Hangwachtel Gould
Gemälde eines Himalayawachtel-Pärchens von John Gould aus dem Jahr 1883. Weibchen sind kleiner und heller; Männchen haben dunklere Federn, eine weiße Stirn sowie weiße Flecken in Augennähe. Der Gattungsname leitet sich von Ophrys ab, was sich auf die Augenbraue bezieht. (© John Gould, Public domain, via Wikimedia Commons)

Himalayawachtel

Ein rätselhafter Vogel

Die Himalayawachtel gehört zu den Rätseln der Vogelfauna. Sie wurde zuletzt 1876 nachweislich gesichtet, und alle danach unternommenen Suchexpeditionen blieben erfolglos. Dennoch glauben viele Wissenschaftler, dass sie bis heute überlebt haben könnte. Auch die IUCN führt den Vogel aus der Familie der Fasanenartigen (Phasianidae) als „vom Aussterben bedroht“. Aufgrund ihrer versteckten Lebensweise und einiger vermeintlicher Sichtungen rund um die indische Kleinstadt Nainital im Jahr 2003 nimmt die Weltnaturschutzunion an, dass eine sehr kleine Population noch existieren könnte.

Karte / Verbreitungsgebiet der Himalayawachtel
Die zwei Orte in Nordindien, an denen Himalayawachteln gesichtet und gesammelt worden. (© L. Shyamal, Public domain, via Wikimedia Commons)

Die Himalaya- oder Hangwachtel, eine monotypische Spezies, ist nur von zwei Orten im Höhenbereich von 1.540 bis 1.840 Metern und durch zwölf gesammelte Individuen bekannt. Alle diese Exemplare stammen aus dem westlichen Himalaya-Gebirge im indischen Bundesstaat Uttarakhand im Nordwesten Indiens, speziell aus den Regionen um die Städte Masuri (Mussoorie) und Nainital, die etwa 180 Kilometer voneinander entfernt liegen. Beide Orte befinden sich in den „Kleinen Himalayas“, eine Region des Himalaya-Gebirges, die sich zwischen den tiefer gelegenen Shiwalik-Hügeln und den höheren, schneebedeckten Gipfeln der „Großen Himalayas“ befindet. Sie zeichnet sich durch ihre mittleren Höhenlagen und gemäßigten klimatischen Bedingungen aus.

Der letzte Nachweis einer Himalayawachtel stammt aus dem Jahr 1876, als an den Osthängen des Himalaya-Berges Sher ka Danda in der Nähe von Nainital ein einzelner Vogel erlegt und ein zweiter beobachtet wurde. William Robert Ogilvie-Grant, ein schottischer Ornithologe, schrieb 1896 in A handbook to the game-birds:

„Dies ist immer noch einer der am wenigsten bekannten indischen Wildvögel, die Gesamtzahl der aufgezeichneten Exemplare beläuft sich auf weniger als ein Dutzend. Soweit ich weiß, wurden keine weiteren Exemplare seit dem von Major Carwithen 1876 in der Nähe von Nainital geschossenen Vogel gefunden.“

A handbook to the game-birds. 1896, S. 213-214. W. R. Ogilvie-Grant.

Der britische Zoologe John Edward Gray beschrieb die Himalayawachtel 1846 anhand lebender Exemplare aus der Sammlung des damaligen Earl of Derby in Knowsley Hall, England. Als Fundstelle gab er „Indien“ an, war sich aber nicht sicher. Erst 1865 wurden Himalayawachteln dann erstmals in freier Wildbahn gesichtet: Ein gewisser Kenneth Mackinnon stieß im November auf ein Paar in 1.800 Metern Höhe in der Nähe von Masuri . In den Jahren 1867 und 1868 wurden weitere Vögel in ungefähr derselben Gegend geschossen. Nun war sicher, dass diese Wachtelart in Indien endemisch ist.

Himalayawachtel – Steckbrief

alternative BezeichnungenHimalaya-Wachtel, Himalajawachtel, Himalaja-Wachtel, Hangwachtel, Pahari bater
wissenschaftliche NamenOphrysia superciliosa, Malacortyx superciliaris, Malacortyx superciliosa, Rollulus superciliosus, Ortiga superciliosa
englische NamenHimalayan quail, Mountain quail, Himalayan mountain quail, Indian mountain quail, eyebrowed quail, eyebrowed rollulus, slate-coloured partridge, mountain pheasant-quail, pheasant-quail
ursprüngliches VerbreitungsgebietHimalaya-Gebirge (Nordwest-Indien)
letzter Nachweisvermutlich 1876
Ursachen für das Aussterbenunklar, vermutlich Lebensraumverlust und Bejagung
IUCN-Statusvom Aussterben bedroht (sehr kleine und begrenzte Population)

Himalayawachtel: Zugvogel oder Kurzstreckenzieher?

