Östliches Irmawallaby oder Greys Wallaby
Seine äußeren Merkmale verliehen dem Östlichen Irmawallaby ein ausgesprochen elegantes Erscheinungsbild, das selbst von Siedlern, die sonst wenig für australische Tiere übrighatten, anerkennend beschrieben wurde. John Gould, Public domain, via Wikimedia Commons)

Östliches Irmawallaby: Das schönste, eleganteste und flinkste aller Wallabys

Der britische Naturforscher Frederic Wood Jones, der viele Jahre in Australien verbrachte, nannte Greys Wallaby, auch bekannt als Östliches Irmawallaby, im Jahr 1924 das „wahrscheinlich schönste und eleganteste aller Wallabys“. Besonders auffällig sei die kontrastreiche Gesichtszeichnung, das gebänderte Rückenfell und die insgesamt feine graue Tönung des Fells. Diese Merkmale, so Wood Jones, unterschieden die Art deutlich von anderen Wallabys. Und er wusste, wovon er sprach: Denn er hatte sich intensiv mit dem Aufbau, der Struktur und der Wuchsrichtung des Haarkleids verschiedener Känguruarten beschäftigt und untersucht, welche funktionalen und entwicklungsgeschichtlichen Gründe dahinterstehen.

Der auffällige Pelz des Östlichen Irmawallabys dürfte zweifellos zu seinem raschen Verschwinden beigetragen haben. Keine 85 Jahre nach der Ankunft der Europäer in South Australia galt die Art bereits als in der Wildnis ausgestorben. Wood Jones schrieb dazu:

Östliches Irmawallaby Gesichtsmarkierung
Die markante Gesichtszeichnung ist ein typisches Erkennungsmerkmal von Greys Känguru. Das kontrastreiche Fellmuster hob sich deutlich vom hellgrauen Körper ab und verlieh der Art ein besonders elegantes Erscheinungsbild.
(© Doreen Fräßdorf, Natural History Museum in Tring, England, 2024)

„Da es bei weitem das flinkste aller Wallabys ist, war die Jagd auf ihn einst ein sehr beliebter Sport, und seine schönen Felle wurden in den Verkaufsräumen von Melbourne in großer Zahl vermarktet.“

Wood Jones, 1924, S. 244f.

Tatsächlich war das Östliche Irmawallaby nicht nur elegant, sondern auch außergewöhnlich schnell und wendig – Eigenschaften, die es bei der Jagd zu einer besonderen Herausforderung machten. Bereits der britische Ornithologe und Tiermaler John Gould beschrieb 1863 die beeindruckende Geschwindigkeit des Wallabys:

„Ich habe noch nie etwas so Flinkes gesehen wie diese Art: Sie scheint sich nicht zu beeilen, bis die Hunde ziemlich nahe herangekommen sind, dann springt sie wie eine Antilope erst mit einem kurzen und dann mit einem langen Sprung davon und lässt die Hunde weit hinter sich. Ich habe an einem Tag zwanzig Anläufe mit vier flinken Hunden gemacht und kein einziges [Tier] erwischt.“

Gould, 1863

Für Gould war Greys Wallaby „eines der flinksten und agilsten“ Kängurus. Doch selbst diese bemerkenswerte Anpassung reichte nicht aus, um der intensiven Bejagung, der ständigen Verfolgung und dem Verlust des Lebensraums dauerhaft zu entkommen.

Östliches Irmawallaby – Steckbrief

alternative BezeichnungenGreys Wallaby, Greys Känguru, Toolache-Känguru, Toolach, Monkeyface, Onetwo
wissenschaftliche NamenNotamacropus greyi, Macropus greyi, Halmaturus greyi, Halmaturus greyii, Wallabia greyi, Notamacropus greyii, Protemnodon greyii 
englische NamenToolache wallaby, Toolach wallaby, Grey’s wallaby, Captain Grey’s kangaroo
ursprüngliches VerbreitungsgebietAustralien (South Australia & Victoria)
Zeitpunkt des Aussterbensum 1940 (möglicherweise erst in den 1970er-Jahren)
Ursachen für das AussterbenLebensraumverlust, Bejagung, eingeschleppte Rotfüchse
IUCN-Statusausgestorben

Vom Pleistozän bis zur Kolonialzeit: Das Verbreitungsgebiet von Greys Wallaby

Das Östliche Irmawallaby war ursprünglich im Südosten des heutigen australischen Bundesstaates South Australia heimisch. Sein dokumentiertes Verbreitungsgebiet erstreckte sich vom Lake Albert südlich von Adelaide bis zur Südküste und reichte ostwärts bis in die westlichsten Ausläufer des benachbarten Victoria. Der Zoologe Tim Flannery (1990) merkt jedoch an, dass aus neuerer Zeit keine belegten Sammlungen dieser Art in Victoria bekannt sind, weshalb das historische Vorkommen dort lange Zeit als unsicher galt.

Fossilfunde außerhalb von South Australia

Greys Wallaby: Verbreitungsgebiet
Die Karte zeigt das recht kleine Verbreitungsgebiet des Östlichen Irmawallabys auf dem australischen Kontinent.
User:מנחם.אל, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)

Subfossile Funde belegen, dass das Verbreitungsgebiet von Greys Känguru in der Vergangenheit deutlich größer war. Während des späten Pleistozäns, also vor etwa 14.000 bis 20.000 Jahren, lebte die Art auch in anderen Regionen: Knochenreste wurden unter anderem auf der nordwestlichen Seite Tasmaniens, auf Hunter Island in der Bass-Straße sowie auf Kangaroo Island nachgewiesen.

Ein weiterer Fund gelang in den Jahren 1961 bis 1963 in der Lavahöhle von Mount Hamilton im westlichen Victoria. Dort wurden subfossile Überreste von insgesamt rund 290 Individuen aus 26 Säugetierarten entdeckt, darunter auch ausgestorbene Arten wie der Beutelwolf und die Weißfußkaninchenratte (Conilurus albipes). Der australische Paläontologe Norman Arthur Wakefield dokumentierte die Funde 1963 in einer Studie. Unter den entdeckten Überresten befanden sich auch Knochen von mindestens sieben Individuen des Östlichen Irmawallabys – darunter zwei adulte, ein subadultes und vier juvenile Tiere. Charakteristische Merkmale wie Gaumenform und Zahnstruktur erlaubten eine eindeutige Zuordnung zur Art.

