Kauai-Akepakleidervogel: Ist dieser hawaiianische Kleidervogel noch zu retten?
Der Kauai-Akepakleidervogel: Einer der letzten hawaiianischen Kleidervögel, dessen Überleben laut einer neuen Genomstudie von intensiven Schutzmaßnahmen abhängt. Photographer: Carter Atkinson, USGS, Public domain, via Wikimedia Commons)

Hawaiis letzte Kleidervögel: Chancen und Gefahren im Wettlauf gegen das Aussterben

Hawaiis Kleidervögel (Drepanidini) sind ein Paradebeispiel für die außergewöhnliche Artenvielfalt, die sich auf isolierten Inseln entwickeln kann – und gleichzeitig ein Mahnmal dafür, wie schnell diese Vielfalt verloren gehen kann. Vor etwa sechs Millionen Jahren kam der gemeinsame Vorfahre der Kleidervögel auf den Archipel. Durch „adaptive Radiation“ entwickelten sich fast 60 farbenprächtige, hochspezialisierte Arten mit ganz eigenen Gesängen, Schnabelformen und Lebensweisen. Doch schon vor der Ankunft der Europäer begann ihr Niedergang – eine Entwicklung, die sich bis heute fortsetzt.

Viele dieser Arten sind inzwischen verschwunden, darunter der Annakleidervogel und der Schwarze Mamo. Heute sind nur noch 17 Arten übrig, von denen fast alle als vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet gelten. Erst 2024 erklärte die IUCN vier weitere Kleidervogelarten offiziell für ausgestorben, und bereits 2023 hatte der U.S. Fish and Wildlife Service acht hawaiianische Kleidervögel von der Liste der Lebenden gestrichen.

Genomforschung bringt neue Hoffnung

Eine neue Studie, veröffentlicht in Current Biology, zeigt: Noch gibt es Hoffnung für einige dieser letzten Vögel, aber die Zeit drängt. Die Forschenden analysierten das Erbgut dreier Arten – des Weißkehl-Kleidervogels (ʻakikiki) und des Kauai-Akepakleidervogels (ʻakekeʻe), die beide nur noch auf der Insel Kauai vorkommen, sowie des bereits ausgestorbenen Weißwangen-Kleidervogels (poʻouli, Melamprosops phaeosoma) von Maui. Dabei nutzten sie modernste Genomsequenzierung, um einen Einblick in die genetischen Hintergründe und Überlebenschancen dieser Vögel zu gewinnen.

Überraschend fanden sie heraus, dass selbst diese stark dezimierten Populationen noch eine erstaunlich hohe genetische Vielfalt aufweisen. Das ist ungewöhnlich für Inselarten, die meist genetisch verarmt sind. Diese Vielfalt stammt aus Zeiten, in denen die Bestände über Jahrhunderte relativ stabil waren, mindestens seit 1500, obwohl es schon damals invasive Räuber und Lebensraumzerstörung gab. Erst mit der Ausbreitung der eingeschleppten Vogelmalaria im späten 20. Jahrhundert kam der massive Bestandseinbruch.

Vogelmalaria als Hauptursache

Weißkehl-Kleidervogel: Einer der letzten Kleidervögel Hawaiis
Der Weißkehl-Kleidervogel ist in der Wildnis (nahezu) ausgestorben – 2023 wurden nur noch etwa fünf Individuen auf Kauai gezählt. Eine kleine Zuchtpopulation von rund 40 Vögeln bleibt als letzte Hoffnung für das Überleben dieser Art.
Photographer: Carter Atkinson, USGS, Public domain, via Wikimedia Commons)

Die tropische Vogelmalaria, übertragen von eingeschleppten Mücken, traf die Kleidervögel besonders hart, weil sie keine natürliche Immunität besitzen. Früher schützten kühlere Höhenlagen über 1.500 Metern die Vögel, doch durch den Klimawandel breiten sich die Mücken immer weiter aus, sodass es heute kaum noch malariafreie Rückzugsgebiete gibt.

