Eine neue Langzeitstudie, die im Fachjournal Ecological Entomology erschienen ist, gibt Anlass zur Sorge: Die Vielfalt der Tagfalter in Mitteleuropa nimmt stark ab, vor allem in niedrigen Lagen bis 800 Meter Höhe. Diese Höhenlagen sind besonders betroffen, da sie intensiv landwirtschaftlich genutzt werden und dadurch natürliche Lebensräume immer weiter verschwinden. Obwohl die Gesamtzahl der Schmetterlinge in diesen Gebieten stabil erscheint, hat die Artenvielfalt stark gelitten. Fast 68 Prozent der Tagfalterarten gelten hier bereits als gefährdet, und 28 Prozent sind sogar ausgestorben oder verschollen. Dieses Phänomen, das die Forscher als „monotone Stabilität“ bezeichnen, macht deutlich, wie dringend Schutzmaßnahmen für die verbleibenden Lebensräume erforderlich sind.
Schmetterlinge: Wichtige Helfer im Ökosystem
Schmetterlinge sind weit mehr als nur schöne Insekten. Sie spielen eine zentrale Rolle in Ökosystemen, insbesondere als Bestäuber und Nahrungsquelle für Vögel und Fledermäuse. Schmetterlinge können beispielsweise durch die Bestäubung von Blütenpflanzen dazu beitragen, dass diese Früchte tragen, die wiederum Nahrung für andere Tiere bieten. Gleichzeitig dienen Schmetterlinge als Indikator für die Gesundheit eines Ökosystems. Ihre Vielfalt auf einer Wiese zeigt, wie gut sich dort auch andere Pflanzen- und Insektenarten entwickeln können.
Die Ursachen für den Schmetterlingsschwund: Intensive Landwirtschaft und Lebensraumverlust
Die Forscher um Jan Christian Habel von der Universität Salzburg haben Daten aus dem Archiv des Hauses der Natur Salzburg ausgewertet, die über drei Jahrzehnte – von 1990 bis 2022 – dokumentiert wurden. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Zunahme intensiver Landwirtschaft einen tiefgreifenden Einfluss auf die Natur und insbesondere auf die Tagfalterpopulationen hat. Der massive Einsatz von Düngemitteln, häufiges Mähen und die Zerstörung natürlicher Lebensräume haben die einst artenreichen Schmetterlingsgemeinschaften stark dezimiert.
Viele spezialisierte Arten, die auf nährstoffarme Wiesen angewiesen sind, können unter diesen Bedingungen nicht überleben. Naturbelassene Ökosysteme, die Schmetterlingen als Rückzugsgebiete dienten, fehlen heute, was zum Verschwinden vieler spezialisierter Arten führt.
Die Studie konzentriert sich auf Daten aus Nordösterreich, die im Rahmen langfristiger Beobachtungen gesammelt wurden. Ihre Ergebnisse beleuchten jedoch eine Problematik, die für Mitteleuropa insgesamt charakteristisch ist. Die Homogenisierung der Landschaften durch intensive Landwirtschaft hat dazu geführt, dass ökologisch generalistische und mobile Arten dominieren, während spezialisierte Arten zunehmend verschwinden.
Deutschland: Mosel-Apollo droht durch Pestizideinsatz Ausrottung

(© Raimond Spekking, Public domain, via Wikimedia Commons)
Ein aktueller Fall verdeutlicht die Bedrohung durch Pestizide: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen haben Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für die Luftausbringung von Pestiziden in Rheinland-Pfalz eingereicht. Ziel ist der Schutz des vom Aussterben bedrohten Mosel-Apollofalters (Parnassius apollo vinningensis), einer streng geschützten Art, die weltweit nur im unteren Moseltal vorkommt. Seine Einzigartigkeit verdankt er der geografischen Isolation.
Der dramatische Rückgang der Population seit 2012 wird direkt mit der Besprühung durch Hubschrauber und Drohnen in Verbindung gebracht. Während andere Apollofalter-Unterarten in Regionen ohne solche Praktiken stabil bleiben, schrumpfen die Bestände des Mosel-Apollofalters enorm. Die Klage fordert ein Ende dieser Ausnahmegenehmigungen, die seit 2011 eigentlich verboten sind, aber jährlich erteilt werden. Die Verwendung von sogenannten „Ewigkeits-Chemikalien“ wie PFAS, die sich kaum in der Umwelt abbauen und die Bedrohung weiter verschärfen.
Gewinner und Verlierer des Wandels
Besonders betroffen sind laut der aktuellen Studie aus Österreich ökologisch anspruchsvolle und standorttreue Schmetterlinge. So sind Bläulinge, Scheckenfalter oder Perlmuttfalter in niedrigen Lagen kaum noch anzutreffen. Hingegen profitieren anpassungsfähige „Allerweltsarten“ wie das Tagpfauenauge, der Kleine Fuchs oder verschiedene Weißlinge (etwa Rapsweißling und Kleiner Kohlweißling) von den neuen Bedingungen. Diese Arten sind sehr mobil und in monotonen Agrarlandschaften oft in großer Zahl anzutreffen.
