Reunion-Ibis – Dodo mit weißem Gefieder?
In den 1770er-Jahren ging der französische Naturforscher Comte de Buffon davon aus, dass der einst auf der Insel Mauritius heimische, graue Dodo auch auf der Nachbarinsel Réunion lebte – als weißfarbiger Dodo. Erst viel später stellte sich heraus, dass es einen Weißen Dodo nie gab, dafür aber einen Reunion-Ibis.
Noch 1981 war Igor Akimuschkin in seinem Buch Vom Aussterben bedroht? der Auffassung, dass der Weiße Dodo existiert hat: „Die (…) Insel Réunion wurde durch die weißen Dronten berühmt, die ihre dunklen Schwestern um mehr als ein halbes Jahrhundert überlebten.“
Bis Ende der 1980er-Jahre war dies eine gängige Ansicht. Doch es gab auch Zweifler, die ohne Beweise wie etwa fossile Funde nicht an einen Weißen Dodo glauben wollten. Zudem deute nichts darauf hin, dass die Gemälde Weißer Dodos etwas mit der Nachbarinsel Réunion zu tun hätten. Widerlegt werden konnte die Existenz des Weißen Dodos endgültig 2004 durch eine Studie von Julian Pender Hume und Anthony S. Cheke, veröffentlicht in den Archives of natural history.
Réunion-Ibis – Steckbrief
alternative Bezeichnungen | Réunion-Solitär, Réunion-Einsiedler, (Weißer Dodo) |
wissenschaftliche Namen | Threskiornis solitarius, Raphus solitarius, Apterornis solitarius, Ornithaptera solitaria |
englische Namen | Réunion Ibis, Réunion Sacred Ibis, Réunion Flightless Ibis, Réunion Solitaire |
ursprüngliches Verbreitungsgebiet | Réunion (Maskarenen, Indischer Ozean) |
Zeitpunkt des Aussterbens | zwischen 1710 und 1715 |
Ursachen für das Aussterben | Bejagung, Lebensraumverlust, auf Insel eingeschleppte Tiere |
Der Solitär von Réunion war ein Ibis, der Weiße Dodo hat nie existiert
Alte Berichte und Gemälde zeugen nicht nur von einem Weißen Dodo, sondern auch von einem sogenannten Réunion-Solitär, der ebenfalls weiß gewesen sein soll. Man ging teils sogar davon aus, dass auf Réunion zwei Arten weißfarbiger Dodos lebten.
Die ersten subfossilen Vogelknochen auf Réunion fand man 1974 in einer Höhle und sie wurden als Knochen eines Storches (Ciconia) identifiziert. Wissenschaftler nahmen an, dass es sich dabei um Reste eines von frühen Siedlern gegessenen Vogels handelte.
Weitere im Jahr 1987 entdeckte subfossile Überreste verleiteten Anthony S. Cheke dazu, anzunehmen, dass diese vom sogenannten Réunion-Solitär stammen, denn die Knochen gehörten zu einem Ibis. Man hat auf Réunion zwar Ibis-, aber niemals Dodo-Knochen gefunden.
Heute weiß man, der Solitär von der Insel Réunion war ein Ibis, den Weißen Dodo gab es nie, seine Existenz hat er Künstlern zu verdanken. Tatsächlich gehen Experten davon aus, dass unterschiedliche Künstler ein Detail aus dem Gemälde Orpheus charming the Animals (1627) des flämischen Malers Roelant Savery kopierten. Das Bild zeigt neben vielen anderen Tieren in der rechten Bildhälfte einen Dodo, dessen Flügel weißlich erscheinen.
Eine andere Erklärung für den Weißen Dodos lautet, dass Seefahrer Dodos von Mauritius nach Réunion gebracht haben – vielleicht Albinos oder Jungtiere mit hellem Gefieder.
Reunion-Ibis: Ausgestorben durch Bejagung
Die Weltnaturschutzorganisation IUCN sieht Bejagung als Hauptursache für das Aussterben des Réunion-Ibis an. Mit der Besiedlung Réunions verdrängten Menschen den Ibis vermutlich auch aus seinem natürlichen Lebensraum und er flüchtete in die höheren Lagen der Vulkaninsel.
Zudem stellten mit auf die Insel eingeschleppte Ratten und Katzen dem Vogel nach. Und auch Menschen jagten den Vogel in großer Zahl, der aufgrund seiner Zahmheit eine einfache Beute darzustellen schien. Dies geht aus einem Bericht von John Tatton aus dem Jahre 1625 hervor, der in Walter Rothschilds Buch Extinct Birds unter dem Kapitel Réunion Dodo zu finden ist.
Experten gehen davon aus, dass der Réunion-Ibis zwischen 1710 und 1715 ausstarb, denn die letzte Sichtung des „Solitärs“ erfolgte vermutlich 1708.
Viele weitere Tierarten sind mit der Ankunft der Menschen auf Réunion ausgestorben. Zu den in neuerer Zeit ausgestorbenen Tieren gehören unter anderem der Hopfstar, der Réunionsittich, die Réunion-Taube, die Réunion-Eule, die Réunion-Riesenschildkröte, der Rauchgraue Flughund oder die Landschnecke Tropidophora carinata.
Der Reunion-Ibis war vermutlich nur bedingt flugfähig
Zeitgenössische Quellen beschreiben den Réunion-Ibis mit weißem und grauem Gefieder. Der detaillierteste Bericht stammt vom französischen Reisenden Sieur Dubois aus dem Jahr 1674 und befindet sich in seinem Buch The Voyages made by the Sieur D. B.:
„Solitäre. Diese Vögel werden so genannt, weil sie immer alleine unterwegs sind. Sie haben die Größe einer riesigen Gans, sind weiß, haben schwarze Flügelspitzen und Schwanzfedern. Die Schwanzfedern erinnern an jene von Strauße; der Hals ist lang und der Schnabel ähnelt dem einer Waldschnepfe, nur ist er größer; die Beine und Füße sind wie die von Truthähnen. Dieser Vogel läuft eher, als dass er fliegt.“
Es existieren keine kompletten Skelette des ausgestorbenen Ibis von Réunion. Seine Flugunfähigkeit ist anhand von Knochenmerkmalen ersichtlich, die man sonst nur von einigen Laufvögeln, Pinguinen und anderen ausgestorbenen Vögeln kennt.
Unterstütze diesen Blog! Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, ziehe bitte eine kleine Spende in Betracht. Jeder Beitrag, egal wie klein, macht einen Unterschied. Deine Spende ermöglicht es mir, den Blog werbefrei zu halten und auf Bezahlschranken zu verzichten, damit alle Leser freien Zugang zu den Inhalten haben. Du kannst ganz einfach über den Spendenbutton spenden oder mir ein Buch aus meiner Amazon Wunschliste schenken. Jeder Betrag zählt und wird sehr geschätzt! Vielen Dank für deine Unterstützung!