Lazarus-Arten aus Australien und Neuseeland
Lazarus-Arten aus Australien und Neuseeland: Tiere, die als ausgestorben galten und erst nach Jahrzehnten wiederentdeckt wurden – einige durch Zufall, andere dank gezielter Suche. Ihre Geschichten zeigen, wie entscheidend Schutzmaßnahmen und Ausdauer im Artenschutz sind.

Zurück von den Toten: Wenn Tierarten plötzlich wieder auftauchen

Tierarten, die als ausgestorben galten und später wiederentdeckt wurden, sind keine Seltenheit. Diese sogenannten „Lazarus-Arten“ werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen und Chancen im modernen Artenschutz. Ihre Wiederentdeckung verdeutlicht nicht nur, dass manche Bestände unentdeckt überdauern können, sondern auch, wie entscheidend Schutzmaßnahmen, Habitatpflege und die Kontrolle invasiver Arten für den Fortbestand bedrohter Spezies sind. Besonders in Neuseeland und Australien, Regionen mit hoher endemischer Biodiversität und starker Bedrohung durch eingeschleppte Arten, wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche dieser Arten nachgewiesen. Die folgenden Beispiele zeigen, welche konkreten Schutzstrategien nach der Wiederentdeckung umgesetzt wurden – und welche Rolle wissenschaftliche Erkenntnisse und langfristige Maßnahmen dabei spielen.

Takahe – das wiedergefundene Riesensumpfhuhn

Die Südinseltakahe (Porphyrio hochstetteri) zählt zu den bekanntesten wiederentdeckten Vogelarten Neuseelands. Der große, flugunfähige Verwandte des Purpurhuhns mit seinem auffällig blauen Gefieder galt seit 1898 als ausgestorben. Erst 1948 wurde er in den abgelegenen Murchison Mountains auf der Südinsel überraschend wiederentdeckt.

Die Südinseltakahe gehört zu den Lazarus-Arten.
Mit einer Körperlänge von bis zu 63 Zentimetern und einem Gewicht von über 2,6 Kilogramm ist die Südinseltakahe die größte heute lebende Rallenart. Ihre ausgestorbene Verwandte, die Nordinseltakahe (P. mantelli), verschwand vermutlich nach der Ankunft der Māori um 1320, möglicherweise aber erst im 19. Jahrhundert.
Bernard Spragg. NZ from Christchurch, New Zealand, CC0, via Wikimedia Commons)

Der Rückgang der Südinseltakahe begann mit der frühen Besiedlung Neuseelands: Wälder wurden gerodet, und die Takahe als Jagdwild genutzt. Knochenfunde belegen ein Verschwinden in weiten Teilen der Südinsel zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert. Die verbliebene Restpopulation überdauerte in schwer zugänglichen Bergregionen wie den Murchison und Kepler Mountains.

Zusätzliche Bedrohungen folgten mit der europäischen Kolonisierung: Eingeschleppte Pflanzenfresser wie Rothirsche und Fuchskusus verdrängten die natürliche Vegetation, während Raubtiere wie Hermeline der flugunfähigen Art zusetzten. Sichtungen wurden seltener und blieben nach 1898 ganz aus.

Erst 1948 gelang dem Arzt Geoffrey Orbell schließlich die Wiederentdeckung. Die Population war klein und verletzlich. In den 1980er-Jahren lag die Zahl der Vögel zeitweise bei nur etwa 120 Individuen.

Erst durch gezielte Schutzmaßnahmen – darunter Habitatpflege, kontrollierte Zuchtprogramme, Umsiedlungen auf raubtierfreie Inseln und die Bekämpfung invasiver Arten – konnte der Bestand stabilisiert werden. Im Jahr 2004 zählte man rund 250 Tiere, 2016 bereits über 300. Heute leben Takahes sowohl in ihrer ursprünglichen Heimat im Fiordland als auch in neu begründeten Beständen, unter anderem im Kahurangi-Nationalpark.

Zuchtprogramme und genetisches Monitoring tragen dazu bei, die Population zu stützen und genetische Vielfalt zu erhalten. Öffentlichkeitsarbeit, organisiert durch das Department of Conservation (DOC), stärkt zusätzlich das gesellschaftliche Bewusstsein für den Schutz dieser seltenen Art.