Dieser wichtige Fund stellt den bislang einzigen fossilen Nachweis von Greys Wallaby in Victoria dar. Er bestätigt frühere Vermutungen, wonach das Verbreitungsgebiet der Spezies zumindest zeitweise auch einen schmalen Streifen des westlichen Victoria einschloss.

Die Höhle von Mount Hamilton dürfte über Jahrtausende hinweg sowohl als Falle für verirrte Tiere als auch als Depot durch Raubtiere wie den Tasmanischen Teufel (Sarcophilus harrisii) oder den ausgestorbenen Beutellöwen (Thylacoleo carnifex) gedient haben. Einige der gefundenen Knochen weisen Bissspuren auf, andere stammen von Tieren, die vermutlich in die Höhle stürzten und dort verendeten.

Die Zusammensetzung der in der Höhle gefundenen Tierarten erlaubt Rückschlüsse auf vergangene Umwelt- und Klimabedingungen in der Region. Während die Region heute von offenen, durch Weidewirtschaft geprägten Landschaften dominiert wird, deuten die Funde auf feuchtere und vegetationsreichere Phasen in der Vergangenheit hin – möglicherweise mit dichterem Unterwuchs oder ausgedehnten Graslandschaften, wie sie unter einem kühleren und trockeneren Klima mit weniger Niederschlägen typisch wären.

Den ältesten Nachweis jenseits des australischen Festlandes lieferten David Horton und Peter Murray 1980 mit der Entdeckung subfossiler Überreste des Östlichen Irmawallabys in Nordwest-Tasmanien. Die Fossilien stammen aus dem späten Pleistozän und sind damit mehrere zehntausend Jahre alt. Diese Entdeckung erweiterte das bekannte historische Areal der Art erheblich und belegt, dass Greys Känguru früher eine deutlich größere ökologische Nische besetzte, als bisher angenommen.

Vom Verschwinden des Östlichen Irmawallabys und gescheiterten Rettungsversuchen

Östliches Irmawallaby im Museum in Tring
Östliches Irmawallaby im Naturkundemuseum in Tring: Die Tiere waren mit einer Kopf-Rumpf-Länge von bis zu 84 Zentimetern relativ kleine Wallabys. Auffällig war, dass die Weibchen etwas größer waren als die Männchen, deren Schwanz mit etwa 73 Zentimetern jedoch länger ausfiel.
(© Doreen Fräßdorf, 2024)

Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts galt das Östliche Irmawallaby in Teilen seines Verbreitungsgebiets als relativ häufig. Der australische Zoologe Hedley Herbert Finlayson (1927) berichtet von besonders dichten Vorkommen in den Gebieten um Kingston, Millicent, Robe, Naracoorte, Penola und Conmurra im Südosten von South Australia. Auch Flannery und Schouten (2001) bestätigen, dass die Art bis etwa 1910 vergleichsweise weit verbreitet war.

Obwohl es Hinweise auf größere lokale Bestände gab, schätzte Finlayson die Art dennoch als eher selten ein – insbesondere im Vergleich zu anderen Macropus-Arten der Region. Demgegenüber schreiben Horton und Murray (1980), das Irmawallaby sei „einst sehr zahlreich“ gewesen. Möglicherweise erklären sich diese unterschiedlichen Einschätzungen durch regionale Unterschiede im Vorkommen und durch Veränderungen im Zeitverlauf.

Nach 1910 schrumpfte das Verbreitungsgebiet deutlich. Flannery (1990) beschreibt nur noch vereinzelte Restbestände in einem Gebiet, das sich von der Küste bei Robe, Kingston und Beachport bis ins Hinterland bei Naracoorte und Penola erstreckte. Der Rückgang erfolgte also innerhalb weniger Jahre. Für das Jahr 1923 verzeichnete Finlayson eine kleine Gruppe von rund 14 Tieren auf Konetta Station, einem landwirtschaftlich genutzten Gelände im Südosten South Australias, etwa auf halbem Weg zwischen Robe und Penola.

Umsiedlungsversuche nach Kangaroo Island

Im Jahr 1924 wurden letztmals lebende Greys Wallabys gesichtet. Noch im selben Jahr forderte Wood Jones, dass „jede Anstrengung zur Erhaltung der Art sofort und mit Nachdruck unternommen werden muss, wenn sie von irgendeinem Nutzen sein soll“.

Greys Wallaby (Foto von Finlayson) mit charakteristischen "loin bands" auf dem Rücken
Historische Aufnahmen belegen die charakteristische Bänderung im Rückenbereich des Östlichen Irmawallabys. Diese zehn bis zwölf „loin bands“ – dunkle Querstreifen am Rücken – galten als ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Känguruarten und zeigen sich besonders gut bei lebenden Tieren. Auf ausgestopften Exemplaren ist dieses Merkmal oft nicht eindeutig zu erkennen.
(© Finlayson, 1927)

Als Reaktion auf den dramatischen Rückgang empfahl das 1921 gegründete und für Naturschutzfragen im Bundesstaat zuständige Flora and Fauna Board of South Australia, einige der letzten überlebenden Tiere in ein geschütztes Reservat auf Kangaroo Island zu überführen. Ziel war es, das Östliche Irmawallaby vor dem endgültigen Aussterben zu bewahren. Zwei Umsiedlungsversuche – im Mai 1923 und erneut 1924 – scheiterten jedoch: Nur vier Tiere konnten eingefangen werden, doch sie starben kurz nach dem Fang, vermutlich infolge von Erschöpfung und Stress (Finlayson, 1927).

