Blaubok - Zeichnung von Le Vaillant 1781
Der französische Naturwissenschaftler François Le Vaillant fertigte diese Zeichnung des Blaubocks 1781 an. Wahrscheinlich handelt es sich um den Bock, der im Valley of Soete Melk (Südafrika) geschossen wurde und heute im Pariser Naturkundemuseum ausgestellt ist. Le Vaillant, Public domain, via Wikimedia Commons)

Blaubock

Blaue Böcke in Museen seltener als angenommen

„Auch lauffen auff den hohen Bergen von vielerley Arten der wilden Böcke, und Ziegen, als Gems-Böcke, blaue Böcke, bundte Böcke, Rehe-Böcke, Klippsteiger, Steinböcke, wilde Böcke“, heißt es in Johann Schreyers Neue Ost-Indianische Reisz-Beschreibung von 1681. Das ist das erste Mal, dass „blaue Böcke“ in der Literatur auftauchen. Fast einhundert Jahre später wurde die erste Zeichnung veröffentlicht, die einen Blaubock von Kopf bis Fuß zeigt. Die Darstellung des Naturwissenschaftlers Jean Nicolas Sébastien Allamand erschien 1778 in Comte de Buffons Histoire Naturelle.

Als die einzigen Beweise für die Existenz des Blaubocks gelten ein paar kurze Beschreibungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, vier ausgestopfte Exemplare in Museen (in Wien, Stockholm, Leiden und Paris), einige Hörner und Schädel sowie drei Illustrationen.

Für eine Studie (2021) der Universität Potsdam untersuchten Wissenschaftler zehn von 16 vermeintlichen Blaubock-Museumsexemplaren genetisch – mit dem Ergebnis, dass nur vier davon tatsächlich dem Blaubock zuzuordnen sind. Die Häute in Wien und Stockholm sind Blauböcke, die Schädelfragmente in Leiden und die Hörner in Uppsala sind auch vom Blaubock. Vier Schädel, die sich in Berlin, Leiden, Glasgow und Paris befinden und dem Blaubock einst zugeschrieben worden sind, gehören entweder zur Pferdeantilope (Hippotragus equinus) oder zur Rappenantilope (Hippotragus niger). Dasselbe gilt für zwei Hörnerpaare in Kapstadt und St. Andrews. Bislang sieht es so aus, als gäbe es keinen einzigen vollständig erhaltenen Schädel eines Blaubocks.

Der Blaubock ist in Museen also noch seltener, als bislang angenommen. Die Forscher verweisen aber darauf, dass es noch vier weitere potenzielle Überreste vom Blaubock geben könnte: zwei Schädel in Berlin, ein Paar Hörner in London und ein Schädel oder ein Paar Hörner in Brüssel. Dazu müssen allerdings noch Tests durchgeführt werden. Außerdem gelten die beiden zu Lebendrekonstruktionen verarbeiteten Häute in Paris und Leiden ebenfalls als der Art zugehörig; dies ergaben frühere Untersuchungen.

Blaubock – Steckbrief
alternative BezeichnungenBlaubok, Bloubok, Blaawwbok, Blawebock
wissenschaftliche NamenHippotragus leucophaeus, Antilope leucophaeus, Egocerus leucophaea, Oryx leucophaeus, Cerophorus leucophaeus, Hippotragus glauca, Cemas glaucus, Bubalis leucophaea, Antilope leucophaea, Capra leucophaea, Hippotragus capensis
englische NamenBluebuck, Blue Antelope
ursprüngliches VerbreitungsgebietSüdafrika
Zeitpunkt des Aussterbens1799 oder 1800
Ursachen für das AussterbenBejagung, Lebensraumverlust

Kolonialisierung als Aussterbeursache – trotz geringer Populationsgröße

verbreitungsgebiet blaubock
Der Blaubock in Südafrika: Das Verbreitungsgebiet im 17. Jahrhundert (orange) und das mögliche prähistorische Verbreitungsgebiet (grün). (© Hempel et al. Sci. Rep, 2021; 11:2100, Creative Commons)

Heute geht man davon aus, dass der Blaubock die erste Antilopenart war, die von europäischen Siedlern bis zur Ausrottung bejagt wurde. Allerdings war der Blaubock, als Europäer nach Afrika kamen und ihn im 17. Jahrhundert entdeckten, schon recht selten und nur in einem kleinen Verbreitungsgebiet anzutreffen.

