schmalfedermoho
Der Schmalfedermoho hatte kräftige Beine und Füße, damit er sich bei der Nahrungsaufnahme festhalten konnte. Mit seinem langen, gebogenen Schnabel und seiner langen Zunge, die eine pinselartige Spitze aufwies, konnte er Nektar aufnehmen. Frederick William Frohawk, Public domain, via Wikimedia Commons)

Schmalfedermoho

Mohoidae: Die einzige neuzeitlich ausgestorbene Vogelfamilie

Seit der britische Seefahrer James Cook die „Honigfresser“ von Hawaii auf seiner dritten Südseereise 1778 entdeckt hat, hat kein Taxonom je in Frage gestellt, ob es sich dabei tatsächlich um Vögel aus der Familie der Honigfresser (Meliphagidae) handelt. Zu ähnlich sehen die Vögel der Hawaii-Inselkette mit ihren langen, nach vorn gebogenen Schnäbeln mit den langen Zungen, die sich hervorragend für die Aufnahme von Nektar eignen, den Honigfressern in Australasien.

Erst 2008 fanden die Ornithologen Robert C. Fleischer und Storrs L. Olson sowie die Paläornithologin Helen F. James in in einer molekulargenetischen Untersuchung heraus, dass die fünf „Honigfresser“ von den Hawaii-Inseln überhaupt nicht mit den Honigfressern südlich von Asien verwandt sind. Vielmehr bilden sie mit den Seidenschwänzen (Bombycillidae), den Seidenschnäppern (Ptiliogonatidae) und dem Palmschwätzer (Dulus dominicus) eine Klade beziehungsweise eine geschlossene Abstammungsgemeinschaft.

chatham glockenhonigfresser
Honigfresser, wie der bereits ausgestorbene Chatham-Glockenhonigfresser (Bild), sind trotz ihrer optischen Ähnlichkeiten und gleichen Ernährungsgewohnheiten nicht mit den hawaiianischen Mohos verwandt. (© Charles Joseph Hullmandel, Public domain, via Wikimedia Commons)

Die „Honigfresser“ von Hawaii haben sich nicht aus den ähnlich aussehenden südwestpazifischen Honigfressern entwickelt, sondern stellen einen Fall konvergenter Evolution dar. Als die sich von Früchten und Insekten ernährenden Vorfahren der Hawaii-Vögel vor 14 bis 17 Millionen Jahren auf der Inselkette ankamen, trennten sie sich im Laufe der Evolution von ihren Verwandten, den Seidenschwänzen, den Seidenschnäppern und dem Palmschwätzer. Dabei entwickelten sie – analog zu den eigentlichen Honigfressern – durch Anpassung an die Ernährung ebenfalls lange, gebogene Schnäbel, lange Zungen und kräftige Beine und Füße; sie wurden zu nektarivoren Vögeln.

Fleischer, Olson und James beschrieben in der Folge basierend auf der Untersuchung von DNA-Sequenzen von Museumsexemplaren die neue Vogelfamilie Mohoidae, zu der zwei Gattungen mit fünf Arten ausgestorbener hawaiianischer Vögel gehören. Damit ist Mohoidae die einzige neuzeitliche Vogelfamilie, die vollständig ausgestorben ist. Der Schmalfedermoho gehört dabei zur Gattung Chaetoptila und zur zweiten Gattung der Krausschwänze (Moho) zählen der Krausschwanzmoho (M. apicalis), der Ohrbüschelmoho (M. bishopi), der Prachtmoho (M. nobilis) und der Schuppenkehlmoho (M. braccatus). Bei Ausgrabungen fand man auf Maui noch zwei weitere subfossile Spezies, die zur Gattung Chaetoptila gehören; diese sind allerdings lange vor Kontakt mit den Europäern ausgestorben.

Schmalfedermoho – Steckbrief
alternative BezeichnungSchmalfederhonigfresser
wissenschaftliche NamenChaetoptila angustipluma, Entomiza augustipluma, (Strigiceps leucopogon?)
englische NamenKioea
ursprüngliches VerbreitungsgebietBig Island (Hawaii)
Zeitpunkt des Aussterbens1859
Ursachen für das AussterbenLebensraumverlust, Bejagung, auf Inseln eingeschleppte Tiere und Pflanzen

Warum ist der Schmalfedermoho ausgestorben?