Trotz positiver Entwicklungen bleibt die Bestandslage angespannt. Nach Schätzungen der IUCN liegt die Zahl geschlechtsreifer, sich selbst erhaltender Tiere aktuell bei 50 bis 250 Individuen. Die Gesamtpopulation umfasst laut DOC etwa 418 Tiere (Stand: 2019), doch viele davon leben in stark betreuten oder noch nicht dauerhaft etablierten Beständen. Die Population in den Murchison Mountains wuchs nach gezielten Auswilderungen bis 2019 auf rund 180 Individuen an. Seit 2015 liegt das jährliche Wachstum bei etwa zehn Prozent – ein Erfolg, der jedoch weiterhin vom langfristigen Schutz und Management abhängig ist.

Neuseeländische Sturmschwalbe – über ein Jahrhundert lang verschollen

Die Neuseeländische Sturmschwalbe (Fregetta maoriana) galt über hundert Jahre als ausgestorben. Die nur etwa spatzengroße, schwarz-weiß gefärbte Hochseeart war lange Zeit ausschließlich durch einige wenige Museumspräparate bekannt. Erst am 25. Januar 2003 wurde sie im Hauraki-Golf nördlich der Coromandel-Halbinsel erstmals wieder lebend beobachtet. Ornithologen sichteten nahe der Mercury Islands eine auffällige Sturmschwalbe, fotografierten sie und veröffentlichten die Aufnahmen. Die definitive Bestätigung folgte am 17. November desselben Jahres, als Bob Flood und Bryan Thomas zwischen Great und Little Barrier Island mehrere Individuen beobachteten und auf Video dokumentierten. In den Folgejahren gelang es, einzelne Exemplare zu fangen, zu markieren und mit Radiosendern auszustatten.

Neuseeländische Sturmschwalbe
Die IUCN führt die Neuseeländische Sturmschwalbe als „vom Aussterben bedroht“ und schätzt den Bestand auf weniger als 50 geschlechtsreife Individuen.
Saryu Mae, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)

Hauptverantwortlich für den drastischen Rückgang der Art sind eingeschleppte Raubtiere – insbesondere verwilderte Hauskatzen (Felis catus) und Polynesische Ratten (Rattus exulans). Auf zahlreichen Inseln Neuseelands verursachten diese Arten erhebliche Verluste bei bodenbrütenden Seevögeln. Auch wenn genaue historische Bestandszahlen oder Brutplätze der Sturmschwalbe nicht überliefert sind, gilt es als wahrscheinlich, dass die Prädation durch invasive Arten den Bestand der Art stark dezimiert hat. Erst nach deren erfolgreicher Entfernung auf einigen Inseln konnten erneut Beobachtungen gemacht werden.

Im Jahr 2013 gelang schließlich ein bedeutender Fortschritt: Ein Team der Universität Auckland unter Leitung von Chris Gaskin und Matt Rayner entdeckte auf Little Barrier Island ein aktives Brutgebiet – der erste dokumentierte Fortpflanzungsort seit der wissenschaftlichen Erstbeschreibung der Art im Jahr 1912. Im Februar 2014 wurde dort erstmals ein Ei dokumentiert – weiß mit feinen rosafarbenen Flecken – ein wichtiger Hinweis auf fortpflanzungsfähige Paare.

Seitdem werden gezielte Schutzmaßnahmen umgesetzt. Dazu zählen die Kontrolle invasiver Arten, die Sicherung des Brutgebiets und die kontinuierliche Beobachtung der Population. Forschende arbeiten mit Kamerafallen und akustischen Aufzeichnungsgeräten, um neue Hinweise auf die Verbreitung zu erhalten, ohne die empfindlichen Tiere zu stören. Auch Touranbieter im Hauraki-Golf melden inzwischen regelmäßig Sichtungen – ein ermutigendes Zeichen für das Fortbestehen dieser lange verschollenen Art.

Magentasturmvogel – vom Phantom zum Schutzsymbol

Der Magentasturmvogel (Pterodroma magentae), auf den Chatham-Inseln unter dem Namen Tāiko bekannt, galt seit 1867 als verschollen. Erst 1978 wurde die Art erneut nachgewiesen – mit ernüchterndem Ergebnis: Der Vogel, ehemals auf ganz Chatham Island verbreitet, war auf ein einziges bewaldetes Gebiet im Tuku Valley im Südwesten der Insel zurückgedrängt worden. Mit nur noch 80 bis 100 geschlechtsreifen Tieren zählt der Tāiko heute zu den seltensten Meeresvögeln der Welt. Die IUCN stuft ihn als „vom Aussterben bedroht“ ein – mit einem Rückgang von über 80 Prozent in den letzten sechs Jahrzehnten und einer extrem begrenzten Verbreitung.

