IUCN Top25 der am stärksten bedrohten Primaten
Der Rote Vari ist nur eine von 25 Primatenarten, die auf der aktuellen IUCN-Liste der am stärksten bedrohten Arten stehen – sein Lebensraum auf Madagaskar schrumpft rapide. Mathias Appel, CC0, via Wikimedia Commons)

IUCN Top25: Die weltweit am stärksten bedrohten Primaten

Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) hat gemeinsam mit der International Primatological Society und Re:wild die neue Liste der 25 am stärksten bedrohten Primaten der Welt für den Zeitraum 2023–2025 veröffentlicht. Diese mittlerweile zwölfte Ausgabe des Berichts Primates in Peril: The World’s 25 Most Endangered Primates 2023-2025, der sich mit Affen, Halbaffen und Menschenaffen befasst, ist nicht nur ein Appell an die globale Gemeinschaft, sondern auch ein Spiegel der alarmierenden Entwicklungen in den Lebensräumen von Primaten weltweit.

Ein globaler Blick auf die Bedrohungslage

Die aktuelle Ausgabe der Top25 Most Endangered Primates umfasst Arten aus allen wichtigen Primatenregionen: Jeweils sechs Arten stammen aus Afrika und den Neotropen, neun aus Asien und vier aus Madagaskar. Besonders betroffen sind Länder mit außergewöhnlich hoher endemischer Artenvielfalt wie Indonesien, Madagaskar, Vietnam und China. Insgesamt wurden 15 Arten neu in die Liste aufgenommen – acht davon erscheinen zum allerersten Mal.

Dass eine Art in der Liste ersetzt wurde, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine Verbesserung ihrer Situation. Im Gegenteil: Viele der gestrichenen Arten gelten weiterhin als akut bedroht. Ziel der Liste ist es daher nicht, einen vollständigen Überblick zu liefern oder Fortschritte zu dokumentieren, sondern gezielt Aufmerksamkeit auf ausgewählte, oft übersehene Arten zu lenken, deren Situation ebenso kritisch ist.

Obwohl der Bericht von den „25 am stärksten bedrohten Primaten“ spricht, enthält er tatsächlich deutlich mehr Arten. Neben der Hauptliste werden auch weitere hochbedrohte Spezies aufgeführt – sogenannte Other Species Considered. Diese wurden entweder in früheren Ausgaben behandelt oder ihre Gefährdung gilt als vergleichbar gravierend. Ihre Nennung verdeutlicht, wie umfassend die Krise in der Primatenerhaltung inzwischen ist.

Bedrohungsfaktoren: Lebensraumverlust, Jagd und Klimakrise

Der Rückgang vieler Primatenarten ist dramatisch – und die Ursachen sind vielfältig, aber gut bekannt: Der Verlust und die Fragmentierung von Lebensräumen durch Entwaldung, Landwirtschaft und Infrastrukturprojekte zählen zu den größten Gefahren. Hinzu kommen die illegale Jagd – oft für den Fleischhandel oder die Heimtierhaltung – sowie zunehmende Konflikte mit dem Menschen, etwa bei der Ernte auf Plantagen. Der Klimawandel verschärft viele dieser Probleme zusätzlich, etwa durch häufigere Extremwetterereignisse wie Dürren oder Zyklone.

Besonders gefährdet sind Arten mit einem ohnehin kleinen Verbreitungsgebiet. Viele der kritisch bedrohten Primaten kommen nur in eng begrenzten Regionen vor – etwa auf einzelnen Inseln oder in isolierten Bergwäldern. Selbst kleinräumige Eingriffe, wie der Bau einer Straße oder eines Damms, können dort gravierende Folgen haben. Auch soziale Strukturen innerhalb der Gruppen leiden unter dem Rückgang: Wenn nur noch wenige Tiere überleben, sinkt die Fortpflanzungsrate, Konflikte nehmen zu, und der genetische Austausch kommt zum Erliegen.

Einige Arten wurden erst vor kurzem wissenschaftlich beschrieben – und stehen bereits am Rand des Aussterbens. Andere galten lange als häufig, verschwinden aber zunehmend aus ihrem angestammten Lebensraum. In vielen Fällen liegen Schutzgebiete zwar auf dem Papier vor, doch fehlende Ressourcen, politische Instabilität oder mangelnde Durchsetzungskraft lassen effektiven Schutz oft scheitern. Die Bedrohungen sind komplex – umso wichtiger ist es, die einzelnen Arten und ihre jeweilige Situation genau zu betrachten.

Top25 der weltweit gefährdetsten Primaten

Die Auswahl der 25 Arten ist deshalb nicht als objektive Rangliste zu verstehen, sondern als Ergebnis intensiver fachlicher Beratung, strategischer Abwägung und internationaler Zusammenarbeit. Die Liste will wachrütteln – und den Fokus auf jene Arten lenken, für die die Zeit besonders knapp wird.

