Peter Jackson will Südinsel-Riesenmoa zurückbringen
So könnte ein Südinsel-Riesenmoa ausgesehen haben – die ausgestorbene Vogelart soll nun mithilfe moderner Gentechnik „zurückgebracht“ werden. Unterstützt wird das umstrittene Vorhaben von Regisseur Peter Jackson und dem US-Unternehmen Colossal Biosciences.

De-Extinktion: Peter Jackson will ausgestorbenen Riesenmoa zurückholen – Wissenschaftler bleiben skeptisch

Der neuseeländische Regisseur Peter Jackson (Der Herr der Ringe, Braindead) unterstützt ein ambitioniertes Projekt zur Wiederbelebung des Südinsel-Riesenmoas. Gemeinsam mit der US-Biotechfirma Colossal Biosciences, dem Ngāi Tahu Research Centre und dem Canterbury Museum soll der im 14. oder 15. Jahrhundert ausgestorbene Laufvogel binnen eines Jahrzehnts genetisch „zurückgebracht“ werden. Doch aus der Wissenschaft kommt deutliche Kritik.

Moas aus dem Labor?

Die Idee: Aus gut erhaltenen Knochenproben soll Erbgut des Moas gewonnen werden, um mithilfe genetischer Veränderungen in einem nah verwandten Tier – vermutlich dem Emu – ein „moaähnliches“ Lebewesen zu erschaffen. Das Projekt verspricht erste „Moa-Küken“ innerhalb von fünf bis zehn Jahren. Die Vision: Ein ökotouristisches Schutzgebiet auf dem Land des Māori-Stammes Ngāi Tahu, in dem die Tiere künftig leben könnten.

Dabei soll nicht nur der Südinsel-Riesenmoa, sondern auch genetisches Material von acht kleineren Moa-Arten (etwa Buschmoa, Kleiner Moa oder Küstenmoa) gesammelt und bewahrt werden. Einige davon waren kaum größer als Truthähne. Ziel ist der Aufbau einer umfassenden Biobank mit genetischer Vielfalt für künftige Forschung und Biodiversitätsschutz.

Fachleute warnen vor genetischer Illusion

Größenvergleich: Südinsel-Riesenmoa und Mensch
Größenvergleich: Südinsel-Riesenmoa & Mensch
Gallimimus wikipedista., CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Der Zoologe Philip Seddon von der University of Otago hält wenig von der Vision: „Aussterben ist wirklich für immer. Es gibt derzeit keinen gentechnischen Weg, eine verlorene Art vollständig wiederherzustellen – schon gar nicht eine, die seit Jahrhunderten aus ihrem ökologischen und evolutionären Kontext verschwunden ist.“ Das Endprodukt werde nicht mehr sein als ein gentechnisch manipuliertes Ersatzwesen.

Noch deutlicher wird Nic Rawlence, Leiter des Paläogenetik-Labors in Otago: Die Technologie sei schlicht nicht ausgereift. „Es wird kein Moa zurückgebracht, sondern ein genetisch veränderter Emu erschaffen“, der einem Moa äußerlich ähneln könnte. Zudem gebe es kaum geeigneten Lebensraum, geschweige denn Pläne für eine stabile Population mit genetischer Vielfalt. Rawlence betont, dass es mindestens 500 genetisch vielfältige Tiere bräuchte, um eine überlebensfähige Population in der Wildnis aufzubauen. „Ein paar Moas zurückzubringen und sie in ein Wildgehege für Ökotourismus zu stellen, ist kein Artenschutz.“

Der Moa als Hoffnungsträger?

Dinornis robustus
Südinsel-Riesenmoa: Die ausgestorbene Laufvogelart erreichte bis zu 3,6 Meter Körperhöhe und gilt als Symbol für das Artensterben nach menschlicher Besiedlung Neuseelands.
George Edward Lodge, No restrictions, via Wikimedia Commons)

Das Team von Colossal Biosciences, bekannt für vergleichbare Projekte rund um Mammut, Dodo, Beutelwolf und Elfenbeinspecht, sieht in der Wiederbelebung des Moas einen „heiligen Gral“ der Biotechnologie – mit Nutzen für Forschung, Artenschutz und Bildung: „Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass der Moa Realität wird, weil die notwendigen Werkzeuge und Technologien existieren. Wir bringen sie nur weiter voran“, erklärt CEO Ben Lamm.

Peter Jackson betont die emotionale und kulturelle Bedeutung des Moas für Neuseeland: „Seit ich denken kann, war der Moa ein stolzer Teil der neuseeländischen Geschichte. Er war der größte Vogel, der je existiert hat. Als Schulkind war es einfach aufregend zu hören, dass wir einst den größten Vogel der Welt hatten.“ Der Moa sei ein fester Bestandteil der nationalen Identität – von Schulbüchern bis zu den Uniformen neuseeländischer Soldaten im Ersten Weltkrieg, die ein Moa-Abzeichen trugen.