Dies bestätigt auch die Potsdamer Studie (2021): In den genetischen Analysen stellten die Wissenschaftler nämlich fest, dass die mitochondriale DNA bei den Museumsexemplaren auf eine geringe genetische Vielfalt der Mütter hinweist. Das heißt auch, dass die Zahl der Blauböcke bereits überschaubar gewesen sein muss.

Eine neue Studie aus Potsdam (2024) zeigt, dass die geringe genetische Vielfalt und Populationsgröße des Blaubocks tatsächlich über viele Jahrtausende hinweg bestand – und dass die Art an diese langfristig geringe Populationsgröße angepasst war. Normalerweise wird eine geringe genetische Vielfalt als Nachteil angesehen, da dies zu einer Verringerung der Fitness und Anpassungsfähigkeit einer Art führt, nicht so beim Blaubock: Die Forscher konnten keine Inzucht und kaum schädliche Mutationen nachweisen.

Arten können also durchaus lange Zeit mit einer kleinen Populationsgröße überleben, solange sie keinen schnellen Störungen ausgesetzt sind. Folglich spielte der plötzliche menschliche Einfluss während der europäischen Kolonialisierung des südlichen Afrikas die zentrale Rolle beim Aussterben des Blaubocks. Dass es so wenig Exemplare gab, beschleunigte nur ihr Aussterben.

Mit Beginn der Kolonialisierung im 17. Jahrhundert umfasste das Verbreitungsgebiet des Blaubocks lediglich die Region zwischen Caledon, Swellendam und Bredasdorp im südwestlichen Südafrika. Fossile Überreste aus dem Pleistozän und Holozän sowie Felsbilder lassen aber vermuten, dass das Verbreitungsgebiet des Blaubocks einst viel größer gewesen sein muss, gleichwohl es dennoch lediglich die Südküste Südafrikas umfasste.

Zu Lebzeiten kaum erforscht

Der Biologe Richard G. Klein bringt es 1987 in The extinct Blue Antelope auf den Punkt: Der Blaubock starb aus, bevor „qualifizierte Wissenschaftler lebende Tiere dieser Art beobachten konnten“. Das Wissen über die Tierart ist tatsächlich begrenzt. Nur die erste Erwähnung der Spezies 1681 und ein paar wenige Beschreibungen entstanden zu der Zeit, als der Blaubock noch existierte. Selbst die meisten der im 18. Jahrhundert entstandenen Illustrationen basieren auf ausgestopften Museumsexemplaren.

Der deutsche Zoologe Peter Simon Pallas beschrieb den Blaubock als Antilope leucophaeus 1776 wissenschaftlich – ebenfalls anhand unterschiedlicher Museumstiere. Das Fell des Blaubocks wurde von Zeitgenossen als grau mit bläulichem Schimmer beschrieben. So kam die Art auch zu ihrem Namen. Dass Blauböcke in Museen eher grau wirken, könnte daran liegen, dass das Fell post mortem vergraut. Diesen Phänomen ist auch vom Streifengnu oder Blauem Gnu (Coconnhaetes taurinus) und der Nilgauantilope (Boselaphus tragocamelus) bekannt. Im Zuge der Potsdamer Studie aus dem Jahr 2024 wurden übrigens zwei Gene im Genom des Blaubocks identifiziert, die möglicherweise für die blaue Fellfarbe der Art verantwortlich sind.