Berthe-Mausmaki (Microcebus berthae) – Madagaskar – geschätzter Bestand: < 8.000 Tiere (2005)

Berthe Mausmaki- Top25 bedrohte Primaten (IUCN)
Der Berthe-Mausmaki ist mit nur rund 30 Gramm Körpergewicht der kleinste bekannte Primat der Welt.
FC Casuario, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Der kleinste bekannte Primat der Welt lebt ausschließlich in den Trockenwäldern von Kirindy und Ambadira im westlichen Madagaskar. Bereits 2019 wurde in Kirindy eine lokal überwachte Population als erloschen gemeldet. Die Art reagiert empfindlich auf Lebensraumverlust durch Brandrodung, Holzkohleproduktion und illegale Abholzung.

Die Art meidet stark degradierte Wälder und ist daher auf intakte, zusammenhängende Waldflächen angewiesen. Bei gleichbleibender Entwaldungsrate droht der Verlust ihres gesamten Lebensraums innerhalb des nächsten Jahrzehnts. Hinzu kommt die Konkurrenz durch andere Mausmakis, mit denen sie in stark fragmentierten Wäldern um Ressourcen konkurrieren muss.

Nördlicher Wieselmaki (Lepilemur septentrionalis) – Madagaskar – Bestand ca. 50–70 Tiere

Nördlicher Wieselmaki (Lepilemur septentrionalis)
Nur noch 50 bis 70 Nördliche Wieselmaki leben im äußersten Norden Madagaskars.
Edward E. Louis, Jr, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Der Bestand der Art ist in den letzten 20 Jahren um über 80 % eingebrochen. Heute lebt der nachtaktive, streng pflanzenfressende Nördliche Wieselmaki nur noch im stark fragmentierten Waldgebiet Montagne des Français an der Nordspitze Madagaskars.

Hauptbedrohungen sind der Verlust seines Lebensraums durch illegale Holzkohleproduktion sowie die Jagd auf die Tiere als Bushmeat. In früheren Verbreitungsgebieten wie Sahafary und Analalava gilt die Art inzwischen als ausgestorben. Ein Erhaltungszuchtprogramm existiert bislang nicht – der Schutz des verbliebenen Lebensraums ist daher die letzte Chance für das Überleben dieser seltenen Art.

Südlicher Riesenmausmaki (Mirza coquereli) – Madagaskar – geschätzter Rückgang: > 50 % in drei Generationen

Südlicher Riesenmausmaki (Mirza coquereli)
Der Südliche Riesenmausmaki ist aufgrund von Lebensraumzerstörung vielerorts verschwunden.
Bernard DUPONT from FRANCE, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Diese nachtaktive Lemurenart bewohnt die trockenen Laubwälder Westmadagaskars, kommt heute jedoch nur noch in stark fragmentierten Restbeständen vor. In ungestörten Wäldern wie Kirindy wurden früher bis zu 120 Individuen pro Quadratkilometer gezählt – mittlerweile sind die Bestände dort erheblich geschrumpft.

Ursachen sind vor allem die fortschreitende Zerstörung ihres Lebensraums durch Brandrodung, illegale Holzkohleproduktion und Wilderei. Hinzu kommen Jagd auf Bushmeat und zunehmender menschlicher Siedlungsdruck. Aufgrund der ungebremsten Entwaldung und des raschen Bevölkerungswachstums wird ein weiterer Rückgang um mindestens 50 % prognostiziert – mit ungewisser Zukunftsperspektive für die Art.

Roter Vari (Varecia rubra) – Madagaskar – vermuteter Rückgang: ≥ 80 % in 24 Jahren

Roter Vari (Varecia rubra)
In den Regenwäldern der Masoala-Halbinsel leben die letzten Roten Varis.
Charles J. Sharp, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Der Rote Vari lebt in den immergrünen Regenwäldern der Masoala-Halbinsel im Nordosten Madagaskars. Seine Bestandsdichte variiert stark und ist in intakten Waldgebieten deutlich höher als in der Nähe menschlicher Siedlungen. Die Art leidet massiv unter Lebensraumverlust durch Brandrodung für Subsistenzlandwirtschaft, illegalen Holzhandel (z. B. mit Palisanderholz) und zunehmend häufige Zyklone, die große Waldflächen verwüsten. Hinzu kommt eine starke Bejagung für den lokalen Fleischmarkt.

Besonders alarmierend ist die fortschreitende Fragmentierung seines Lebensraums, die verbleibende Populationen voneinander isoliert und die genetische Vielfalt verringert. Ohne wirksame Schutzmaßnahmen droht der Verlust großer Teile der Population in den nächsten Jahrzehnten.

Rondo-Galago (Paragalago rondoensis) – Tansania – Bestand unbekannt

Der kleinste aller Galagos lebt ausschließlich in den stark fragmentierten Küstenwäldern Tansanias. Die Art besiedelt kleine, isolierte Waldinseln in bis zu drei weit voneinander entfernten Regionen. Hauptbedrohungen sind Lebensraumverlust durch Holzkohleproduktion, Landwirtschaft und Infrastrukturprojekte. In manchen Gebieten ist der Wald fast vollständig verschwunden. Zwar gibt es Schutzgebiete wie die Rondo Nature Reserve oder Pande GR, doch viele Bestände gelten als instabil. Bestandszahlen sind nicht genau bekannt, doch die Vorkommen schrumpfen weiter – mit lokalem Aussterben in mehreren früheren Lebensräumen.

