Schwaneninseln-Ferkelratte (Geocapromys thoracatus)
Die ausgestorbene Schwaneninseln-Ferkelratte ähnelte im Aussehen einem Meerschweinchen und erreichte eine Körperlänge von 30 bis 40 Zentimeter. Das Gewicht ausgewachsener Tiere wird auf etwa ein Kilogramm geschätzt. Daderot, Public domain, via Wikimedia Commons)

Schwaneninseln-Ferkelratte

Überleben unter extremen Bedingungen

Der amerikanische Zoologe Glover Morrill Allen warnte bereits 1942 in Extinct and Vanishing Mammals of the Western Hemisphere vor den Bedrohungen, die das Überleben der nur auf Little Swan Island vorkommenden Schwaneninseln-Ferkelratte gefährden könnten:

„Derzeit scheint die Art innerhalb der engen Grenzen ihrer Inselheimat sicher genug zu sein, aber sollten dort bedeutende Veränderungen stattfinden, wie Rodungen oder die Einführung von Ziegen oder Mungos, wäre ihre Zukunft sofort gefährdet.“

Extinct and Vanishing Mammals of the Western Hemisphere. 1942. S. 110f. G. M. Allen

Diese prophetischen Worte bewahrheiteten sich schneller, als Allen es wohl erwartet hätte, denn keine 20 Jahre später war die Schwaneninseln-Ferkelratte ausgestorben. Little Swan Island im Karibischen Meer, nur 2,4 Kilometer lang und einen halben Kilometer breit, stellte für die Ferkelratte zwar eine abgeschiedene Heimat dar, doch birgt ein Leben in Isolation auch große Gefahren. Das Eiland bot einerseits Schutz vor äußeren Bedrohungen, machte die Tiere andererseits jedoch anfällig für invasive Arten und Umweltveränderungen – Faktoren, die eine kleine Population auf einem derart begrenzten Raum schnell dezimieren können.

Die Geschichte der Schwaneninseln-Ferkelratte beginnt 1887, als der amerikanische Zoologe Charles Haskins Townsend mit dem Forschungsschiff USS Albatross als Mitglied der United States Fish Commission zu den Schwaneninseln im Karibischen Meer reiste. Townsend, der eigentlich mit der Erforschung der Tiefsee betraut war, entdeckte auf Little Swan Island ein bislang unbekanntes Nagetier und fing zwei Typusexemplare dieser Art, die heute als Schwaneninseln- oder Little-Swan-Island-Ferkelratte bekannt ist.

Percy R. Lowe, ein britischer Naturforscher, besuchte die Schwaneninseln 1908 und beschrieb die Besonderheiten dieser ungewöhnlichen Tiere einige Jahre später in seinem Buch A Naturalist on Desert Islands:

„Diese Ratte hat ein äußerst mildes und fast freundliches Wesen, einen Kopf und Körper, der stark dem eines riesigen Meerschweinchens ähnelt, und ist mit eher langen und seidigen Haaren bedeckt, die durch ein dichtes Fell hervorstehen.“

A Naturalist on Desert Islands. 1911. S. 112. P. R. Lowe

Neben ihrem friedlichen Wesen und auffälligen Äußeren zeichnete sich die eher gemächlich fortbewegende Schwaneninseln-Ferkelratte durch ihre Anpassung an die kargen Bedingungen auf der flachen Koralleninsel aus, die weder frisches Wasser noch eine große Pflanzenvielfalt bot. Den Ferkelratten oder Stummelschwanz-Hutias blieb nichts anderes übrig, als sich von den wenigen Sträuchern und Dornenbüschen, die auf der felsigen Kalksteininsel wuchsen, zu ernähren.

Doch die Einführung von Hauskatzen durch den Menschen und ein verheerender Hurrikan im Jahr 1955 brachten das fragile Gleichgewicht auf Little Swan Island ins Wanken, was den raschen Niedergang der kleinen Population zur Folge hatte. Allens warnende Worte fanden sich letztlich bestätigt: Durch menschliche Eingriffe und den Hurrikan gerieten Flora und Fauna der Insel in Gefahr – und die Schwaneninseln-Ferkelratte, die eigentlich perfekt an das Überleben in der abgeschiedenen Inselwelt mit ihrem warmen, tropischen Klima angepasst war, verschwand unwiderruflich.

Schwaneninseln-Ferkelratte – Steckbrief

alternative NamenLittle-Swan-Island-Ferkelratte, Swan-Island-Baumratte
wissenschaftliche NamenGeocapromys thoracatus, Capromys thoracatus, Geocapromys brownii thoracatus, Capromys brachyurus thoracatus
englische NamenLittle Swan Island hutia, Swan Island hutia
ursprüngliches VerbreitungsgebietLittle Swan Island (Schwaneninseln, Karibik)
Zeitpunkt des Aussterbensvermutlich zwischen 1955 und 1959
Ursachen für das Aussterbenauf Insel eingeschleppte Katzen, Hurrikan
IUCN-Statusausgestorben

Zum Verbreitungsgebiet der Schwaneninseln-Ferkelratte

Townsend entdeckte die Schwaneninseln-Ferkelratte „auf Little Swan Island, einer von zwei
kleinen Inseln am Eingang des Golfs von Honduras“, heißt es in der Erstbeschreibung von 1888. Diese abgeschiedene, nur etwa zwei Quadratkilometer große Insel aus angehobenem Korallenkalkstein im Nordwesten des Karibischen Meeres stellte das einzige bekannte Verbreitungsgebiet der Schwaneninseln-Ferkelratte dar. Obwohl das größere Great Swan Island nur etwa 500 Meter entfernt liegt, gibt es keine Hinweise darauf, dass die Art auch dort vorkam.