Himalayawachtel-Männchen
Vor 1950 gesammeltes Himalayawachtel-Männchen im Naturalis Biodiversity Center in Leiden, Niederlande. (© Huub Veldhuijzen van Zanten/Naturalis Biodiversity Center, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Aufgrund der wenigen gesammelten und gesichteten Himalayawachteln und des kurzen Zeitraums bis zur letzten Sichtung ist es nicht verwunderlich, dass man nur wenig über die Lebensweise dieser Spezies weiß. Ein Großteil der Informationen über diesen Vogel stammt aus den Aufzeichnungen von Captain J. Hutton. Seine Beobachtungen wurden in The Game Birds of India, Burmah and Ceylon (1879-1881) von den Ornithologen Allan O. Hume und Charles H. T. Marshall dokumentiert.

Als Zeitzeuge berichtet Hutton, dass die Himalayawachtel besonders scheu war, sich meist in dichtem Unterholz oder an steilen Hängen aufhielt (daher auch der Name Hangwachtel). Sie bevorzugte dichtes und hohes Gras und flog nur ungern auf, wodurch sie schwer zu entdecken und zu beobachten war. Laut Hutton konnten die Vögel nur zum Vorschein und zum Fliegen gebracht werden, wenn man fast auf sie trat oder sie von einem Hund aufgescheucht wurden. Während des langsamen, niedrigen und schwerfälligen Flugs gaben sie einen schrillen Pfeifton von sich und ließen sich bei der nächstbesten Gelegenheit wieder ins Gras fallen.

Der englische Zoologe William Thomas Blanford verwies 1898 in Fauna of British India, including Ceylon and Burma auf das lange und weiche Gefieder der Himalayawachteln, das darauf hindeutet, dass die Vögel eigentlich Bewohner kälterer Klimaregionen sind. Aus dem diesem Grund könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Wachteln nur gelegentliche Besucher des Nordwest-Himalayas sind. Auch Allan O. Hume nahm an, dass die Art im Frühjahr oder in den Sommermonaten nach Norden und in höhere Lagen zu den höheren Bergen wanderte.

Der englische Vogelkundler Frank Finn vermutete in seinem Buch The Game Birds of India and Asia (1911) ebenfalls, dass die Himalayawachtel in den Sommermonaten nach Norden in die höheren Bergregionen zog. Er ging auch davon aus, dass es sich um einen Zugvogel handelt. Allerdings lassen Form und Größe der Flügel darauf schließen, dass diese Tierart kaum in der Lage war, weite Strecken zurückzulegen. Einige Hinweise deuten darauf hin, dass die Himalayawachtel ein Kurzstreckenzieher ist, der zwischen seinen Brutgebieten im Sommer und den getrennten Winterquartieren wandert. Das bedeutet, sie brütete in einem zusammenhängenden Gebiet und zog dann im Winter in verschiedene, weiter auseinanderliegende Gebiete.

Die Zoologen Ingo Rieger und Doris Walzthöny stellen in Searching for Mountain Quails (1993) genauere Überlegungen zu den Flügeln der Himalayawachteln an. Auch sie stellen fest, dass die Flügel vergleichsweise klein sind und nur etwa 35 Prozent der Gesamtkörperlänge ausmachen, was deutlich weniger ist als bei anderen Wachtelarten. Zum Beispiel haben Feldwachteln (Coturnix coturnix) Flügel, die 60 bis 65 Prozent ihrer Gesamtkörperlänge ausmachen. Aufgrund dieser geringen Flügelgröße und im Einklang mit früheren Beobachtungen nehmen sie an, dass Himalayawachteln schlechte Flieger sind.

Anhand der vorhandenen Museumsexemplare lässt sich die Art gut beschreiben: Die Himalayawachtel konnte eine Körperlänge von 25 Zentimetern erreichen, wobei die Weibchen etwas kleiner waren. Auch in der Gefiederfarbe unterschieden sich Männchen und Weibchen. Ausgewachsene Männchen waren insgesamt dunkler und hatten eine weiße Stirn und ein weißes Überaugenband. Die Himalayawachteln unterschieden sich von anderen Wachteln in ihren roten Beinen und den roten Schnabel. Die kurzen Füße und der Schnabel sind kräftig. Auch die weißen Flecken vor und hinter den Augen der männlichen Vögel machen diese Wachtelart einzigartig.