Goldbauchmangabe (Cercocebus chrysogaster) – Kongo – Bestand unbekannt

Goldbauchmangabe Cercocebus chrysogaster
Goldbauchmangaben zählen zu den am stärksten bedrohten Meerkatzenverwandten Afrikas.
Frederique Burgers‘ Zoo, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Die Goldbauchmangabe lebt in zwei weit voneinander getrennten Regionen in der Demokratischen Republik Kongo. Über Jahrzehnte war sie in einigen Gebieten häufig, heute sind große Gruppen kaum noch zu beobachten. In den letzten 20 Jahren wurden mindestens 32 % ihres Lebensraums zerstört, in weiteren 7 % ist die Art bereits verschwunden.

Besonders alarmierend ist der kommerzielle Bushmeat-Handel: In manchen Märkten machten Goldbauchmangaben bis zu 70 % des Angebots aus. Ganze Gruppen werden dabei gezielt abgeschlachtet. Zusätzlich bedrohen industrielle Holzeinschläge rund 30 % ihres Verbreitungsgebiets. Ein Rückgang um mindestens 50 % wird bis 2029 erwartet. Auch der illegale Heimtierhandel setzt der Art zu: Jungtiere werden regelmäßig auf Märkten in Kinshasa und Lusambo angeboten, meist als Beifang des Bushmeat-Handels. Einige gelangen über Schmuggelrouten bis nach Südafrika oder Asien. Zwischen 2018 und 2022 wurden 120 Wildfänge aus der DR Kongo offiziell exportiert – ein zusätzlicher Druck auf die stark dezimierten Bestände.

Südlicher Husarenaffe (Erythrocebus baumstarki) – Tansania – 80–200 Individuen

Der Südliche Husarenaffe ist eine der seltensten Primatenarten Afrikas – sein Bestand ist in den letzten Jahrzehnten dramatisch eingebrochen. Heute leben vermutlich nur noch 80 bis 200 Individuen, verteilt auf kleine, oft isolierte Gruppen im Westen Tansanias, vor allem im Gebiet des westlichen Serengeti-Ökosystems. In früheren Verbreitungsgebieten gilt die Art als verschwunden.

Hauptursachen für den Rückgang sind der Verlust und die Zerstückelung ihres Lebensraums durch landwirtschaftliche Expansion, Holzkohleproduktion, Weidewirtschaft und den Bau von Siedlungen und Straßen. Auch die zunehmende Konkurrenz mit Nutztieren an Wasserstellen wirkt sich negativ aus. Zusätzlich werden Husarenaffen bejagt – sei es wegen ihres Fleisches, für traditionelle Zeremonien oder aus Vergeltung für angebliche Ernteschäden. Besonders problematisch ist das schnelle Bevölkerungswachstum in der Region, das den Druck auf die letzten Rückzugsräume weiter erhöht. Ohne gezielte Schutzmaßnahmen droht dieser charakteristische Savannenprimat in naher Zukunft auszusterben.

Rotbauchmeerkatze (Cercopithecus erythrogaster) – Nigeria, Benin & Togo – Bestandsrückgang ≥ 50 % in 25 Jahren

Rotbauchmeerkatze (Cercopithecus erythrogaster)
Rotbauchmeerkatzen sind geschickte Kletterer und bewohnen kleine, oft isolierte Waldreste in Westafrika.
Ciaro pictures, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Die scheue und kaum erforschte Rotbauchmeerkatze lebt in kleinen, verstreuten Waldresten Westafrikas. Besonders in Nigeria bewohnt sie noch größere Areale, doch auch dort schrumpfen Regenwälder rapide – allein seit 1990 ging über die Hälfte ihres Lebensraums verloren. Hinzu kommt intensive Bejagung für Bushmeat, die mit dem Rückgang größerer Affenarten zugenommen hat.

Besonders besorgniserregend: Jagd auf ihr Fleisch wird teilweise über Social-Media-Apps organisiert und mit Hunden durchgeführt. In Togo bedroht ein geplanter Staudamm ihren Lebensraum im Togodo-Wald. Ein Rückgang der Gesamtpopulation um mindestens 50 % in drei Generationen ist wahrscheinlich – ohne konsequenten Schutz wird sich dieser Trend fortsetzen.

Nigerdelta-Stummelaffe (Piliocolobus epieni) – Nigeria – wahrscheinlich wenige Hundert Tiere

Nigerdelta-Stummelaffe (Piliocolobus epieni)
Der Nigerdelta-Stummelaffe lebt nur in einem kleinen Gebiet im Süden Nigerias.
Daniel Giraud Elliot, 1835-1915, modified by A. C. Tatarinov, Public domain, via Wikimedia Commons)

Erst 1993 entdeckt, galt der Nigerdelta-Stummelaffe zunächst als relativ häufig – doch schon wenige Jahre später war er an vielen seiner ursprünglichen Fundorte verschwunden. Lebensraumverlust durch kleinflächige Abholzung, die Ausbreitung von Siedlungen, Aktivitäten der Ölindustrie und veränderte Wasserläufe haben die Wälder im Niger-Delta stark geschädigt. In vielen Gebieten fehlen heute große und mittelgroße Bäume, die als Nahrungspflanzen dienen. Auch die hohe menschliche Zuwanderung in die Region erhöht den Druck auf die letzten Rückzugsräume.