Karibisches Meer mit Schwaneninseln
Die Schwaneninseln (rot) liegen ungefähr 650 Kilometer südwestlich von Jamaika und nordöstlich der Küste von Honduras im Karibischen Meer. Die Inselgruppe ist so klein, dass sie auf den meisten Karten der Karibik oft nicht eingezeichnet ist.
Kmusser, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Das Plateau, das die Spitze von Little Swan Island bildet, ist mit dichter Vegetation aus niedrigen Bäumen, Dornengestrüpp und Kakteen bewachsen, die eine flache Baumdecke über der zerklüfteten und stark erodierten Kalksteinoberfläche bilden.

Die Schwaneninseln (Islas del Cisne) zählen zu den Westindischen Inseln; das nächste Festland, Honduras, liegt etwa 180 Kilometer entfernt. Zur Inselgruppe gehört auch das winzige Booby Cay oder Third Cay, das kaum mehr als ein Felsen oder eine Sandbank im Wasser ist. Im Vergleich zu den beiden größeren Inseln weist Booby Cay weder nennenswerte Vegetation noch eine stabile Tierpopulationen auf.

Wie gelangte die Schwaneninseln-Ferkelratte nach Little Swan Island?

Geologische Untersuchungen, die Gary S. Morgan in seinem Artikel Geocapromys thoracatus (1989) beschreibt, deuten darauf hin, dass die Schwaneninseln mindestens seit dem Miozän isoliert sind und möglicherweise erst im Pleistozän entstanden – also nie mit dem Festland verbunden waren. Doch wie konnte die Schwaneninseln-Ferkelratte diesen abgelegenen Lebensraum erreichen? Inseln ozeanischen Ursprungs, die nie eine Landverbindung hatten, sind typischerweise arm an Landsäugetieren, da sie für diese schwer zugänglich sind – eine Ausnahme stellen die Westindischen Inseln dar. Auch Percy R. Lowe, der 1908 einige Inseln der Karibik, darunter die Schwaneninseln, bereiste, stellte sich dieser Frage.

„Wie diese Ratten ihren Weg nach Swan Island fanden, ist ein kleiner Aspekt des Problems der Verbreitung von Arten, der erwähnenswert sein könnte. Denn wie wir gesehen haben, gibt es allen Grund zu der Annahme, dass Swan Island niemals eine Verbindung zum Festland hatte und geologisch gesehen viel später entstand als die Inseln der Großen Antillen, da sie eine relativ junge Korallenentstehung aufweist. Tatsächlich könnte man Swan Island in Bezug auf seine Fauna als ozeanische oder pseudo-ozeanische Insel betrachten.“

A Naturalist on Desert Islands. 1911. S. 113. P. R. Lowe

I. Inselhopping

Zur Klärung dieser Frage haben Wissenschaftler im Laufe der Zeit mehrere Theorien entwickelt. Eine davon stammt von dem US-amerikanischen Paläontologen und Zoologen Gary S. Morgan (1985, 1989): Während der pleistozänen Eiszeiten könnten Teile des Nicaragua-Plateaus – ein Meeresplateau im westlichen Karibischen Meer – zeitweise über dem Meeresspiegel gelegen haben. Dies hätte der Schwaneninseln-Ferkelratte oder ihren Vorfahren die Möglichkeit geboten, durch „Inselhopping“ oder „Inselhüpfen“ von Jamaika nach Little Swan Island zu gelangen.

Die Annahme, dass die Vorfahren der Schwaneninseln-Ferkelratte von Jamaika kamen und von der Jamaika-Ferkelratte (Geocapromys brownii) abstammen, basiert auf morphologischen Ähnlichkeiten. Durch die lange Isolation auf Little Swan Island könnten sich die Jamaika-Hutias über Jahrtausende hinweg eigenständig weiterentwickelt und schließlich zur eigenständigen Art, der Schwaneninseln-Ferkelratte, differenziert haben.

II. Überwasserverbreitung

Eine alternative Theorie zur Besiedlung von Little Swan Island durch die Schwaneninseln-Ferkelratte formulierte der britische Naturforscher Percy R. Lowe:

„Für diejenigen, die sich noch nie mit einem solchen Thema beschäftigt haben, sei angemerkt, dass eine solche Reise über das offene Meer nur möglich war, wenn die Ratten auf einer schwimmenden Vegetationsinsel oder einer Masse ineinander verflochtener Baumstämme, wie man sie oft in Mangrovensümpfen sieht, aufs Meer hinausgetragen wurden.“

A Naturalist on Desert Islands. 1911. S. 114. P. R. Lowe

Dieses Szenario beschreibt die „passive Drift“ oder ein Rafting-Ereignis, bei dem Tiere auf treibender Vegetation, weite Strecken über das offene Meer zurücklegen. Solche Ereignisse sind zufällig und selten, spielen jedoch eine wichtige Rolle bei der Besiedlung abgelegener Inseln.

Little Swan Island Vegetation als Nahrung für die Schwaneninseln-Ferkelratte
Typische Vegetation auf Little Swan Island: eine Mischung aus Kakteen, niedrigen Bäumen, Dornengestrüpp und Sträuchern. (© Donald E. Keith (Tarleton State University), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Der US-amerikanische Herpetologe Thomas Barbour zeigt sich in A Contribution to the Zoogeography of the West Indies (1914) kritisch gegenüber dieser Theorie. Er hält es für „mathematisch unwahrscheinlich“, dass eine Ferkelratte auf einer Vegetationsinsel bis nach Little Swan Island gelangen könnte, da es auf Jamaika keine Flüsse gibt, die solche Inseln antreiben könnten. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit, dass eine Vegetationsinsel zufällig eine Ferkelratte beherbergt und präzise genug gesteuert wird, um die kleine Insel zu erreichen, extrem gering. Für eine stabile Population wären außerdem mindestens zwei Tiere erforderlich, die in kurzer Zeit ankommen müssten.