Magentasturmvogel
Der Magentasturmvogel zählt zu den seltensten Meeresvögeln der Welt. Er ist endemisch in den Wäldern im Südwesten von Chatham Island, Neuseeland. Über ein Jahrhundert lang galt die Art als ausgestorben, bis sie 1978 wiederentdeckt wurde.
John Barkla, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)

Die Hauptbedrohung für die Art geht von eingeführten Säugetieren aus: verwilderte Katzen, Ratten und Schweine plündern Brutnester und zerstören Brutgänge. Umso bedeutender war das Engagement der Landbesitzer Manuel und Evelyn Tuanui, auf deren Grundstück der Vogel wiederentdeckt wurde. Sie stellten 1983 rund 1.283 Hektar ihres Landes als Naturschutzgebiet zur Verfügung – das heutige Tuku Nature Reserve. Gleichzeitig gründete die Familie mit weiteren Unterstützern den Chatham Island Taiko Trust, der bis heute maßgeblich am Schutz der Art beteiligt ist.

Zu den Schutzmaßnahmen zählen die Umsiedlung von Küken in das Sweetwater Secure Breeding Site, ein strikt geschützter, raubtierfreier Bereich, in dem Tāiko ungestört aufwachsen können. Da Sturmvögel in der Regel an ihren Geburtsort zurückkehren, erhöht dies die Chance auf dauerhafte neue Brutplätze. Seit 2007 konnten dort erste Tiere erfolgreich ausfliegen. Ergänzend wurde ein weiterer Bereich mit einem raubtiersicheren Zaun ausgestattet, in dem mittlerweile rund 60 Vögel leben. Auch die ursprünglichen Brutplätze im Tuku-Reservat werden intensiv überwacht, um Verluste zu vermeiden.

Die Maßnahmen zeigen Wirkung: Die Zahl der bekannten Brutpaare stieg von 13 im Jahr 2005 auf 34 im Jahr 2017. Zwei Vögel, die bereits 1982 als geschlechtsreif beringt wurden, brüteten auch nach mehr als 30 Jahren weiterhin – ein Hinweis auf die hohe Lebenserwartung der Art und ein Hoffnungsschimmer für ihren langfristigen Erhalt. Die Entwicklung belegt, dass gezielter Schutz selbst stark gefährdeten Arten eine Zukunft eröffnen kann.

Höhlensittich – Australiens schwer fassbarer Nachtpapagei

Der Höhlensittich (Pezoporus occidentalis) zählt zu den am schwersten nachweisbaren Vogelarten Australiens. Über ein Jahrhundert lang blieb er nahezu unentdeckt. Nachtaktiv, scheu und in trockenen Graslandschaften versteckt lebend, entzieht sich die Art konsequent der Beobachtung. Die letzte gesicherte Sichtung eines lebenden Tiers datierte auf das Jahr 1912 – danach fehlten über Jahrzehnte hinweg belastbare Nachweise.

Erst in den 1990er-Jahren brachte ein überfahrener Vogel neue Hinweise auf das mögliche Überleben der Art. In den Folgejahren wurden immer wieder vereinzelte Sichtungen gemeldet – darunter 2005 in den Fortescue Marshes und 2006 im Diamantina-Nationalpark –, doch sie blieben lange Zeit unbestätigt.

Einen Wendepunkt markierte das Jahr 2015: Der Ornithologe Steve Murphy fing ein lebendes Exemplar, versah es mit einem Sender und dokumentierte die Beobachtung fotografisch. Die Fundstelle wurde zum Schutz der Tiere nicht veröffentlicht. Kurz darauf wurde das rund 56.000 Hektar große Pullen Pullen Reserve in West-Queensland eingerichtet – ein Meilenstein im Schutz dieser seltenen Art.