Der grünlichbraune Schmalfedermoho oder Kioea war mit einer Körperlänge von rund 33 Zentimetern der größte aller Mohos und der erste, der von den Hawaii-Inseln verschwand, nachdem die Europäer ab 1778 begannen, den Archipel zu besiedeln. Viel bekannt ist über den Schmalfedermoho demnach nicht und man weiß auch nur von vier Exemplaren, die heute noch existieren. Die Bälge befinden sich in Cambridge (England), Honululu (Hawaii), New York und Washington.

Während der United States Exploring Expedition zur Erkundung und Kartierung des Pazifiks sammelten die US-amerikanischen Naturforscher Titian Peale und Charles Pickering 1840 ein Exemplar des Schmalfedermohos. Anhand dieses Typusexemplars beschrieb Peale den Vogel 1848 als Entomiza augustipluma. David Day zitiert in The Doomsday Book of Animals (1981) aus Peales Erstbeschreibung:

„Diese seltene Spezies wurde auf der Insel Hawaii erhalten. Sie ist sehr aktiv und bewegt sich anmutig, und sie ist recht musikalisch, während die meisten ihrer Verhaltensweisen mit denen der Meliphaga [Honigfresser] übereinstimmen. Für gewöhnlich findet man sie im Umkreis der Bäume, die gerade blühen.“

The Doomsday Book of Animals, 1981, D. Day

Der Schmalfedermoho war also schon 1840 selten, als Pickering und Peale ihn entdeckten. Keine 20 Jahre später, 1859, erbrachte der Vogelsammler James D. Mills den letzten Nachweis über die Existenz des Schmalfedermohos und erlegte nahe der Stadt Hilo auf Big Island eine größere Anzahl von Tieren. Vogelsammler in den 1890er-Jahren fanden keine Schmalfedermohos und auch alle danach stattfindenden Suchen nach dem Vogel verliefen erfolglos, sodass davon auszugehen ist, dass Mills die letzten oder einige der letzten Vögel dieser Art gesammelt hat.

Schmalfedermoho im Bishop Museum, Honululu
Der Schmalfedermoho wird manchmal auch als Schmalfederhonigfresser bezeichnet, weil er bis vor ein paar Jahren noch der Vogel-Familie der Honigfresser zugeordnet wurde. Das Bild zeigt einen Schmalfedermoho im Bernice P. Bishop Museum in Honululu, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Hawaii. (© Hiart, CC0 1.0 Public Domain, via Wikimedia Commons)

Die Ursachen für das Aussterben des Schmalfedermohos sind unklar, denn die Bestandszahlen der Art schienen schon vor der Ankunft europäischen Siedler im Sinken begriffen zu sein. Selbst die Hawaiianer nahmen den Kioea kaum wahr. Es gibt zum Beispiel keine Hinweise darauf, dass die Federn des Schmalfedermohos in der hawaiianischen Federarbeit verwendet wurden. Auch in traditionellen Gesängen oder Legenden wird der Kioea nicht erwähnt. Gäbe es die vier Museumsstücke und die Erstbeschreibung von Peale nicht, erscheint es fast so, als hätte der Schmalfedermoho nie existiert.

Trotzdem der Vogel schon vor der Ankunft der Europäer selten war, geben viele Autoren Aussterbeursachen an, die auf den direkten Zusammenhang mit der Besiedlung Hawaiis ab dem späten 18. Jahrhundert schließen lassen. Die IUCN nennt etwa die Zerstörung des Lebensraums aufgrund der Abholzung des tropischen Regenwalds Hawaiis, Bejagung und eingeschleppte Tiere wie verwilderte Katzen, Hunde und Schweine. In Brehms verlorenes Tierleben (2007) schließen die Autoren die Bejagung aus, weisen aber noch auf die Einschleppung von nicht einheimischen Pflanzen hin.

Insofern der Schmalfedermoho nicht seit jeher nur in einer kleinen Population vorkam, müssen natürliche Ursachen im Vorhinein zum Bestandsrückgang geführt haben. Weitere Bedrohungen wie Lebensraumverlust, invasive Tiere und Pflanzen und die Bejagung haben dann endgültig zu seinem Verschwinden geführt.

