Vom isolierten Paradies zum bedrohten Lebensraum
Stephens Island, eine kleine Felseninsel in der Cook-Straße, ist berühmt für ihre einzigartige Tierwelt. Mit nur 1,5 Quadratkilometern Fläche bietet die Insel dennoch ein bemerkenswertes Ökosystem, das einst von zahlreichen endemischen Arten bewohnt war, darunter viele Land- und Seevögel. Zu den bedeutendsten Bewohnern zählte der Stephens-Island-Laufkäfer, der – wie sein Name vermuten lässt – ausschließlich dort vorkam. Die Insel war auch das letzte Rückzugsgebiet des Stephenschlüpfers, eines kleinen flugunfähigen Vogels aus der Familie der Stummelschwänze.
Bevor die ersten Menschen die Insel betraten, war Stephens Island ein isoliertes Paradies, frei von Säugetieren und daher ohne landgebundene Raubtiere, was es vielen Arten ermöglichte, sich ohne Angst vor Fressfeinden zu entwickeln. So konnte sich eine bemerkenswerte Vielfalt an endemischen Arten etablieren, darunter die Brückenechse (Sphenodon punctatus), die heute mit rund 50.000 Exemplaren ihre größte Population auf der Insel hat. Diese urzeitlichen Reptilien, die weltweit keine nahen Verwandten mehr haben, teilen sich ihren Lebensraum mit einer der ältesten Froscharten der Welt, dem Hamilton-Frosch (Leiopelma hamiltoni).
Die Situation auf Stephens Island änderte sich, als der Mensch die Insel besiedelte. Die Māori, die das Land Takapourewa nannten, nutzten die Insel zwar nie dauerhaft, doch 1891 wurde die Insel von der neuseeländischen Regierung übernommen, um dort einen Leuchtturm zu errichten. Die einstmals unberührte Insel und ihre Tierwelt war von diesem Zeitpunkt an einer Vielzahl von Bedrohungen ausgesetzt.
Mit dem Bau des Leuchtturms kamen neben den Leuchtturmwärtern auch Nutztiere wie Schafe und Ziegen auf die Insel. Noch gravierender war jedoch die Einführung von Katzen und anderen Säugetieren. Eine Katze, die vermutlich trächtig auf die Insel gebracht wurde, entkam und ihre Nachkommen verwilderten schnell. Schon bald bildete sich eine große Population von Katzen, die verheerende Auswirkungen auf die Tierwelt, vor allem auf die Vogelwelt, hatte. Die dort endemischen Tiere hatten keine natürlichen Abwehrmechanismen gegen die neu eingeführten Raubsäugetiere entwickeln können.
Neben der Einführung von Säugetieren führte auch die intensive Beweidung durch Nutztiere zur Zerstörung des natürlichen Lebensraums. Rund 90 Prozent der ursprünglichen Vegetation der Insel wurden durch landwirtschaftliche Nutzung zerstört, bevor Stephens Island 1966 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Heute wird die Insel vom Department of Conservation (DOC) gemeinsam mit dem Māori-Stamm Ngāti Koata verwaltet und ist ein bedeutendes Schutzgebiet für viele seltene und gefährdete Arten.
Stephens-Island-Laufkäfer – Steckbrief
wissenschaftlicher Name | Mecodema punctellum |
englischer Name | Stephens Island weevil |
ursprüngliches Verbreitungsgebiet | Stephens Island (Neuseeland) |
Zeitpunkt des Aussterbens | 1931 |
Ursachen für das Aussterben | Lebensraumverlust |
IUCN-Status | ausgestorben |
Was über den Stephens-Island-Laufkäfer bekannt ist
Der Stephens-Island-Laufkäfer gehört zur Gattung Mecodema, die etwa 102 Arten und Unterarten umfasst. Diese großen, flugunfähigen Laufkäfer (Carabidae) sind endemisch in Neuseeland und den umliegenden Inseln. Der Stephens-Island-Laufkäfer war jedoch ausschließlich auf der kleinen Insel Stephens Island heimisch.
