Seit fast 400 Jahren gilt der Auerochse, oder Ur, der wilde Vorfahre aller heutigen Hausrinder, als ausgestorben. Doch nun könnte er als Taurusrind, sein durch Züchtung hervorgebrachter Nachfolger, bald wieder in Großbritannien gesichtet werden. Laut einem Bericht von BBC Countryfile gibt es Pläne, die prähistorischen Tiere im Rahmen der Initiative Northwoods Rewilding Network auf den Hügeln Schottlands anzusiedeln.
Die Geschichte des Auerochsen
Der Auerochse prägte einst die Landschaften Europas, Nordafrikas und Westasiens. Diese Wildrinder waren weitaus größer als unsere heutigen Hausrinder: Bullen konnten bis zu 180 Zentimeter groß werden und nahezu eine Tonne wiegen, während ihre charakteristischen Hörner bis zu 80 Zentimeter lang waren. Ihre beeindruckende Statur und die tiefschwarze Fellfarbe mit einem markanten hellen Rückenstreifen sind schon aus den Darstellungen in den berühmten Höhlenmalereien von Lascaux bekannt.
Mit der Ausbreitung des Menschen und der zunehmenden Jagd geriet der Auerochse in Bedrängnis. Im Laufe der Jahrhunderte dezimierten menschliche Jäger die Bestände, und die Rodung von Wäldern und die Ausweitung der Landwirtschaft schränkten ihre Lebensräume weiter ein. Der letzte bekannte Auerochse starb 1627 in einem polnischen Wald.
Abbildzüchtung: Das Taurusrind als Nachfolger des Auerochsen

Obwohl der Auerochse ausgestorben ist, arbeiten Wissenschaftler seit den frühen 2000er-Jahren daran, seine Nachkommen durch Abbildzüchtung wiederzubeleben. Da genetische Merkmale des Wildrindes in verschiedenen europäischen Hausrindrassen erhalten geblieben sind, war es möglich, diese Merkmale zu kombinieren, um Tiere zu züchten, das dem ursprünglichen Auerochsen nahekommen.
Im Rahmen des Tauros-Programms von Rewilding Europe wurden sechs Hausrinderrassen gezüchtet, die dem Auerochsen genetisch und körperlich am nächsten stehen. Darunter sind Rassen wie die Maronesa aus Nordportugal und die Sayaguesa aus Nordwestspanien. Durch gezielte Kreuzung entstand der Tauros, ein Rind, das dem eigentlichen Auerochsen in Aussehen und Verhalten erstaunlich nahekommt.
Zwar ist das Taurusrind kein direkter genetischer Klon des Auerochsen, doch bietet es die Möglichkeit, die ökologischen Funktionen des Wildrindes in europäischen Landschaften wiederherzustellen und dessen Rolle im Ökosystem neu zu interpretieren.
Warum die Rückkehr des Wildrindes wichtig ist
Der Auerochse war ein „Landschaftsgestalter“. Durch seine selektive Weidegewohnheiten half er, Mosaik-Landschaften aus Wäldern, Grasland und Feuchtgebieten zu schaffen, was zu einer enormen Artenvielfalt beitrug. Auch das Taurusrind kann heute ähnliche Funktionen erfüllen. Seine Weidegewohnheiten schaffen Platz für Wildblumen, und seine Hufe hinterlassen Spuren im Boden, die Lebensräume für Insekten und kleine Säugetiere schaffen.
Taurusrinder gehen jedoch noch einen Schritt weiter. Männliche Bullen schaffen während der Brunftzeit sogenannte „Bullenkuhlen“, Mulden im Boden, die als Mikrohabitate dienen. Diese sind oft wärmer als ihre Umgebung und ziehen Insekten wie Schmetterlinge, Bienen und sogar Bodenbrüter an.
Kommt der Auerochse nun auch nach Großbritannien?
In Ländern wie den Niederlanden, Kroatien und Portugal wurden Taurusrinder bereits erfolgreich in großflächigen Naturreservaten angesiedelt. Hier leben sie in Herden, werden von natürlichen Feinden wie Wölfen gejagt und ihre Kadaver bieten Nahrung für Aasfresser wie Adler und Geier. Diese Rewilding-Projekte geben einen faszinierenden Einblick in die Möglichkeiten der Naturwiederherstellung.
Auch in Großbritannien gibt es Pläne, wie das Northwoods Rewilding Network. Dieses Netzwerk verfolgt das Ziel, wilde Rinder auf die schottischen Hügel zurückzubringen, um die natürliche Artenvielfalt und Landschaftsstruktur wiederherzustellen. Das Projekt zeigt auf, wie Rewilding nicht nur ökologische, sondern auch sozioökonomische Vorteile für die Region bringen kann, indem neue naturbasierte Geschäftsmöglichkeiten geschaffen werden.
Es bleibt spannend, wann und ob das Taurusrind in Großbritannien heimisch wird. Sicher ist, dass die Wiederansiedlung dieser Tiere das Potenzial hat, die Landschaften Europas nachhaltig zu verändern.
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