Spitzenprädator Wolf als Klimaschützer
Der Wolf – Schlüsselart für stabile Ökosysteme und natürlichen Klimaschutz. Wölfe regulieren Wildbestände, fördern die Waldgesundheit und helfen, CO₂ zu speichern. (© Doreen Fräßdorf, 2007)

Wölfe als Klimaschützer: Wie sie Ökosysteme stabilisieren & CO₂-Speicherung fördern

Spitzenprädatoren wie der Wolf (Canis lupus) sind essenziell für das Gleichgewicht in Ökosystemen. Ihr Fehlen kann weitreichende Folgen haben – von unkontrollierten Pflanzenfresser-Populationen bis hin zu tiefgreifenden ökologischen Kettenreaktionen. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist der Yellowstone-Nationalpark, wo die Wiederansiedlung von Wölfen in den 1990er-Jahren nicht nur das gesamte Ökosystem stabilisierte, sondern sogar die Flussläufe veränderte.

Aktuelle wissenschaftliche Studien legen nahe, dass Wölfe nicht nur zur Stabilität von Lebensräumen beitragen, sondern auch eine bedeutende Rolle im Klimaschutz spielen könnten. Eine Studie der University of Leeds zeigt, dass eine Wiederansiedlung von Wölfen in Schottland erheblich zur Reduktion von Kohlendioxid (CO₂) beitragen könnte. Durch die Regulierung der Beutepopulationen beeinflussen Wölfe die Vegetation, fördern die Kohlenstoffspeicherung und stabilisieren das gesamte Nahrungsnetz.

Wie Wölfe die Landschaft verändern

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass große Raubtiere eine zentrale Rolle im Kohlenstoffkreislauf spielen, indem sie das Verhalten und die Anzahl von Pflanzenfressern regulieren. Schätzungen zufolge könnten Wölfe allein in nördlichen Wäldern durch die Kontrolle von Pflanzenfresser-Populationen dazu beitragen, jährlich bis zu 260 Megatonnen CO₂ zu speichern. Diese Erkenntnisse stützen die Argumente für eine gezielte Wiederansiedlung der Raubtiere als natürliche Klimaschutzmaßnahme. Wälder sind wichtig für den Klimaschutz, da sie große Mengen an CO₂ aufnehmen und langfristig speichern.

Nachdem Wölfe vor rund 250 Jahren aus Schottland verschwanden, vermehrte sich das Rotwild unkontrolliert. Die Folge: Junge Baumtriebe wurden übermäßig gefressen, wodurch die natürliche Regeneration der Wälder erheblich beeinträchtigt wurde. Die Untersuchung von Spracklen et al. prognostiziert, dass eine Population von etwa 167 Wölfen ausreichen könnte, um die Rotwildbestände so stark zu reduzieren, dass sich die Wälder wieder erholen. Laut dem Modell der Studie müsste die Dichte der Rotwildpopulation auf weniger als vier Tiere pro Quadratkilometer sinken, um eine natürliche Waldexpansion zu ermöglichen.

Vielfältige Vorteile der Wolfsrückkehr

Die Rückkehr der Raubtiere hätte nicht nur positive Auswirkungen auf den Wald und den Kohlendioxidausstoß. Die Studie nennt noch andere Vorteile:

  • Weniger Wildunfälle auf Straßen, da sinkende Rotwildbestände das Risiko von Zusammenstößen mit Fahrzeugen verringern.
  • Eine geringere Verbreitung von Zecken und Borreliose, weil weniger Rotwild als Wirte für Zecken zur Verfügung stehen.
  • Ein wirtschaftlicher Schub für den Tourismus, da die Präsenz von Wölfen viele Naturfreunde und Wildtierbeobachter anziehen könnte.

Spitzenprädatoren und ihr Einfluss auf Ökosysteme

Das Fehlen von Spitzenprädatoren kann tiefgreifende Auswirkungen auf Ökosysteme haben. Ein Beispiel ist der Hokkaido-Wolf, der 1889 in Japan ausgerottet wurde. Bis zu seinem Verschwinden regulierte er die Populationen der Sikahirsche auf der Insel Hokkaido. Sein Fehlen führte zu einer unkontrollierten Vermehrung der Pflanzenfresser, was nicht nur die Vegetation stark beeinträchtigte, sondern auch zu erhöhter Erosion und einer steigenden Anzahl von Wildunfällen im Straßenverkehr führte.

Wölfe halten Rotwildpopulation in Schach
Die Ausrottung von Wölfen in Schottland vor rund 250 Jahren führte dazu, dass sich Rotwild ungehindert vermehren konnte – mit Folgen für das Ökosystem.
(© Doreen Fräßdorf, 2007)

Auch in Westafrika wurden ähnliche Auswirkungen beobachtet: Der drastische Rückgang des Westafrikanischen Löwen (Panthera leo leo) führte zu einer explosionsartigen Vermehrung von Pflanzenfressern, wodurch die Vegetation überbeansprucht wurde. Dies beeinträchtigte langfristig die Bodenqualität und die Wasserhaltefähigkeit der Landschaften.