Im Gegensatz dazu sprechen sich Gary S. Morgan und Charles A. Woods in Extinction and the Zoogeography of West Indian Land Mammals (1986) dafür aus, dass nicht-flugfähige Säugetiere die Westindischen Inseln durch Überwasserverbreitung besiedelt haben könnten. Da die Karibischen Inseln bereits im Miozän ihre heutige Position eingenommen hatten und nie mit dem Festland verbunden waren, blieb die Überquerung von Wasserflächen der wichtigste Besiedlungsweg für Säugetiere aus Südamerika, um entfernte Inseln zu besiedeln.

Für die geologisch relativ jungen Schwaneninseln, einschließlich Little Swan Island, sehen Morgan und Woods eine passive Drift als wahrscheinlichste Besiedlungsmethode an. Die Schwaneninseln-Ferkelratte könnte also von einer benachbarten Insel wie Jamaika mithilfe einer treibenden Vegetationsinsel nach Little Swan Island gelangt sein, wo sie sich anschließend in der Isolation zu einer eigenständigen Art entwickelte.

III. Aktive Verbreitung durch frühe Siedler

Eine dritte Theorie geht davon aus, dass Menschen die Vorfahren der Schwaneninseln-Ferkelratte absichtlich nach Little Swan Island gebracht haben könnten. Garret C. Clough vermutet in einem Artikel über die Bahama-Ferkelratte (1972), dass die ersten menschlichen Siedler vor etwa 7000 Jahren von Honduras aus über die mittlere karibische Inselkette, einschließlich Little Swan Island, weiter nach Osten zogen. In diesem Szenario könnten Hutias von Mittel- oder Südamerika mit den Siedlern auf Flößen transportiert worden sein.

Die Hypothese, dass Menschen aus Jamaika die Vorfahren der Schwaneninseln-Ferkelratte – also die Jamaika-Ferkelratte – vor Jahrhunderten nach Little Swan Island brachten, wird von Morgan in Taxonomic Status and Relationships of the Swan Island Hutia (1985) angezweifelt. Er argumentiert, dass morphologische Besonderheiten, also spezifische körperliche und anatomische Merkmale, darauf hinweisen, dass die Schwaneninseln-Ferkelratte bereits seit dem späten Pleistozän oder sogar noch länger auf Little Swan Island isoliert lebt. Eine vergleichsweise späte Einführung durch Menschen ist daher unwahrscheinlich. Morgan stützt damit die Annahme, dass die Schwaneninseln-Ferkelratte auf natürlichem Wege, wie etwa durch Überwasserverbreitung, schon vor vielen Jahrtausenden auf die Insel gelangte.

Aussterbeursachen: Katzen und Wirbelstürme

Als Lowe im Jahr 1908 Little Swan Island besuchte, beschrieb er die Insel, die von Great Swan Island gefahrlos nur an ruhigen Tagen gefahrlos erreichbar war, als vollständig abgeschieden und unberührt:

„Das einzige, was möglicherweise irgendeine Art von kommerziellem Unternehmen auf der Insel anregen könnte – ein Phosphatvorkommen an ihrem östlichen Ende – wurde nie ausgebeutet.“

A Naturalist on Desert Islands. 1911. S. 105. P. R. Lowe

Lowe ergänzte, dass die Schwaneninseln-Ferkelratte auf Little Swan Island „völlig unbehelligt und ohne Feinde – weder menschliche noch andere“ – leben konnte. Das schwer zugängliche, felsige Little Swan Island war aufgrund seiner kargen Vegetation und des fehlenden Süßwassers stets unbewohnt, sodass Eingriffe durch Menschen nahezu ausgeschlossen werden können. Auch die Bejagung oder das Einfangen der Schwaneninseln-Ferkelratte dürfte vorwiegend wissenschaftlichen Interessen gedient haben und beschränkte sich wahrscheinlich auf die dokumentierten Besuche der Insel.

Ein Hurrikan und eingeschleppte Katzen

Sowohl die IUCN als auch Morgan (1985) führen das Aussterben der Schwaneninseln-Ferkelratte auf zwei entscheidende Faktoren zurück: den verheerenden Hurrikan Janet im Jahr 1955 und die Einschleppung von Hauskatzen auf die Insel. Gemäß Cloughs Beitrag Current Status of Two Endangered Caribbean Rodents (1976) wurde vor 1960 eine Kiste unerwünschter Katzen auf Little Swan Island freigelassen. Die Kombination aus den Folgen des Hurrikans, der vermutlich die Vegetation und somit die Nahrungsgrundlage beeinträchtigte, und den invasiven Katzen, die eine direkte Bedrohung für die bodenbewohnenden, langsamen Nagetiere darstellten, führte letztendlich zum Aussterben der Art.

Katzen konnten die Schwaneninseln-Ferkelratte ohne große Schwierigkeiten jagen. Zudem gab es keine natürlichen Feinde auf der Insel, die die Katzenpopulation hätten begrenzen können, sodass sich die Raubtiere rasch vermehrten und den Jagddruck auf die ohnehin kleine Population der Ferkelratten erhöhten. Die Insel beherbergte ursprünglich nur Reptilien, Krebse und Vögel – keine weiteren Säugetiere.

