New Species Report - © H.T. Lalremsanga
Das Bild zeigt Trimeresurus uetzi, eine neu entdeckte Art der grünen Grubenotter aus Myanmar. Diese giftige Schlange beeindruckt nicht nur durch ihre leuchtende Färbung, sondern auch durch ihre kopfseitigen Infrarotdetektoren, mit denen sie warmblütige Beute aufspürt. Entdeckt wurde sie durch eine Kombination aus morphologischer Analyse und DNA-Tests. (© H.T. Lalremsanga)

WWF-Bericht zur Mekong-Region: 234 neue Arten im Jahr 2023 entdeckt

Die Greater-Mekong-Region, die Laos, Thailand, Kambodscha, Myanmar und Vietnam umfasst, ist ein weltweit bedeutender Hotspot der Biodiversität. Laut dem jüngsten WWF-Report über neuentdeckte Arten wurden dort allein im Jahr 2023 beeindruckende 234 Tier- und Pflanzenarten neu beschrieben. Der Bericht würdigt die Zusammenarbeit hunderter Wissenschaftler, Naturschutzorganisationen und Forschungsinstitute weltweit, die diese Entdeckungen ermöglicht haben.

Zu den Neuzugängen zählen 173 Pflanzen-, 26 Reptilien-, 17 Amphibien-, 15 Fisch- und drei Säugetierarten. Seit 1997 wurden damit in der Mekong-Region insgesamt 3.623 Arten neu entdeckt – ein beeindruckendes Zeugnis für die außergewöhnliche Vielfalt dieser südostasiatischen Landschaft, so der WWF.

Rattenigel, Spitzmaulwurf und Rundblattnase – Säugetier-Entdeckungen aus der Mekong-Region

Neuentdeckungen von Säugetieren sind selten, doch Forschern gelang es 2023 in der Mekong-Region, gleich drei neue Arten zu beschreiben: einen Igelverwandten, einen Spitzmaulwurf und eine Fledermaus. Die neu entdeckte Art Hylomys macarong, ein Kleiner Rattenigel und damit ein pelziger Verwandter der Igel, stammt aus Vietnam. Ihre wissenschaftliche Beschreibung erfolgte anhand eines jahrzehntealten Museumsexemplars aus dem Smithsonian National Museum of Natural History in Washington D.C. Das Artepitheton „macarong“ leitet sich vom vietnamesischen Wort für Vampir ab und verweist auf die langen Fangzähne dieser Spezies.

WWF-Report 2024: Hylomys macarong
Hylomys macarong – ein neu entdeckter Kleiner Rattenigel aus Vietnam, benannt nach seinen auffälligen, vampirartigen Fangzähnen. Trotz ihrer Ähnlichkeit mit Spitzmäusen oder Mäusen gehören diese Tiere zur Familie der Igel und zeichnen sich durch ihr dichtes, weiches Fell aus.
(© Alexei V. Abramov)

Die Entdeckung von H. macarong ist das Ergebnis eines internationalen Forschungsprojekts zur Revision der Taxonomie von Kleinen Rattenigeln, bei dem Museumsexemplare aus sechs Ländern untersucht wurden. Parallel dazu hatten Forschende bereits 2009 ein Exemplar im südlichen Vietnam gesammelt, das sie für eine neue Art hielten, dessen Beschreibung jedoch erst jetzt abgeschlossen wurde. Diese Entdeckung unterstreicht die immense Bedeutung von Museumssammlungen und Schutzbemühungen für die Biodiversität.