Die Studie zeigt, dass der dramatische Rückgang der Bestände zeitlich genau mit dieser Ausbreitung der Vogelmalaria zusammenfällt. Andere Gefahren wie eingeschleppte Räuber oder Habitatverlust waren zwar schon lange präsent, doch erst die Malaria hat den Zusammenbruch beschleunigt.

Besonders betroffen sind der Weißkehl-Kleidervogel (Oreomystis bairdi) und der Kauai-Akepakleidervogel (Loxops caeruleirostris). Die Bestände beider Arten sind in den letzten 20 Jahren um mehr als 99 Prozent geschrumpft. Der Weißkehl-Kleidervogel ist in freier Wildbahn inzwischen ausgestorben und überlebt nur noch in einer kleinen Zuchtpopulation von etwa 40 Individuen. Beim Kauai-Akepakleidervogel gibt es hingegen keinen nennenswerten Zuchterfolg, und der Wildbestand ist auf unter 100 Tiere gesunken.

Genetische Vielfalt: Segen und Risiko

Hawaii-Amakihikleidervogel
Der Hawaii-Amakihikleidervogel ist einer der anpassungsfähigsten Kleidervögel Hawaiis. Forschende vermuten, dass er eine beginnende Resistenz gegen die Vogelmalaria entwickelt.
James Brennan, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Die hohe genetische Vielfalt könnte theoretisch helfen, sich an neue Bedrohungen wie die Malaria anzupassen. Tatsächlich zeigt der Hawaii-Amakihikleidervogel (Chlorodrepanis virens) erste Anzeichen von Malaria-Resistenz, was zunächst Hoffnung macht. Doch die Kehrseite dieser Vielfalt: In kleinen Populationen kann sie zur Inzuchtdepression führen, weil schädliche Genvarianten, die normalerweise verborgen bleiben, plötzlich häufiger auftreten.

Die Forschenden stellten beim Weißkehl-Kleidervogel eine besonders hohe Inzuchtlast fest – ungefähr doppelt so hoch wie bei vielen anderen Wirbeltierarten. Viele der gezüchteten Vögel stammen von nah verwandten Eltern ab, was die Überlebensrate verringert und das Aussterberisiko weiter erhöht. Dieses Wissen ist wichtig, um gezielt gesunde Zuchtpaare auszuwählen und ähnliche Fehler wie beim Weißkehl-Kleidervogel künftig zu vermeiden.

Modelle für eine mögliche Rettung

Für den Kauai-Akepakleidervogel entwickelten die Forschenden ein Populationsmodell, um die Zukunft dieser Art vorherzusagen. Das Ergebnis: Selbst wenn zufällig ein Malaria-resistentes Gen entstünde, würde das allein die Art nicht retten. Die Population ist dafür schon zu klein – es gibt schlicht nicht genug Individuen, damit sich eine solche Resistenz in kurzer Zeit durchsetzt. Außerdem sterben währenddessen weiterhin so viele Vögel, dass die Art ausstirbt, bevor sich eine mögliche Resistenz stabil etablieren könnte. Nur wenn die Sterblichkeit durch Malaria dauerhaft um mindestens 75 Prozent gesenkt wird, könnte sich der Bestand wieder erholen. Andernfalls droht das Aussterben schon vor 2039 – möglicherweise sogar früher.

Zurzeit laufen verschiedene Rettungsversuche: Es werden Mückenmännchen freigesetzt, die sich nicht fortpflanzen können, um die Mückenpopulation zu reduzieren. Diese Männchen sind mit Wolbachia-Bakterien infiziert – Bakterien, die die Fortpflanzung der Mücken stören. Wenn diese Männchen sich mit wilden Weibchen paaren, können die Eier nicht mehr schlüpfen. Da sich weibliche Moskitos nur einmal paaren, hoffen die Wissenschaftler, dass die Mückenpopulation auf Dauer abnimmt. Außerdem wird an Impfstoffen oder probiotischen Mitteln geforscht, die den Vögeln helfen könnten. Noch ist also Zeit, um den Kauai-Akepakleidervogel zu retten, aber sie ist knapp.

