In Naturhistorischen Sammlungen verstecken sich manchmal über Jahrzehnte hinweg unbemerkt nicht wissenschaftlich beschriebene Tier- oder Pflanzenarten, die auf den ersten Blick ihren Verwandten gleichen. Erst ein genaueres Hinsehen oder auch genetische Analysen offenbaren schließlich, dass es sich um eine bis dato unbekannte Art handelt. So geschehen in Simbabwe: Tom Major und sein Team von der Bangor University haben mithilfe von phylogenetischen und morphologischen Untersuchungen an einer sich seit 1982 im Natural History Museum of Zimbabwe befindlichen präparierten Schlange, herausgefunden, dass das Reptil einer neuen Spezies angehört. Die wissenschaftliche Erstbeschreibung von Hemachatus nyangensis wurde Ende September in der Online-Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht.
Die zweite Art der Gattung Hemachatus
Bei Hemachatus nyangensis handelt es sich um die zweite Art der Gattung Hemachatus. Bislang war die Ringhalskobra oder Südafrikanische Speikobra (H. haemachatus) als einzige Vertreterin der Gattung eine monotypische Art. Die Schlange, die wahrscheinlich überfahren wurde und dann ins Museum gelangte, stammte aus dem Osten von Simbabwe von den Eastern Highlands, einer Bergkette an der Grenze zu Mosambik.
So ganz unbekannt war die Existenz von H. nyangensis nicht, denn bereits seit 1920 weiß die Wissenschaft von einer Population mit sich zur Verteidigung aufrichtenden Schlangen in den Eastern Highlands, die als Kobras beschrieben wurden. Da keine vollständigen Exemplare existieren, war es nicht möglich, die Schlangenart eindeutig zu identifizieren. Auch dem Herpetologen Donald G. Broadley, der seit 1956 im Museum in Simbabwe arbeitete, standen nur ein paar unvollständige Schädel zur Verfügung. So nahm er an, es handele sich um die bekannten Ringhalskobras, die allerdings 700 Kilometer weiter südlich vorkommen.
Dank neuartiger Methoden gelang den Wissenschaftlern mittels einer Genomstudie zu beweisen, dass die Nyanga-Ringhalskobras aus Simbabwe einer anderen Art angehören als die südafrikanischen Ringhalskobras. So soll sich H. nyangensis bereits vor sieben bis 14 Millionen Jahren von H. haemachatus getrennt und zu einer neuen Art entwickelt haben.
Nicht nur genetisch, sondern auch optisch unterscheidet sich die Nyanga- von der südafrikanischen Ringhalskobra: H. nyangensis hat eine außergewöhnliche Färbung und zeigt rote Haut unter ihren Schuppen, die sichtbar wird, wenn sie ihren Hals spreizt. Dabei bildet sich ein Muster aus schwarzen Punkten auf rotem Untergrund. Auch wenn die neue Art aus Simbabwe nie dabei beobachtet wurde, Gift zu spucken, weisen ihre Fangzähne auf dieses für Speikobras typische Verhalten hin.
Neu entdeckte Schlangenart Hemachatus nyangensis wahrscheinlich bereits ausgestorben
Die Forscher der Studie gehen davon aus, dass die Nyanga-Speikobras bereits ausgestorben sein könnten. Bis in die 1980er-Jahre habe man zwar Exemplare gesichtet, aber das Überleben der Art sei aufgrund der Veränderungen im Lebensraum fraglich. Durch Landwirtschaft, illegalem Holzeinschlag, Goldabbau und invasiven Pflanzenarten habe sich die Region seit den 1980er-Jahren dramatisch verändert.
Es heißt, die Nyanga-Ringhalskobra wurde zuletzt 1988 gesehen und anschließende Expeditionen lieferten keine Hinweise auf ihre Existenz. Trotzdem schlagen die Forscher vor, in den verbliebenen Lebensräumen im östlichen Teil des Nyanga-Nationalparks nach der Art zu suchen. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass Arten, von denen man dachte, sie seien ausgestorben, doch wiederentdeckt werden konnten, darunter die Wallace-Riesenbiene (Megachile pluto) und die Fergusson-Fasanentaube (Otidiphaps insularis).
Die Wissenschaftler der Studie zeigen sich optimistisch: „Die Beschreibung von H. nyangensis sp. Nov. lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Eastern Highlands in Simbabwe als Gebiet mit hoher Biodiversität und Endemismus. Wir bleiben zuversichtlich, dass die Art letztendlich in den weniger von Menschen beeinflussten Teilen der Nyanga Highlands wiederentdeckt wird, und wir ermutigen nachdrücklich zu erneuten Felduntersuchungen, um ihre Existenz zu bestätigen.“
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