Während beispielsweise Finlayson und Flannery (1990) von vier Wallabys berichteten, die während der Umsiedlungsversuche gestorben sind, berichten andere Autoren von bis zu zehn Tieren, die im Zuge der Fangaktionen starben, doch diese Zahlen sind nicht quellenbelegt. Von den ursprünglich 14 Individuen auf Konetta Station sollen zehn ums Leben gekommen sein, die restlichen vier verblieben demnach auf dem Gelände.

Öffentliches Interesse mit tragischen Folgen

Das zunehmende öffentliche Interesse an den letzten Östlichen Irmawallabys hatte fatale Folgen, denn es beschleunigte das Aussterben der Art. Einzelne Tiere der letzten bekannten Gruppe wurden gezielt erlegt, um sie als Trophäen zu konservieren:

„Die Erkenntnis, dass das Östliche Irmawallaby fast verschwunden war, weckte bei einzelnen gewissenlosen Personen die Gier nach einem Fell. Dass Überlebende des misslungenen Fangversuchs von 1924 später getötet wurden, um sie als Trophäe zu konservieren, ist durch Aussagen mindestens eines Beteiligten belegt.“

Finlayson, 1927

Ein weibliches Tier mit Jungtier im Beutel konnte 1927 noch vor Hunden gerettet und in menschliche Obhut genommen werden. Das Jungtier starb, das Muttertier jedoch überlebte. Finlayson schrieb im selben Jahr:

„Sie dürfte die letzte ihrer Art in diesem Staat sein, denn bei einer sorgfältigen und ausgedehnten Untersuchung des Reviers der Konetta-Gruppe (…) im Februar dieses Jahres konnten keine neueren Spuren, weder in Form von Fährten noch in Form von Abdrücken oder Kot, gefunden werden, und der Bewohner, der das Land am besten kennt, ist der Meinung, dass die Gruppe vollständig ausgerottet ist.“

Finlayson, 1927

Dieses letzte bekannte Exemplar lebte noch zwölf Jahre in menschlicher Obhut und starb am 30. Juni 1939 in Robe. Es gilt heute allgemein als der letzte Vertreter seiner Art – eine Einschätzung, die unter anderem von Flannery und Schouten (2001) bestätigt wird.

Der britische Autor David Day behauptet 1981, „das letzte Östliche Irmawallaby starb einige Jahre später im Zoo von Adelaide, ohne sich fortgepflanzt zu haben“. Ein konkretes Datum oder eine Quelle nennt er aber nicht. Auch Francis Harper zitiert in seinem Werk Extinct and Vanishing Mammals of the Old World (1945) aus einem Schreiben des australischen Zoologen Albert Le Souef, wonach sich 1937 im Zoo von Adelaide „ein oder zwei Exemplare, die vermutlich die letzten lebenden Vertreter dieser Art sind“ befänden. Ob diese Tiere das bis 1939 in Robe gepflegte Weibchen überlebten, ist jedoch nicht nachgewiesen.

Der letzte mit Datum belegte Vertreter des Östlichen Irmawallabys starb am 30. Juni 1939 in Robe. Spätere Todesdaten – etwa im Zoo von Adelaide – lassen sich nicht verlässlich belegen. Die gescheiterten Umsiedlungsversuche und das öffentliche Interesse an den letzten Individuen trugen vermutlich entscheidend zum Aussterben der Art bei.

Greys Wallaby Fotos von H. H. Finlayson
Die Aufnahmen von Finlayson zeigen ausgewachsene weibliche Östliche Irmawallabys. Links ist die für die Art typische Ruhehaltung zu sehen, bei der die Vorderpfoten parallel voreinandergelegt werden – eine bei Kängurus eher ungewöhnliche Geste. Das rechte Bild veranschaulicht die charakteristische Körper- und Schwanzhaltung während der schnellen Fortbewegung.
(© Finlayson, 1927)

Letzte Aufnahmen einer verlorenen Art

Das vermutlich letzte Östliche Irmawallaby aus der Konetta-Gruppe wurde im Oktober 1936 auf einem eingezäunten Grundstück in Robe gefilmt – nur wenige Jahre vor seinem Tod im Jahr 1939. Die Aufnahmen gelten als das einzige bekannte Filmdokument eines lebenden Tieres dieser ausgestorbenen Art. Gefertigt wurden sie von Bernard Cotton, einem Mitglied der Field Naturalists Society of South Australia.

Das etwa fünf Minuten lange 16mm-Filmmaterial, das sich jahrzehntelang im Archiv der Gesellschaft befand, beginnt in Schwarz-Weiß und wechselt am Ende für rund 34 Sekunden in Farbe, was selten für Aufnahmen aus dieser Zeit ist. Zu sehen ist Greys Wallaby beim Hüpfen, Fressen und Putzen. Die elegante Fortbewegung, die aufrechte Haltung und die charakteristische Gesichtszeichnung des Tieres lassen sich gut erkennen. Zum Vergleich blendet der Film am Schluss kurz vier weitere Wallaby-Arten ein, um die morphologischen Unterschiede zu verdeutlichen.

2025 wurde der historische Film vom National Film and Sound Archive of Australia (NFSA) digitalisiert und restauriert. Die Farbszenen, die durch chemische Alterung stark ins Magenta verschoben waren, wurden behutsam farbkorrigiert. NFSA-Filmkonservator Dave McGrouther erklärt: „Das Material war nicht perfekt erhalten – aber gut genug, um den letzten lebenden Vertreter dieser Art in Farbe zu zeigen.“

Warum ist das Östliche Irmawallaby ausgestorben?

Der US-amerikanische Zoologe Francis Harper zitierte 1945 aus einem Brief des australischen Säugetierforschers Ellis Le Geyt Troughton vom 16. April 1937. Darin heißt es über Greys Känguru: „Diese wunderschöne Art hat die tragischste und wahrscheinlich prophetischste Geschichte aller Kängurus seit der Besiedlung durch die Weißen.“

Kaum eine andere Beuteltierart verkörpert so deutlich die fatalen Folgen der europäischen Kolonisierung Australiens wie das Östliche Irmawallaby. Einst in Teilen von South Australia noch relativ häufig, war die Spezies bereits ab der Mitte des 19. Jahrhunderts stark rückläufig – und kaum 100 Jahre nach Gründung der britischen Kolonie South Australia endgültig verschwunden.