Die aktuelle Population dürfte nur noch im niedrigen dreistelligen Bereich liegen – vielleicht existieren nur noch wenige überlebensfähige Gruppen. Während gezielte Jagd bislang selten war, steigt der Nutzungsdruck durch die Bevölkerung rapide. Schutzmaßnahmen wie Wiederaufforstung, Lebensraumvernetzung und Bildungsarbeit sind dringend erforderlich, um ein vollständiges Verschwinden der Art zu verhindern.

Cross-River-Gorilla (Gorilla gorilla diehli) – Nigeria & Kamerun – <250 Tiere

Cross River Gorilla
Der Cross-River-Gorilla ist der seltenste aller Menschenaffen.
Julielangford, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Der Cross-River-Gorilla ist die am stärksten bedrohte Unterart aller Menschenaffen. Schätzungsweise weniger als 250 erwachsene Individuen leben in elf isolierten Waldgebieten entlang der Nigeria-Kamerun-Grenze. Zwar befinden sich rund 70 % ihres Verbreitungsgebiets in Schutzgebieten, doch Lebensraumverlust, Zersiedelung, Straßenbau und Waldbrände führen zu immer stärkerer Fragmentierung. Der genetische Austausch zwischen Teilpopulationen ist kaum noch möglich.

Hinzu kommen politische Unruhen in Kamerun, die den Zugang für Schutzmaßnahmen erschweren und vermutlich auch zu neuer Jagd geführt haben. Der illegale Abschuss auch einzelner Tiere ist aufgrund der geringen Populationsgröße besonders kritisch. Zwar zeigen Kamerafallen in Nigeria gelegentlich Nachwuchs, doch ohne internationale Kooperation, verbesserte Lebensraumvernetzung und aktualisierte Populationsdaten droht dieser Unterart das Aussterben.

Zwergplumplori (Xanthonycticebus intermedius) – Vietnam, Laos & China – Rückgang > 50 % in 20 Jahren

Zwergplumplori
Zwergplumploris werden wegen ihres Aussehens als Haustiere begehrt.
Blair M. E., Cao G. T. H. et al, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Der Zwergplumplori ist stark gefährdet und gilt in vielen Teilen seines Verbreitungsgebiets bereits als verschwunden. In Vietnam sind die Bestandsdichten extrem niedrig, in Laos und China fehlen vielerorts aktuelle Nachweise. Selbst in Schutzgebieten sind Begegnungen selten – teils wurden bei umfassenden Erhebungen über Jahre hinweg keine Tiere mehr gesichtet.

Hauptbedrohungen sind Lebensraumverlust und intensive Jagd: In Vietnam wird die Art wegen ihrer vermeintlichen Heilkräfte für die traditionelle Medizin getötet, für den Heimtierhandel gefangen und zum Verzehr gejagt. Auch international zählt der Zwergplumplori zu den am häufigsten gehandelten Primatenarten. Viele Tiere landen in sozialen Medien als „süße Haustiere“, doch der Handel basiert meist auf Wildfängen. Ohne wirksame Schutzmaßnahmen droht in den nächsten Jahrzehnten ein weiterer Rückgang um über 50 %.

Sangihe-Koboldmaki (Tarsius sangirensis) – Sangihe-Insel (Indonesien) – höchstens 2.800 überlebensfähige Tiere

Sangihe-Koboldmaki
Der Sangihe-Koboldmaki lebt nur in kleinen Waldresten auf einer einzigen Insel.
Königl. Zoologisches und Anthropologisch-Ethnographisches Museum zu Dresden (Germany); Meyer, Adolf Bernhard, Public domain, via Wikimedia Commons)

Der winzige, nachtaktive Sangihe-Koboldmaki lebt ausschließlich auf der abgelegenen indonesischen Insel Sangihe – einem isolierten Vulkanbogen zwischen Sulawesi und den Philippinen. Mit einer Fläche von weniger als 550 km² ist Sangihe kleiner als Singapur, und nahezu der gesamte ursprüngliche Wald ist inzwischen durch Landwirtschaft, Siedlungsbau und Brandrodung zerstückelt oder verschwunden. Die Art kommt heute fast nur noch am erloschenen Vulkan Mt. Sahendaruman vor, wo sich das letzte größere Waldgebiet befindet – doch selbst dieses ist Teil einer umstrittenen Goldbergbaukonzession.