Auf den Hängen des Mount Fansipan im Hoang Lien-Nationalpark im Nordwesten Vietnams wurde der Spitzmaulwurf Uropsilus fansipanensis in fast 3.000 Metern Höhe entdeckt. Diese Art ist die erste ihrer Gattung, die in Vietnam nachgewiesen wurde, und markiert den südlichsten Punkt des Verbreitungsgebiets der Spitzmaulwürfe. Mit einer Körperlänge von etwa 14 Zentimetern (inklusive eines sechs Zentimeter langen Schwanzes) und einem Gewicht von nur acht Gramm ist der Fansipan-Spitzmaulwurf winzig. Auffällig sind sein rötlich-braunes Rückenfell, seine graue Körperfärbung und sein dunkler, schuppiger Schwanz. Hochgebirge, die isolierte „Himmelsinseln“ bilden, fördern oft die Evolution neuer Arten – so auch auf dem Fansipan, dem höchsten Berg der Indochinesischen Halbinsel.

WWF-Report aus der Mekong-Region 2023: Hipposideros kingstonae - Neuentdeckung
Die Rundblattnasenfledermaus Hipposideros kingstonae wurde zwischen 2014 und 2021 entdeckt und an zwei Standorten in Südthailand, einem in Malaysia und zwei in Sabah, Borneo, nachgewiesen.
(© Pipat Soisook)

Die Fledermaus Hipposideros kingstonae aus der Gattung der Altwelt-Rundblattnasen wurde ebenfalls erstmals beschrieben. Obwohl sie in Thailand, Malaysia und auf Borneo vorkommt, war sie bislang unbekannt. Mit einer Unterarmlänge von nur 3,5 bis 4,3 Zentimetern (etwa so groß wie eine Sicherheitsnadel) und einem Gewicht von fünf bis sieben Gramm ist sie eine kleine Fledermaus. Ihr markantes Merkmal ist die spezielle Form des Nasenblatts, das sie zur Echolokation nutzt. DNA-Analysen bestätigten, dass es sich um eine eigenständige Art handelt – eine von mehr als 70 in der Gattung Hipposideros. Vermutlich nutzt die Spezies sowohl Höhlen als auch Baumhöhlen als Schlafplätze. Lebensraumverlust durch Abholzung und Kalksteinabbau stellt jedoch eine erhebliche Bedrohung für die neu entdeckte Fledermaus dar.

Reptilienentdeckungen in der Mekong-Region

Trimeresurus ciliaris
Trimeresurus ciliaris ist eine kleine, farbenfrohe Schlange, die sich durch ihren smaragdgrünen Kopf und zahlreiche rote Schuppen auszeichnet.
(© Parinya Pawangkhanant)

Neben der aus Myanmar beschriebenen Trimeresurus uetzi wurde auch die Trimeresurus ciliaris, eine weitere Grubenotter, erstmals dokumentiert. Sie erhielt den umgangssprachlichen Namen „Limestone Eyelash Pit Viper“ aufgrund ihrer charakteristischen schuppenartigen „Wimpern“ über den Augen. Diese Schlange, deren smaragdgrüner Kopf und rote Schuppen sie unverwechselbar machen, wurde in den Kalksteinformationen des Tha Le Ban-Nationalparks in Südthailand entdeckt. Bisher ist ihr Vorkommen auf ein kleines Kalksteinareal entlang der thailändisch-malaysischen Grenze beschränkt, wobei sie möglicherweise auch im nördlichen Perlis in Malaysia vorkommt. Ihr Verhalten in der Wildnis ist noch weitgehend unbekannt, doch in menschlicher Obhut ernährt sie sich von Geckos und Fröschen. Die Gattung Trimeresurus umfasst mittlerweile 46 Arten, von denen viele schwer zu unterscheiden sind. Fortschritte in der molekularen Analyse und Morphologie helfen, diese kryptischen Arten besser zu erfassen und ihre Evolution zu verstehen.