Lebensraumverlust mit Beginn der europäischen Kolonisierung

Östliches Irmawallaby (Greys Wallaby) im Naturkundemuseum in Paris
Laut Finlayson und Flannery mied das halbgesellige, in kleinen Kolonien lebende Östliche Irmawallaby dichte Wälder und Heideflächen sowie schwer zugängliche Areale; auch soll es sehr standorttreu gewesen sein.
(© Doreen Fräßdorf, Muséum national d’histoire naturelle in Paris, 2024)

Das Östliche Irmawallaby war eng an offene Graslandschaften und Feuchtgebiete gebunden – Lebensräume, die mit dem Beginn der europäischen Besiedlung Südost-Australiens rasch verloren gingen. Schon John Gould beschrieb in The Mammals of Australia (1863) die „Lieblingsplätze“ der Art: Demnach lebte Greys Wallaby in flachen, offenen Ebenen nahe der Küste, durchzogen von Salzlagunen und gesäumt von Kiefernwäldern. Bei trockenem Wetter hielten sich die Tiere in Gebüschen nahe der Lagunen oder im langen Gras auf, bei Regen bevorzugten sie die höheren Sandhügel.

Finlayson (1927) ergänzte diese Beobachtungen und wies darauf hin, dass Greys Wallaby besonders an das sogenannte „fringe country“ angepasst war – Übergangsgebiete zwischen sandigen, nährstoffarmen Böden und fruchtbareren Lehmböden. Gerade diese Regionen waren jedoch aus Sicht der Kolonialisten besonders attraktiv: Sie wurden früh besiedelt, parzelliert, entwässert und in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt.

Die Gründung der britischen Kolonie South Australia im Jahr 1836 markierte den Beginn eines tiefgreifenden Umbruchs. Innerhalb weniger Jahrzehnte verschwanden große Teile des ursprünglichen Habitats. Sümpfe, die laut Robinson und Young (1983) einen wesentlichen Bestandteil des Lebensraums der Art ausmachten, wurden ab 1862 systematisch trockengelegt. Schaf- und Rinderweiden ersetzten die natürliche Vegetation. Auch offene Buschlandschaften und Grasflächen wurden gerodet, eingezäunt und intensiv genutzt – mit fatalen Folgen Greys Känguru, das auf diese Lebensräume angewiesen war.

Viele Fachleute, darunter Flannery (1990) sowie Robinson & Young (1983), betrachten die Zerstörung des natürlichen Lebensraums durch Entwässerung, Rodung und Weidewirtschaft als Hauptursache für das Aussterben von Greys Wallaby. Die Hoffnung, dass sich kleine Restpopulationen halten könnten, wurde spätestens in den 1950er-Jahren mit einer zweiten Welle intensiver Landnutzung endgültig zunichtegemacht.

Sportliche Jagd, Kopfgelder und der Handel mit Pelzen

Kangaroo dogs
Diese historische Illustration aus dem Jahr 1915 zeigt sogenannte „Kangaroo Dogs“ – eine in Australien von europäischen Siedlern gezielt gezüchtete Windhundmischung, die schnell, kräftig und ausdauernd genug war, um die flinken Kängurus während der Jagd zu verfolgen, zu stellen und festzuhalten. Die Hunde wurden im 19. Jahrhundert vor allem für die koloniale Hetzjagd auf Beuteltiere eingesetzt.
W. E. Mason, Public domain, via Wikimedia Commons)

In den Jahrzehnten nach der europäischen Besiedlung Südost-Australiens geriet das Östliche Irmawallaby zunehmend ins Visier der Menschen – nicht aus Notwendigkeit, sondern aus sportlichem Ehrgeiz, politischem Kalkül und wirtschaftlichem Interesse. Die Jagd auf Greys Wallaby war besonders in den offenen Grasländern South Australias weit verbreitet und wurde als Freizeitvergnügen zelebriert. Finlayson (1927) dokumentierte ausführlich die populäre „Wallaby-Hetzjagd“ mit sogenannten Kangaroo Dogs. Diese Känguru-Hunde wurden in Australien seit den 1830er-Jahren aus verschiedenen schnell laufenden Hunderassen gezüchtet und dienten ursprünglich dazu, Kängurus zu jagen.

Gerade wegen seiner enormen Wendigkeit und Geschwindigkeit war das Östliche Irmawallaby ein begehrtes Ziel. Die Jagd erfolgte meist auf Sicht, oft bis zur völligen Erschöpfung des Tieres. Sie diente keineswegs der Fleischgewinnung, sondern war Ausdruck eines kolonialen Zeitgeists, in dem Wildtiere vor allem als sportliche Herausforderung oder Konkurrenz zur Weidewirtschaft galten.

Der Pelz von Greys Känguru war ebenfalls gefragt. Wood Jones (1924) berichtet, dass die eleganten Felle in den Verkaufsräumen von Melbourne in großer Zahl vermarktet wurden. Die markante Gesichtszeichnung und das fein strukturierte, kontrastreiche Fell machten Notomacropus greyi zu einem attraktiven Handelsgut. Zwar war das Tier lokal begrenzt verbreitet, doch scheint der Handel mit seinem Fell zumindest in städtischen Kreisen durchaus relevant gewesen zu sein.

Mit dem Einzug staatlicher Regulierung nahm der Druck auf das Östliche Irmawallaby weiter zu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlte die Regierung in South Australia eine Prämie von sechs Pence für jeden abgegebenen Skalp – ein Stück behaarter Kopfhaut, das als Beleg für den Abschuss diente. Die Maßnahme war Teil staatlich geförderter „Vernichtungsprogramme“ gegen als schädlich angesehene Beuteltiere. Vor allem in Zeiten der Dürre betrachteten Landwirte Kängurus und Wallabys als Konkurrenten um Gras und Wasserressourcen, die eigentlich für Schafe und Rinder gedacht waren. Die Wallabys Tiere galten als Plage auf bewirtschafteten Flächen, weil sie Zäune beschädigten, Weiden übernutzten und Erosion förderten – so zumindest die damalige Argumentation.

