Die biologische Vielfalt ist unsere Lebensgrundlage. Sie sichert sauberes Wasser, fruchtbare Böden, ein stabiles Klima und funktionierende Ökosysteme. Doch sie ist in akuter Gefahr: Fast ein Drittel aller bewerteten Tierarten weltweit gilt als bedroht. Schätzungen zufolge könnten – je nach Szenario – in den kommenden Jahrzehnten Hunderttausende bis zu einer Million Arten durch menschliche Einflüsse aussterben.
Um diesen besorgniserregenden Trend zu stoppen, haben die Vertragsstaaten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) im Jahr 2022 neue, ambitionierte Ziele verabschiedet: Menschengemachte Aussterben sollen verhindert, das Aussterberisiko deutlich gesenkt und Tierpopulationen langfristig stabilisiert werden.

(© Paul Masters, CC0, via Wikimedia Commons)
Doch was hilft tatsächlich, um Arten zu schützen und ihren Bestand zu sichern? Eine aktuelle Studie gibt darauf Antworten. Die Autoren werteten die IUCN Rote Liste mit Daten zu mehr als 67.000 Tierarten aus und untersuchten:
- Welche Schutzmaßnahmen wurden bislang umgesetzt?
- Welche Arten haben sich im Gefährdungsstatus verbessert?
- Und: Welche Artenschutz-Maßnahmen waren dabei besonders wirksam?
Die Ergebnisse zeigen: Artenschutz wirkt – aber nur, wenn Maßnahmen gezielt, konsequent und langfristig umgesetzt werden. Besonders erfolgreich waren Wiederansiedlungen, aktives Gebietsmanagement und speziell auf einzelne Arten zugeschnittene Programme. Auffällig ist auch: Arten mit kleinem Verbreitungsgebiet oder hohem Aussterberisiko profitieren besonders häufig von gezielten Eingriffen.
Trotzdem ist die Gesamtbilanz ernüchternd: Sechsmal mehr Arten verschlechtern sich im Gefährdungsstatus als solche, die sich verbessern. Und vollständige Erholungen bleiben die Ausnahme. Besonders vernachlässigt werden viele Fischarten, Libellen, Krebse und andere wenig beachtete Tiergruppen.
Die Studie macht deutlich: Wir wissen längst, was im Artenschutz funktionieren kann. Doch diese Maßnahmen müssen breiter angewendet, besser dokumentiert und gezielter auf jene Arten und Regionen ausgerichtet werden, die bisher kaum im Fokus stehen. Nur so lässt sich das Artensterben wirksam eindämmen.
Welche Arten profitieren von Schutzmaßnahmen?
Mehr als die Hälfte aller umfassend bewerteten Tierarten – rund 35.000 von über 67.000 – haben dokumentierte Schutzmaßnahmen. Bei den bedrohten Arten liegt dieser Anteil sogar bei knapp 59 Prozent. Am häufigsten genannt wird dabei die potenzielle Präsenz in Schutzgebieten – bei rund 94 Prozent aller dokumentierten Fälle.
Doch: Ein Eintrag in einem Schutzgebiet bedeutet nicht automatisch wirksamen Schutz. Häufig überschneiden sich nur kleine Teile der natürlichen Lebensräume mit den ausgewiesenen Flächen, oder es fehlt an wirksamem Management vor Ort. Schutz auf dem Papier ersetzt keinen Schutz in der Praxis.
Zwischen den Artengruppen zeigen sich deutliche Unterschiede:
- Vögel, Säugetiere und riffbildende Korallen profitieren besonders häufig von Schutzmaßnahmen.
- Fische, Reptilien, Amphibien und wirbellose Tiere werden dagegen deutlich seltener berücksichtigt – auch, weil sie in der Forschung und in Schutzprogrammen oft weniger Beachtung finden.
Besonders groß sind die Lücken in den Tropen: In Regionen wie dem Amazonas, Südostasien oder Afrika südlich der Sahara sind Schutzmaßnahmen für viele Arten nur unzureichend dokumentiert – oder fehlen ganz.
Welche Arten konnten ihren Gefährdungsstatus verbessern?
