Waldelefanten
Waldelefanten im Minkébé-Nationalpark, Gabun, haben zwischen 2004 und 2014 durch Wilderei und illegalen Elfenbeinhandel 78 bis 81 % ihrer Population verloren. Jean-Paul Boerekamps, CC0, via Wikimedia Commons)

WWF Living Planet Report 2024: Wildtierbestände weltweit um 73 % gesunken

Der kürzlich veröffentlichte WWF Living Planet Report 2024 zeigt den besorgniserregenden Zustand der globalen Biodiversität auf. Der Rückgang der Tierpopulationen ist drastisch und bedroht das ökologische Gleichgewicht. Besonders stark betroffen sind Wirbeltierarten wie Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien, deren Bestände seit den 1970er-Jahren signifikant abgenommen haben.

Schrumpfende Wirbeltier-Populationsgrößen

Der Living Planet Index (LPI) verzeichnet seit 1970 einen Rückgang der erfassten Wirbeltierpopulationen um 73 Prozent weltweit. Besonders betroffen sind Populationen in Süßwasserökosystemen, wo die Bestände um 85 Prozent gesunken sind. Landökosysteme verzeichnen einen Verlust von 69 Prozent, während Meeresökosysteme um 56 Prozent dezimiert wurden. Die geografischen Regionen, die am stärksten betroffen sind, umfassen Lateinamerika und die Karibik mit einem Rückgang von 95 Prozent, gefolgt von Afrika (76 %) und der Asien-Pazifik-Region (60 %).

Diese Entwicklungen markieren einen alarmierenden Trend, bei dem wir uns den sogenannten ökologischen Kipppunkten nähern – Schwellen, die bei Überschreitung irreversible Schäden anrichten könnten.

Ursachen des Artensterbens: Menschliche Einflüsse dominieren

Die Hauptursachen für das Artensterben sind anthropogener Natur: Lebensraumzerstörung, besonders durch Entwaldung, Landwirtschaft, städtische Ausdehnung, Umweltverschmutzung und die fortschreitende Klimakrise bedrohen unzählige Tierarten weltweit. Der Klimawandel zwingt viele Arten, ihre Lebensräume zu verlassen, und verändert Nahrungsquellen und Fortpflanzungszyklen.

WWF Living Planet Report 2024: Atlantischer Kabeljau - Bestandseinbruch um 77 %
Der Atlantische Kabeljau verzeichnete zwischen 2000 und 2023 einen Rückgang von 77 %. (© Hans Hillewaert)

Ein Beispiel für den dramatischen Rückgang ist der Atlantische Kabeljau oder Dorsch (Gadus morhua), dessen Bestand im Nordatlantik und der westlichen Ostsee zwischen 2000 und 2023 um 77 Prozent gesunken ist. Diese Verluste resultieren aus Überfischung und der Erwärmung der Meere, die das Ökosystem des Kabeljaus stark beeinträchtigen​.

Auch die Amazonas-Flussdelfine (Inia) und Amazonas-Sotalia oder Tucuxi-Delfine (Sotalia fluviatilis) verzeichnen aufgrund von Lebensraumzerstörung, Umweltverschmutzung und Staudämmen massive Verluste – im brasilianischen Mamirauá-Schutzgebiet gingen die Bestände zwischen 1996 und 2016 um 65 beziehungsweise 75 Prozent zurück. Der Chinesische Flussdelfin gilt bereits seit den 2000er-Jahren als ausgestorben. Allein im Jahr 2023 starben während einer extremen Hitzewelle und Dürre mehr als 330 Delfine in nur zwei Seen. Dieser Verlust hat im Oktober 2023 globale Aufmerksamkeit erregt und zu umfassenden internationalen Schutzmaßnahmen geführt.

Afrikanische Waldelefanten (Loxodonta cyclotis) zählen zu den am stärksten bedrohten Elefantenarten, und ihr dramatischer Rückgang im Minkébé-Nationalpark in Gabun ist besonders besorgniserregend. Zwischen 2004 und 2014 hat die Population dort durch Wilderei und illegalen Elfenbeinhandel 78 bis 81 Prozent ihrer Bestände verloren. Da Gabun fast die Hälfte aller Waldelefanten Zentralafrikas beheimatet, ist dieser Verlust ein schwerer Rückschlag für den Erhalt der Art.