Dass die Schwaneninseln-Ferkelratten für Katzen eine leichte Beute gewesen sein dürften, verdeutlicht ein Bericht von Lowe. Er beschreibt, dass ein von ihm nach Großbritannien gebrachtes Exemplar keinerlei Scheu vor Raubtieren zeigte:

„Ich hatte die Ehre, es eines Tages nicht nur Seiner verstorbenen Majestät, König Edward VII., sondern auch seinem Lieblingshund ‚Caesar‘ zu zeigen. Die Ratte zeigte in der Gegenwart des Hundes nicht das geringste Anzeichen von Angst oder Misstrauen und auch keinerlei Ehrfurcht vor Seiner Majestät. (…) Während der Hund vorsichtig zurückgehalten wurde, kam die Ratte an den Rand des niedrigen Tisches, auf dem sie saß, und inspizierte ruhig, nur ein bis zwei Zoll vom Hund entfernt, was für sie eine höchst außergewöhnliche und überraschende Erscheinung gewesen sein musste.“

A Naturalist on Desert Islands. 1911. S. 114f. P. R. Lowe

Auch vor Menschen schienen Schwaneninsel-Ferkelratten keine Angst zu haben, denn Lowe berichtete weiter:

„Auf der Heimreise und tatsächlich schon fast vom ersten Moment ihrer Ankunft an Bord der Yacht fühlten sich beide Ratten völlig zuhause und wurden bei den Matrosen zu beliebten Haustieren. Sie durften auf dem Deck herumlaufen und krochen über jeden, der zufällig dort lag, ohne einen Hauch von Gefahr oder Angst zu zeigen.“

A Naturalist on Desert Islands. 1911. S. 115. P. R. Lowe

Diese ökologische Naivität, die Arten besonders anfällig macht, ist typisch für inselbewohnende Tiere, die lange Zeit ohne natürliche Feinde wie Raubtiere oder Menschen isoliert gelebt haben.

Ziegen auf Little Swan Island?

Morgan schrieb 1989, dass einige Jahre vor dem Hurrikan und der Ankunft der Katzen Ziegen auf Little Swan Island eingeführt worden seien und damit ebenfalls zum Aussterben der Schwaneninseln-Ferkelratte beigetragen hätten. Hierbei handelt es sich vermutlich um einen Irrtum, der auf eine Bemerkung von Lord Moyne aus dem Buch Atlantic Circle (1938) zurückzuführen ist. Lord Moyne, ein britisch-irischer Politiker und Brauereiunternehmer, der in den 1930er-Jahren den Zustand britischer Kolonien überwachte und sich unter anderem auf den British West Indies, den ehemals von Großbritannien kolonialisierten Westindischen Inseln, aufhielt, schrieb über seinen Aufenthalt auf Little Swan Island im Jahr 1937:

„Nur wenige Wochen zuvor hatte der Vorarbeiter auf der westlichen Insel sechs Ziegen eingeführt, und falls sich diese Tiere vermehren, ist die Zerstörung der Flora und Fauna nur eine Frage der Zeit.“

Atlantic Circle. 1938. S. 86. Lord Moyne

Moyne bezog sich dabei höchstwahrscheinlich auf Great Swan Island, denn die Schwaneninseln bestehen aus zwei Hauptinseln: Great Swan Island im Westen und Little Swan Island im Osten. In den 1930er-Jahren war Great Swan Island vorübergehend besiedelt und diente unter anderem als Standort einer Wetterstation, was die Einführung von Ziegen dort wahrscheinlicher macht.

Die tragische Geschichte der Schwaneninseln-Ferkelratte ist unter Inselarten leider kein Einzelfall. Auch der Stephenschlüpfer, ein kleiner flugunfähiger Singvogel, wäre vermutlich nicht ausgestorben, wenn nicht Katzen auf die kleine, zu Neuseeland gehörende Felseninsel Stephens Island eingeschleppt worden wären.

Wann ist die Schwaneninseln-Ferkelratte ausgestorben?

Naturforscher des beginnenden 20. Jahrhunderts beschrieben die Schwaneninseln-Ferkelratte bis in die 1930er-Jahre, vielleicht sogar noch in die frühen 1950er-Jahre, als zahlreich auf Little Swan Island So schreibt Lowe beispielsweise, dass 1908 mehrere Tiere problemlos gesammelt werden konnten:

„Die erste Schwaneninsel-Ratte, die wir sahen, befand sich in den Händen von Mr. Eagle, dem ersten Offizier, der sie gerade erschossen hatte. (…) Die zweite Ratte lief über einige Felsen vor uns und versuchte, sich unter den ausladenden Wurzeln eines großen, unterspülten Baumes zu verstecken. Diese fing ich (…) am Hinterbein und zog sie vorsichtig heraus (…). Wir sahen mindestens ein Dutzend andere, die umherliefen und in die großen Spalten flüchteten, mit denen die Insel durchzogen ist. Wir sammelten mehrere weitere Exemplare und fingen noch eine weitere lebend ein.“

A Naturalist on Desert Islands. 1911. S. 114. P. R. Lowe

Auch der amerikanische Zoologe, Botaniker und Fotograf George Nelson war im März und April 1912 auf Little Swan Island und fing innerhalb kurzer Zeit 15 Tiere, so Morgan (1985). Nelson arbeitete als Präparator am Museum of Comparative Zoology der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, USA. In dieser Funktion sammelte und präparierte er Naturproben und Tiere für die Museumssammlung, darunter auch Exemplare der Schwaneninseln-Ferkelratte.

Der letzte bekannte Naturforscher, der die Schwaneninseln-Ferkelratte in großer Zahl beobachtete, war wahrscheinlich Lord Moyne im Jahr 1937. In Atlantic Circle berichtet er von einer so großen Zahl an Ferkelratten, dass „vier Männer von der westlichen Insel ohne Netze oder Fallen etwa zwölf Tiere für uns lebend einfingen – in etwa zwei Stunden„.

