohe Marktwert von Überbleibseln des Riesenalks sogar Fälschungen begünstigten. Ein Beispiel sei ein Standpräparat im Landesmuseum Darmstadt, das lange Zeit als Riesenalk galt. Genauere Untersuchungen ergaben, dass nur der Schädel authentisch war, während die Federn von flugfähigen Alken stammten. Ähnliches wird über ein Exemplar im Museum von Shrewsbury, England, berichtet, das vermutlich aus Häuten verschiedener Vogelarten zusammengesetzt wurde.

Laut der Global Biodiversity Information Facility (GBIF) gibt es weltweit 397 dokumentierte Überreste des Riesenalks in Museen und Sammlungen. Dazu zählen nicht nur vollständige Skelette und Bälge, sondern auch einzelne Knochen, von denen viele von Funk Island stammen. Mindestens zwei präparierte Häute wurden im 20. Jahrhundert zerstört: Eine im Naturhistorischen Museum Mainz, das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt wurde, und eine weitere im Museu Bocage in Lissabon, die 1978 einem Feuer zum Opfer fiel. Auch das Skelett im Zoologischen Institut Gießen wurde während des Krieges 1944/45 zerstört.

Heute sind etwa 78 bis 81 Standpräparate und Bälge, rund 75 Eier, 24 vollständige Skelette und mehrere Schädel in wissenschaftlichen Einrichtungen erhalten. Dies ist im Vergleich zu anderen Arten, die vor fast 200 Jahren ausgestorben sind, eine relativ hohe Zahl. Fast alle erhaltenen Bälge des Riesenalks – bis auf vier – zeigen die Vögel im Sommerkleid. Es existieren auch keine Präparate von Jungvögeln, weshalb wir nicht wissen, wie diese ausgesehen haben. Die folgende Liste bietet eine Auswahl von Museumsexemplaren, Eiern und Skeletten des Riesenalks in Deutschland, Europa, den USA und Kanada:

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