Höhlensittich Wiederentdeckung
Trotz aller Erfolge bleibt die Lage des Höhlensittichs kritisch. Die Population ist klein, verstreut und anfällig für Störungen durch Bergbauprojekte, invasive Raubtiere und den Klimawandel. Doch die zunehmende Zusammenarbeit mit indigenen Gemeinschaften, Schutzgebietsmanagement und eine wachsend sensibilisierte Öffentlichkeit geben Anlass zur Hoffnung, dass dieser lange als verschollen geltende Vogel eine Überlebenschance erhält.
Elizabeth Gould (1804–1841), Public domain, via Wikimedia Commons)

Seither wurden durch akustisches Monitoring, Kamerafallen und Habitatkartierung weitere Hinweise gesammelt. Zwischen 2016 und 2021 konnten Jungvögel fotografiert, Rufe aufgezeichnet und neue Vorkommen nachgewiesen werden – unter anderem durch indigene Rangerteams. Die Art wird seit 2022 von der IUCN als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft, der australische Staat führt sie als „gefährdet“. Die Population wird auf 40 bis 500 Individuen geschätzt – mit weiter abnehmender Tendenz.

Zu den Hauptschutzgebieten zählen heute die Diamantina- und Astrebla-Grasländer in Queensland sowie die Fortescue Marshes in Westaustralien. Die Schutzmaßnahmen umfassen unter anderem die Einrichtung raubtierfreier Rückzugsräume, akustische Überwachungssysteme und die gezielte Zusammenarbeit mit Aborigine-Gemeinschaften. Um Störungen und Wilderei zu vermeiden, bleiben viele Fundorte bewusst geheim. Die Art bleibt äußerst schwer nachzuweisen – was auch zur kritischen Bewertung früherer Beobachtungen geführt hat, etwa im Fall des Naturfilmers John Young, dessen Nachweise später von der Australian Wildlife Conservancy zurückgezogen wurden.

Ein bedeutender Fortschritt gelang im September 2024: Ein Forschungsteam aus Ngururrpa-Rangern und Wissenschaftlern entdeckte im Ngururrpa Indigenous Protected Area in der Great Sandy Desert eine stabile Population von bis zu 50 Höhlensittichen – die bislang größte dokumentierte Ansammlung. Die Tiere brüteten in der Region, und es wurden Nester, Eier und Federn gefunden. Bemerkenswert ist auch die Anwesenheit von Dingos, die offenbar zur Kontrolle invasiver Prädatoren wie verwilderter Katzen beitragen – ein möglicher Schlüsselfaktor für das Überleben der Art.

Baumhummer – Rückkehr eines fast vergessenen Insekts

Der Baumhummer (Dryococelus australis), auch unter dem englischen Namen „Tree Lobster“ bekannt, galt über viele Jahrzehnte hinweg als ausgestorben. Die bis zu 15 Zentimeter lange, flugunfähige Stabheuschrecke war einst auf der australischen Lord Howe Island weit verbreitet und wurde dort unter anderem als Köder beim Angeln genutzt. Mit dem Schiffsunglück der SS Makambo im Jahr 1918, durch das Ratten (Rattus rattus) auf die Insel gelangten, verschwand die Art innerhalb weniger Jahre. Ab den 1920er-Jahren wurden keine lebenden Exemplare mehr gesichtet, und die Art wurde offiziell für ausgestorben erklärt.

Eine Lazarus-Art: der Baumhummer
Die IUCN listet den Baumhummer als „vom Aussterben bedroht“. Mit bis zu 15 Zentimetern Länge und über 25 Gramm Gewicht zählt er zu den größten Insekten der Welt.
Granitethighs, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Erste Hinweise auf ein mögliches Überleben gab es in den 1960er-Jahren, als Bergsteiger auf Ball’s Pyramid – einem steil aufragenden Felsmonolithen etwa 23 Kilometer südöstlich von Lord Howe Island – einzelne tote Exemplare fanden. Es sollte jedoch bis zum Jahr 2001 dauern, bis ein Forscherteam bei einer nächtlichen Expedition unter einem einzelnen Melaleuca-Strauch in einer Felsspalte rund 100 Meter über dem Meeresspiegel eine kleine, überlebende Population mit 24 lebenden Individuen entdeckte. Aufgrund der extremen Unzugänglichkeit von Ball’s Pyramid galt dieser Fund als wissenschaftliche Sensation. Weitere Zählungen ergaben eine stark schwankende Wildpopulation von 9 bis 35 adulten Tieren.

