Pestizide werden weltweit in der modernen Landwirtschaft eingesetzt, um unerwünschte Organismen – sogenannte Schädlinge – zu bekämpfen und den Ernteertrag zu sichern. Doch diese chemischen Pflanzenschutzmittel wirken nicht nur auf die beabsichtigten Zielorganismen, sondern schaden auch einer Vielzahl von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, die für das ökologische Gleichgewicht essenziell sind. Eine umfassende Studie, die im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde, zeigt, dass Pestizide erheblich zur Biodiversitätskrise beitragen und damit den globalen Artenschwund weiter beschleunigen.
Was sind Pestizide?
Pestizide sind chemische oder biologische Substanzen, die zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden. Sie dienen dazu, Pflanzen in der Landwirtschaft, im Gartenbau oder in der Forstwirtschaft vor Insekten, Pilzen, Unkraut und anderen Schadorganismen zu schützen. Je nach Zielgruppe werden Pestizide in verschiedene Kategorien unterteilt: Insektizide bekämpfen Insekten, Fungizide richten sich gegen Pilze, Herbizide töten oder hemmen das Wachstum von Pflanzen, und Bakterizide bekämpfen Bakterien.
Studie deckt Folgen von Pestizideinsatz auf
Die aktuelle Metaanalyse basiert auf einer systematischen Auswertung von 1.705 wissenschaftlichen Untersuchungen, die insgesamt 20.212 Messergebnisse zu den Auswirkungen von 471 verschiedenen Pestizidtypen enthalten. Die Analyse hebt negative Effekte auf mehr als 800 Arten hervor, darunter Wirbeltiere, Wirbellose, Pflanzen und Mikroorganismen.
Die Forscher untersuchten dabei nicht nur Labor- und Feldversuche aus unterschiedlichen Klimazonen, sondern auch den Einfluss von Schädlingsbekämpfungsmitteln in aquatischen und terrestrischen Ökosystemen. Dabei analysierten sie Parameter wie das Wachstum, die Reproduktion, das Verhalten von Organismen sowie physiologische Biomarker (etwa Stoffwechselveränderungen oder Zellaktivität). Ein besonderes Augenmerk lag auf der Frage, ob neue Pestizide umweltfreundlicher sind als ältere Wirkstoffe. Doch die Studie zeigt, dass auch neuere Schutzmittel keine wesentlichen Verbesserungen für die Umwelt mit sich bringen.
Ergebnisse: Schädlingsbekämpfungsmittel schaden in großem Maßstab
Negative Auswirkungen auf Tiere
Die Ergebnisse legen nahe, dass Pestizide das Wachstum, die Fortpflanzung und das Verhalten zahlreicher Tierarten beeinträchtigen. Besonders betroffen sind Insekten, die eine essenzielle Rolle bei der Bestäubung vieler Pflanzen spielen. Doch auch Amphibien, Vögel und Fische zeigen deutliche Beeinträchtigungen.
Pestizide hemmen das Wachstum vieler Tiere, verkürzen ihre Lebensdauer und beeinträchtigen ihre Fortpflanzung – was langfristig ganze Populationen gefährden kann. Auch das Verhalten der betroffenen Tiere verändert sich: Fluchtreaktionen werden gestört, das Orientierungsvermögen nimmt ab, und die Nahrungsaufnahme wird eingeschränkt. Besonders alarmierend sind die nachgewiesenen neurotoxischen Schäden, die nicht nur einzelne Individuen betreffen, sondern sich auf ganze Ökosysteme auswirken können.
Schäden an Pflanzen und Bodenökologie
Auch Pflanzen sind vom Einsatz chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel betroffen. Die Studie zeigt eine reduzierte Biomasse, sinkende Keimungsraten und eine eingeschränkte Fruchtbarkeit der Pollen. Zudem beeinflussen Pestizide essenzielle Stoffwechselprozesse wie die Photosynthese und die Wasseraufnahme negativ.
Besonders problematisch ist der Einfluss auf die Bodenmikroorganismen, die für die Nährstoffverwertung und den Humusaufbau verantwortlich sind. Durch die Reduktion nützlicher Bakterien und Pilze kann sich langfristig die Bodenfruchtbarkeit verschlechtern, was wiederum die Ernteerträge beeinflusst.
Resistenzbildung bei Schädlingen
Ein weiteres Problem des hohen Pestizideinsatzes ist die Resistenzbildung. Wenn solche Mittel in großen Mengen verwendet werden, passen sich viele Schädlinge an, sodass die Mittel mit der Zeit immer weniger wirksam werden. Dies führt dazu, dass immer stärkere chemische Pflanzenschutzmittel benötigt werden – ein Teufelskreis mit weitreichenden ökologischen Folgen.
Pestizide als Ursache für das Artensterben

(© Doreen Fräßdorf, fotografiert im Naturkundemuseum Erfurt, 2025)
Die schädlichen Auswirkungen von Pestiziden auf Nicht-Zielorganismen sind seit Jahrzehnten bekannt. Bereits in den 1960er-Jahren machte Rachel Carson mit ihrem Buch Silent Spring auf die verheerenden Folgen des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln aufmerksam.