Aus Berichten der Transactions and Proceedings of the Royal Society of New Zealand 1948-49 geht hervor, dass der Stephens-Island-Laufkäfer mit einer Länge von 38,5 Millimetern und einer Breite von 11,7 Millimetern zu den größeren Laufkäfern zählte. Sein Körper war schwarz und glänzend und sein Körperbau breit und flach.
Da die Art erst 1921 vom schottischen Entomologen Thomas Broun wissenschaftlich beschrieben und 1931 letztmalig gesichtet wurde, ist wenig über ihre Verhaltensweisen und Ökologie bekannt. Vermutlich bewohnte der Stephens-Island-Laufkäfer feuchte Wälder und fand Schutz und Nahrung unter großen, morschen Baumstämmen. Wie viele andere Vertreter seiner Gattung war er wahrscheinlich ein räuberisches Insekt, das sich vorwiegend von Schnecken ernährte. Aufgrund seiner Flugunfähigkeit dürfte er ein eher langsamer, aber dennoch effektiver Bodenjäger gewesen sein.
Das Aussterben des Stephens-Island-Laufkäfers
Die letzte bestätigte Sichtung des Stephens-Island-Laufkäfers erfolgte im Jahr 1931. Danach unternahmen Wissenschaftler zahlreiche Versuche, ihn wiederzufinden – 1961, 1971, 1974 bis 1976, 1981, 1990, 1996 auf Stephens Island und 1997 sogar auf der drei bis vier Kilometer entfernten Insel D’Urville Island. Doch all diese Bemühungen blieben erfolglos, weshalb heute im Allgemeinen davon ausgegangen wird, dass die Art ausgestorben ist. Die Weltnaturschutzunion IUCN erklärte den Stephens-Island-Laufkäfer im Jahr 1994 für ausgestorben.
Der Hauptgrund für sein Aussterben war vermutlich die Zerstörung seines Lebensraums. Nach der menschlichen Besiedlung von Stephens Island wurde der Wald großflächig abgeholzt, und die morschen Baumstämme, die dem Käfer als Unterschlupf dienten, verschwanden. Ohne diese wichtigen Rückzugsorte war der Stephens-Island-Laufkäfer den neuen Lebensbedingungen nicht mehr gewachsen und konnte sich nicht mehr ausreichend vermehren.
Laufkäfer in Neuseeland
Laufkäfer machen 9,6 Prozent der beschriebenen einheimischen Käferfauna Neuseelands aus und bilden den größten Anteil der flugunfähigen Käfer des Landes. Einer 2012 veröffentlichten Studie mit dem Titel The Conservation Status of New Zealand Coleoptera zufolge zählen Laufkäfer zu den am stärksten bedrohten Käferarten in Neuseeland. Von den 45 als bedroht eingestuften Käferarten entfallen 42,2 Prozent auf die Laufkäfer. Neben dem ausgestorbenen Stephens-Island-Laufkäfer gilt auch eine Unterart von Mecodema costellum (spelles) als ausgestorben, die nur durch Überreste aus zwei Höhlen in Nordwest-Nelson bekannt ist; Wissenschaftler fanden lediglich einzelne Körperteile mehrerer Exemplare.
Die Bedrohung der Laufkäfer hängt eng mit ihren biologischen Merkmalen zusammen: Viele dieser Käfer sind groß und flugunfähig, was sie besonders anfällig für Lebensraumveränderungen macht. Die Zerstörung natürlicher Lebensräume durch Abholzung und landwirtschaftliche Aktivitäten sowie die Einführung invasiver Pflanzenfresser, die ihre Wirtspflanzen zerstören, sind zentrale Ursachen für ihren Rückgang. Außerdem erschweren ihre niedrige Fortpflanzungsrate und die lange Lebensdauer einiger großer Arten die Erholung nach Umweltveränderungen.
Laufkäferarten, die auf spezialisierte Lebensräume wie Höhlen angewiesen sind, sind besonders gefährdet. Die Abhängigkeit von stark eingeschränkten Umgebungen und deren Zerstörung durch menschliche Eingriffe tragen maßgeblich zum Aussterben dieser Käfer bei. Ein Beispiel hierfür ist die Gattung Kettlotrechus, deren Arten ausschließlich in Höhlen vorkommen und stark bedroht sind.
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