Europäische Arten vom Aussterben bedroht: Feldhamster (Cricetus cricetus)
Der Feldhamster (Cricetus cricetus) wird von der IUCN als vom Aussterben bedroht gelistet, Tendenz sinkend. Sein Verbreitungsgebiet umfasst unter anderem Mittel- und Osteuropa. Ohne weitere Schutzmaßnahmen könnte der Feldhamster bald ausgestorben sein. SgH Vienna, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Studie: 19 % der europäischen Arten vom Aussterben bedroht

Eine kürzlich im Fachmagazin PLOS One veröffentlichte Studie zeigt, dass in Europa etwa ein Fünftel (19,4 %) aller Arten vom Aussterben bedroht sind, was 2.839 Spezies entspricht. Von diesen werden 50 Spezies als ausgestorben oder regional ausgestorben und weitere 75 als möglicherweise ausgestorben eingestuft. Das Forschungsteam, unter der Leitung von Axel Hochkirch vom Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg und der Universität Trier, bewertete insgesamt 14.669 Tier- und Pflanzenarten, die Ende 2020 auf der Roten Liste für Europa standen.

Weitere Ergebnisse zeigen, dass vor allem Pflanzen und wirbellose Tiere gefährdet sind. So gelten 27 Prozent der in Europa heimischen Pflanzen und 24 Prozent der Wirbellosen als bedroht, während es bei den Wirbeltieren nur 18 Prozent sind, was vermutlich daran liegt, dass dieser Tierklasse mehr Aufmerksamkeit den Artenschutz betreffend zukommt.

Analyse der Bedrohungen: Warum Arten in Europa schwinden

Die Analysen der aktuellen Studie identifizieren auch die Hauptursachen für den Verlust von Lebensraum und letztendlich Biodiversität in Europa:

  • Die wichtigste Bedrohung für europäische Arten liegt in den Veränderungen landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Praktiken, wozu etwa der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln, der Rückgang der Vielfalt angebauter Kulturen, das Etablieren von Baumplantagen, die höhere Viehdichte, der Einsatz schwererer Maschinen, häufigeres oder früheres Mähen, Ent- oder Bewässerung oder das Pflügen und Walzen zählen.
  • Die zweitgrößte Bedrohung resultiert aus der Nutzung bzw. Übernutzung biologischer Ressourcen. Wirbeltiere, vor allem Fische, sind anfällig für Übernutzung durch direkte Jagd und Fang (einschließlich Beifang), weshalb viele Fische und andere marine Wirbeltiere gefährdet sind.
  • Der Ausbau von Wohn- und Gewerbegebieten führt zum Lebensraumverlust und zur Beeinträchtigung des Lebensraums, insbesondere für Wirbellose und Pflanzenarten.
  • Auch die Verschmutzung von Lebensräumen trägt zum Artensterben bei. Das betrifft besonders Süßwasserfische sowie im und am Süßwasser vorkommende Weichtiere und Libellen.
  • Der Klimawandel stellt ebenfalls eine wichtige Bedrohung für viele Arten dar und wird von den Wissenschaftlern als die wichtigste aufkommende zukünftige Bedrohung eingestuft. Er manifestiert sich beispielsweise bereits durch Dürren in Europa, die das Risiko von Waldbränden erhöhen, verstärkt durch einen gesteigerten Wasserverbrauch in der Landwirtschaft und in Haushalten.

2 Millionen bedrohte Arten auf der Erde

Das Forschungsteam ermittelte in der aktuellen Studie anhand neuer Daten die weltweite Anzahl der vom Aussterben bedrohten Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, die sich auf zwei Millionen beläuft – doppelt so hoch wie im IPBES-Bericht von 2019. Diese Verdopplung innerhalb weniger Jahre erklärt sich durch aktuellere und präzisere Informationen. Beide Studien bauen aufeinander auf und spiegeln den Erkenntnisfortschritt wider. Der IPBES-Bericht von 2019 wies bereits auf eine bestehende Datenlücke hin, deren Schließung nun vorangetrieben wird.

Die Verfasser der Studie kritisieren trotzdem auch die gegenwärtige Datenlage, da die Analyse deutliche Wissenslücken und Forschungsbedarf aufdeckt. Insbesondere bei den Wirbellosen sind zahlreiche Arten noch nicht einmal beschrieben worden, was dazu führen könnte, dass ihr Verschwinden entweder gar nicht oder erst sehr spät bemerkt wird. Dies birgt die Gefahr, Arten schneller auszulöschen, als sie erforscht werden könnten.

Die Hälfte aller Arten verfügt laut Studie über keine Daten zu Populationstrends, was eine entscheidende Voraussetzung für die Bewertung ihres Aussterberisikos ist. Vor allem in den Bereichen Verbreitung, Populationsgrößen und -trends, Bedrohungen, Lebensgeschichte und Ökologie sowie Taxonomie bestehen erhebliche Forschungslücken.

Die Studienautoren betonen die Dringlichkeit von Naturschutzmaßnahmen. Besonders für bedrohte Arten seien gezielte Monitoring-Programme erforderlich, da allgemeine Biodiversitätsüberwachungssysteme für selten vorkommende Arten nicht geeignet sind. Eine nachhaltige Zukunft erfordert umweltfreundlichere Agrar- und Fischereipolitiken sowie die rasche Abschaffung von Anreizen, die der Artenvielfalt in Europa und anderswo schaden.

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