Ist die Himalayawachtel doch nicht ausgestorben?

Da die Himalayawachteln so geschickt darin waren, sich zu verstecken und sich auch kaum aufscheuchen ließen, ist es durchaus denkbar, dass sie in der riesigen und abgelegenen Bergregion im Nordwesten Indiens mehr als hundert Jahre lang unentdeckt geblieben sein könnten.

Lebensraum der Himalayawachtel
Das 1993 gegründete Vinog Mountail Quail Sanctuary ist ein Schutzgebiet. Dort lebte einst die Himalayawachtel. (© Dr. Raju Kasambe, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Die Aufzeichnungen über die Himalayawachtel sind spärlich: Die letzten Exemplare wurden 1876 gesichtet und seitdem gibt es keine bestätigten Nachweise. Eine Studie aus dem Jahr 2010 schätzt, dass die Himalayawachtel in den späten 1890er-Jahren, nur rund 20 Jahre nach den letzten Sichtungen, ausgestorben sein könnte.

Jedoch gibt es einige unbestätigte Sichtungen, die Hoffnung auf eine kleine überlebende Population wecken. So wurden möglicherweise 1984 in Suwakholi und 2003 in Nainital Himalayawachteln gesichtet. Auch 2010 soll ein Jäger ein Weibchen der Himalayawachtel gesehen haben, wie die IUCN berichtet. Diese Sichtungen beschreiben tatsächlich Hühnervögel, die den Himalayawachteln ähneln, sodass eine kleine Restpopulation in abgelegenen Regionen des unteren oder mittleren Himalaya-Gebirges nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Wissenschaftler um Jonathan C. Dunn der Newcastle University untersuchten in einer 2015 veröffentlichten Studie potenzielle Lebensräume, in denen die Himalayawachtel noch existieren könnte. Sie stellten fest, dass die historischen Fundorte der Vögel wahrscheinlich nicht mehr ihre heutigen Lebensraumpräferenzen widerspiegeln, da diese Gebiete umfangreichen Veränderungen unterlagen. Um nach der verschollenen Spezies zu suchen, müssen Expeditionen daher auf die am besten geeigneten Gebiete ausgerichtet werden.

Indem Dunn und sein Team zwei ähnliche Arten mit ähnlichen Lebensraumanforderungen, den Schopffasan (Catreus wallichii) und den Rostschwanz-Glanzfasan (Lophophorus impejanus), als Stellvertreter nutzten und Modelle für Klima, Topographie und Landbedeckung erstellten, konnten sie potenzielle Lebensräume der Himalayawachtel identifizieren. Sie bestimmten 923 km² rund um Masuri in Nordindien als geeignete Gebiete für weitere Erhebungen und erstellten eine Liste von vorrangigen Expeditionszielen. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die früheren Fundorte Masuri und Nainital heute möglicherweise nicht mehr als Lebensräume der Himalayawachtel infrage kommen. Jetzt muss nur noch jemand nach ihr suchen…

Erklärungen zur Verteilung und zum Verschwinden von Himalayawachteln

Rieger und Walzthöny stellten in ihrer Studie (1993) die Frage, warum Himalayawachteln nur an zwei Orten geschossen wurden, die 180 Kilometer voneinander entfernt liegen. Ihrer Meinung nach ist die Beantwortung dieser Frage von entscheidender Bedeutung für die Wiederentdeckung der Wachteln. Die Wissenschaftler entwickelten zwei Modelle, um zu erklären, wie die Himalayawachteln zu dieser getrennten geografischen Verbreitung gelangten:

Modell 1 – Rückzug vor dem Menschen

Dieses Modell basiert auf der Annahme, dass Himalayawachteln als sogenannte Kulturflüchter sensibel auf menschliche Aktivitäten reagieren und diese meiden. Zudem sind sie schlechte Flieger. Mit der Zunahme der menschlichen Bevölkerung in den Kleinen Himalayas zogen sich die Vögel in höhere, weniger von Menschen frequentierte Gebiete zurück. Dadurch wurden ihre Lebensräume auf wenige hohe Gipfel beschränkt, was ihren Lebensraum stark einschränkte.