Biobanking als letzte Hoffnung

Bereits ausgestorben: Weißwangen-Kleidervogel oder Poʻouli
Der Weißwangen-Kleidervogel, auch als Poʻouli oder Maui-Gimpel bekannt, wurde erst 1973 entdeckt. Die letzten beiden bekannten Individuen starben 2004, 2019 wurde die Art offiziell für ausgestorben erklärt.
Paul E. Baker, Public domain, via Wikimedia Commons)

Ein Hoffnungsschimmer liegt auch in der Genetik selbst: Im „Frozen Zoo“ lagern eingefrorene Zellen des Weißwangen-Kleidervogels. Dabei handelt es sich um die ersten erhaltenen Zellen einer ausgestorbenen Vogelart. Schon 2004 wurde dieses Material gesichert: Forscher entnahmen dem letzten lebenden Weißwangen-Kleidervogel eine Zellprobe, um sie in flüssigem Stickstoff einzufrieren. Damit blieb das genetische Erbe dieser Art erhalten – auch wenn die Art selbst in der Wildnis nicht mehr existiert.

Heute, viele Jahre später, konnte dieses Erbgut erneut analysiert und vollständig sequenziert werden. Das liefert nicht nur Einblicke in die Geschichte des Weißwangen-Kleidervogels, sondern auch wichtige Vergleichsdaten: Wissenschaftler können sehen, wie sich genetische Vielfalt verändert, wenn Populationen drastisch schrumpfen. Sie erkennen, welche Genvarianten gefährdet sind, „verloren“ zu gehen, und wie sich Inzucht und genetische Verarmung entwickeln. Solche Informationen sind sehr wertvoll, um gezielt Gegenmaßnahmen für andere akut bedrohte Arten zu entwickeln. Der „Frozen Zoo“ ist sozusagen ein genetisches Gedächtnis, das hilft, die letzten Kleidervögel Hawaiʻis vielleicht doch noch vor dem Aussterben zu bewahren.

Lehren für den globalen Artenschutz

Die aktuelle Studie zeigt, wie menschliche Eingriffe, Klimakrise und genetische Probleme zusammenspielen und wie moderne Genomforschung helfen kann, das Aussterben vielleicht noch aufzuhalten. Sie identifiziert dabei drei zentrale Erkenntnisse:

  1. Vogelmalaria als Haupttreiber: Nicht der Lebensraumverlust oder eingeführte Räuber, sondern vor allem die eingeschleppte Vogelmalaria war der entscheidende Auslöser für den Zusammenbruch der Kleidervogelbestände.
  2. Hohe genetische Vielfalt – Risiko und Segen: Trotz massiver Rückgänge besitzen selbst die letzten Individuen noch überraschend viel genetische Vielfalt. Diese kann ihnen helfen, sich an neue Bedrohungen anzupassen. Gleichzeitig macht sie sie aber auch anfällig für Inzuchtdepressionen. Das verringert ihre Überlebenschancen zusätzlich und zeigt, wie wichtig eine gezielte Auswahl gesunder Zuchtpaare für den Erhalt dieser Vögel ist.
  3. Rettung nur mit wirksamer Mückenbekämpfung: Nur eine drastische Reduzierung der Malaria-Sterblichkeit – um mindestens 75 Prozent – kann verhindern, dass Arten wie der Kauai-Akepakleidervogel in wenigen Jahren aussterben.

Viele Details wie genaue Überlebensraten in der Wildnis bleiben zwar noch unklar, doch die Kernbotschaft steht fest: Nur mit einer Kombination aus konsequenter Mückenbekämpfung und kluger Nutzung genetischer Erkenntnisse haben die letzten Kleidervögel Hawaiis noch eine Chance.

Quellen

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