Tristramella intermedia – Ausgestorben oder nicht?
Die Fischgattung Tristramella umfasst Buntbarsche (Cichlidae) des Nahen Ostens. Die Fische leben beispielsweise im See Genezareth, im Hulasee oder im Jordan und seinen Nebenflüssen. Eine dieser Buntbarscharten lebte im nordisraelischen Hulasee, verschwand aber, nachdem der See und die ihn umgebenden Marsch- und Sumpfgebiete in den 1950er-Jahren bis auf kleine Teile trockengelegt wurden. Die Frage ist nun: Gab es diese Art nur im Hulasee und ist sie mit der Zerstörung ihres Lebensraums ausgestorben? Oder ist lediglich die Population aus dem Hulasee verschwunden, die Art existiert aber noch in anderen Gewässern? Beim Karpfenfisch Acanthobrama hulensis wissen wir es sicher, den gab es nur im Hulasee, bevor er verschwand.
Die Rede ist von Tristramella intermedia. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN beruft sich auf die Ichthyologin Nina Bogutskaya und führt Tristramella intermedia als eigenständige Art, die ausschließlich im Hulasee existierte und mit der Drainage des Sees ausgestorben ist.
Unter Wissenschaftlern existieren verschiedene Ansichten den Artstatus des Fischart betreffend. Andere Fischkundler nämlich erachten den einst im Hulasee lebenden Süßwasserfisch als Unterart einer anderen Buntbarschart: Tristramella simonis. Und dann gibt es noch Biologen, die der Auffassung sind, T. simonis und T. intermedia sind Synonyme beziehungsweise ein und dieselbe Art.
Wenn T. intermedia tatsächlich T. simonis ist, dann wäre die Art gar nicht ausgestorben. T. simonis ist nämlich, einer Untersuchung (2009) von Kai Borkenhagen und Jörg Freyhof zufolge, in Israel und Syrien weit verbreitet. Eines ist sicher: Eine Buntbarsch-Population im Hulasee ist ausgestorben. Nicht so sicher ist, ob es T. simonis war, der auch noch in anderen Gewässern vorkommt, oder T. intermedia, der im Hulasee endemisch war.
Tristramella intermedia – Steckbrief
wissenschaftliche Namen | Tristramella intermedia, Tristramella simonis intermedia, Tristramella simonis |
ursprüngliches Verbreitungsgebiet | Hulasee (Israel) |
Zeitpunkt des Aussterbens | 1970er-Jahre |
Ursachen für das Aussterben | Lebensraumverlust durch Trockenlegung von See und Sumpf |
Mehr zum Artstatus von Tristramella intermedia
Der israelische Meeresbiologe Adam Ben-Tuvia beschrieb 1959 in The Biology of the Cichlid Fishes of Lake Tiberias and Huleh Unterschiede zwischen Tristramella simonis simonis und der ausgestorbenen Unterart Tristramella simonis intermedia. So ist die Laichzeit bei T. s. intermedia von März bis Juni, und bei T. s. simonis von April bis August. Außerdem beteiligen sich bei T. s. intermedia beide Elterntiere bei der Brutpflege, bei T. s. simonis nur das Weibchen. Bei den Buntbarschen handelt es sich um Maulbrüter.
Ein Jahr später erschien die Studie The cichlid Fishes of the Genus Tristramella Trewavas (1960). Darin verglichen Ben-Tuvia und der deutsch-jüdische Ichthyologe Heinz Steinitz zusätzlich die morphologischen Eigenschaften beider Arten und zeigen, dass sie verschieden sind.
Die Ichthyologen F. Krupp und W. Schneider bewerten in ihrer Darstellung The Fishes of Jordan River Drainage Basin and Azraq Oasis (1989) die bis dato gemachten Untersuchungen zur Klärung des Artstatus von T. intermedia. Die morphologischen Differenzen, das unterschiedliche Laich- und Brutverhalten sowie auch das sympatrische Vorkommen rechtfertigen, dass es sich um zwei verschiedene Arten handelt. Allerdings fehle es an weiteren Studien und Vergleichsmaterial.
Leider haben Steinitz und Ben-Tuvia versäumt, Exemplare von T. s. intermedia aus dem Hulasee mit derselben Unterart aus dem See Genezareth zu vergleichen. Die IUCN nennt die 1970er-Jahre als Zeitpunkt für das Verschwinden der Buntbarschart T. intermedia im Hulasee.
Die Trockenlegung des Hulatals: Vom Vorzeigeprojekt zur Naturkatastrophe
Zunächst sah es nach einem modernen Vorzeigeprojekt der Jewish National Fund (JNF) aus. Der erst vor kurzem gegründete Staat Israel war regelrecht stolz, es geschafft zu haben, eine Fläche von rund 60 Quadratkilometern zu entwässern. Bauern siedelten sich dort an und es entstanden riesige Ackerflächen für Getreide und Früchte.
Dass durch den Eingriff in das Ökosystem viele seltene, teils nur dort vorkommende Pflanzen- und Tierarten verloren gegangen sind, war für die israelische Regierung erst einmal nebensächlich. Die Hauptanliegen, die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität und die Eindämmung von in den Sümpfen lebenden Malaria-Mücken, standen im Vordergrund.
Jahrzehnte später zeigten sich weitere Folgen der Entwässerung: Durch den ausgedörrten Boden gelangte mit chemischen Düngemitteln versetztes Wasser in den See Genezareth, dem bedeutendsten Süßwasserreservoir des Landes, worunter seine Wasserqualität litt. Zudem kam es im Hulatal immer wieder zu spontanen unterirdischen Torfbränden, die nur schwer zu löschen waren.
In Sümpfen bildet sich durch die Zersetzung pflanzlicher Substanzen Torf. Im trockenen Zustand ist Torf brennbar. So auch im Hulatal, wo das Sumpfland drainiert worden war. Ist ein Moor nass, brennt es nicht.
Die Renaturierung des Hulatals
Für die aufkommende Umweltbewegung Israels waren die Auswirkungen auf die Hulaebene nicht nebensächlich. So gab die Trockenlegung zur landwirtschaftlichen Erschließung des Hulatals den Anstoß für die Gründung der Naturschutzorganisation Society for the Protection of Nature in Israel (SPNI) im Jahr 1953. Naturschützer und Wissenschaftler setzten sich für den Erhalt der ursprünglichen Hulaebene ein, sodass 1964 ein kleines, den Hulasee umgebendes Areal von 3,5 Quadratkilometern zum ersten Naturschutzgebiet Israels erklärt werden konnte. Das ursprüngliche Sumpfland ließ sich größtenteils wieder herstellen.
Die Renaturierung des Hulatals ging weiter und Experten konnten einen Teil durch gezielte Flutung in Feuchtgebiet zurück verwandeln. Dies bewirkte den Anstieg des Wasserspiegels des Flusses Jordan an und seit 1994 kann er seine Aufgabe als wichtigster Süßwasserlieferant für den See Genezareth wieder erfüllen. Mittlerweile hat sich das Ökosystem im Hulatal erholt und verschiedene Tier- und Pflanzenarten wurden wieder angesiedelt. Im Jahr 2011 entdeckten Parkmitarbeiter sogar den seit 1955 für ausgestorben erklärten Hula-Frosch, den Israelischen Scheibenzüngler (Latonia nigriventer), wieder.
Andere bislang ausgestorbene Barsche sind zum Beispiel der in den 1980er-Jahren verschwundene Galápagos-Riffbarsch und der in Nordamerika endemische Blaue Glasaugenbarsch, der 1965 oder später ausstarb.
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