Amerikanische Sackmotte Coleophora leucochrysella
Ein Foto der Amerikanischen Sackmotte, das im Juni 2020 auf iNaturalist veröffentlicht wurde, zeigt, dass diese Art entgegen früherer Annahmen nicht ausgestorben ist. Wissenschaftler glaubten bisher, dass das Insekt aus der Familie der Sackträgermotten zwischen 1904 und 1950 verschwunden sei. Steven Whitebread, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)

Amerikanische Sackmotte

Rindenpilz aus Ostasien zerstörte nicht nur die Amerikanische Kastanie

Die Amerikanische Sackmotte oder Kastanien-Sackträgermotte war zum Überleben auf die in Nordamerika heimische Amerikanische Kastanie (Castanea dentata) angewiesen. Nur diese Laubbaumart konnte ihren Raupen als Wirtspflanze dienen, was der hochspezialisierten Schmetterlingsart letztendlich zum Verhängnis wurde.

amerikaiasche kastanie / amerikanische sackmotte
Eine Darstellung der Amerikanischen Kastanie aus A Guide to the Trees aus dem Jahr 1900. (© Lounsberry, Alice., Public domain, via Wikimedia Commons)

Die Amerikanische Kastanie zählte einst zu den bedeutendsten Bäumen im Osten Nordamerikas – bis 1904. Da wurde der Kastanienrindenkrebs (Chryphonectria parasitica), ein auf Kastanien parasitierender asiatischer Rindenpilz, versehentlich mit einigen Setzpflanzen der chinesischen Zierkastanie nach Amerika eingeschleppt.

Innerhalb weniger Jahrzehnte brachen die Bestände der für den Rindenpilz anfälligen Amerikanischen Kastanie zusammen. Und damit auch die der Amerikanischen Sackmotte, die ihre Wirtspflanzen verlor.

Die Verbreitung der Pilzkrankheit verlief besonders schnell, da die Sporen durch Wind, Regen, Insekten und Vögel weitergetragen werden. Bis 1950 vernichtete der Kastanienrindenkrebs die Amerikanische Kastanie fast vollständig, sodass sie heute nur noch selten vorkommt.

Für die Flora und Fauna Nordamerikas spielte die Amerikanische Kastanie einst eine wichtige Rolle. Ihr Laub und ihre Früchte bildeten die Nahrungsgrundlage vieler Tierarten, wie etwa der 1914 ausgestorbenen Wandertaube.

Ein weiterer Grund, der zum Aussterben, der Kastanien-Sackträgermotte geführt haben könnte, ist, dass die Insekten von mindestens zwei Wespenarten parasitiert wurden. Die Wespen nutzten die Motte dabei als Wirtstier.

Amerikanische Sackmotte – Steckbrief
alternative BezeichnungKastanien-Sackträgermotte
wissenschaftlicher NameColeophora leucochrysella
englische NamenChestnut casebearer moth, chestnut casebearer, chestnut case-bearer moth, chestnut case-bearer, American coleophorid moth
ursprüngliches VerbreitungsgebietIndiana, Pennsylvania, Virginia (USA)
Zeitpunkt des Aussterbenszwischen 1904 und 1950 – 2020 wiederentdeckt
Ursachen für das Aussterbenaus Asien eingeschleppter Kastanienrindenpilz, Verlust der Wirtspflanze

Zur Lebensweise der Amerikanischen Sackmotte

coleophora leucochrysella / Raupe Amerikanische Sackmotte
Eine Zeichnung vom Raupensack der Amerikanischen Sackmotte in The Lepidopteras of New York and Neighboring States von William T. M. Forbes (1920). (© William T. M. Forbes, Public domain, via Wikimedia Commons)

Der amerikanische Entomologe James Brackenridge Clemens, der sich auf Schmetterlinge (Lepidoptera) spezialisiert hatte, beschrieb die Amerikanische Sackmotte 1863 wissenschaftlich. Coleophora leucochrysella gehört zur Familie der Sackträgermotten oder Miniersackträger (Coleophoridae).

Die Raupen der Amerikanischen Sackmotte, deren Flügelspannweite rund 1,5 Zentimeter betrug, lebten in den Blättern der Amerikanischen Kastanie und ernährten sich von diesen. Ältere Raupen nutzten Pflanzenteile des Baumes, um sich um ihren Körper herum zum Schutz einen etwa ein Zentimeter langen Sack zu spinnen.

Die Amerikanische Sackmotte war einst in den Bundesstaaten Virginia, Pennsylvania und Indiana beheimatet, die allesamt im Osten der USA liegen. Da die Mottenart nur von dort bekannt ist, heute nur noch sehr wenige Amerikanische Kastanien, die lebensfähige Nüsse produzieren, existieren und auch keine Larven der Mottenart gefunden wurden, nahm man bis vor kurzem an, dass die Amerikanische Sackmotte ausgestorben ist.

Amerikanische Sackmotte doch nicht ausgestorben

Anfang Juni 2020 fotografierte der Schmetterlingskundler Steven Whitebread einen Raupensack an einer Amerikanischen Kastanie in Northfield, Massachusetts und veröffentlichte seinen Fund auf der Plattform iNaturalist. Knapp zwei Wochen später fügte er Bilder der geschlüpften Motte hinzu. Später äußerte Whitebread die Vermutung, dass es sich bei den Aufnahmen um die als ausgestorben geltende Amerikanische Sackmotte handeln könnte. Zu seinen Beobachtungen merkte er an:

„Sie befanden sich meist an recht großen Bäumen, aber auch an jungen Bäumen. Wahrscheinlich war keiner der Bäume vollständig resistent. Ich kam zu spät, um noch fressende Larven zu finden, und die meisten Aufzeichnungen, die ich habe, sind von Fraßgängen, einige habe ich mit einem Fernglas in der Baumkrone entdeckt, viele jedoch auch in Kopfhöhe. (…) Ich konnte ein paar Raupensäcke finden, die zur Verpuppung an den Unterseiten der Blätter befestigt waren. (…) Die Fraßgänge zerfallen schnell und es war schwierig, nur zwei Wochen später noch welche zu finden.“

Steven Whitebread im Januar 2022 auf iNaturlist

Der Naturforscher und Autor Charley Eisemann, der ein besonderes Interesse an kleinen Insektenlarven hegt, die innerhalb der Blätter von Pflanzen leben und sich von deren Gewebe ernähren – sogenannte Minierer, sandte daraufhin ebenfalls in Massachusetts gefundene Exemplare an Jean-François Landry, den nordamerikanischen Experten für Miniersackträger (Coleophoridae). Landry bestätigte schließlich die Identifikation der fotografierten Tiere als Coleophora leucochrysella.

Die Wiederentdeckung der Amerikanischen Sackmotte, mehr als 70 Jahre nach ihrer letzten Sichtung, verdeutlicht die Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit von Tierarten an extreme Lebensraumveränderungen. Diese erneute Entdeckung unterstreicht zudem das Potenzial von Citizen Science-Plattformen wie iNaturalist, die es ermöglichen, Fotos zu teilen und Naturbeobachtungen zu dokumentieren. Die Weltnaturschutzunion IUCN listet die Amerikanische Sackmotte noch als ausgestorben.

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