Das Search for Lost Birds-Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, verschollene Vogelarten aufzuspüren, die seit über einem Jahrzehnt in freier Wildbahn nicht mehr dokumentiert wurden. Diese Arten, ohne aktuelle genetische oder fotografische Nachweise und ohne Ex-situ-Bestände, gelten oft als verloren für die Wissenschaft. Einer aktuellen Meldung des Search for Lost Birds-Projekts zufolge gelang im Sommer 2024 ein bedeutender Erfolg: Während einer Expedition der NGO GECO Nature wurden der Sirabartvogel (Capito fitzpatricki) und der Ockerkehlklarino (Cichlopsis peruviana) im Südosten Perus wiederentdeckt – zwei Arten, die zuletzt 2013 gesichtet wurden.
Sira-Gebirge: Ein schwer zugänglicher Lebensraum
Die Cordillera de Sira, ein isoliertes Gebirgsmassiv in Zentralperu, zeichnet sich durch steile Hänge, dichte Vegetation und ihre Abgeschiedenheit aus, die den Zugang extrem erschwert. Während der nördliche Teil des Gebirges in den 1960er-Jahren und erneut 2013 ornithologisch untersucht wurde, blieben die südlichen Regionen lange unerforscht. Erst 2008 gelang es Wissenschaftlern, diesen schwer erreichbaren Teil zu erkunden und dabei den Sirabartvogel erstmals für die Wissenschaft zu dokumentieren.
Die letzten bestätigten Sichtungen des Sirabartvogels und des Ockerkehlklarinos datieren aus dem Oktober 2013. Seitdem fehlten jegliche Nachweise, insbesondere für den Sirabartvogel, der auf Plattformen wie eBird oder anderen Citizen-Science-Datenbanken nicht mehr verzeichnet wurde. Diese langanhaltende Abwesenheit von Beobachtungen führte zu der Befürchtung, die Art könnte ausgestorben sein.
Im Juli 2024 startete ein Team der NGO GECO Nature eine neue Expedition in das Sira-Gebirge, um gezielt Regionen zu untersuchen, die 2008 nicht erfasst wurden. Das Team bestand aus einem Ornithologen, zwei Chiropterologen und der Herpetologin Jasmín Odar vom Instituto Peruano de Herpetología (IPH). Ihre Mission: die Erforschung eines kaum untersuchten Gebiets im Lebensraum des Sirabartvogels und anderer bedrohter Arten.
Die Wiederentdeckung des Sirabartvogels

(© JMK, CC0, via Wikimedia Commons)
Der bedeutendste Fund der Expedition war die Wiederentdeckung des Sirabartvogels: Bereits am ersten Tag der Untersuchungen konnten drei Individuen auf einer Höhe von 1.750 Metern beobachtet werden – eine überraschende Entdeckung, da diese Höhe weit über der bisher bekannten Verbreitungsgrenze von 950 bis 1.250 Metern liegt. Mithilfe vorsichtiger Klangwiedergabe (Playback) gelang es dem Team, insgesamt fünf Vögel nachzuweisen. Die Herpetologin Jasmín Odar lieferte die einzige fotografische Dokumentation des seltenen Vogels.
Der Sirabartvogel, ein Vertreter der Familie der Amerikanischen Bartvögel (Capitonidae), wurde erst 2012 wissenschaftlich beschrieben. Seine Verbreitung ist auf die feuchten Bergwälder an den Osthängen der südlichen Cordillera de Sira beschränkt. Die Art ernährt sich hauptsächlich von Früchten und gelegentlich von Insekten. Aufgrund ihres kleinen Verbreitungsgebiets und der geringen dokumentierten Population stuft die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) den Sirabartvogel als „potenziell gefährdet“ ein. Sein Lebensraum gilt zwar bislang relativ intakt, könnte jedoch durch Abholzung und Klimawandel langfristig bedroht sein.