Im Jahr 2003 entnahmen Forschende zwei Brutpaare – eines gelangte zu einem privaten Züchter, das andere in den Melbourne Zoo. Dort begann ein aufwändiges Zuchtprogramm, das nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich etabliert werden konnte. Bereits 2006 lebten etwa 50 Tiere in menschlicher Obhut, und tausende Eier waren abgelegt. Bis 2008 stieg die Zahl auf über 700 Individuen und mehr als 11.000 Eier. Der Zoo in Melbourne entwickelte sich damit zu einem Zentrum für die Arterhaltung. Bis 2012 wurden über 9.000 Nachzuchten gezählt, darunter rund 1.000 adulte Tiere. Erste Exemplare wurden in ein gesichertes Habitat auf Lord Howe Island zurückgebracht.

Langfristiges Ziel ist die Wiederansiedlung auf Lord Howe Island, sobald die dort eingeführten Ratten erfolgreich entfernt sind. Ein entsprechendes Programm wurde 2018 genehmigt. In einem ersten Schritt ist die testweise Auswilderung auf Blackburn Island geplant, einem kleinen, geschützten Eiland in der Lagune von Lord Howe.

Heute gilt der Baumhummer als Symbol für erfolgreichen Artenschutz. Neben dem Melbourne Zoo beteiligen sich inzwischen auch internationale Einrichtungen am Erhaltungsprogramm, darunter Zoos in Budapest, Bristol, San Diego, Toronto und – seit 2025 – auch in Prag. Letzterer zeigt die Tiere in einer eigens gestalteten Ausstellung mit Gewächshäusern zur Aufzucht ihrer Futterpflanzen.

Eine genetische Untersuchung aus dem Jahr 2017 bestätigte schließlich, dass die auf Ball’s Pyramid überlebende Population zur ursprünglichen Population auf Lord Howe Island gehört. Trotz gewisser morphologischer Unterschiede zeigte die Analyse nur geringe genetische Abweichungen – ein wichtiger Befund für zukünftige Wiederansiedlungsprojekte.

Zentralaustralische Dickschwanzratte – Überleben im Verborgenen

Die Zentralaustralische Dickschwanzratte (Zyzomys pedunculatus) gehört zu den seltensten und am schwersten nachweisbaren Säugetieren Australiens. Nach der letzten bestätigten Sichtung im Jahr 1960 galt die Art jahrzehntelang als ausgestorben – bis sie im September 1996 in den MacDonnell Ranges im Northern Territory überraschend wiederentdeckt wurde. Ein Exemplar wurde von Freiwilligen der Conservation Volunteers Australia gefangen und später eindeutig identifiziert. Seither konnten kleinere Subpopulationen an rund 15 weiteren Standorten nachgewiesen werden. Das tatsächliche Verbreitungsgebiet bleibt jedoch bis heute unvollständig erfasst.

Zentralaustralische Dickschwanzratte
Die IUCN listet die Zentralaustralische Dickschwanzratte als „vom Aussterben bedroht“. Trotz intensiver Schutzmaßnahmen schwankt der Bestand stark, und die Art ist nur in kleinen Restpopulationen im Northern Territory nachgewiesen. Die aktuelle Bestandsgröße ist unbekannt, der Trend gilt als abnehmend.
Michael Barritt & Karen May, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Die Art bewohnt bevorzugt felsige Lebensräume mit einem reichen Angebot an Samen – insbesondere von Triodia-Gräsern, die sich nach längeren brandfreien Phasen besonders gut entwickeln. Samen machen über 70 Prozent ihrer Nahrung aus, ergänzt durch Blätter, Stängel und gelegentlich Insekten. Diese ausgeprägte Abhängigkeit von stabilen Vegetationszyklen und feuchten Jahren macht die Art besonders anfällig für extreme Wetterlagen, Dürren, Feuer und die Ausbreitung invasiver Pflanzen wie das konkurrenzstarke Büffelgras.

Als weitere Gefährdungsfaktoren gelten Beutegreifer wie verwilderte Hauskatzen und Dingos. Analysen von Katzenkot belegen regelmäßig den Verzehr von Zentralaustralischen Dickschwanzratten – ein Hinweis auf den anhaltenden Druck durch Prädation, aber auch auf das Überleben der Art in abgelegenen Rückzugsgebieten.