Ein Blick auf die IUCN Red List zeigt ein deutliches Ungleichgewicht: Sechsmal mehr Arten haben sich in ihrem Gefährdungsstatus verschlechtert als verbessert. Nur 288 Arten konnten zwischen 1980 und 2024 eine echte Verbesserung verzeichnen – vor allem auf Inseln, wo gezielte Maßnahmen oft leichter umsetzbar sind. Besonders viele dieser Erfolge stammen aus Neuseeland, Mauritius, den Seychellen, Costa Rica und dem östlichen Australien.

(© Valène Aure, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)
Was diese „Erfolgsarten“ verbindet: Sie haben meist ein kleines Verbreitungsgebiet, ein ursprünglich hohes Aussterberisiko und eine vergleichsweise kurze Generationenzeit – Merkmale, die eine raschere Erholung ermöglichen. Bei Vögeln und Säugetieren zeigt sich jedoch ein anderer Trend: Hier profitieren eher Arten mit langen Generationszyklen, insbesondere wenn sie groß und charismatisch sind – wie etwa der Wisent (Bos bonasus), dessen Bestand sich dank gezielter Schutzmaßnahmen stabilisieren konnte.
Ein weiteres Beispiel ist der Iberische Luchs (Lynx pardinus), einst die am stärksten bedrohte Katzenart der Welt. Heute leben wieder über 2.000 Tiere in Spanien und Portugal – ein Erfolg frühzeitiger Jagdverbote und gezielter Lebensraumrenaturierung. Auch der Iberienadler (Aquila adalberti) profitiert von diesen Maßnahmen. Inzwischen existieren mehrere Teilpopulationen, deren zunehmende Vernetzung entscheidend für den langfristigen Erhalt des Luchses ist – ebenso wie eine ausreichende Dichte an Wildkaninchen, ihrer Hauptbeute.

(© Shino jacob koottanad, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Auch die Silberhalstaube (Columba trocaz) auf Madeira konnte von Naturschutzmaßnahmen profitieren. Sie galt lange als landwirtschaftlicher Schädling und wurde intensiv bejagt, während ihr Lebensraum – die Lorbeerwälder – zunehmend verschwand. Erst ein Jagdverbot im Jahr 1986 brachte die Wende: Die Bestände erholten sich rasch und wuchsen von etwa 2.700 auf rund 10.000 Tiere an. Heute gilt die Population als stabil.
Ein weiteres europäisches Erfolgsbeispiel ist der Seeadler (Haliaeetus albicilla). Ab dem 17. Jahrhundert wurde er in Westeuropa massiv bejagt und war zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast vollständig verschwunden. Erst durch das Verbot der Jagd und später das Verbot des Insektizids DDT konnten sich die Bestände langsam erholen. Heute brüten wieder rund 1.000 Paare in Deutschland, vor allem im Norden.
Auch außerhalb Europas zeigen gezielte Schutzmaßnahmen Wirkung: So war der Buntstorch (Mycteria leucocephala) in vielen Regionen Süd- und Südostasiens durch menschliche Verfolgung bedroht. In den letzten Jahrzehnten haben sich seine Bestände jedoch erholt – die Art gilt heute als „nicht gefährdet“.
In Neuseeland spielen der Schutz von Lebensräumen und die Bekämpfung invasiver Arten eine zentrale Rolle. So konnte der Maoriregenpfeifer (Anarhynchus obscurus) durch zwei Schutzprogramme stabilisiert werden – trotz anhaltender Störungen durch Tourismus, Lebensraumverlust und Strandbebauung. Ein ähnlicher Erfolg ist bei der Maorifruchttaube (Hemiphaga novaeseelandiae) zu beobachten. Die Art war lange stark bedroht, vor allem durch eingeschleppte Fressfeinde wie Opossums, Ratten, Hermeline und Katzen. Auch Lebensraumverlust und Jagd hatten ihr zugesetzt. Erst durch intensive Bekämpfung dieser invasiven Arten konnte sich der Bestand wieder erholen – ein Erfolg, den Experten direkt auf diese Maßnahme zurückführen.