Das Verbreitungsgebiet des Kioea war einst größer

Das Verbreitungsgebiet des Schmalfedermohos beschränkte sich, so der Ornithologe Dieter Luther in Die ausgestorbenen Vögel der Welt (1986), auf die Bergwälder um das Gebiet des Kilauea-Vulkans auf der größten Insel Hawaiis, Big Island. Es gibt allerdings Hinweise, dass der Kioea in früheren Zeiten auch auf anderen Inseln vorkam. Helen James und Storrs Olson geben nämlich 1991 in Descriptions of thirty-two new Species of Birds from the Hawaiian Islands: Part II. Passeriformes an, fossile Überreste des Schmalfedermohos auf den Inseln Oahu und Maui entdeckt zu haben.

Hawaii Inselkette Karte
Der Kioea kam in historischer Zeit auf der Hawaii-Insel Big Island vor. Fossile Überreste des Vogels fanden Wissenschaftler auch auf den Inseln Maui und Oahu. (© Nick Roux, updated by Peter Fitzgerald, Public domain, via Wikimedia Commons)

Auch bereits 1978 will der Paläontologe Yosihiko H. Sinoto fossile Überbleibsel eines Vogels in einer Höhle bei Barbers Point auf der Insel Oahu gefunden haben, die den Knochen des Schmalfedermohos sehr ähnlich sehen. Da die Überreste nicht identisch waren, wurde spekuliert, dass auf Oahu eine heute ausgestorbene Unterart des Schmalfedermohos gelebt haben könnte.

David Day gibt an, dass die Bezeichnung „Kioea“ wahrscheinlich von einem Mr. Dole stammt, der sie im Hawaiian Annual 1879 verwendete. Dieser Mr. Dole gibt dort auch an, dass der Kioea auch auf der Insel Molokai vorkomme. Heute gehen Wissenschaftler davon aus, dass es sich hierbei um eine Verwechslung handelt. Der Ornithologe George C. Munro schreibt in Birds of Hawaii (1960), die Bezeichnung Kioea fände durch die Ureinwohner Hawaiis bei zwei langbeinigen Vögeln, die auf der Hawaii-Inselkette vorkommen beziehungsweise vorkamen, Anwendung: beim ausgestorbenen Schmalfedermoho und beim Borstenbrachvogel (Numenius tahitiensis), der als Zugvogel im Herbst unter anderem auf den hawaiianischen Inseln anzutreffen ist. Beim Kioea, der auf Molokai vorkommt, handelt es sich also sehr wahrscheinlich um einen Borstenbrachvogel.

Noch ein Kioea?

Rothschild: Moho apicalis und Chaetoptila angustipluma
Schmalfedermoho (unten) und der ebenfalls ausgestorbene Krausschwanzmoho (oben) aus L. W. Rothschilds Extinct Birds (1907). (© Internet Archive Book Images, No restrictions, via Wikimedia Commons)

Der französische Naturforscher René Primevère Lesson beschrieb 1840 ein zweifelhaftes Taxon: Lesson’s Kioea (Strigiceps leucopogon). Der Vogel ist nur von Lessons Beschreibung bekannt; das Typusexemplar, dessen Herkunft er mit Australien angab, hat nie jemand zu Gesicht bekommen, denn es ging verloren.

In der Folge haben gleich mehrere Zoologen die Vermutung aufgestellt, dass es sich bei Lesson’s Kioea um einen nahen Verwandten des Schmalferdermohos handelt oder dass die Arten gar identisch sind. Der deutsche Ornithologe Gustav Hartlaub schrieb 1852 in einer Abhandlung zu den von Peale während der United States Exploring Expedition beschriebenen Vogelarten über den Schmalfedermoho: „Ein mit dieser merkwürdigen Art nahe verwandter Vogel scheint Lesson’s Strigiceps leucopogon zu sein.“

Lionel Walter Rothschild zweifelt 1907 in Extinct Birds ebenfalls die von Lesson angegebene Typuslokalität an und vermutete als Herkunftsgebiet eine pazifische Insel. Auch der Ornithologe Julian P. Hume schließt als Herkunftsort eine Insel im Pazifik nicht aus und stellt in Extinct Birds (2012) die Vermutung auf, dass Lesson’s Kioea von Hawaii stammt und identisch mit dem Schmalfedermoho ist. Hume räumt aber ein, dass die Beschreibungen der beiden Vogelarten nicht hundertprozentig übereinstimmen würden.

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