Erfolglose Suchen nach der Schwaneninseln-Ferkelratte

Im Zeitraum von Februar bis April 1960 unternahm der Meereswissenschaftler Harris B. Stewart Jr. mit dem Schiff USC & GS Ship Explorer eine Expedition, bei der er und seine Kollegen auf Little Swan Island nach Spuren der Schwaneninseln-Ferkelratte suchten. Laut dem Oceanic Cruise Report (1962) konnten jedoch keine Tiere gesichtet werden; selbst der Kot, der zehn Jahre zuvor noch allgegenwärtig gewesen sein soll, war verschwunden.

Little Swan Island
Karge Küstenlandschaft auf Little Swan Island – einst Heimat der ausgestorbenen Schwaneninseln-Ferkelratte. (© Donald E. Keith (Tarleton State University), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Zusätzliche Suchen fanden in den 1970er-Jahren statt: Die Herpetologen Ronald Crombie und Stephen Busack verbrachten im Februar 1974 zwei Tage auf der Insel, um Reptilien für das Smithsonian Institute zu sammeln, sahen aber weder Ferkelratten noch deren Hinterlassenschaften. Auch Clough (1976) und Robert Howe suchten im Juli und August 1974 fünf Tage lang auf Little Swan Island gezielt nach Schwaneninseln-Ferkelratten oder Hinweisen auf deren Existenz. Der einzige Hinweis auf ihre frühere Existenz war ein verwitterter Schädel, ansonsten fanden sie weder Tiere noch Kotpellets.

Laut Morgan (1985) ist die Schwaneninseln-Ferkelratte seit spätestens Anfang der 1950er-Jahre nicht mehr lebend gesichtet worden. Da sie 1937 offensichtlich noch zahlreich vorkam und ab 1960 nicht mehr dokumentiert wurde, muss sie in den 1950er-Jahren rapide ausgestorben sein. Eingrenzen lässt sich der Aussterbezeitraum auf 1955 bis 1959, da in diesem Zeitraum sowohl der Hurrikan über die Insel zog als auch invasive Katzen auf Little Swan Island ausgesetzt wurden. Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) setzte die Schwaneninseln-Ferkelratte 1982 offiziell auf die Liste der ausgestorbenen Arten.

Im Jahr 2012 berechneten die Ökologinnen Diana O. Fisher und Simone P. Blomberg von der University of Queensland in einer Studie die Wahrscheinlichkeit der Wiederentdeckung vermeintlich ausgestorbener Arten. Sie setzten das Jahr der letzten Sichtung der Schwaneninseln-Ferkelratte auf 1955, das Jahr, in dem der Hurrikan Janet die Insel verwüstete, und schätzten das mittlere Aussterbedatum auf 1972. Das angewandte Modell deutet aufgrund der langen Abwesenheit und der Bedrohungsfaktoren auf eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit hin, dass die Schwaneninseln-Ferkelratte jemals wiederentdeckt wird.

Karibik: Mindestens 29 Landsäugetiere seit 1500 ausgestorben

Warum gibt oder gab es auf den Karibischen Inseln so viele endemische Landsäugetiere, im Vergleich zu anderen Inselgruppen weltweit? Inseln wie Neuseeland oder kleinere Inseln wie Stewart Island und Stephens Island besaßen bis zur Ankunft des Menschen praktisch keine einheimischen Landsäugetiere außer Fledermäusen. Stattdessen wurde die Tierwelt dort von Vögeln dominiert. Der Grund liegt in der enormen Isolation dieser Inseln: Neuseeland ist etwa 2.000 Kilometer vom australischen Festland entfernt. Diese Distanz über machte es für Landsäugetiere unmöglich, Neuseeland auf natürlichem Wege zu erreichen.

Haiti-Schlitzrüssler
Der Haiti-Schlitzrüssler (Solenodon paradoxus) ist einer der beiden letzten überlebenden einheimischen insektenfressenden Säugetiere in der Karibik. Schlitzrüssler und Hutias sind nicht näher miteinander verwandt. (© Seb az86556, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Die Karibischen Inseln, einschließlich der Schwaneninseln, gelten als Hotspot der Biodiversität und gehören zu den wenigen ozeanischen Inselgruppen, die von flugunfähigen Landsäugetieren bewohnt werden. Samuel T. Turvey betont 2017 in einem Artikel im Journal of Mammalogy, dass diese Region gleichzeitig die weltweit höchste Zahl an ausgestorbenen Säugetierarten aufweist: Seit 1500, also seit Beginn der Kolonialzeit, sind mindestens 29 Säugetierarten verschwunden. Derzeit existieren nur noch zwei endemische Landsäugetierfamilien in der Karibik, vor allem auf Kuba, Jamaika und den Bahamas: die Hutias (Capromyidae) und die Schlitzrüssler (Solenodontidae).

Für die letzten 4.500 Jahre, also seit der Ankunft der Menschen auf den Westindischen Inseln, dokumentieren Morgan und Woods (1986) insgesamt 37 ausgestorbene nicht-flugfähige Säugetiere in der Karibik. Beispiele für ausgestorbene Säugetiere sind der Jamaika-Affe, der im 18. Jahrhundert verschwand, sowie die Hispaniola-Stachelratte und die Puerto-Rico-Höhlenstachelratte, die beide bereits im frühen 16. Jahrhundert ausstarben. Zudem sind sämtliche Arten der Karibischen Spitzmäuse (Nesophontidae) bis spätestens ins 20. Jahrhundert sowie auch alle Arten von Riesenhutias (Heptaxodontidae) ausgestorben.