Der Wanderfalke (Falco peregrinus) erlitt zwischen den 1950er- und 1970er-Jahren drastische Bestandsrückgänge, da sich das Insektizid DDT in der Nahrungskette anreicherte und zu brüchigen Eierschalen führte. Auch der Kalifornische Kondor (Gymnogyps californianus) war betroffen, da er als Aasfresser Pestizidrückstände aufnahm. Intensive Schutzmaßnahmen verhinderten sein Aussterben, doch er bleibt eine der am stärksten bedrohten Vogelarten der Welt.
Die Großtrappe (Otis tarda) leidet unter dem großflächigen Pestizideinsatz, da ihr Nahrungsangebot reduziert wird. Als Bodenbrüter ist sie auf eine vielfältige Landschaft angewiesen, doch der Verlust von Wildkräutern und Insekten erschwert ihre Fortpflanzung. Auch zahlreiche Fische, Amphibien und Insekten sind betroffen. Besonders alarmierend ist der Rückgang von Schmetterlingen, Wildbienen und anderen Bestäubern, deren Populationen in vielen Regionen um mehr als 75 Prozent gesunken sind.
Lösungsansätze: Alternativen zum Pestizideinsatz
Die Forscher betonen, dass es zahlreiche umweltfreundlichere Alternativen gibt, um den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln zu reduzieren, ohne die landwirtschaftliche Produktivität zu gefährden. Ein vielversprechender Ansatz ist der integrierte Pflanzenschutz (Integrated Pest Management, IPM), bei dem verschiedene Methoden kombiniert werden, um Schädlinge auf natürliche Weise zu kontrollieren. Eine zentrale Strategie ist die Förderung von Nützlingen, indem Wildblumen und Käferstreifen angepflanzt werden, um natürliche Feinde von Schädlingen anzulocken. Zudem kann der Fruchtwechsel, also die regelmäßige Änderung der angebauten Kulturen, dazu beitragen, Schädlingszyklen zu unterbrechen und deren Vermehrung zu erschweren. Auch eine gezielte Anpassung der Pflanzzeiten hilft, Hochzeiten von Schädlingen zu vermeiden und so den Befall einzudämmen.

(© Zeynel Cebeci, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Neben diesen landwirtschaftlichen Maßnahmen gibt es weitere Möglichkeiten zur mechanischen und biologischen Schädlingsbekämpfung. Physische Barrieren wie Netze oder Fallen verhindern, dass Schädlinge die Pflanzen erreichen, während der gezielte Einsatz von natürlichen Feinden, etwa Marienkäfern oder Fadenwürmer (Nematoden), die Schädlingspopulationen auf natürliche Weise reguliert. Eine weitere effektive Methode ist die Förderung der Artenvielfalt in Gärten und landwirtschaftlichen Flächen, um das ökologische Gleichgewicht zu stabilisieren und das Auftreten von Schädlingen zu minimieren.
Auch staatliche Förderprogramme können dazu beitragen, den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist der Sustainable Farming Incentive der britischen Regierung, bei dem Landwirte finanzielle Unterstützung erhalten, wenn sie den Einsatz von Insektiziden auf ihren Feldern verringern. Ähnliche Programme könnten weltweit eingeführt werden, um eine nachhaltigere Landwirtschaft zu fördern und den Übergang zu alternativen Pflanzenschutzmethoden zu erleichtern.
Globale Konsequenzen: Gefährdung ganzer Ökosysteme
Die Auswirkungen von Pestiziden beschränken sich nicht auf einzelne Arten, sondern bedrohen ganze Ökosysteme und Nahrungsketten. Besonders in landwirtschaftlich genutzten Regionen führt der Rückgang von Insekten und Bestäubern dazu, dass Pflanzen weniger effizient bestäubt werden, was langfristig die Nahrungsmittelproduktion gefährdet. In Gewässern reichern sich Pestizidrückstände an und schädigen Fische, Amphibien und andere Wasserorganismen – mit weitreichenden Folgen für Tiere, die auf diese Nahrungsquellen angewiesen sind.
Wenn einzelne Arten ausfallen, gerät das gesamte ökologische Gleichgewicht ins Wanken. Die Studie zeigt, dass Pestizide nicht nur kurzfristige Schäden verursachen, sondern langfristig die Stabilität von Ökosystemen untergraben. Ein bewussterer und reduzierter Einsatz dieser chemischen Pflanzenschutzmittel ist daher dringend erforderlich, um irreversible Schäden zu vermeiden.
Die niedrigen Kosten von Schädlingsbekämpfungsmitteln täuschen über die langfristigen Folgen hinweg. Um die Artenvielfalt zu schützen und ökologische Schäden einzudämmen, braucht es strengere Regulierungen, eine bessere Risikobewertung und gezielte Investitionen in nachhaltige Alternativen. Nur so lassen sich die negativen Auswirkungen auf Umwelt und Landwirtschaft begrenzen.
Quelle
- Wan, NF., Fu, L., Dainese, M. et al. Pesticides have negative effects on non-target organisms. Nat Commun 16, 1360 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-56732-x
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