Modell 2 – Verschieben der Vegetationsgürtel

Während des Pleistozäns änderten sich die Vegetationsgürtel durch die Rückgänge der Gletscher. Himalayawachteln folgten diesen Vegetationsgürteln in höhere Lagen, als die Temperaturen stiegen und die Gletscher sich zurückzogen. Dadurch wurde ihr ursprünglich großes Verbreitungsgebiet in mehrere kleinere, isolierte Gebiete aufgeteilt. Möglicherweise wurden die Himalayawachteln aufgrund von Veränderungen ihres Lebensraums in niedrigeren Höhenlagen in suboptimale, höhere Gebiete verdrängt, was zu lokalem Aussterben in einigen Gebieten führte.

Beide Modelle zeigen, dass die Himalayawachteln aufgrund äußerer Einflüsse in höhere, abgelegene Gebiete gedrängt wurden. Zukünftige Wiederentdeckungsbemühungen müssten sich demnach auf höhere, weniger zugängliche Regionen konzentrieren, um mögliche Restpopulationen des verschollenen Vogels zu finden. Errol Fuller unterstützt diese Erkenntnisse in Extinct Birds (2000), indem er darauf hinweist, dass alle bekannten Sichtungen des Vogels im westlichen Himalaya-Gebirge innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums von 30 Jahren stattfanden. Es ist möglich, dass die Himalayawachteln zuvor an einem noch abgelegeneren Ort lebten, sich aber aufgrund eines unbekannten Ereignisses in besser untersuchte Gebiete zerstreuten und so erst entdeckt wurden.

Jagd und Lebensraumverlust als mögliche Aussterbeursachen

Himalayawachteln
Himalayawachteln besaßen besonders lange Schwanzfedern. (© P: Dougalis, Public domain, via Wikimedia Commons)

Die genauen Gründe für das Aussterben der Himalayawachtel sind unbekannt. Einige Autoren vermuten, dass Umweltveränderungen zur Ausrottung der Art geführt haben, während andere die Bejagung und den Verlust ihres Lebensraums als Hauptursachen sehen.

Der letzte Nachweis der Art, etwa 60 Jahre vor der Unabhängigkeit Indiens von der britischen Kolonialherrschaft im Jahr 1947, deutet darauf hin, dass die intensive Jagd während der Kolonialzeit zu ihrem Rückgang beigetragen haben könnte. Zu dieser Zeit waren Jagdaktivitäten, insbesondere durch britische Kolonialherren und ihre Gefolgsleute, eine verbreitete Freizeitbeschäftigung und Sport.

Dieter Luther schreibt jedoch in Die ausgestorbenen Vögel der Welt (1986), dass „die Art als jagdbares Federwild keiner größeren Verfolgung ausgesetzt gewesen“ sei als andere dort lebende Vögel, und dass „menschliche Aktionen als mögliche Ursache ausscheiden sollten“. Auch der Zeitgenosse Mackinnon berichtete, dass die Jagd auf eine Himalayawachtel „einen immensen Aufwand beim Schießen erforderte“ und dass sich der Vogel „als schlecht essbar erwies“.

Im Gegensatz zum 19. oder frühen 20. Jahrhundert haben die Gebiete um Masuri und Nainital heute eine hohe und zunehmende Bevölkerungsdichte. Dies führt in der Regel zur Abholzung von Wäldern, Veränderungen in der Landnutzung und erhöhter Verschmutzung. Die Zerstörung natürlicher Lebensräume zugunsten von Landwirtschaft hat sicherlich zum Verschwinden der Art beigetragen. Überweidung durch Weidewirtschaft hat dazu geführt, dass Grashänge heute stark beeinträchtigt sind. Auch der Tagebau von Kalkstein und damit verbundene Störungen könnten Faktoren für den Rückgang der Art gewesen sein.

Die Geschichte der Himalayawachtel erinnert stark an die der Rosenkopfente, die 1949 zuletzt nachgewiesen wurde. Beide Arten bewohnen abgelegene, schwer zugängliche Gebiete im Süden Asiens und könnten durch intensive Bejagung sowie den Verlust ihres natürlichen Lebensraums stark dezimiert worden sein. Trotz Jahrzehnten ohne bestätigte Sichtungen gibt es anhaltende Bemühungen, beide Arten durch gezielte Expeditionen und moderne Überwachungstechniken wiederzuentdecken.

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