Die IUCN-Rote Liste führt aktuell 16 Hutia-Arten in den Gattungen Plagiodontia, Capromys, Geocapromys, Hexolobodon, Isolobodon, Mesocapromys und Mysateles. Von diesen gelten vier als vom Aussterben bedroht, und sechs sind bereits ausgestorben. Viele der verbleibenden Arten zeigen abnehmende Populationstrends, bedingt durch Bejagung, Habitatverlust und invasive Arten.

Eine 2017 veröffentlichte Studie der Paläontologin Siobhán B. Cooke analysiert die Aussterbeursachen von Säugetieren auf den Karibischen Inseln und zeigt, dass diese Tierarten in den letzten Jahrhunderten einem extremen Aussterberisiko ausgesetzt waren. Viele überlebende Arten existieren heute nur noch in stark begrenzten Gebieten oder gelten als hochgefährdet. Hutias haben sich in der Isolation der Karibik in eine Vielzahl spezialisierter Arten entwickelt. Doch gerade diese Isolation macht sie besonders anfällig für Umweltveränderungen, da sie auf ihren jeweiligen Inseln gefangen sind.

Der Hauptfaktor für das Aussterben vieler Hutia-Arten ist der Verlust ihres Lebensraums durch Abholzung für Landwirtschaft und Siedlungen, insbesondere auf stark besiedelten Inseln wie Jamaika und Kuba. Die Schwaneninseln-Ferkelratte blieb hiervon ausgenommen, da auf ihrer kleinen Heimatinsel kaum menschliche Eingriffe stattfanden. Eine zusätzliche Bedrohung für die Hutias und andere karibische Säugetiere war die Einführung von Raubtieren wie Katzen, Hunden und besonders Mungos. Mungos wurden im 19. Jahrhundert in die Region gebracht, um Schlangen- und Nagetierpopulationen (etwa eingeschleppte Haus- oder Wanderratten) zu kontrollieren, attackierten jedoch auch Hutias und führten zu starken Populationsrückgängen.

Zur Ökologie der Schwaneninseln-Ferkelratte

Über die Lebensweise der Little-Swan-Island-Ferkelratte ist nur wenig bekannt. Das wenige Wissen basiert vor allem auf den Aufzeichnungen des Naturforschers Percy R. Lowe, der die Insel 1908 besuchte, sowie von Lord Moyne, der 1937 auf Little Swan Island war.

Strumpfia maritima
Strumpfia maritima aus der Pflanzenfamilie der Rötegewächse (Rubiaceae) stand sehr wahrscheinlich auf dem Speiseplan der Schwaneninseln-Ferkelratte. (© Scott Zona, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Die Schwaneninseln-Ferkelratte ernährte sich höchstwahrscheinlich von den Pflanzen, die die karge Vegetation auf der kleinen Koralleninsel prägten. Direkt dokumentierte Beobachtungen zur Ernährung dieser Art sind rar: Lowe bezeichnete die Ferkelratten in seinem Bericht von 1911 als „vegetarische Ratten“, die in Gefangenschaft begeistert „Milch sowie jede Art von Gemüse und Obst“ annahmen.

Lord Moyne ergänzte 1938, dass die Ferkelratten „an einer Art Wildrebe knabberten, die in Hülle und Fülle an den Kalksteinklippen wuchs“. Clough stellte 1976 zudem fest, dass immergrüne Sträucher wie Strumpfia maritima und Phyllanthus epiphyllanthus, die zur bevorzugten Nahrung der Bahama-Hutia (Geocapromys ingrahami) auf East Plana Cay gehören, auch auf Little Swan Island vorkamen und daher vermutlich ebenfalls zur natürlichen Ernährung der Schwaneninseln-Ferkelratte zählten. Wahrscheinlich ernährten sich die Tiere von einer begrenzten Auswahl lokal verfügbarer Pflanzen, darunter Zweige, Rinde und Blätter widerstandsfähiger Sträucher.

In Bezug auf die Aktivitätszeiten der Schwaneninseln-Ferkelratten gibt es leicht widersprüchliche Berichte: Während Lowe sie als tagaktive Tiere beschrieb, behauptete Moyne, dass „sie scheinbar erst spät am Tag, zwei oder drei Stunden vor Sonnenuntergang, das schützende Dickicht der Kakteen verlassen.“ Clough (1976) erwähnt mit Captain Glidden, ein langjähriger Bewohner von Great Swan Island, eine weitere Quelle. Dieser berichtete: „Die Hutias auf Little Swan waren tagsüber aktiv. Fischer sahen sie häufig, wenn sie am späten Tag auf dem Rückweg vorbeikamen und ihre Boote an den offenen Klippen entlangfuhren.“ Vieles deutet darauf hin, dass die Schwaneninseln-Ferkelratten vermutlich dämmerungsaktiv waren – im Gegensatz zu ihren rezenten Verwandten auf Jamaika und den Bahamas, die fast ausschließlich nachtaktiv sind und sich tagsüber verstecken..

Moyne beschrieb auch die Lebensräume der Ferkelratten auf der Insel: „Da es keinen Boden auf der Insel gibt und die Tiere keine Möglichkeit haben, Höhlen zu graben, leben sie in den zerklüfteten Spalten im Korallengestein.“ Die gesamte Oberfläche von Little Swan Island besteht aus einer zerklüfteten Kalksteinstruktur, sodass die Ferkelratten auf natürliche Spalten und Hohlräume angewiesen waren. Tatsächlich scheint das Fehlen von gegrabenen Höhlen typisch für die Gattung Geocapromys zu sein, da auch die Jamaika-Ferkelratte und die Bahama-Ferkelratte natürliche Felsnischen, kleine Höhlen und Auswaschungen im Kalkstein bevorzugen.