Aber auch ohne ein Östliches Irmawallaby zu erschießen, bemühte sich manch einer, an Skalps zu kommen:

„Ich hörte von Schulkindern, die regelmäßig Adlerhorste aufsuchten, um die Reste junger Toolachs zu sammeln – denn auch deren Skalps brachten sechs Pence.“

Finlayson, 1927

Selbst auf Jungtiere wurde gezielt Jagd gemacht, was das Fortbestehen der Art zusätzlich erschwerte. Dass sich Greys Wallaby in sozialen Gruppen organisierte und eine starke Standorttreue zeigte, verschärfte die Situation weiter. Der australische Autor Raymond T. Hoser weist in Endangered Animals of Australia (1991) darauf hin, dass sich die Tiere auch nach wiederholten Störungen immer wieder in dasselbe Gebiet zurückzogen. Diese Bindung an ein festes Territorium machte es Jägern leicht, ganze Gruppen aufzuspüren und über mehrere Jagdausflüge hinweg vollständig vollständig zu eliminieren.

Die Kombination aus sportlicher Hetzjagd, wirtschaftlichem Interesse am Fell, staatlicher Kopfgeldpolitik und territorialem Verhalten der Tiere dürfte den Niedergang von Greys Känguru entscheidend beschleunigt haben – schon lange bevor ernsthafte Schutzmaßnahmen überhaupt in Erwägung gezogen wurden.

Invasive Arten als Aussterbeursache: Der Rotfuchs

Der Rotfuchs (Vulpes vulpes) zählt zu den folgenreichsten invasiven Arten in Australien. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde er von europäischen Siedlern eingeführt, die auf dem Kontinent die aus Großbritannien bekannte Fuchsjagd betreiben wollten. Binnen weniger Jahrzehnte breitete sich der Fuchs über große Teile Süd- und Ostaustraliens aus – mit verheerenden Auswirkungen auf zahlreiche endemische Beuteltierarten, die sich über Jahrtausende ohne größere bodenlebende Raubtiere entwickelt hatten.

Auch das Östliche Irmawallaby war von dieser Entwicklung betroffen. Besonders Jungtiere fielen dem Fuchs regelmäßig zum Opfer. In seiner Untersuchung von 1927 sah Finlayson im Fuchs sogar den entscheidenden Faktor für das Aussterben der Art – vor allem in abgelegenen, dünn besiedelten Regionen, in denen menschliche Einflüsse gering waren. Er schrieb:

„In den fast unbewohnten Wüstengebieten, in denen der Mensch kaum eingreift, scheint der Fuchs der alleinige Auslöschungsfaktor gewesen zu sein.“

Finlayson, 1927

Finlayson betonte außerdem, dass Füchse selbst bei größeren Känguruarten erheblichen Schaden unter Jungtieren anrichteten – beim empfindlichen Greys Wallaby sei die Wirkung besonders gravierend gewesen:

„Der Fuchs richtet auch bei den größeren Kängurus erheblichen Schaden unter Jungtieren an – und war für die Toolach besonders verheerend.“

Finlayson, 1927
Greys Känguru (Macropus greyi) in Paris
Greys Känguru war nachtaktiv und suchte in der Abenddämmerung nach Nahrung. Es ernährte sich überwiegend von Gräsern und krautigen Pflanzen.
(© Doreen Fräßdorf, Muséum national d’histoire naturelle in Paris, 2024)

Spätere Forscher relativierten diese Einschätzung. Flannery (1990) etwa widersprach der Vorstellung, dass der Fuchs allein für das Verschwinden des Östlichen Irmawallabys verantwortlich sei. Zwar räumte auch er ein, dass invasive Arten wie der Rotfuchs erheblich zum Rückgang beitrugen, doch sah er das Aussterben als Folge eines komplexen Ursachenbündels: Jagd, Lebensraumzerstörung, Störungen durch Menschen und Haus- beziehungsweise Nutztiere – all dies habe die Art geschwächt und anfälliger für Beutegreifer gemacht.

Fressfeinde gab es schon vor der Ankunft des Fuchses: Der Keilschwanzadler (Aquila audax) etwa jagte gezielt junge Wallabys. Doch die Ausbreitung des Fuchses verschärfte den Druck massiv; insbesondere, weil die Tiere auch in weniger zugänglichen Regionen vordringen konnten.

Hinzu kam ein oft übersehener Faktor, auf den Finlayson (1927) detailliert eingeht: Die in South Australia beliebte Jagd mit Hunden auf Füchse hatte auch für das Östliche Irmawallaby fatale Folgen. Die für die Jagd eingesetzten Hunde jagten nämlich nicht nur Füchse, sondern verfolgten oft auch andere Wildtiere, darunter Wallabys, und töteten diese, obwohl sie gar nicht das eigentliche Ziel waren. So wirkte sich der Versuch, eine invasive Art zu bekämpfen, indirekt zusätzlich negativ auf eine ohnehin bedrohte Tierart aus.

Sichtungen von Greys Känguru nach 1940?

David Day schrieb 1981 in The Doomsday Book of Animals, dass „australische Vögel und Säugetiere geradezu berüchtigt dafür sind, dass sie Jahre, nachdem sie für ausgestorben erklärt wurden, wieder aufzutauchen – nur um erneut zu verschwinden, sobald man sich ihrer Existenz wieder sicher ist“. Gemeint waren wohl Fälle wie das wiederholt verschollene und wiederentdeckte Nacktbrustkänguru. Dass wenig später auch das seit 1909 verschwundene Gilbert-Kaninchenkänguru (Potorous gilbertii) wiedergefunden wurde, konnte Day damals noch nicht ahnen – ebenso wenig wie die Wiederentdeckung des australischen Höhlensittichs (Pezoporus occidentalis), der bis 1990 nur von Museumspräparaten bekannt war.

