Ectopistes migratorius Wandertaube
Eine Wandertaube galt einst als der häufigste Vogel Nordamerikas. Heute ist sie nur noch in historischen Aufzeichnungen und Museumsproben präsent. Jetzt sollen moderne Geneditierungstechnologien helfen, die Art zurückzubringen. Hayashi and Toda (artists), Charles Otis Whitman (author)., Public domain, via Wikimedia Commons)

Die Wiederbelebung der Wandertaube: Ein Projekt von Revive & Restore

Die Wandertaube, einst der häufigste Vogel Nordamerikas, ist seit mehr als einem Jahrhundert ausgestorben. Nun haben sich Biologen der gemeinnützigen Organisation Revive & Restore zum Ziel gesetzt, die Art mithilfe modernster Geneditierungstechnologien zurückzubringen. Unter der Leitung von Ben Novak wird daran gearbeitet, die Wandertaube nicht nur wiederzubeleben, sondern sie auch in ihre ursprünglichen Lebensräume zu integrieren, um die ökologischen Funktionen, die sie einst erfüllte, wiederherzustellen.

Novak führt die Projekte zur De-Extinktion der Organisation an und koordiniert zudem Initiativen zur Klonung von Tieren. Sein zentrales Anliegen ist die Wiederherstellung der Wandertaube, das Vorzeigeprojekt von Revive & Restore, das unter dem Namen „The Great Passenger Pigeon Comeback“ bekannt ist. In einem kürzlich veröffentlichten Interview mit Wisconsin Public Radio erläuterte Novak die Hintergründe des Projekts und die geplanten Schritte in Wisconsin.

Vom häufigsten zum ausgestorbenen Vogel

Wiederbelebung der Wandertaube durch Revive & Restore
Eine Fotografie der letzten Wandertaube namens Martha aus dem Jahr 1912. (© Enno Meyer, Public domain, via Wikimedia Commons)

Die Wandertaube (Ectopistes migratorius) war bis ins frühe 19. Jahrhundert der am weitesten verbreitete Vogel Nordamerikas und vermutlich der Welt. Schätzungen zufolge bestand die Population einst aus rund fünf Milliarden Vögeln. Ihre riesigen Schwärme, die aus Millionen von Individuen bestanden, waren ein eindrucksvolles Naturphänomen. Doch genau diese Fülle machte sie auch besonders anfällig für den Menschen.

Mit der zunehmenden Besiedlung und Industrialisierung Nordamerikas nahm die Jagd auf die Wandertaube rapide zu. Die Vögel wurden in riesigen Mengen getötet und für den kommerziellen Fleischmarkt verkauft. Innerhalb weniger Jahrzehnte schrumpfte ihre Population drastisch, und bereits um 1900 gab es nur noch wenige Tausend Exemplare. Die letzten bekannten Wandertauben in freier Wildbahn wurden 1902 getötet. Schließlich starb 1914 im Zoo von Cincinnati die letzte Wandertaube namens Martha und besiegelte das endgültige Aussterben der Art.

Warum die Wandertaube zurückbringen?

Das Projekt zur Wiederbelebung der Wandertaube geht weit über die reine Arterhaltung hinaus. Es zielt darauf ab, eine entscheidende ökologische Rolle im Wald wiederherzustellen, die durch das Verschwinden der Art verloren ging. Die Vögel hatten einen bedeutenden Einfluss auf die Wälder Nordamerikas. Ihre riesigen Schwärme verursachten zwar beträchtliche Störungen, allerdings hatten diese auch einen positiven Effekt auf das Ökosystem. Durch das Gewicht der vielen Vögel in den Bäumen brachen Äste und sogar ganze Bäume, was den Wald für Sonnenlicht öffnete und so das Wachstum neuer Pflanzen förderte.

Darüber hinaus hinterließen die Vögel eine dicke Schicht Kot, der den Waldboden düngte und die Vegetation ähnlich wie ein Feuer zurückdrängte. Dieser natürliche Störungszyklus war ein wichtiger Bestandteil des Waldökosystems Nordamerikas, da er zu einer höheren Biodiversität beitrug und den Wald in einen Kreislauf aus Störung, Regeneration und Sukzession brachte. Die Wiederansiedlung der Wandertaube könnte daher helfen, diesen verlorenen natürlichen Prozess wiederherzustellen und die Wälder zu revitalisieren.

Biotechnologie: Geneditierung als Schlüssel

Der Plan zur Wiederbelebung der Wandertaube basiert auf der Nutzung moderner Geneditierungstechnologien. Ben Novak und sein Team bei Revive and Restore wollen die DNA ausgestorbener Wandertauben, die aus Museumsproben gewonnen wurde, sequenzieren, um die genetischen Unterschiede zu heutigen Taubenarten zu identifizieren. Das Ziel ist es, diese Unterschiede mit moderner Geneditierung zu reproduzieren, um die genetischen Merkmale der Wandertaube in eine verwandte Taubenart zu übertragen.

Dieser Prozess wird es ermöglichen, neue Wandertauben zu „züchten“, die denselben Einfluss auf das Ökosystem haben können wie die ausgestorbene Art. Die Forscher hoffen, zwischen 2029 und 2032 erste Nachzuchten in Volieren heranzuziehen, die sich verhalten wie die historischen Wandertauben. Diese Vögel sollen schließlich in die freie Natur entlassen werden, um stabile und sich selbst erhaltende Populationen aufzubauen. Der gesamte Prozess könnte jedoch Jahrzehnte dauern.

Erste Schritte: Forschungsarbeiten in Wisconsin

Ein wichtiger Bestandteil des Projekts ist es, herauszufinden, wie sich die Wiedereinführung der Wandertaube auf die heutigen Wälder auswirken würde. Zu diesem Zweck arbeiten Novak und sein Team in Wisconsin, da dort einst die größten Nistplätze der Art dokumentiert wurden. Die Forscher untersuchen Bäume, die über 150 Jahre alt sind, um herauszufinden, ob die Bedingungen in den Wäldern nach wie vor günstig für die Wandertaube wären. Die Hoffnung ist, dass diese Experimente dazu beitragen, die Auswirkungen der Vögel auf das Ökosystem besser zu verstehen und die Grundlage für die zukünftige Wiederansiedlung zu schaffen.

Wer sind Revive & Restore?

Revive & Restore ist eine gemeinnützige Organisation, die sich der Biotechnologie im Naturschutz verschrieben hat. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, gefährdete und ausgestorbene Arten mithilfe von Geneditierung und anderen modernen Technologien zu schützen und wiederzubeleben. Die Organisation verfolgt einen pragmatischen Ansatz zur Artenrettung, indem sie wissenschaftliche Methoden zur Förderung der Biodiversität und zur Wiederherstellung funktionierender Ökosysteme einsetzt. Projekte wie die Wiederbelebung der Wandertaube sind Teil einer größeren Vision, die sich auf die Wiederherstellung natürlicher Prozesse konzentriert, die durch das Verschwinden von Arten verloren gegangen sind.

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