Ein positives Beispiel für die Wiederherstellung eines Ökosystems durch die Rückkehr eines Spitzenprädators ist der Yellowstone-Nationalpark in den USA. Dort regulierten die nach Jahrzehnten der Abwesenheit wiedereingeführten Wölfe die Bestände der Wapitis. Dadurch konnte sich die Vegetation erholen, was wiederum zur Rückkehr von Bibern und anderen Arten führte, die von stabilen Gewässerökosystemen profitieren.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass Spitzenprädatoren wie Wölfe eine Schlüsselrolle im ökologischen Gleichgewicht spielen. Ihr Fehlen kann eine Kettenreaktion auslösen, die sich auf die gesamte Nahrungspyramide auswirkt. Daher ist es nicht nur wichtig, ihre Wiederansiedlung zu fördern, sondern auch ihre langfristige Integration in von Menschen geprägte Landschaften sicherzustellen.

Der Wolf als natürlicher Klimaschützer

Die Forscher berechneten, dass durch diese Entwicklung jährlich zusätzlich eine Million Tonnen CO₂ gespeichert werden könnten – das entspricht etwa fünf Prozent des britischen CO₂-Reduktionsziels bis 2050. Jeder einzelne Wolf könnte im Durchschnitt zur Speicherung von 6.080 Tonnen CO₂ pro Jahr beitragen. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Raubtiere nicht nur direkte Auswirkungen auf ihre Beutetiere haben, sondern langfristig ganze Ökosysteme und den globalen Kohlenstoffkreislauf positiv beeinflussen.

Die Studie unterstreicht, dass die Wiederansiedlung von Wölfen nicht nur die Stabilität von Ökosystemen fördert, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Dabei beruht die Analyse auf einem Modell, das verschiedene Faktoren wie die Entwicklung der Rotwildpopulation, das Waldwachstum und die Kohlenstoffspeicherung berücksichtigt. Demnach könnte durch eine natürliche Wiederbewaldung, die durch eine reduzierte Rotwildpopulation ermöglicht wird, jährlich etwa eine Million Tonnen CO₂ gespeichert werden – mit einer Schwankungsbreite von ±100.000 Tonnen. Diese Zahlen bedeuten, dass die tatsächliche CO₂-Speicherung je nach Umweltbedingungen zwischen 0,9 und 1,1 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr betragen könnte. Dies würde nicht nur die nationalen Klimaziele unterstützen, sondern könnte auch wirtschaftliche Anreize für Landbesitzer und Gemeinden durch CO₂-Kompensationsprogramme schaffen.

Die Wiederansiedlung des Wolfs: Herausforderungen und Chancen

Grauwolf im Yellowstone Park
Die Wiederansiedlung der Wölfe im Yellowstone-Nationalpark zeigt, wie Raubtiere ganze Ökosysteme stabilisieren können.
Neal Herbert, Public domain, via Wikimedia Commons)

Erfahrungen aus verschiedenen europäischen Ländern zeigen, dass Wölfe sich auch in von Menschen geprägten Landschaften erfolgreich ansiedeln können. Mittlerweile bewohnen sie wieder 67 Prozent ihres historischen europäischen Verbreitungsgebiets, mit einer Population von über 12.000 Individuen in Westeuropa. Modellberechnungen legen nahe, dass eine Wiederansiedlung in Schottland bis zu 376 Wölfen geeigneten Lebensraum bieten könnte. Dies würde nicht nur zur ökologischen Wiederherstellung beitragen, sondern auch einen positiven Effekt auf den Klimaschutz haben.

In Deutschland kehrt der Wolf seit einigen Jahrzehnten in seine angestammten Lebensräume zurück. Während Naturschützer die positiven Auswirkungen auf die Biodiversität betonen, gibt es Widerstände von Landwirten und Jägern, die um ihre Nutztiere und Wildbestände fürchten. Eine erfolgreiche Wiederansiedlung erfordert daher ein ausgewogenes Management, das den Schutz der Wölfe mit den Interessen der lokalen Bevölkerung in Einklang bringt.

Wie Wölfe Ökosysteme und das Klima retten könnten

Die Auswirkungen der Ausrottung von Spitzenprädatoren wie den Wölfen in Schottland oder dem Hokkaido-Wolf zeigen, welche zentrale Rolle diese Tiere für die Stabilität von Ökosystemen spielen. Die Diskussion über die Wiederansiedlung von Wölfen sollte daher nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus klimapolitischer Perspektive geführt werden.

Die Studien aus Schottland liefern überzeugende Hinweise darauf, dass Raubtiere wie der Wolf nicht nur das ökologische Gleichgewicht bewahren, sondern auch aktiv zur Reduzierung von CO₂ beitragen können. Könnten Wölfe also gezielt als natürliche Klimaschützer gefördert werden?

Quelle

  • Spracklen, D. V., Chapman, P. J., Fletcher, T., Lane, J. V., Nilsen, E. B., Perks, M., Schofield, L., & Scott, C. E. (2025). Wolf reintroduction to Scotland could support substantial native woodland expansion and associated carbon sequestration. Ecological Solutions and Evidence, 6(1), e70016. https://doi.org/10.1002/2688-8319.70016

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