Herausforderungen mit der lokalen Gemeinschaft
Ursprünglich war geplant, den Fundort erneut aufzusuchen, um detailliertere Untersuchungen zur Ökologie des Sirabartvogels durchzuführen. Doch es zeigte sich, dass einige Mitglieder der lokalen Asheninka-Gemeinschaft Vorbehalte gegenüber der Anwesenheit externer Forscher hatten. Als indigene Gemeinschaft verwalten die Asheninka ihr Land eigenständig und entscheiden über dessen Nutzung. Aus Respekt vor ihrer Haltung verzichtete das Expeditionsteam darauf, die Untersuchungen an diesem Ort fortzusetzen. Zudem wurde der genaue Fundort bewusst nicht auf Plattformen wie eBird veröffentlicht, um eine potenzielle Störung des Lebensraums zu vermeiden.
Um eine nachhaltige Zusammenarbeit zu ermöglichen, plant die peruanische NGO CORBIDI für die erste Hälfte des Jahres 2025 Gespräche mit der Gemeinschaft. Ziel ist es, mögliche Wege für künftige Forschungs- und Beobachtungsprojekte auszuloten, die sowohl wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch den Interessen der lokalen Bevölkerung gerecht werden.
Der zweite Fund: Der Ockerkehlklarino

(© Internet Archive Book Images, No restrictions, via Wikimedia Commons)
Nach dem vorzeitigen Abbruch der Expedition im Süden der Cordillera de Sira entschied sich das Team, den nördlichen Teil des Gebirges aufzusuchen – ein Gebiet, das bereits in den 1960er-Jahren vom amerikanischen Ornithologen John Terborgh erforscht worden war. Dank der Unterstützung des peruanischen Umweltministeriums (SERNANP) und der lokalen Naturschutzorganisation ECOSIRA konnte das Team problemlos Zugang erhalten.
Im August 2024 gelang dann ein weiterer bedeutender Fund: Zwei Ockerkehlklarinos wurden beobachtet und ihre charakteristischen Rufe akustisch dokumentiert. Diese scheue Drosselart ist durch ihre ockerfarbene Kehle und ihr unscheinbares braunes Gefieder erkennbar. Aufgrund seltener Sichtungen galt sie als verschollen und war zuletzt 2013 sicher dokumentiert worden.
Der Ockerkehlklarino ist endemisch in den Nebelwäldern der östlichen Andenausläufer Perus und besiedelt Höhenlagen zwischen 1.000 und 2.000 Metern. Er ernährt sich vermutlich von Insekten und Früchten, doch über sein Verhalten und seine Fortpflanzung ist bislang kaum etwas bekannt. Aufgrund seines stark begrenzten Verbreitungsgebiets und der anhaltenden Abholzung seines Lebensraums stuft die IUCN ihn als „potenziell gefährdet“ ein.
Weitere seltene Vogelarten entdeckt
Die Expedition brachte neben der Wiederentdeckung des Sirabartvogels und des Ockerkehlklarinos auch eine Vielzahl weiterer seltener oder bislang in diesem Verbreitungsgebiet nicht nachgewiesener Vogelarten ans Licht. Dazu zählen unter anderem die Einfarbralle (Amaurolimnas concolor), der Starkschnabel-Blattspäher (Syndactyla ucayalae), die äußerst seltene und erst 1969 entdeckte Sira-Tangare (Stilpnia phillipsi) sowie die Ockerbart-Ameisenpitta (Grallaria haplonota).
Besonders bedeutsam war die Sichtung des vom Aussterben bedrohten Koepckehokkos (Pauxi koepckeae), dessen Lebensraum auf die Berghänge des Sira-Gebirges im Osten Perus beschränkt ist. Laut der IUCN existieren weniger als 250 ausgewachsene Individuen dieser Art, was sie zu einer der seltensten Vogelarten der Welt macht.
Diese Entdeckungen liefern wertvolle neue Erkenntnisse über die Verbreitung und den Status bedrohter Arten. Sie verdeutlichen zudem, wie entscheidend gezielte Expeditionen in schwer zugängliche Regionen für den Artenschutz sind. Die Wiederentdeckungen bestätigen nicht nur die fortbestehende Existenz dieser Arten, sondern liefern auch wertvolle Hinweise auf ihre Lebensräume und die Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind. Künftige Expeditionen – in enger Abstimmung mit lokalen Gemeinschaften – werden eine Schlüsselrolle dabei spielen, effektive Schutzmaßnahmen zu entwickeln und die langfristige Erhaltung dieser einzigartigen Arten sicherzustellen.
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