Ein weiterer Risikofaktor ist der aktive Vulkan Mt. Awu, einer der gefährlichsten in Indonesien. Er bedroht nicht nur die verbleibenden Wälder, sondern auch die gesamte Inselbevölkerung. Schätzungen zufolge könnten höchstens 2.800 überlebensfähige Individuen existieren – wahrscheinlich deutlich weniger, da viele Teilhabitate zu klein oder zu stark degradiert sind, um stabile Gruppen zu tragen. Die Art lebt in monogamen Familienverbänden mit kleinen Reviergrößen, ist auf ungestörte Waldstruktur angewiesen und überaus störungsempfindlich. Ein einzelnes katastrophales Ereignis – sei es ein Vulkanausbruch, ein großflächiger Kahlschlag oder der Einstieg des industriellen Bergbaus – könnte das Aussterben der gesamten Art bedeuten. Aktuell existiert weder ein Schutzgebiet noch ein Zuchtprogramm.

Cat-Ba-Langur (Trachypithecus poliocephalus) – Cat-Ba-Insel (Vietnam) – ca. 90 Tiere

Cat-Ba-Langur
Cat-Ba-Languren leben nur auf der vietnamesischen Insel Cat Ba – weniger als 100 Tiere haben überlebt.
ALOnIShOnETH, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Der Cat-Ba-Langur ist Vietnams seltenster Primat und lebt ausschließlich auf der gleichnamigen Insel in der Ha-Long-Bucht. Die aktuelle Population liegt bei rund 90 Tieren (Stand Mitte 2024), verteilt auf drei kleine Gruppen – von denen nur zwei sich fortpflanzen. Die Art ist hochspezialisiert auf Karstkalk-Gebirge und stark fragmentierte Habitate. Ein Überschuss an Männchen sowie Gruppenauflösungen führen regelmäßig zu Konflikten, Infantizid und Fortpflanzungsausfällen.

Obwohl die Region unter nationalem und internationalem Schutz steht (u. a. UNESCO-Weltnaturerbe), bleibt die Durchsetzung schwach. Tourismus, Siedlungsdruck und Wilderei – etwa für die traditionelle Medizin – gefährden die Art weiter. Unterstützt durch deutsche Zoos wird seit 2000 ein Schutzprogramm betrieben. Dank dieser Maßnahmen steigt der Bestand langsam, doch bleibt die Lage wegen geringer Reproduktionsraten, fehlender genetischer Durchmischung und mangelnder Lebensraumvernetzung kritisch.

Pageh-Stumpfnase (Simias concolor) – Mentawai-Inseln (Indonesien) – Rückgang > 80 %

Die Pageh-Stumpfnase ist eine der am stärksten bedrohten Primatenarten Südostasiens. Seit 1980 ist ihre Gesamtpopulation um mehr als 80 % geschrumpft. Die Unterart S. c. concolor auf den Pagai-Inseln zählt heute nur noch 700 bis 1.800 Individuen und könnte lokal bereits ausgestorben sein. Auch die Siberut-Unterart (S. c. siberu) leidet unter starker Jagd: In einem aktuellen Interview wurden über 1.600 Tiere als jährliche Jagdbeute angegeben – bis zu 50 % der geschätzten Population.

Hauptursachen sind Wilderei, kommerzielle Holzeinschläge und Umwandlung von Regenwald in Palmölplantagen. Selbst in Schutzgebieten wie dem Siberut-Nationalpark gehen die Bestände zurück. Die Art wird bevorzugt gejagt, sei es aus kulturellen, rituellen oder wirtschaftlichen Gründen.

Burmesischer Stumpfnasenaffe (Rhinopithecus strykeri) – Myanmar & China – < 950 Tiere

Der seltene Burmesische Stumpfnasenaffe wurde erst 2010 wissenschaftlich beschrieben. Er lebt in schwer zugänglichen Bergwäldern an der Grenze zwischen Myanmar und China. Die Gesamtpopulation wird auf weniger als 950 Individuen geschätzt, verteilt auf kleine, isolierte Gruppen. Die meisten Nachweise stammen aus Kamerafallen oder Berichten lokaler Unterstützer.

Die Hauptbedrohungen sind Lebensraumzerstörung durch großflächige Abholzung, Straßenbau und Staudammprojekte. Mechanische Holzeinschläge reichen bis auf Höhenlagen über 2.000 m – in genau jene Regionen, in denen die Tiere im Winter auf Flechten angewiesen sind. Zudem geraten sie häufig in Drahtschlingen, die eigentlich für Wildschweine oder Hirsche ausgelegt sind. Mit dem Ausbau der Infrastruktur steigt auch der Druck durch Wilderei und den lokalen Bushmeat-Handel. Ohne massive Schutzmaßnahmen wird ein Populationsrückgang von über 80 % innerhalb der nächsten 30 Jahre befürchtet.

Raffles Bindenlangur (Presbytis femoralis) – Singapur & Malaysia – wenige Hundert Tiere

Raffles Bindenlangur Presbytis femoralis
Raffles Bindenlangur ist nur noch in kleinen, isolierten Waldgebieten in Singapur und Malaysia anzutreffen.
Andie Ang, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Raffles Bindenlangur ist heute nur noch in stark isolierten Waldgebieten Südostasiens anzutreffen. In Singapur gibt es nur rund 70 Individuen im Central Catchment Nature Reserve – eine genetisch wenig diverse Population. In Malaysia leben einige Hundert Tiere in voneinander getrennten Wäldern, vor allem im Bundesstaat Johor.