Rhabdophis hmongorum - WWF-Bericht 2024
Die neu entdeckte Schlangenart, Rhabdophis hmongorum, deren Schuppen charakteristisch gekielt sind, konnte durch morphologische und genetische Analysen als neue Spezies bestätigt werden.
(© Luan Thanh Nguyen)

Rhabdophis hmongorum, eine Schlange aus der Familie der Wassernattern, wurde auf dem Mount Fansipan im Hoang Lien-Nationalpark in einer Höhe von 2.800 Metern entdeckt – ein Zufallsfund durch lokale H’mong, die eine Reptilien- und Amphibienexpedition als Träger begleiteten. Diese neu beschriebene Art trägt den Namen zu Ehren der H’mong, einer ethnischen Minderheit, die in Nordvietnam und angrenzenden Ländern lebt. Bislang sind nur zwei Exemplare bekannt – eines aus Vietnam und ein genetisch identisches aus Yunnan, China. Doch bereits jetzt steht R. hmongorum unter Druck: Lebensraumverluste durch Holzsammlung, Viehweiden und der Klimawandel gefährden die Art, da hochgelegene Lebensräume kaum alternative Rückzugsorte bieten.

Laodracon carstiola
Die Heimat von Laodracon carsticola bilden die schroffen Kalksteinfelsen von Laos, auf denen sie in Höhen von 50 bis 70 Metern lebt – ein extrem spezialisierter Lebensraum, der von keiner anderen bekannten Echsenart bewohnt wird.
(© Santi Xayyasith)

Dass Laodracon carsticola, eine mittelgroße Echse aus der Familie der Agamen, überhaupt entdeckt wurde, grenzt an ein Wunder, denn sie ist ein Meister der Tarnung und nahezu unsichtbar auf den zerklüfteten Kalksteinfelsen ihrer Heimat in Laos. Ihre Färbung und Struktur lassen sie perfekt mit den schroffen Oberflächen der Pinnacles verschmelzen, was es selbst erfahrenen Forschern erschwert, sie zu erkennen. Lokale Berichte und die Tatsache, dass sie bisher nie am Boden gesichtet wurde, verdeutlichen ihre außergewöhnliche Anpassung an diesen speziellen Lebensraum – eine Tarnung, die in der rauen Umgebung überlebenswichtig ist.

Mit ihrer verdickten Schwanzbasis und den vergrößerten Schuppen unterscheidet sich L. carsticola deutlich von allen anderen Vertretern der Unterfamilie Draconinae. Entdeckt wurde sie zufällig von einem Guide während einer Zipline-Tour. Die Kalksteinlandschaften Indochinas, zu denen auch die Fundorte von L. carsticola zählen, sind wahre Biodiversitäts-Hotspots mit zahlreichen endemischen Arten, die oft auf kleinste Lebensräume beschränkt sind. Doch diese einzigartigen Ökosysteme sind massiv bedroht: Durch Zementproduktion und andere menschliche Eingriffe stehen rund 99 Prozent dieser Kalksteinlandschaften ohne rechtlichen Schutz da.

Weitere spannende Neuentdeckungen: Frösche und Fische

WWF-Report 2024 Mekong-Region:  Zhangixalus melanoleucus
Der Baumfrosch Zhangixalus melanoleucus beeindruckt nicht nur durch seine leuchtenden Farben, sondern auch durch seine Anpassung an Höhenlagen von über 2.000 Metern.
(© Parinya Pawangkhanant)

Unter den 17 neu beschriebenen Amphibienarten sticht der Baumfrosch Zhangixalus melanoleucus hervor. Diese Art lebt in den immergrünen Wäldern des Phou Samsoum-Berges im Nordosten von Laos, in Höhenlagen über 2.000 Metern. Die Männchen, etwa 3,5 Zentimeter groß, leuchten in einem intensiven Grasgrün, während die größeren Weibchen eine dunklere, flaschengrüne Färbung aufweisen. Auffällig sind die schwarzen und weißen Flankenflecken, die der Art ihren Namen verliehen. Ihre Paarungsrufe heben sich durch höhere Frequenzen und weniger Pulse von verwandten Arten ab.