Diese Spezialisierung auf Kalksteinstrukturen erklärt möglicherweise, warum die Schwaneninseln-Ferkelratte nie auf dem benachbarten, nur 500 Meter entfernten Great Swan Island vorkam. Morgan (1985) führte aus, dass Inseln wie Great Swan Island und West Plana Cay, die keine großen freiliegenden Kalksteingebiete und Spalten bieten, für die Ferkelratten ungeeignet sind. Auch die Jamaika-Ferkelratte ist vorwiegend in Regionen zu finden, die durch ausgedehnte Kalksteinaufschlüsse geprägt sind, was darauf hindeutet, dass diese Art von Lebensraum für das Überleben der Geocapromys-Arten essenziell ist.

Schwaneninseln-Ferkelratten in Museen

Eine überschaubare Anzahl an Überresten der Schwaneninseln-Ferkelratte existiert weltweit, weshalb ein Fund im Royal Albert Memorial Museum (RAMM) in Exeter, England, der das Hypodigma des Taxons um zwei ausgestopfte Tiere ergänzt, besondere Aufmerksamkeit erregte. Simon Tonge, Direktor des Paignton Zoos in England, berichtete 2014 im Caribbean Journal of Science, wie die Ferkelratten von Little Swan Island nach England gelangten.

In den 1930er-Jahren brachten Forscher insgesamt 14 Little-Swan-Island-Ferkelratten nach Großbritannien, vermutlich Tiere, die Lord Moyne 1937 gefangen hatte. Moyne hoffte, eine Zuchtkolonie zu gründen, und schrieb 1938: „Bei der Ankunft in England wurden die Weibchen an drei meiner Freunde übergeben, die auf die Zucht seltener Arten spezialisiert sind.“ Die Tiere wurden im Londoner Zoo und im damaligen Primley Zoo (heute Paignton Zoo) untergebracht, wo sie laut Zootierliste bis 1938 oder 1939 lebten, jedoch ohne Nachkommen zu hinterlassen. Zwei der Tiere aus dem Paignton Zoo wurden nach ihrem Tod an das RAMM übergeben, wo sie erst 2013 wiederentdeckt wurden.

Generell scheiterte die Haltung von Schwaneninseln-Ferkelratten in Gefangenschaft häufig. Keines der von Moyne gefangenen Tiere überlebte mehr als drei Jahre – einige verstarben infolge von Verletzungen, die ihnen von Artgenossen zugefügt wurden, andere an Lungenentzündungen (Morgan, 1989). Auch die zwei von Lowe 1908 gefangenen Exemplare überlebten nicht lange: „Leider starb eine der Ratten auf dem Heimweg, und die andere kurz nach ihrer Ankunft in den Zoologischen Gärten im Regent’s Park.“

Heute sind die Überreste der Schwaneninseln-Ferkelratte auf einige Museen verteilt, die Felle, Schädel, Skelette und in Flüssigkeit konservierte Exemplare besitzen. Morgan (1989) listete die Bestände auf: Das British Museum of Natural History (BMNH) verwahrt zwölf Exemplare, von denen vier in den 1930er- und frühen 1940er-Jahren vom Londoner Zoo übergeben wurden. Das Museum of Comparative Zoology (MCZ) besitzt zehn Exemplare der ursprünglich 15 von George Nelson gesammelten Exemplare, und das U.S. National Museum of Natural History (NMNH) verwahrt zwei Exemplare, darunter das Typusexemplar.

Das American Museum of Natural History (AMNH), das Field Museum (FMNH) und das Yale Peabody Museum (YPM) besitzen jeweils ein oder zwei Exemplare, die aus Tauschbeständen des MCZ oder BMNH stammen. Ergänzt werden diese Museumsbestände durch die zwei wiederentdeckten Exemplare im RAMM, die 1938 oder 1939 vom Paignton Zoo gespendet wurden.

Taxonomie: Von der Unterart zur Art, zur Unterart zur Art

Nachdem der amerikanische Biologe Frederick W. True 1887 zwei unbekannte, von Charles Haskins Townsend 1887 gefangene Nagetiere von Little Swan Island untersuchte, beschrieb er die Schwaneninseln-Ferkelratte im darauffolgenden Jahr als Capromys brachyurus thoracatus. Er klassifizierte sie als Unterart der Jamaika-Ferkelratte (Capromys brachyurus, heute Geocapromys brownii), die zur Familie der Stachelratten (Echimyidae) gehört. Da True keine Vergleichsexemplare der Jamaika-Ferkelratte zur Verfügung standen, konnte er sich nur auf die äußerlichen Merkmale der Tiere anhand der Beschreibung von Philip Henry Gosse in A Naturalist’s Sojourn in Jamaica (1851) stützen. Ein markantes Merkmal, das er zur Unterscheidung heranzog, war das charakteristische weiße Fellband quer über die Brust der Schwaneninseln-Ferkelratte – daher auch das Artepitheton thoracatus (griechisch für „Brust“).

Jamaika-Ferkelratte (Geocapromys brownii)
Ursprünglich galt die Schwaneninseln-Ferkelratte aufgrund äußerlicher Ähnlichkeiten als eine Unterart der Jamaika-Ferkelratte – der einzigen endemischen Säugetierart auf Jamaika, abgesehen von Fledermäusen. Die Jamaika-Ferkelratte hat in den abgelegenen Bergregionen der Insel überlebt. (© Uknown employe of Museum of Comparitive Zoology, Harvard University, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Der amerikanische Ornithologe Frank M. Chapman schlug 1901 bei seiner Revision der Gattung Capromys vor, die neue Gattung Geocapromys zu schaffen, und erkannte die Schwaneninseln-Ferkelratte als eigenständige Art an. Er stellte fest, dass sich die Schwaneninseln- und Jamaika-Ferkelratten deutlich in Färbung, Schädelmerkmalen und Körpergröße, insbesondere in der Größe der Ohren, unterscheiden.