Die Hauptbedrohungen sind Lebensraumverlust durch Urbanisierung, Ölpalmenplantagen und Infrastrukturprojekte. Straßen, Stromleitungen und Siedlungen zerschneiden das Habitat von Raffles Bindenlangur zusätzlich. Immer wieder sterben Tiere durch Verkehr oder Stromschläge bei der Suche nach neuen Lebensräumen.

Sarawak-Langur (Presbytis chrysomelas) – Malaysia & evtl. Indonesien – 200–500 Tiere

Sarawak-Langur
Sarawak-Langur: Weibchen (1), Männchen (2)
H. Schlegel, Public domain, via Wikimedia Commons)

Der Sarawak-Langur war früher weit verbreitet, ist heute aber nur noch an wenigen isolierten Standorten in Sarawak nachgewiesen – darunter Maludam, Samunsam, Tanjung Datu und Similajau. Die Gesamtpopulation wird auf lediglich 200 bis 500 Individuen geschätzt. Die Hauptbedrohung ist der Verlust von Lebensraum durch großflächige Umwandlung von Regenwald in Ölpalmenplantagen. Viele ehemalige Vorkommensgebiete gelten heute als verwaist. Auch Infrastrukturprojekte und selektive Holzernte tragen zur Fragmentierung der verbliebenen Waldflächen bei.

Obwohl die Art in Sarawak unter Schutz steht, sind effektive Schutzmaßnahmen bislang unzureichend. Zudem ist ihre genaue Verbreitung noch unklar, ebenso wie die taxonomische Abgrenzung zu verwandten Arten wie dem Bornean Banded Langur. Es besteht daher dringender Forschungs- und Handlungsbedarf, um verbleibende Populationen zu sichern und ihr Überleben langfristig zu gewährleisten.

Östlicher Schwarzer Schopfgibbon (Nomascus nasutus) – Vietnam & China – ca. 130 Tiere

Die Art galt lange als ausgestorben, bis 2002 eine überlebende Population im Nordosten Vietnams entdeckt wurde. Heute leben etwa 130 Individuen in rund zwei Dutzend Gruppen entlang der vietnamesisch-chinesischen Grenze – die einzige bekannte Population dieser Art. Dank Schutzmaßnahmen und Monitoring scheint der Bestand langsam zu wachsen, doch die Art bleibt akut gefährdet.

Hauptbedrohungen sind Lebensraumverlust, Brennholzsammlung, Weidewirtschaft und mögliche Inzucht in der isolierten Restpopulation. Ein weiterer Rückgang oder gelegentliche Jagd könnten den Fortbestand ernsthaft gefährden.

Tapanuli-Orang-Utan (Pongo tapanuliensis) – Sumatra (Indonesien) – < 800 Tiere

Tapanuli-Orang-Utan Pongo tapanuliensis
Der Tapanuli-Orang-Utan lebt ausschließlich im Batang-Toru-Wald im Norden Sumatras – weniger als 800 Tiere überleben dort heute.
Tim Laman, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)

Mit weniger als 800 Individuen ist der erst 2017 wissenschaftlich beschriebene Tapanuli-Orang-Utan die seltenste aller Menschenaffenarten. Er kommt ausschließlich im Batang-Toru-Waldkomplex in Nordsumatra vor. Die Art ist genetisch isoliert und zeigt bereits Anzeichen von Inzucht, was ihre langfristige Überlebensfähigkeit zusätzlich gefährdet.

Nur etwa 10 % seines Verbreitungsgebiets liegen in national anerkannten Schutzgebieten. Große Teile sind zwar als „Schutzwald“ ausgewiesen, doch auch dort schreiten illegale Abholzung, Siedlungsdruck und Wilderei voran. Besonders problematisch sind aktuelle Infrastrukturprojekte: Ein geplantes Wasserkraftwerk bedroht etwa 10 % des verbliebenen Lebensraums, darunter auch die dichtesten Populationen. Hinzu kommen Gold- und Silberminen sowie ein 300 km² großes Konzessionsgebiet für Holzeinschlag in Primärwald.

Beni-Springaffe (Plecturocebus olallae) – Bolivien – < 3.000 Tiere

Beni-Springaffe
Der Beni-Springaffe zählt zu den seltensten Primaten Südamerikas.
Stephen D. Nash, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Mit einer Gesamtpopulation von maximal 2.855 Individuen lebt der Beni-Springaffe ausschließlich in einem kleinen, naturbedingt fragmentierten Waldmosaik am oberen Río Yacuma im bolivianischen Beni-Department. Der Lebensraum ist durch Weidewirtschaft, Feuer, Straßenbau und Siedlungserweiterung massiv bedroht. Vor allem Brandrodung zur Weideverjüngung führt zu Waldverlust und Rauchbelastung. Dadurch verlieren Familiengruppen ihr Territorium oder sind zu riskanten Bodenbewegungen gezwungen. Eine geplante Asphaltstraße (Northern Corridor) erhöht zusätzlich den Nutzungsdruck.