Auch das Canterbury Museum, das die weltweit größte Sammlung von Moa-Fossilien besitzt, unterstützt das Vorhaben. Senior-Kurator Paul Scofield spricht von einem bahnbrechenden Projekt, das Māori-Gemeinschaften wirtschaftlich und kulturell stärken könne, sofern es tatsächlich indigen geführt werde. Erste neue Grabungen sollen nun frisches, besser erhaltenes Erbmaterial liefern.

Kein Jurassic Park, aber ein anderer biologischer Weg

Ben Lamm betont, dass sich die genetische Wiederherstellung von Vögeln biologisch von der bei Säugetieren unterscheidet, wie etwa beim Projekt zum nordamerikanischen Dire Wolf. Parallel arbeitet Colossal bereits mit australischen Wissenschaftlern zusammen, um bedrohte Vogelarten zu erhalten.

Mit fiktiven Szenarien wie Jurassic Park habe das Projekt nichts zu tun: „Wir sprechen hier nicht von Dinosauriern, die seit 65 Millionen Jahren verschwunden sind, sondern von Arten, deren Aussterben erst wenige Jahrhunderte zurückliegt.“

Zudem hebt Lamm hervor, dass das Moa-Projekt auch organisatorisch Neuland betrete – durch die führende Rolle der indigenen Bevölkerung: Das Ngāi Tahu Research Centre lenkt das Projekt, Colossal verstehe sich lediglich als technischer Partner und Unterstützer. Diese Zusammenarbeit sei ein Modell, das künftig auch für andere Artenschutzprojekte mit den Ngāi Tahu entwickelt werden könnte.

Māori-Perspektive: Zwischen Vergangenheit und Zukunft

Für die Ngāi Tahu, eine der größten Māori-Stammesgruppen Neuseelands, ist das Projekt weit mehr als ein biotechnologisches Experiment. Laut Mike Stevens, Direktor des Ngāi Tahu Research Centre, geht es auch um kulturelle Heilung und Identitätsstärkung: „Wir kommen aus einer Geschichte des Verlusts. Jetzt geht es darum, von einem Ort des Grolls zu einem Ort des Wachstums zu gelangen.“

Stevens verweist darauf, dass die ersten polynesischen Siedler den Moa nicht nur jagten, sondern durch diese kollektive Erfahrung auch eine neue, strukturierte Gesellschaft formten, die später zur Māori-Kultur wurde. „Wenn wir den Moa besser verstehen, verstehen wir auch uns selbst besser.“

Einblicke in eine verlorene Welt?

Naturhistoriker wie Paul Scofield sehen darüber hinaus eine Chance, durch das Projekt mehr über das prähistorische Ökosystem Neuseelands zu erfahren. Der Riesenmoa war ein „ziemlich seltsames Tier“, sagt Scofield – unter anderem deshalb, weil die Männchen nur halb so groß wie die Weibchen waren und allein die Jungen aufzogen. Sein Einfluss auf die Wälder Neuseelands sei bislang nur theoretisch diskutiert worden. Das Projekt könnte helfen, diese Hypothesen experimentell zu überprüfen.

De-Extinktion als Trend

Das Projekt reiht sich in eine Reihe ähnlicher Vorhaben ein, bei denen Colossal Biosciences ausgestorbene Tiere technisch wiedererschaffen will. Doch Kritiker erinnern an das Beispiel des „zurückgeholten“ Dire Wolfs: Laut Eigenaussage war es ein „De-Extinktions-Erfolg“, bis die Colossal-Biologin Beth Shapiro später einräumte, es handele sich faktisch um modifizierte Grauwölfe mit 20 genetischen Veränderungen.

Auch beim Moa, so warnt Seddon, fehle in der Pressemitteilung von Colossal Biosciences jeglicher Hinweis darauf, dass es sich um ein reines ökologisches Äquivalent beziehungsweise ein Ersatzwesen handeln werde. Die Wiederbelebung bleibe eine technologische Vision und keine Rückkehr einer ausgestorbenen Art.


Hintergrund: Der Südinsel-Riesenmoa (Dinornis robustus)

  • flugunfähiger Riesenvogel mit ausgeprägtem Geschlechtsdimorphismus
  • Größe: bis 3,6 m hoch (stehend, mit ausgestrecktem Hals) – die größte aller Moa-Arten
  • Gewicht: bis zu 250 kg
  • Lebensraum: Wälder und Buschland der Südinsel Neuseelands
  • Aussterben: wahrscheinlich im 14. oder 15. Jahrhundert durch menschliche Bejagung (vermeintliche Sichtungen des Laufvogels sind bis in die 1990er-Jahre dokumentiert)

Quellen

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