Diese Klassifizierung hielt jedoch nicht lange: Die deutsche Zoologin Erna Mohr stufte die Schwaneninseln-Ferkelratte 1939 erneut als Unterart der Jamaika-Ferkelratte ein, basierend auf oberflächlichen Vergleichen äußerlicher Merkmale. Viele spätere Autoren übernahmen Mohrs Einordnung und führten die Schwaneninseln-Ferkelratte unter dem Namen G. brownii thoracatus, darunter auch Clough (1976).

Glover M. Allen (1942) stellte fest, dass die Schwaneninseln-Ferkelratte aufgrund morphologischer Ähnlichkeiten eng mit der Jamaika-Ferkelratte verwandt sei. Er bemerkte jedoch, dass die Ferkelratte von Little Swan Island kleiner und heller gefärbt war, was er auf die trockene Inselumgebung zurückführte. Auf trockenen, sandigen oder vegetationsarmen Inseln ist eine hellere Färbung besser zur Tarnung geeignet. Zudem reflektiert helleres Fell mehr Sonnenlicht als dunkles Fell, was hilft, die Körpertemperatur zu regulieren.

Unterschiede zwischen Ferkelratten und Baumratten

Die Gattungen Capromys und Geocapromys, auch bekannt als Baumratten und Ferkelratten oder Stummelschwanz-Hutias, sind Teil der Familie der Hutias (Capromyidae). Während die Baumratten eher baumlebend sind und einen längeren Schwanz aufweisen, haben die bodenlebenden Ferkelratten kürzere Schwänze. Die Ferkelratten umfassen Arten wie die Schwaneninseln-, die Jamaika- und die Bahama-Ferkelratte, die auf Inseln mit geringer Vegetation angepasst sind.

Diese Gattungsunterschiede betreffen nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern spiegeln auch die unterschiedliche Lebensweise und Anpassung an die geografischen und ökologischen Bedingungen ihrer jeweiligen Lebensräume wider. Der Gattungsname Geocapromys setzt sich aus dem griechischen Wort „geo“ für „Erde“ und dem Namen Capromys, der Gattung der Baumratten, zusammen. Dies verweist auf die stärker bodenbewohnenden Gewohnheiten der Ferkelratten im Vergleich zu den eher baumlebenden Baumratten.

Der einzige Vertreter der Baumratten, der Hutiaconga (Capromys pilorides), lebt teils auch auf Bäumen und ist an die vielfältigen Habitate der großen Insel Kuba angepasst. Die bodenlebenden Ferkelratten hingegen sind besser an kleine Inseln mit wenig Vegetation angepasst. Laut Clough (1972) wurden lebende und fossile Arten der Gattung Geocapromys nur auf den Bahamas, Kuba, Jamaika und Little Swan Island gefunden.

Bahama-Hutia
Die Bahama-Ferkelratte (G. ingrahami), die lange als ausgestorben galt, wurde 1966 von Clough auf East Plana Cay, ihrem letzten natürlichen Lebensraum, wiederentdeckt.
Illustratedjc, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Heute umfasst die Gattung der Ferkelratten oder Stummelschwanz-Hutias (Geocapromys) sieben beschriebene Arten, von denen jedoch nur zwei überlebt haben: die Jamaika-Ferkelratte und die Bahama-Ferkelratte, die einst auf den gesamten Bahamas verbreitet war und jetzt nur noch auf East Plana Cay vorkommt. Neben der Schwaneninseln-Ferkelratte sind drei weitere ausgestorbene Arten aus fossilen Ablagerungen auf Kuba bekannt: G. columbianus, G. megas und G. pleistocenicus. Eine weitere ausgestorbene Art, die Cayman-Ferkelratte (G. caymanensis), stammt von den Kaimaninseln.

Morgan (1989) verglich die Schwaneninseln-Ferkelratte mit den beiden anderen rezenten Ferkelrattenarten, der Jamaika- und Bahama-Ferkelratte, und stellte Unterschiede in Größe, Fellfarbe und Schwanzlänge fest. Die graubraune Schwaneninseln-Ferkelratte besaß größere, fast unbehaarte Ohren ohne Haarbüschel, und ihr Schwanz war länger als der der Jamaika-Ferkelratte, aber kürzer als der der Bahama-Ferkelratte.

Quellen

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  • Barbour, T. (1914). A contribution to the zoogeography of the West Indies, with especial reference to amphibians and reptiles
  • Clough, G. C. (1972). Biology of the Bahaman Hutia, Geocapromys ingrahamiJournal of Mammalogy 53(4), S. 807-823.
  • Clough, G. C. (1976). Current status of two endangered Caribbean rodents. Biol. Conserv. 10(1), S. 43-47.
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  • Gosse, P. H. (1851). A naturalist’s sojourn in Jamaica.
  • Lowe, P. R. (1911). A naturalist on desert islands.
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  • Morgan, G. S. (1985). Taxonomic status and relationships of the Swan Island Hutia, Geocapromys thoracatus (Mammalia: Rodentia: Capromyidae), and the zoogeography of the Swan Islands vertebrate fauna. Proceedings of the Biological Society of Washington 98(1), S. 29-46. 
  • Morgan, G. S., Woods, C. A. (1986). Extinction and the zoogeography of West Indian land mammals. Biological Journal of the Linnean Society 28(1-2), S. 167-203.
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