Trotz dieser Bedrohungen gibt es auch Hoffnung: Zwei kommunale Schutzgebiete („Pampas del Yacuma“ und „Rhukanrhuka“) schützen inzwischen rund 90 % des bekannten Verbreitungsgebiets. Umweltbildung, Monitoring und Zusammenarbeit mit Viehzüchtern fördern den Schutz. Dennoch bleibt der Beni-Springaffe laut IUCN vom Aussterben bedroht – langfristiger Schutz ist nur mit ökologisch angepasstem Regionalmanagement möglich.

Nordbahia-Springaffe (Callicebus barbarabrownae) – Brasilien (Bahia & Sergipe) – < 500 adulte Tiere

Die Art ist endemisch in der brasilianischen Trockensavanne Caatinga und gilt als vom Aussterben bedroht. Sie lebt ausschließlich in kleinen Waldresten, die durch Viehhaltung, Landwirtschaft und Urbanisierung stark fragmentiert sind. Seine Gesamtverbreitung umfasst rund 291.000 km², doch das real nutzbare Habitat ist auf weniger als 2.700 km² geschrumpft – nur 1 % davon steht unter Schutz. Eine aktuelle Zählung ergab rund 400 adulte Tiere in 194 Gruppen, verteilt auf 92 Standorte. Dennoch zeigen neuere Daten auch lokale Aussterben infolge von Brandrodung, Bergbau und selektivem Holzeinschlag. Die zunehmende Trockenheit, Urbanisierung (+67 % in nur zehn Jahren) und Klimawandel verschärfen die Situation weiter.

Zweifarbentamarin (Saguinus bicolor) – Brasilien – <1.000 Tiere

Zweifarbentamarin
Der stark gefährdete Zweifarbentamarin lebt nur im Raum Manaus – sein Lebensraum schrumpft rapide durch Urbanisierung und Konkurrenz.
Agência Brasília from Brasília, Brasil, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Der Zweifarbentamarin lebt ausschließlich im Gebiet um die brasilianische Großstadt Manaus und ist dort zunehmend auf kleine, isolierte Waldfragmente beschränkt – teils nur wenige Hektar groß. In manchen Parks leben nur noch einzelne Gruppen mit fünf bis 15 Tieren. Selbst im 10.000 ha großen Ducke-Reservat konnten nur noch etwa 620 Individuen gezählt werden.

Die Art ist vom Aussterben bedroht: Ein Rückgang um mindestens 80 % wird in den nächsten 18 Jahren erwartet. Hauptursachen sind Abholzung, Zersiedelung, Straßenbau, Konkurrenz mit dem Rothandtamarin (Saguinus midas), illegale Heimtierhaltung, sowie hohe Verlustraten durch Hunde, Katzen, Krankheiten und Stromleitungen.

Mittelamerikanischer Totenkopfaffe (Saimiri oerstedii) – Costa Rica & Panama – ≤ 5.000 Tiere

Mittelamerikanischer Totenkopfaffe
Der Mittelamerikanische Totenkopfaffe ist durch Lebensraumverlust stark bedroht.
Rob Foster, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)

Der Mittelamerikanische Totenkopfaffe ist in zwei Unterarten unterteilt: S. o. oerstedii im Südwesten Costa Ricas und angrenzenden Teilen Panamas, sowie S. o. citrinellus im zentralpazifischen Tiefland Costa Ricas. Für beide Populationen wird ein Rückgang von mindestens 50 % innerhalb der letzten drei Generationen angenommen – bedingt durch eine rund 60 %ige Verkleinerung ihres Verbreitungsgebiets.

Aktuelle Schätzungen gehen von insgesamt unter 5.000 Individuen aus. In einigen Regionen, wie dem südlichen La-Amistad-Nationalpark, wurden 54 Gruppen mit 1.638 Tieren nachgewiesen. Besonders außerhalb geschützter Gebiete sind die Tiere zunehmend bedroht. Hauptgefahren: Entwaldung für Landwirtschaft (v. a. Palmöl, Teak, Bananen), Zersiedelung, Stromleitungen (Stromschläge), Straßenverkehr, Angriffe durch Hunde, und illegaler Heimtierhandel. Auch in Schutzgebieten fehlen häufig durchgängige Baumkorridore – besonders gravierend für diese kleinen, rein baumbewohnenden Affen.

Gelbschwanz-Wollaffe (Lagothrix flavicauda) – Peru – 1.000–10.000 Tiere

Gelbschwanz-Wollaffe
Der Gelbschwanz-Wollaffe lebt nur in den Nebelwäldern im Norden von Peru.
Platyrrhinus, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Der Gelbschwanz-Wollaffe lebt in den feuchten Bergnebelwäldern Nordperus. Aktuelle Schätzungen variieren stark, doch wahrscheinlich gibt es nur noch zwischen 1.000 und 10.000 Individuen. Die Tiere kommen in sehr niedrigen Dichten vor (meist unter zwei Gruppen/km²) und benötigen große, zusammenhängende Waldgebiete.