Und auch im Meer zeigen sich Erfolge: Buckelwale (Megaptera novaeangliae) und Blauwale (Balaenoptera musculus), einst durch den kommerziellen Walfang an den Rand der Ausrottung gebracht, konnten sich nach dem internationalen Walfangmoratorium deutlich erholen – ein Beleg dafür, dass politische Entscheidungen direkten Einfluss auf das Überleben von Arten haben können.
Was wirkt wirklich im Artenschutz?
Die Studie zeigt deutlich: Nahezu alle Arten, deren Erhaltungsstatus sich verbessert hat, standen unter gezieltem Schutz. Und bei den meisten dieser Arten lassen sich die positiven Entwicklungen direkt auf konkrete Maßnahmen zurückführen. Besonders wirksam waren folgende Strategien:

(© Charles J. Sharp, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
- Wiederansiedlungen und Umsiedlungen
→ Beispiel: Der Mauritiusfalke (Falco punctatus) konnte durch Nachzucht und Auswilderung von nur vier auf über 250 Tiere anwachsen und wurde dadurch von „kritisch gefährdet“ auf „gefährdet“ herabgestuft. Dennoch bleibt der langfristige Fortbestand fragil – massive Lebensraumverluste begrenzen das Erholungspotenzial. - Managementpläne für einzelne Arten
→ Solche Pläne beinhalten meist langfristiges Monitoring, gezielte Habitatpflege, konkrete Erhaltungsziele und eine enge Abstimmung zwischen Schutzakteuren. Sie bilden die Grundlage für systematischen Artenschutz – besonders bei stark bedrohten Arten mit spezifischen Anforderungen. - Bekämpfung invasiver Arten oder Krankheiten
→ Beispiel: Eingeschleppte Ratten hatten die Population der flugunfähigen Campbellente (Anas nesiotis) auf der subantarktischen Campbell Island nahezu ausgelöscht. Erst die gezielte Ausrottung der Nager ermöglichte die Rückkehr der Art – ein klassisches Beispiel für erfolgreichen Schutz auf isolierten Inseln. - Flächenbezogenes Habitatmanagement
→ Maßnahmen wie Habitatpflege, Wiedervernässung oder kontrollierte Bewirtschaftung wirken besonders effektiv bei Arten mit kleinräumigen Lebensräumen – etwa Amphibien und Bodenbrütern. Entscheidend ist hier nicht nur der Schutz auf dem Papier, sondern das gezielte Management vor Ort. - Aufklärung und Sensibilisierung
→ Beispiel: Der Schwarzschwanz-Beutelmarder (Dasyurus geoffroii) war in Australien fast verschwunden – verdrängt durch Lebensraumverlust und invasive Katzen. Neben Umsiedlungen und der Kontrolle von Raubtieren spielte vor allem Öffentlichkeitsarbeit eine zentrale Rolle: Durch lokale Kampagnen und Bildungsarbeit wurde Akzeptanz geschaffen und das Bewusstsein für den Schutz dieser heimischen Raubtierart gestärkt. Heute kehrt der Beutelmarder langsam in frühere Lebensräume zurück.
→ Beispiel: Artenschutz braucht nicht immer Hightech oder große Budgets – manchmal reicht es, Vorurteile abzubauen und die Bevölkerung einzubeziehen. Ein Beispiel ist der Argalamarabu (Leptoptilos dubius), der als Aasfresser lange als unwillkommener Nistnachbar galt. Nester wurden zerstört, wenn die Vögel zu nahe an Dörfern brüteten. Doch eine Aufklärungskampagne, angeführt von der Zoologin Purnima Devi Barman und getragen von lokalen Landfrauen, hat das Bild des Vogels in der Öffentlichkeit gewandelt. Heute steigen die Bestände des Argalmarabus wieder. - Gut geführte Schutzgebiete
→ Auch ohne spezielle Artenhilfsprogramme kann effektives Flächenmanagement Wirkung zeigen.