Bislang ist der Baumfrosch nur von seinem Fundort bekannt, doch er könnte auch in benachbarten Bergregionen vorkommen. Als strikter Bewohner ungestörter Primärwälder gilt er als sensibler Indikator für die Gesundheit seiner Lebensräume. Die Gattung Zhangixalus wurde erst 2019 anerkannt und umfasst mittlerweile 40 Arten, von denen ein Drittel in den letzten 20 Jahren beschrieben wurde. Die Bergregionen im Norden von Laos sind ein Hotspot der Amphibienvielfalt mit hohem Endemismus, doch sie gehören zu den am wenigsten erforschten Gebieten Asiens.

Zu den 15 neu beschriebenen Fischarten gehört die Myanmar-Zwergschmerle (Physoschistura mango), auch bekannt als Rosy Loach. Obwohl sie seit 2006 in der Aquaristik bekannt ist, wurde sie erst kürzlich wissenschaftlich beschrieben. Ihr Name leitet sich von der leuchtend orange-gelben Färbung ab, die an das Fruchtfleisch einer Mango erinnert. Forscher untersuchten ihre sensorischen Barteln (Fortsätze am Maul) mithilfe von Elektronenmikroskopie und fanden dabei einzigartige, tuberkelartige Strukturen, deren Funktion bislang unklar ist.

New Species Report - Physoschistura mango – fish
Mit einer maximalen Länge von nur 2,3 Zentimetern – etwa der Größe eines Flaschendeckels – gehört die Myanmar-Zwergschmerle Physoschistura mango zu den kleinsten Fischen ihrer Familie.
(© Kevin Conway)

P. mango wurde in Quellen nahe Hopong im Shan-Staat von Myanmar entdeckt, doch ihr Verhalten und ihre Verbreitung in freier Natur sind noch weitgehend unbekannt. In Aquarien zeigt die Zwergschmerle ein aktives Schwimmverhalten, unterbrochen von kurzen Ruhephasen am Boden. Besonders die männlichen Fische zeichnen sich durch territoriales Verhalten und aggressive Kämpfe aus, was interessante Einblicke in ihre Balz- und Fortpflanzungsstrategien ermöglicht.

Bedrohungen für neu entdeckte Arten in der Mekong-Region

Die Entdeckungen des Jahres 2023 verdeutlichen die Bedeutung der Mekong-Region als globalen Biodiversitäts-Hotspot. Doch die Zukunft dieser einzigartigen Artenvielfalt steht auf dem Spiel. Lebensraumzerstörung, Wilderei und der illegale Wildtierhandel bedrohen viele der neu beschriebenen Arten bereits, bevor sie vollständig erforscht werden konnten. Auch bereits bekannte Spezies kämpfen ums Überleben – so zählen die Flussdelfine des Mekong zu den am stärksten bedrohten Tierarten der Region. Besonders besorgniserregend ist der massive Raubbau an Karstlandschaften, die durch Zementproduktion unwiederbringlich verloren gehen. Diese einzigartigen Lebensräume beherbergen zahlreiche endemische Arten, deren Existenz eng mit diesen fragilen Ökosystemen verknüpft ist.

Die Umweltschutzorganisation WWF fordert dringend verstärkte Schutzmaßnahmen, um das Überleben dieser Arten zu sichern. Zu den vorgeschlagenen Strategien gehören die Ausweisung neuer Schutzgebiete, die Förderung nachhaltiger Landnutzung sowie die Einbindung und Sensibilisierung der lokalen Bevölkerung. Nur durch die Zusammenarbeit von Regierungen, Naturschutzorganisationen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern können effektive Lösungen gefunden werden, um die Vielfalt der Mekong-Region für kommende Generationen zu bewahren. Die Entdeckungen aus dem Jahr 2023 zeigen nicht nur, wie viel wir noch über die Natur lernen können, sondern auch, wie dringend wir handeln müssen, um diese Schätze zu bewahren.

Quelle

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