Bis in die 1950er Jahre schützte die Unzugänglichkeit ihres Lebensraums die Art weitgehend. Seither haben Straßenbau, selektiver Holzeinschlag, Bergbau und Jagd zu massiven Verlusten geführt. Zwischen 1981 und 2008 ging der geeignete Lebensraum um fast die Hälfte zurück – von 11.240 auf 6.300 km². Bei anhaltendem Tempo droht bis 2030 der Verlust fast aller ungeschützten Wälder. Zusätzlich wird die Art intensiv gejagt – sowohl für Fleisch als auch, weil Jungtiere als Haustiere verkauft werden, wenn ihre Mütter erschossen wurden. Auch Konflikte durch angeblichen Ernteschaden führen zur Tötung.

Brauner Klammeraffe (Ateles hybridus) – Kolumbien/Venezuela – wahrscheinlicher Rückgang von >80 % in drei Generationen

Brauner Klammeraffe
Der stark bejagte Braune Klammeraffe ist in Kolumbien und Venezuela vom Aussterben bedroht.
http://www.birdphotos.com edit by Fir0002, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Der Braune Klammeraffe zählt zu den am stärksten bedrohten Primaten Südamerikas. Weniger als 20 % seines ursprünglichen Verbreitungsgebiets sind in Kolumbien erhalten, in Venezuela ist die Situation ähnlich prekär. Große, zusammenhängende Wälder gibt es nur noch in wenigen Regionen wie der Serranía de San Lucas und im Perijá-Gebirge – doch selbst dort wird die Art intensiv bejagt, teils für Fleisch, teils für die traditionelle Medizin oder den Heimtierhandel.

Ein Rückgang von über 80 % innerhalb von drei Generationen (2018–2063) gilt als sehr wahrscheinlich. Studien zeigen, dass in intensiv bejagten Gebieten die Bestände von Ateles-Arten stark kollabieren können. Auch der Lebensraum schrumpft rapide – durch Viehzucht, illegale Rodung, Straßenbau und neue Siedlungen. In Schutzgebieten ist der Schutz oft unzureichend: Pufferzonen werden gerodet, Primärwald verschwindet. Beobachtungen deuten darauf hin, dass viele frühere Vorkommen heute bereits erloschen sind. Die verbleibenden Populationen leben in stark fragmentierten Habitaten und sind isoliert und genetisch gefährdet.

Schutz braucht Daten, Menschen und politischen Willen

Trotz der alarmierenden Zahlen gibt es Hoffnung. In vielen Regionen werden Schutzmaßnahmen ergriffen: Wiederaufforstung, Bildungsprogramme, partizipative Schutzgebiete, Umsiedlungsprojekte und verstärkte Patrouillen. Doch der Erfolg dieser Maßnahmen hängt entscheidend vom politischen Willen, der Einbindung lokaler Bevölkerung und internationaler Unterstützung ab.

Der IUCN-Bericht fordert deutlich, kritische Lebensräume konsequenter zu schützen, indigene Gemeinschaften einzubeziehen und gesetzliche Rahmenbedingungen gegen Wildtierhandel und illegale Rodung zu stärken. Außerdem braucht es langfristige, gut finanzierte Schutzprogramme und Monitoring, um ökologische Veränderungen rechtzeitig zu erkennen und gegenzusteuern.

Der Verlust jeder einzelnen Primatenart bedeutet nicht nur einen irreversiblen Einschnitt in die biologische Vielfalt, sondern kann auch weitreichende Folgen für den Menschen haben. Denn viele dieser Arten übernehmen als sogenannte Schlüsselarten zentrale ökologische Funktionen. Wenn solche Arten verschwinden, geraten die entsprechenden Ökosysteme aus dem Gleichgewicht und können sich dauerhaft verändern.


Die neue Liste der 25 am stärksten bedrohten Primaten macht deutlich: Zahlreiche Arten stehen am Rande des Aussterbens – viele von ihnen sind hochspezialisiert, kommen nur in winzigen Regionen vor oder sind erst seit Kurzem wissenschaftlich beschrieben. Lebensraumverlust, Wilderei, Klimakrise und politische Instabilität bedrohen diese Tiere auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Trotz einzelner Erfolge und engagierter Schutzprojekte sind die Herausforderungen immens – und die verbleibende Zeit knapp.

Doch es gibt Hoffnung: Schutzmaßnahmen zeigen Wirkung, wenn sie langfristig angelegt, gut finanziert und lokal verankert sind. Entscheidend ist, dass politische Entscheidungsträger, Wissenschaft, NGOs und lokale Gemeinschaften gemeinsam handeln. Jede Primatenart, die verschwindet, hinterlässt nicht nur eine ökologische Lücke – ihr Verlust steht auch sinnbildlich für das Scheitern des globalen Artenschutzes.

Quelle

  • Mittermeier, R.A., Reuter, K.E., Rylands, A.B., Ang, A., Jerusalinsky, L., Nash, S.D., Schwitzer, C., Ratsimbazafy, J. & Humle, T. (Hrsg.). (2024). Primates in Peril: The World’s 25 Most Endangered Primates 2023–2025. IUCN SSC Primate Specialist Group, International Primatological Society, Re:wild, Washington, DC.
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