Der Blaubock gehört wie auch die Pferdeantilope und die Rappenantilope in die Gattung der Rossantilopen oder Pferdeböcke (Hippotragus). Eine Zeit lang hielt man ihn für eine Unterart der Rappenantilope, aber genetische Untersuchungen zeigten, dass es sich um eine eigene Art handelt. Der Blaubock war kleiner als andere Antilopen seiner Gattung. Von den vier existierenden, ausgestopften Blauböcken besitzt das größte Exemplar eine Widerristhöhe von 119 Zentimetern. Seine Hörner waren etwas länger als 56 Zentimeter.

Eine Untersuchung (2013) des Paläozoologen J. Tyler Faith hat gezeigt, dass Blauböcke Grasfresser waren und daher auch Grasland als Lebensraum bevorzugten. Dies bestätigen auch fossile Überreste, die man hauptsächlich dort fand, wo auch andere grasfressende Antilopen leben. Richard G. Klein stellte 1976 während einer Studie zu Fossilien des Südkaps zuvor bereits fest, dass Blauböcke einen sehr ähnlichen Lebensraum wie Kaffernbüffel (Syncerus caffer) und Riedböcke (Redunca) bevorzugten.

Der erste in historischer Zeit ausgestorbene Großsäuger Afrikas

Blaubock - Zeichnung von Allamand
Die erste Zeichnung des Blaubocks von Jean Nicolas Sébastien Allamand wurde 1778 veröffentlicht. (© Special Collections of the University of Amsterdam, Public domain, via Wikimedia Commons)

Beim Blaubock handelt es sich wahrscheinlich um das erste große afrikanische Säugetier, das in historischer Zeit ausgestorben ist – aber nicht das letzte. Dem Blaubock folgte 1883 nämlich das Quagga. Fest steht, dass die letzten Blauböcke von europäischen Siedlern auf Vergnügungsjagden erlegt wurden. Fest steht aber auch, dass die blau schimmernden Antilopen damals schon rar waren, weshalb es noch weitere Ursachen geben muss, die zum Verschwinden der Art geführt haben. So hat neben der Überjagung sicherlich auch der Lebensraumverlust aufgrund von Überweidung und der Nahrungskonkurrenz mit Nutztieren für sinkende Bestandszahlen gesorgt.

Zusätzlich könnten klimatische Veränderungen und die damit einhergehende Veränderung des Meeresspiegels Auswirkungen auf den Blaubockbestand gehabt haben. Dem widerspricht allerdings eine Untersuchung im Journal Molecular Biology and Evolution (2022), wonach die Blauböcke trotz geringer Populationsgröße klimatische Veränderungen der letzten 10.000 Jahre meistern konnten. Für die Studie haben die Forscher die DNA eines 9.950 Jahre alten Zahns eines Blaubocks untersucht.

Einer Studie (2011) von John S. Compton zufolge, erleichtert ein niedriger Meeresspiegel die Migration großer Säugetiere. Zu Beginn des Holozäns allerdings stieg der Meeresspiegel an, was vermutlich zur Fragmentierung der Blaubock-Populationen und zur Verringerung der Widerstandsfähigkeit der Tiere geführt hat. Populationen in ressourcenreichen Gebieten wie dem Cape Floral im Westkap haben dann womöglich überlebt, andere in anderen Regionen mit wenig Grasland wiederum nicht.

Aus Aufzeichnungen des deutschen Biologen Hinrich Lichtenstein geht hervor, dass der letzte Blaubock 1799 oder 1800 in Swellendam erschossen wurde. Der südafrikanische Zoologe Brian D. Colohan stellte dies 1990 infrage und verweist auf einen Augenzeugenbericht aus dem Jahr 1853, der einen „bastard gemsbok“ in der Nähe der Stadt Bethlehem, Free State, erwähnt. Colohan hält die Sichtung für einen Blaubock – mehr als 50 Jahre, nachdem die letzten Tiere erschossen wurden. Die IUCN und die meisten anderen Wissenschaftler akzeptieren den von Hinrich genannten Aussterbezeitpunkt.

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