Ab einer Höhe von etwa 800 bis 1.000 Metern bleibt die Schmetterlingsvielfalt größer. Hier verhindert das bergige Gelände eine starke Intensivierung der Landwirtschaft, sodass naturnahe Lebensräume wie Wiesen und Magerweiden erhalten bleiben. Diese Gebiete dienen als Refugien für artenreiche Schmetterlingsgemeinschaften.
Ein Blick auf die Rote Liste der Tagfalter Salzburgs verdeutlicht das Ausmaß der Krise:
- 68 % der Arten in niedrigen Lagen sind gefährdet.
- 28 % der historischen Bestände gelten als ausgestorben oder verschollen.
- Über das gesamte Bundesland hinweg sind 37 % der Arten bedroht.
- 3,3 % der Arten wurden bis 2023 als ausgestorben eingestuft.
Eine Studie aus Deutschland lieferte bereits 2017 alarmierende Erkenntnisse zum Insektensterben. Zwischen 1989 und 2016 wurde in 63 Naturschutzgebieten ein Rückgang der Biomasse fliegender Insekten um durchschnittlich 76 Prozent festgestellt; in den Sommermonaten sogar um 82 Prozent. Dieser Verlust bedroht nicht nur Schmetterlinge, sondern auch viele andere Arten und ökologische Funktionen.
Neue Erkenntnisse zu Populationsdynamik und Stabilität

(© Zeynel Cebeci, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Die österreichische Studie zeigt, dass die Schwankungen in den Schmetterlingsbeständen – die sogenannte Populationsdynamik – stark abgenommen haben. Gleichzeitig sind die Bestände insgesamt stabiler geworden. Dies klingt zunächst positiv, weist jedoch auf eine problematische Entwicklung hin: In monotonen Agrarlandschaften überleben oft nur noch wenige anpassungsfähige Arten. Die ehemals vielfältigen Lebensräume weichen zunehmend einheitlichen Nutzflächen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bedeutung von Metapopulationsstrukturen. Diese Netzwerke kleinerer Populationen sind über eine Region hinweg miteinander verbunden und stabilisieren die Bestände. Durch die Zerstörung natürlicher Lebensräume und die Zersplitterung der Landschaft verschwinden diese Netzwerke jedoch immer häufiger. Das Ergebnis: spezialisierte Arten verschwinden und die Vielfalt der Schmetterlingspopulationen nimmt weiter ab.
Die Forscher betonen, wie wichtig es ist, langfristige Daten über Schmetterlingsbestände und ihre Lebensräume zu sammeln. Nur mit solchen Daten lassen sich die Auswirkungen von Umweltveränderungen genau analysieren und geeignete Schutzmaßnahmen entwickeln. Durch Teilnahme an Citizen-Science-Projekten wie dem Viel-Falter-Monitoring in Österreich oder dem Tagfalter-Monitoring in Deutschland können Interessierte aktiv dazu beitragen, wertvolle Daten zu sammeln und die Schmetterlingsvielfalt zu schützen.
Notwendige Schutzmaßnahmen
Um die verbleibende Artenvielfalt zu bewahren und die Schmetterlingspopulationen zu stabilisieren, fordern die Forscher gezielte Schutzmaßnahmen. Dazu gehört vor allem der Erhalt und die Förderung natürlicher Lebensräume. Vor allem magere Niedermoorstreuwiesen, Magerweiden und Magerwiesen müssen unter besonderen Schutz gestellt werden.
Gleichzeitig ist eine Reduzierung der Landwirtschaftsintensität notwendig: Weniger Düngemittel und seltenere Mäharbeiten können den Schmetterlingen helfen, geeignete Lebensbedingungen zu finden. Die Einrichtung von Brachflächen bietet wichtige Rückzugsorte und Nistmöglichkeiten. Darüber hinaus spielt auch die Öffentlichkeitsarbeit eine entscheidende Rolle. Die Bedeutung der Schmetterlinge als Indikatoren für die Ökosystemgesundheit muss stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden.
Die „monotone Stabilität“ der Schmetterlingspopulationen in niedrigen Lagen ist ein Weckruf. Ohne gezielte Maßnahmen droht eine weitere Verarmung der Artenvielfalt, die langfristig auch andere Bereiche der Ökosysteme negativ beeinflussen wird. Der Fall des Mosel-Apollofalters zeigt, wie dringend ein Umdenken im Umgang mit Pestiziden notwendig ist. Jetzt ist Zeit zu handeln, um den Schmetterlingen eine Zukunft zu sichern und die Vielfalt unserer Natur zu bewahren.
Quellen
- Habel, J. C., Schmitt, T., Gros, P., & Meyer, M. (2025). Stability and homogenization of butterfly populations in anthropogenic landscapes. Ecological Entomology, 50(1), 123–135. https://doi.org/10.1111/een.13404
- Hallmann C. A., Sorg M., Jongejans E., Siepel H., Hofland N., Schwan H., et al. (2017). More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLoS ONE 12 (10): e0185809. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809
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