→ Beispiele: Die beiden Amphibienarten Pelobatrachus baluensis und Kalophrynus baluensis leben ausschließlich im nördlichen Borneo in Höhenlagen zwischen 1.200 und 1.900 Metern. Ihr Vorteil: Sie bewohnen zwei gut gemanagte Naturschutzgebiete – ein Beweis dafür, dass funktionierende Schutzgebietsverwaltung entscheidend für stabile Populationen sein kann.
Warum Schutz allein nicht reicht

(© Christopher Jones, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Trotz zahlreicher Erfolgsgeschichten warnt die Studie davor, sich allein auf einzelne Schutzmaßnahmen zu verlassen. Viele Schutzgebiete bestehen bislang nur auf dem Papier, und zentrale Bedrohungen wie Wilderei, Lebensraumverlust oder invasive Arten bleiben bestehen – oder werden durch den Klimawandel weiter verschärft.
Manche Maßnahmen scheitern sogar vollständig: So wurde die Arabische Oryx (Oryx leucoryx) nach ihrer Auswilderung erneut bejagt, und mehrere Versuche, invasive Ratten auf abgelegenen Inseln zu bekämpfen, blieben ohne nachhaltigen Erfolg.
Auch Versuche, invasive Mäuse auf Gough Island im Südatlantik auszurotten, waren nicht erfolgreich, was die Erholung der Goughammertangare (Rowettia goughensis) erheblich beeinträchtigte. Die eingeschleppten Mäuse greifen Nestlinge an und verursachen dadurch hohe Brutverluste. Ein Versuch zur Ausrottung der Mäuse 2021 führte zu kurzfristigen Rückgängen, doch die Population erholte sich bis 2023 wieder auf rund 1.900 Individuen. Ohne dauerhafte Kontrolle der Mäuse bleibt die Goughammertangare akut vom Aussterben bedroht.
Diese Beispiele verdeutlichen: Schutzmaßnahmen wirken nur, wenn sie konsequent, langfristig und umfassend umgesetzt werden – und wenn sie nicht durch bestehende oder neue Bedrohungen unterlaufen werden.
Artenschutz wirkt – wenn wir ihn ernst nehmen

Die Studie macht deutlich: Der Verlust von Arten ist kein Naturgesetz. Überall dort, wo gezielt gehandelt wurde – sei es durch Wiederansiedlungen, Habitatpflege oder die Bekämpfung invasiver Arten – lassen sich Erfolge belegen. Doch noch sind diese Beispiele die Ausnahme, nicht die Regel.
Nach wie vor bleibt der Großteil der bedrohten Arten ohne wirksamen Schutz. Viele Lebensräume sind nur unzureichend gesichert, und zu viele Maßnahmen scheitern an mangelnder Umsetzung, fehlenden Ressourcen oder zu kurzer Laufzeit. Gleichzeitig nehmen die Belastungen durch Klimawandel, intensive Landnutzung und Umweltzerstörung weiter zu.
Wenn wir den weltweiten Rückgang der Artenvielfalt wirklich aufhalten wollen, genügt es nicht, auf vereinzelte Erfolgsgeschichten zu verweisen. Es müssen bewährte Ansätze gezielt ausbauen, flächendeckend umsetzen und langfristig finanzieren. Und wir müssen auch jene Arten in den Blick nehmen, die bisher kaum Beachtung finden – weniger bekannte Tiergruppen, Regionen mit schlechter Datenlage oder Arten, für die es bislang kaum Schutzmaßnahmen gibt. Organisationen wie die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) setzen genau hier an: Sie fördern gezielt Projekte zum Schutz oft übersehener, aber akut bedrohter Tierarten – von der Peters-Ameive (Holcosus orcesi) bis zum Java-Plumplori (Nycticebus javanicus).
Die gute Nachricht: Wir wissen, welche Schutzmaßnahmen funktionieren. Jetzt kommt es darauf an, dieses Wissen entschlossen anzuwenden – bevor weitere Arten für immer verschwinden.
Quelle
- Simkins A.T., Sutherland W.J., Dicks L.V., Hilton-Taylor C., Grace M.K., et al. (2025): Past conservation efforts reveal which actions lead to positive outcomes for species. PLOS Biology 23(3): e3003051. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3003051
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