Ausgestorbene Wirbellose

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Die unsichtbare Mehrheit: Wirbellose Tiere

ausgestorbene Wirbellose: Astacus nigrescens
Der Flusskrebs Pacifastacus nigrescens wurde vom Signalkrebs aus seinem Lebensraum verdrängt. (© University of Washington, Public domain, via Wikimedia Commons)

Wirbellose Tiere (Invertebrata), wie der Name schon sagt, zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine Wirbelsäule haben, im Gegensatz zu den Wirbeltieren (Chordatiere). Diese Gruppe umfasst eine Vielzahl von Organismen, auch Insekten. Ebenfalls wirbellos sind zum Beispiel Spinnen, Schnecken, Muscheln, Quallen, Tintenfische, Skorpione, Krebse, Seesterne, Würmer, Korallen oder Bärtierchen. Die genaue Anzahl der wirbellosen Tierarten auf der Erde ist schwer zu bestimmen, da viele Arten noch nicht entdeckt oder wissenschaftlich beschrieben wurden. Es wird geschätzt, dass es Millionen von wirbellosen Tierarten gibt, wobei mehr als 95 Prozent aller Tierarten wirbellos sind.

Die Vielfalt der wirbellosen Tierarten ermöglicht es ihnen, eine breite Palette von Lebensräumen zu besiedeln, die sich über verschiedene Ökosysteme erstrecken. Einige leben in hydrothermalen Quellen, an Meeresböden oder in Korallenriffen, während andere in Süßwasserhabitaten wie Flüssen, Seen oder Feuchtgebieten vorkommen. Darüber hinaus findet man wirbellose Tiere auch in terrestrischen Lebensräumen wie Wäldern, Wiesen, Wüsten und der arktischen Tundra. Einige Arten haben sich an extreme Bedingungen angepasst, wie die Trockenheit der Wüste oder die Kälte der Polarregionen.

Diese Vielfältigkeit und die oft geringe Körpergröße der wirbellosen Tiere machen es schwierig, ihren Gefährdungsstatus genau zu bestimmen. Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) hat 381 wirbellose Tierarten als ausgestorben gelistet, darunter 58 Insektenarten. Die meisten dieser ausgestorbenen Arten (296) sind Weichtiere (Mollusca) wie Schnecken, Muscheln, Tintenfische und Kraken. Es ist anzunehmen, dass viele weitere wirbellose Arten ausgestorben sind, da die IUCN bei ihren Einschätzungen äußerst vorsichtig ist und einige Arten als „kritisch bedroht“ führt, obwohl sie seit über 100 Jahren nicht mehr nachgewiesen wurden.

Mit dem IUCN Rote Liste-Update im Oktober 2024 wurden fünf weitere Schneckenarten der Gattung Partula als ausgestorben klassifiziert. Damit sind von den 93 von der IUCN gelisteten Baumschnecken aus Polynesien nun 32 als „ausgestorben“ eingestuft. Weitere 10 Arten gelten aktuell als in der Wildnis ausgestorben, 25 als vom Aussterben bedroht, 18 als stark gefährdet und 3 als gefährdet.

Lebensraumverlust – eine der größten Bedrohungen

Die Gründe für das Verschwinden wirbelloser Tiere sind so vielfältig wie die Tiere selbst und reichen von Lebensraumverlust bis hin zur Bedrohung durch Parasiten. Ein Hauptfaktor ist oft der menschliche Eingriff in ihre Lebensräume, sei es durch Abholzung, Bergbau oder Urbanisierung. Die Übernutzung von Ressourcen wie Überweidung, Überfischung oder das Sammeln von Tieren für den Handel trägt ebenfalls zum Verschwinden von Arten bei. Der Klimawandel und Umweltverschmutzung verschärfen die Lage weiter, indem sie die Lebensbedingungen der Tiere beeinträchtigen und sie anfälliger für Krankheiten machen.

ausgestorbene Wirbellose: Namibcypris costata
Der Muschelkrebs Namibcypris costata aus Namibia starb vermutlich aufgrund der Reinigung der Quellen, in denen er lebte, Mitte der 1990er-Jahre aus. (© Apokryltaros, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Einige wirbellose Arten leben nur an einem einzigen kleinen Ort, und wenn dieser Lebensraum zerstört wird, führt das zum Aussterben der Art. So geschehen bei der Pasadena-Süßwassergarnele: Das Gewässer, in dem sie lebte, wurde durch Kanalisierung und Urbanisierung vollständig zerstört. An der Stelle, an der die Garnelenart 1897 entdeckt wurde, steht nun das Rose-Bowl-Stadion.

Ein weiteres Beispiel ist der Lake-Pedder-Regenwurm, der ausschließlich im Lake Pedder vorkam, einem See in Tasmanien, starb 1972 unmittelbar nach dem Bau von Staudämmen am See aus. Die ehemaligen Sandstrände rund um das Gewässer, in denen der Regenwurm lebte, liegen heute unter Wasser.

