Im April 2025 gelang südafrikanischen Forschern der erneute Nachweis des Blyde-River-Flachgeckos (Afroedura rondavelica) in seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet – in einem abgelegenen Teil des Blyde-River-Canyons im Nordosten Südafrikas. Die flach gebaute Geckoart galt seit ihrer Erstbeschreibung im Jahr 1991 als verschollene Art und war lange Zeit ein biologisches Rätsel.
Zwei Exemplare, viele Zweifel
Afroedura rondavelica wurde am 18. Dezember 1991 von dem Herpetologen Niels H. G. Jacobsen entdeckt. Er sammelte zwei männliche Exemplare an den steilen Sandsteinwänden im heutigen Blyde-River-Naturreservat in der Provinz Mpumalanga. Danach blieb es jahrzehntelang still um den kleinen Gecko: Kein weiterer Nachweis, keine genetischen Daten, keine Beobachtungen – nur die beiden Typusexemplare im Museum. Die Unsicherheit unter Wissenschaftlern wuchs: War diese Geckoart wirklich eine eigenständige Spezies? Oder handelte es sich nur um Jungtiere einer bekannten Art?
Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) stufte die Art schließlich als „ungenügend dokumentiert“ (Data Deficient) ein. Auch Darren Pietersen vom Endangered Wildlife Trust (EWT) ließ das keine Ruhe: Er erklärte später, ihn hätten besonders die Arten fasziniert, die schwer zu finden seien oder in der Forschung wenig Beachtung fänden.

(© Photo by N.H.G. Jacobsen, in: Jacobsen et al. 2014, Zootaxa)
Expedition in schwer zugängliches Gelände
Nach mehrjähriger Vorbereitung und insgesamt sechs abgelehnten Genehmigungsanträgen erhielten Darren Pietersen und sein Kollege John Davies im Jahr 2025 schließlich die behördliche Zustimmung für eine gezielte Suchmission im Blyde-River-Canyon. Die beiden Forscher des Endangered Wildlife Trust wurden per Helikopter auf einem der schwer erreichbaren, rundkuppigen Felsvorsprünge abgesetzt – genau an jenem Ort, an dem Niels H. G. Jacobsen 1991 die Erstexemplare gesammelt hatte.
Für die Suche standen lediglich drei Tage zur Verfügung. Dennoch war die Expedition erfolgreich: Auf dem gleichen Felsplateau konnten zwischen 20 und 30 Individuen beobachtet werden. Sieben Geckos wurden dokumentiert, fotografiert und beprobt. Diese Funde belegen nicht nur die fortdauernde Existenz der Art, sondern liefern erstmals verwertbares Datenmaterial für die wissenschaftliche Einordnung und künftige Schutzbemühungen.
Warum der Name rondavelica?
Der wissenschaftliche Artname ist eng mit dem Fundort verknüpft: Die sogenannten Three Rondavels sind drei auffällige, turmartige Sandsteinformationen im Blyde-River-Canyon. Sie erinnern an traditionelle, südafrikanische Rundhäuser (Rondavels) mit Strohdach und kreisförmigem Grundriss. Genau an diesen Felsen wurden die ersten Geckos entdeckt – und vermutlich ist der Lebensraum auf diese markanten Felsformationen beschränkt. Im Englischen wird die Art daher als Blyde Rondavel Flat Gecko oder Rondavels Rock Gecko bezeichnet.
Die Merkmale der Art
Als Niels H. G. Jacobsen den Blyde-River-Flachgecko 1991 erstmals entdeckte, fand er die beiden Typusexemplare an steilen Sandsteinwänden der markanten Three Rondavels. Diese exponierten Felsformationen im Blyde-River-Canyon gelten seither als einziger bekannter Lebensraum der Art – eine geografisch sehr begrenzte Verbreitung.
Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Geckos bevorzugt in Felsspalten entlang südlich exponierter Klippen leben. Zwar wurden die ursprünglichen Tiere einzeln aufgefunden, Hinweise wie Kotanhäufungen sprechen jedoch für ein geselliges Verhalten. Die Art bewohnt das sogenannte Northern Escarpment Quartzite Sourveld in etwa 1.300 Metern Höhe.
Aufgrund der extremen Unzugänglichkeit des Lebensraums war es laut der Erstbeschreibung von 2014 bislang nicht möglich, genetisches Material für phylogenetische Analysen zu gewinnen. Morphologisch lässt sich Afroedura rondavelica jedoch klar von verwandten Arten wie dem Mariepskop-Flachgecko (A. maripi) und dem Pongola-Flachgecko (A. pongola) abgrenzen – unter anderem durch eine glattere Schuppenstruktur und ein kompakteres Erscheinungsbild.
Mehr als nur ein kleiner Fund
Mit der Wiederentdeckung des Blyde-River-Flachgeckos hat der Endangered Wildlife Trust innerhalb weniger Jahre bereits die vierte Tierart nachgewiesen, die zuvor als verschollen galt – darunter der De Wintons Goldmull im Jahr 2023, ein Schmetterling, ein Frosch und eine weitere Echse. Diese Funde verdeutlichen, dass auch unscheinbare, wenig erforschte Arten in gefährdeten Nischen überdauern können – oft unbemerkt und ohne gezielte Schutzmaßnahmen.
Zugleich zeigen solche Wiederentdeckungen, wie unvollständig unser Wissen über die weltweite Biodiversität ist – selbst in Regionen, die als vergleichsweise gut untersucht gelten. Der Fall des Blyde-River-Flachgeckos macht deutlich: Um das tatsächliche Ausmaß des Artenverlusts zu verstehen und wirksame Schutzstrategien zu entwickeln, müssen auch wenig bekannte und schwer zugängliche Arten stärker in den Fokus rücken. Denn was nicht gezielt gesucht wird, bleibt leicht unentdeckt – oder verschwindet, ohne je wirklich bekannt gewesen zu sein.
Quellen
- Gala, D. (2025, 16. Mai). Researchers stunned after discovering ‚lost‘ species nestled in remote canyon. The Cool Down. https://www.thecooldown.com/outdoors/blyde-rondawels-flat-gecko-south-africa/
- Imray, G. (2025, 14. Mai). This flat-bodied South African gecko was a ‚lost‘ species. It’s been found again after 34 years. Associated Press. https://apnews.com/article/lizard-gecko-lost-species-south-africa-e9ae2e0c93767d33ccc3afbe80a910e8
- Jacobsen et al. (2014). A phylogenetic analysis of the southern African gecko genus Afroedura. Zootaxa, 3846(4), 451–501. https://doi.org/10.11646/zootaxa.3846.4.1
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