Trotzdem war sich Day in einem Punkt sicher:

„Australien ist immer noch ein Kontinent mit viel Platz und Wildnis, und man kann in manchen Fällen hoffen, dass die hier verzeichneten Aussterbefälle (…) ‚etwas übertrieben‘ sein mögen. Kein Zweifel besteht jedoch am völligen Verschwinden des schönsten Vertreters der Känguru-Familie, des (…) Greys Wallabys, das um 1940 ausgestorben ist.“

Day, 1981

Und doch: Auch nach dem Tod des letzten gesicherten Östlichen Irmawallabys im Jahr 1939 kursierten mehr oder weniger glaubhafte Berichte über Sichtungen der Art.

Laut Tim Flannery (1990) existiert nur eine glaubhafte Beobachtung nach 1940: Im Jahr 1943 sollen zwei Windhunde im Besitz eines Albert Joseph ein lebendes Östliches Irmawallaby gefangen haben. Alle anderen Berichte, die von Biologen vor Ort untersucht wurden, seien, so Flannery, unbestätigt geblieben oder es hat sich gezeigt, dass es sich um eine andere Art handelt – meistens das Rotnackenwallaby (Notamacropus rufogriseus).

Schädel des Östlichen Irmawallabys
Nahrungstechnisch war Greys Wallaby natürlich an sein Habitat angepasst, denn es verzehrte am liebsten Gräser. Seine Zähne zeigten, so Finlayson, aus diesem Grund auch kaum Abrieb.
(© Finlayson, 1927)

In den Jahren 1975 und 1976 führte der South Australian National Parks and Wildlife Service eine gezielte Untersuchung durch, um möglichen Restbeständen nachzugehen. Grundlage waren zuverlässige Aussagen lokaler Naturbeobachter, die von kleineren Populationen von Greys Känguru in abgelegenen Regionen berichteten; insbesondere aus den 1950er- bis frühen 1970er-Jahren. Allerdings konnten keine Nachweise mehr erbracht werden.

Angebliche Beobachtungen stammen auch aus dem Gebiet um den Lake Hawdon: Laut dem Biological Survey of Lake Hawdon South Australia (2001) berichteten Anwohner von Sichtungen im Jahr 1953. Genannt wurden ein tot aufgefundenes Östliches Irmawallaby an der „Bog Lane“ nahe dem Lake St Clair sowie drei lebende Greys Wallabys bei Wood Soak, zwischen Lake St Clair und Bray Junction.

Sollten sich diese Berichte als zutreffend erweisen, liegt die Vermutung nahe, dass die weiten Graslandschaften rund um den Lake Hawdon zu den letzten Rückzugsräumen des Östlichen Irmawallabys im Südosten Australiens zählten. Die IUCN übernahm daher die Einschätzung des South Australian National Parks and Wildlife Service und datierte die letzte glaubwürdige Sichtung der Art in die 1970er-Jahre – als Anerkennung der damals dokumentierten, ernstzunehmenden Beobachtungen.

Taxonomie: Von Captain Grey’s Kangaroo zu Notamacropus greyi

Das Östliche Irmawallaby wurde der westlichen Wissenschaft erstmals durch Sir George Grey bekannt, den damaligen Gouverneur der Kolonie South Australia. Er ließ die Häute und Schädel eines Männchens und eines Weibchens aus der Region Coorong an das British Museum of Natural History in London senden. Dort nahm sich der britische Zoologe John Edward Gray der Funde an und führte die Art 1843 in seiner List of the Specimens of Mammalia in the Collection of the British Museum unter dem Namen Halmaturus greyii ein – als „Captain Grey’s Kangaroo“, benannt zu Ehren George Greys.

Greys Wallaby (Buffon)
Das 1839 erschienene Werk Compléments de Buffon von René Primevère Lesson sollte die naturkundlichen Schriften von Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon, ergänzen und enthält einige der frühesten kolorierten Darstellungen australischer Beuteltiere. Das Bild zeigt ein auffallend gefärbtes Wallaby, das dem später wissenschaftlich beschriebenen Östlichen Irmawallaby ähnelt. Die taxonomische Zuordnung solcher frühen Abbildungen ist allerdings nicht immer eindeutig.
Buffon, Georges Louis Leclerc; Imprimerie de Lacrampe; Lesson, R. P., Public domain, via Wikimedia Commons)

Eine detaillierte Beschreibung blieb Gray zunächst schuldig. Erst George Robert Waterhouse lieferte 1846 in seinem Werk A Natural History of the Mammalia eine ausführlichere Charakterisierung. Wie Gray ordnete auch er die neue Art der damals gängigen Gattung Halmaturus zu, in der viele Känguru- und Wallabyformen zusammengefasst waren. Weitere systematische Ergänzungen zur Art stammten später von John Gould (1863), Oldfield Thomas (1888) und Frederic Wood Jones (1925).

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde das Östliche Irmawallaby systematisch neu eingeordnet. Zunächst als Macropus (Notamacropus) greyi geführt, galt sie als Teil einer Untergattung (Notamacropus) innerhalb der großen Kängurugattung Macropus. Diese Gruppe umfasst mehrere kleinere Beuteltierarten, die gemeinhin als Wallabys bezeichnet werden.

Bereits 1985 schlugen Tim Flannery und Lyndall Dawson in einer Revision vor, die bislang als Untergattung geführte Gruppe Notamacropus offiziell für acht eng verwandte Wallaby-Arten zu verwenden. Diese systematische Neugliederung wurde 2015 von Colin Groves und Stephen Jackson in ihrer Monografie Taxonomy of Australian Mammals weiterentwickelt: Sie erhoben Notamacropus – ebenso wie Osphranter und Wallabia – in den Rang eigenständiger Gattungen, um die phylogenetischen Unterschiede innerhalb der Kängurus präziser abzubilden. Viele Institutionen übernahmen diese Änderung allerdings erst mit zeitlicher Verzögerung.