Der Brasilianische Riesenregenwurm, der über zwei Meter lang wurde, hatte vermutlich ebenfalls nur ein sehr begrenztes Verbreitungsgebiet, sodass Lebensraumverlust zu seinem Aussterben Anfang des 20. Jahrhunderts führte. Auch die Cascade-Trichternetzspinne, endemisch in Tasmanien, verschwand wahrscheinlich um 1926 aufgrund von städtebaulichen Entwicklungen, die ihren Lebensraum zerstörten.

Ausgestorbene Wirbellose durch Invasoren

Besonders gefährdet sind endemische Arten, die nur auf Inseln vorkommen. Die Zerstörung ihrer Lebensräume und das Einschleppen von Tieren und Pflanzen führen oft zu ihrem Untergang. Die Liste der ausgestorbenen Arten, die einst auf Inseln wie den Seychellen oder Hawaii beheimatet waren, ist enorm lang.

Bevor der Mensch die Hawaii-Inseln besiedelte, gab es dort etwa 750 Arten von Baumschnecken. Heute gelten die meisten von ihnen als vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Von den 41 nachtaktiven Schneckenarten der Gattung Achatinella, die ausschließlich auf der Insel Oahu leben, sind mindestens 16 ausgestorben. Zwei Beispiele sind Achatinella buddii, die seit 1900 nicht mehr gesichtet wurde, und Achatinella apexfulva, von der das letzte Exemplar 2019 verstarb.

ausgestorbene Baumschnecke Achatinella buddii
Die Baumschneckenart Achatinella buddii gehört zu den vielen ausgestorbenen Wirbellosen auf dem Hawaii-Archipel. (© Naturalis Biodiversity Center, CC0, via Wikimedia Commons)

Die Hauptgründe für das Verschwinden sind neben dem Sammeln von Schnecken und dem Verlust ihres Lebensraums auf der Insel eingeschleppte invasive Tiere und Pflanzen, wie zum Beispiel die Rosige Wolfsschnecke (Euglandina rosea) und Hausratten (Rattus rattus). Die Rosige Wolfsschnecke wurde in den 1950er-Jahren auf Oʻahu eingeführt, um die zuvor eingeschleppte Achatschnecke zu bekämpfen, fraß dann aber auch Baumschnecken.

Auch auf den Seychellen, wo mehr als 1.000 wirbellose Arten endemisch sind, gelangten mit den Menschen zahlreiche Tiere wie Ratten, Schweine, Rinder oder Hühner und auch Pflanzen wie der Zimtbaum, die die einheimische Flora und Fauna teilweise zerstörten. Seit Ende des 19. Jahrhunderts sind so auf den Seychellen mindestens fünf Weberknecht-Arten ausgestorben, darunter Centrobunus braueri.

Der Flusskrebs Pacifastacus nigrescens starb aus, nachdem der Signalkrebs samt Krebspest-Erregern, einer tödlich verlaufenden Pilzkrankheit bei Krebsen, nach Kalifornien gelangte. Heute ist der Signalkrebs in den meisten europäischen Ländern als Neozoon zu finden. Er stellt eine große Bedrohung für die drei heimischen Flusskrebsarten Mitteleuropas dar.

Wenn die Wirtstiere von Parasiten aussterben

Das Aussterben einer Tier- oder Pflanzenart kann eine Kettenreaktion auslösen, bei der mindestens eine weitere Art ebenfalls verschwindet. Besonders bei zu den Wirbellosen zählenden Parasiten, die eng mit einem Wirt verbunden sind, ist dies der Fall. Stirbt der Wirt aus, geht auch der Parasit verloren. So ist beispielsweise mit der aus Nordamerika stammenden Wandertaube auch die Wandertaubenmilbe im Jahr 1914 ausgestorben. Ähnlich erging es der Nasenmilbe Halarachne americana, die ausschließlich die Atemwege der um 1952 ausgestorbenen Karibischen Mönchsrobbe besiedelte. Weitere Beispiele sind die Federmilbe Chiasmalges carolinensis, die parasitär auf den Federn des Karolinasittichs lebte, oder die Laus Rallicola extinctus, die auf den Huia als Wirt spezialisiert war.

Bei einigen weniger erforschten wirbellosen Arten können nur Vermutungen darüber angestellt werden, warum sie ausgestorben sind. Dazu gehört beispielsweise der augenlose Höhlenskorpion Akrav israchanani, der vermutlich nur in zwei Höhlensystemen in Israel vorkam. Auch das Aussterben der auf Mauritius heimischen Landschneckenarten Plegma duponti und Tropidophora carinata im 19. Jahrhundert bleibt unklar.

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