Erfolgsgeschichten im Artenschutz

Der WWF Living Planet Report 2024 verzeichnet auch Lichtblicke im Kampf gegen das Artensterben. Diese Beispiele zeigen, dass gezielte Naturschutzmaßnahmen positive Auswirkungen auf bedrohte Arten haben können, wenn ausreichend Ressourcen und Schutzgebiete zur Verfügung stehen:

Wisent
Der Europäische Bison oder Wisent galt bereits als in freier Wildbahn ausgestorben; jetzt umfasst seine Population rund 6.800 Tiere. (© Šimon Slávik, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)
  • Der Wisent (Bos bonasus), einst in freier Wildbahn ausgestorben, konnte durch Artenschutzmaßnahmen auf eine Population von etwa 6.800 Tieren anwachsen. Die meisten dieser Tiere leben heute in geschützten Gebieten.
  • Auch die Population der Berggorillas (Gorilla beringei beringei) im Virunga-Bergmassiv in Zentralafrika zeigt einen jährlichen Zuwachs von drei Prozent. Durch intensive Schutzmaßnahmen ist die Zahl der Tiere auf rund 700 gestiegen.
  • Der Eurasische Biber (Castor fiber) war Anfang des 20. Jahrhunderts nahezu ausgestorben, doch dank intensiver Schutzprogramme und Wiederansiedlungen in ganz Europa hat sich seine Population erholt. Heute leben mehr als 1,2 Millionen Biber in den Flüssen und Bächen Europas​.
  • Die Population der Lederschildkröten (Dermochelys coriacea) im asiatischen Pazifik ist in den letzten zwei Jahrzehnten um rund 78 Prozent zurückgegangen. Ursachen sind die übermäßige Eiersammlung und das Verfangen der Tiere in Fischernetzen. Zudem bedroht der Klimawandel diese wandernde Art zunehmend​. Trotz der erheblichen Verluste gibt es lokale Schutzprojekte, die Erfolge verzeichnen. In bestimmten Nistgebieten konnten Schutzmaßnahmen dazu beitragen, dass die Populationen stabilisiert werden und sich langfristig erholen​.

Kipppunkte und globale Verantwortung

Der WWF Living Planet Report 2024 dient nicht nur als Warnung, sondern auch als Frühwarnsystem für ökologische Kipppunkte, die den Zustand ganzer Ökosysteme gefährden. Der fortschreitende Verlust des Amazonas-Regenwaldes oder die globale Massenbleiche der Korallenriffe sind Beispiele für Prozesse, die ein solches Kippen bereits andeuten. Sollte die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes weiter voranschreiten, könnte sich das Gebiet in eine Savanne verwandeln – mit katastrophalen Folgen für das globale Klima und die Biodiversität. Bereits 17 Prozent des Amazonas-Regenwaldes wurden zerstört.

Dringender Handlungsbedarf: Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft

Die kommenden fünf Jahre werden als entscheidend angesehen, um den Verlust der Biodiversität zu stoppen. Der WWF fordert umfassende Veränderungen in der Landwirtschaft, im globalen Energiesystem sowie im Finanzsektor. Diese Transformationen sind notwendig, um den weiteren Rückgang der Artenvielfalt aufzuhalten. Dafür bedarf es jedoch schnellerer und entschlossener Maßnahmen auf politischer und globaler Ebene, um den Schutz der Natur nachhaltig zu sichern.

Handlungsempfehlungen:

  • Schutzgebiete müssen ausgeweitet werden, um die negativen Trends zu verlangsamen.
  • Die Landwirtschaft sollte nachhaltiger gestaltet werden, um die Zerstörung von Lebensräumen zu verhindern.
  • Naturschutzmaßnahmen wie die Wiederaufforstung und der Schutz indigener Gebiete sind notwendig, um den Kipppunkt gefährdeter Ökosysteme zu verhindern.

Die kommenden internationalen Konferenzen, wie die Weltnaturkonferenz in Kolumbien, die Klimakonferenz in Aserbaidschan und die Verhandlungen zum UN-Plastikabkommen in Südkorea, bieten Chancen, um weltweit Fortschritte im Artenschutz zu erzielen. Auch Deutschland trägt in diesem Prozess eine Schlüsselrolle.

Hintergrund

Beim WWF (World Wide Fund for Nature) handelt es sich um eine unabhängige Naturschutzorganisation, die mit der Zoological Society of London seit mehr als 50 Jahren die Bestände ausgewählter Tiergruppen analysiert und beobachtet.

Der Living Planet Report ist seit 1998 eine der wichtigsten Studien zum Zustand der globalen Biodiversität und erscheint seit 2000 alle zwei Jahre. Die aktuelle, 15. Ausgabe wurde gemeinsam vom WWF und der Zoological Society of London veröffentlicht. Sie basiert auf der Analyse von fast 35.000 Populationen von 5.495 Wirbeltierarten und dokumentiert die Entwicklung des globalen Artensterbens.

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