Untermauert wurde die neue Systematik durch eine molekulargenetische Studie von Celik et al. (2019), die die Eigenständigkeit von Notamacropus genetisch bestätigte. Die Australian Faunal Directory (AFD) erkannte die überarbeitete Klassifikation schließlich im Jahr 2020 offiziell an.

Hintergrund dieser Revision war die Erkenntnis, dass einige der kleineren Wallaby-Arten – darunter das Östliche Irmawallaby – enger miteinander verwandt sind als mit den übrigen Arten der traditionellen Gattung Macropus. Letztere diente lange Zeit als Sammelbezeichnung für mittelgroße bis große Kängurus und Wallabys. Die Abspaltung von Notamacropus als eigene Gattung spiegelt daher die tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnisse besser wider. Heute umfasst die Gattung Notamacropus acht Arten – nur eine davon ist ausgestorben: Notamacropus greyi, das Östliche Irmawallaby.

Namensherkunft: Toolache Wallaby

Die im Englischen geläufigste Bezeichnung für das Östliche Irmawallaby lautet „Toolache Wallaby“. Bereits Finlayson vermutete 1927, dass der Name „Toolache“ aus der Sprache der Aborigines stammt, auch wenn ihm die genaue Bedeutung nicht bekannt war. Er hielt fest, dass europäische Siedler das Wort üblicherweise als „Toe-lait-shee“ aussprachen – mit Betonung auf der zweiten Silbe.

Moderne linguistische Untersuchungen bestätigen diese Annahme: Der Name geht sehr wahrscheinlich auf das Wort „rtulatji“ aus der Sprache der Ngarrindjeri zurück, der indigenen Bevölkerung der südöstlichen Küstenregion von South Australia. Einen wichtigen Beitrag zur Überlieferung leistete der Ngarrindjeri-Älteste Milerum, der bis Mitte des 20. Jahrhunderts als bedeutender Vermittler zwischen indigener und westlicher Wissenskultur galt. Er dokumentierte über 500 Wörter, die zuvor in keiner schriftlichen Quelle festgehalten worden waren, darunter „rtulatji“ für das Toolache Wallaby.

Daneben kursierten im Englischen auch alternative, heute kaum noch gebräuchliche Namen wie „monkeyface“ oder „onetwo“. Sie bezogen sich vermutlich auf das auffällige Gesichtsmuster beziehungsweise auf den charakteristischen Bewegungsrhythmus von Greys Wallaby.

Der nächste Verwandte: Das Westliche Irmawallaby

Schon früh vermuteten Naturforscher wie John Gould oder George Waterhouse, dass das Östliche Irmawallaby eng mit dem heute noch lebenden Westlichen Irmawallaby (Notamacropus irma) verwandt sei – basierend auf deutlichen äußerlichen Übereinstimmungen wie Fellzeichnung und Körperbau sowie anatomischen Gemeinsamkeiten. Auch Finlayson schloss sich dieser Einschätzung 1927 an: Innerhalb der damals gängigen Untergattung Wallabia betrachtete er Macropus irma als nächsten Verwandten von Macropus greyi.

Westliches Irmawallaby
Im Vergleich zum ausgestorbenen Östlichen Irmawallaby ist das Westliche Irmawallaby (Bild) etwas kleiner, feiner gebaut und weniger kontrastreich gefärbt. Beide Arten zeigen ähnliche Körperformen und teilen sich ein seltenes Merkmal: die charakteristischen quer verlaufenden dunklen Streifen auf dem Rücken.
(© John Gould, Public domain, via Wikimedia Commons)

Besonders auffällig war für Finlayson die geographische Trennung der beiden Arten: Während M. irma ausschließlich im äußersten Südwesten von Westaustralien vorkommt, war M. greyi auf den Südosten des Kontinents beschränkt. Zwischen beiden Verbreitungsgebieten erstreckt sich ein riesiges, trockenes Gebiet – ein Lebensraum, der für keine der beiden Arten geeignet ist. Finlayson hielt es daher für möglich, dass die Ähnlichkeiten weniger auf eine direkte Verwandtschaft als vielmehr auf parallele Evolution zurückzuführen seien.

Diese Frage konnte erst viele Jahrzehnte später durch genetische Analysen zweifelsfrei geklärt werden. Erst die 2019 veröffentlichte Studie von Celik et al. untersuchte sowohl mitochondriale als auch nukleare DNA verschiedener Känguru- und Wallabyarten, darunter auch genetisches Material des ausgestorbenen Östlichen Irmawallabys. Das Ergebnis: Notamacropus greyi und Notamacropus irma bilden ein gemeinsames Schwesterpaar innerhalb der Gattung Notamacropus. Sie teilen einen direkten gemeinsamen Vorfahren und trennten sich wahrscheinlich bereits im Pliozän vor mehreren Millionen Jahren.

Die Studie widerlegt somit ältere Theorien einer rein parallelen beziehungsweise konvergenten Entwicklung und bestätigt stattdessen eine allopatrische Artbildung infolge geografischer Isolation. Während sich eine Linie im Südwesten halten konnte, überlebte die andere im Südosten – zumindest bis zur Besiedlung durch Europäer.

Auch morphologische Vergleiche, etwa der Zahnstruktur oder des Schädels, hatten bereits auf eine enge Verwandtschaft hingedeutet. Die genetischen Daten untermauern diese Befunde nun eindeutig und schließen die Lücke zwischen historischer Beobachtung und moderner Evolutionsforschung: Das Östliche Irmawallaby war tatsächlich der engste Verwandte des heute noch lebenden Westlichen Irmawallabys – gemeinsam bilden sie ein klar abgegrenztes Duo innerhalb der Wallabys (Notamacropus).

Das Östliche Irmawallaby in Museen und Zoos

ausgestorbenes Greys Känguru (Marcropus greyi)
Dieses präparierte Exemplar von Greys Känguru befindet sich im Natural History Museum in Tring, Großbritannien.
(© Doreen Fräßdorf, 2024)

Trotz seines markanten Aussehens und der tragischen Geschichte seines Verschwindens ist das Östliche Irmawallaby heute nur in wenigen naturkundlichen Sammlungen weltweit vertreten. Bereits 1927 kritisierte Finlayson die unzureichende museale Dokumentation der Art. Nach seinen damaligen Recherchen befanden sich lediglich sechs Felle und sieben Schädel in öffentlichen Sammlungen Australiens – davon allein vier Felle und fünf Schädel im South Australian Museum in Adelaide.

Finlayson äußerte zudem sein Bedauern über das Scheitern der Umsiedlungsversuche von 1923 und 1924, deren Ziel es war, eine kleine Population in Schutzgebieten oder zoologischen Einrichtungen zu etablieren. Zwar überlebten die eingefangenen Tiere nicht, doch lieferten sie zumindest dringend benötigtes wissenschaftliches Präparationsmaterial für die Museen.

Ein Überblick über bekannte museale Bestände (bestimmt nicht vollständig):

  • Natural History Museum (London): 4 Häute, 2 Schädel (darunter der Holotyp, der durch George Grey an das Museum gelangte)
  • Natural History Museum, Tring (UK): 1 präpariertes Exemplar
  • Muséum national d’Histoire naturelle (Paris): 1 präpariertes männliches Exemplar
  • Naturhistorisches Museum Wien: 1 präpariertes Exemplar
  • Australian Museum (Sydney): mindestens 1 Fell
  • South Australian Museum (Adelaide): 4 Felle, 5 Schädel

Nur zwei dokumentiere Haltungen in Zoologischen Gärten

Laut Zootierliste wurde das Östliche Irmawallaby lediglich in zwei zoologischen Einrichtungen gehalten. Ein Männchen lebte von 1921 bis 1922 im Philadelphia Zoo (USA) – vermutlich das einzige Exemplar dieser Art, das je außerhalb Australiens öffentlich gezeigt wurde.

Die zweite dokumentierte Haltung betrifft den Zoo von Adelaide im Bundesstatt South Australia. Über Anzahl, Geschlecht oder Haltungsdauer der dort gehaltenen Tiere liegen jedoch kaum gesicherte Informationen vor. In einem Schreiben vom 15. Februar 1937 erwähnte der Zoologe Albert Alexander Le Souef gegenüber Francis Harper (1945) „ein oder zwei Exemplare“ im Zoo von Adelaide, die vermutlich die letzten lebenden Vertreter der Art seien. Auch David Day (1981) berichtet, das letzte Östliche Irmawallaby sei „einige Jahre“ nach dem Tod des letzten bekannten Individuums in Robe (30. Juni 1939) im Zoo von Adelaide verstorben, ohne jedoch ein Datum oder eine Quelle zu nennen.

Das Schicksal des Östlichen Irmawallabys war kein Einzelfall

Seit Beginn der europäischen Besiedlung im Jahr 1788 sind in Australien mindestens 40 Arten und sechs Unterarten landlebender Säugetiere ausgestorben – mehr als auf jedem anderen Kontinent. Das zeigt eine aktuelle Analyse von Andrew A. Burbidge (2024). Neben prominenten Beispielen wie dem Beutelwolf betrifft dies auch weniger bekannte Arten wie den Kleinen Kaninchennasenbeutler, das Breitkopfkänguru, mehrere Arten der Gattungen Notomys, Pseudomys, Melomys (zum Beipiel die Bramble-Cay-Mosaikschwanzratte) und Rattus (etwa die Maclear-Ratte). Acht der ausgestorbenen Arten sind bislang nur durch subfossile Funde belegt, doch alles deutet darauf hin, dass auch sie erst nach 1788 verschwanden.

Solche Verluste sind kein Zufall. Wie der britische Autor Samuel T. Turvey (2009) in Holocene Extinctions zeigt, sind weltweit mindestens 255 Landsäugetierarten im Holozän ausgestorben – vor allem durch menschliches Zutun: Überjagung, die Einschleppung invasiver Arten wie Katzen, Füchse und Ratten, der Verlust von Lebensräumen und großflächige Umweltveränderungen. Australien war durch seine isolierte Entwicklung und hochspezialisierte Fauna besonders anfällig.

Das Schicksal des Östlichen Irmawallabys steht exemplarisch für das oft zunächst unbemerkte Verschwinden vieler australischer Tierarten. Es zeigt, wie umfassend die Besiedlung durch Europäer in nur wenigen Generationen bestehende ökologische Gleichgewichte zerstörte – nicht nur durch direkte Jagd, sondern durch die tiefgreifende Veränderung ganzer Landschaften.

Hedley Herbert Finlayson brachte diesen Wandel in seinem Werk The Red Centre (1935) auf den Punkt:

„Es ist nicht so sehr die Einführung von Weidetieren, die Arten ausrottet – auch wenn das oft genug geschehen ist –, sondern vielmehr wird das komplexe Gleichgewicht, das lange Zeit Flora und Fauna geprägt hat, drastisch gestört oder sogar vollständig zerstört. Manche Arten werden auf Kosten anderer begünstigt; Verhaltensweisen verändern sich; Verbreitungsgebiete verschieben sich. (…) Das alte Australien verschwindet. (…) Die Umwelt, die die wohl bemerkenswerteste Tierwelt der Welt hervorgebracht hat, wird von allen Seiten von Einflüssen bedrängt, die sie in ein Konglomerat halbkünstlicher Lebensräume verwandeln – in denen der ursprüngliche Plan verloren geht und deren endgültiger Ausgang niemand vorhersagen kann.“

Finlayson, 1935

Finlaysons Worte wirken heute wie eine düstere Prophezeiung. Die einzigartige Tierwelt Australiens ist zunehmend gezwungen, sich in einer vom Menschen überformten Umwelt zu behaupten. Das Östliche Irmawallaby war eines von vielen Opfern dieses Wandels – und vermutlich leider nicht das letzte.


Quellen

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