Nach der Wiederentdeckung wurden verschiedene Schutzmaßnahmen ergriffen: Im Newhaven Sanctuary wurden eingezäunte, raubtierfreie Zonen geschaffen, in die Tiere gezielt umgesiedelt und per GPS-Sender überwacht wurden. Parallel dazu wurde ein angepasstes Feuermanagement entwickelt, um die Lebensraumbedingungen zu verbessern. Ergänzend wurde ein nationales Erhaltungsprogramm etabliert, das genetische Vielfalt sichern, die Forschung zur Biologie der Art fördern und die Öffentlichkeit für den Schutz der Art sensibilisieren soll.

Ein früher Zuchtversuch im Alice Springs Desert Park und im Perth Zoo zeigte zunächst Erfolg, konnte aber auf Dauer nicht fortgeführt werden. Die letzte männliche Ratte dieser Linie starb 2011. Der aktuelle Recovery Plan sieht deshalb vor, zukünftige Zuchtansätze mit natürlichen Populationsanstiegen zu verknüpfen – etwa nach außergewöhnlich regenreichen Jahren, wenn die Bestände kurzfristig ansteigen, um Eingriffe in die Wildpopulation zu minimieren.

Trotz aller Herausforderungen gibt es immer wieder positive Signale: 2013 gelang mithilfe von Kamerafallen ein Nachweis auf dem Gebiet des Haasts Bluff Aboriginal Land Trust westlich von Alice Springs. Und zuletzt sorgte eine weitere Aufnahme im April 2024 aus dem West MacDonnell National Park für Aufsehen – sie zeigt ein vermutlich adultes Tier in freier Wildbahn.

Die Art ist nach wie vor laut IUCN als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Ihr Überleben hängt entscheidend von gezielten Schutzmaßnahmen ab. Als Samenverbreiter und Beutetier erfüllt die Zentralaustralische Dickschwanzratte eine wichtige ökologische Rolle in einem empfindlichen Wüstenökosystem – und bleibt damit ein zentraler Indikator für die Gesundheit ihres Lebensraums.

Südinsel-Kokako – noch keine Lazarus-Art, aber vielleicht bald?

Der Südinsel-Kokako (Callaeas cinerea), auch bekannt als Orangelappenvogel oder Lappenkrähe, gilt offiziell als ausgestorben. Dennoch mehren sich seit einigen Jahren Hinweise darauf, dass die Art womöglich noch existiert. Die letzte bestätigte Sichtung stammt aus dem Jahr 1967 im Mt. Aspiring Nationalpark. Aufgrund ausbleibender Nachweise wurde die Art 2007 vom neuseeländischen Department of Conservation (DOC) als ausgestorben eingestuft.

Nur kurze Zeit später wurde jedoch ein glaubwürdiger Sichtungsbericht aus der Nähe von Reefton an der Westküste der Südinsel anerkannt. Die Ornithologische Gesellschaft Neuseelands stufte diesen Bericht als authentisch ein und änderte daraufhin den nationalen Gefährdungsstatus von „ausgestorben“ zu „unzureichende Datenlage“. Seither wurden über 400 weitere Sichtungen gemeldet, von denen etwa ein Fünftel als glaubhaft gilt – darunter ein besonders detaillierter Bericht aus dem Rowallan Forest im Jahr 2024.

Südinsel-Kokako - noch keine Lazarus-Art, aber vielleicht bald?
Die IUCN listet den Südinsel-Kokako als „vom Aussterben bedroht – möglicherweise ausgestorben“. Trotz vieler glaubhafter Sichtungsberichte fehlt bislang ein eindeutiger wissenschaftlicher Nachweis für das Fortbestehen der Art.
Auckland Museum Collections from Auckland, Aotearoa New Zealand, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Zwar fehlen bislang physische Beweise wie DNA-Proben, Fotos, Federn oder Überreste, doch mehrere akustische Aufnahmen und Beobachtungen sprechen für ein mögliches Überleben der Art. So wurde im Dezember 2021 auf dem Heaphy Track ein Doppelruf aufgenommen, der dem charakteristischen Gesang des Kokako ähnelt. Wenig später wurde an derselben Stelle ein Vogel mit schiefergrauem Gefieder und orangefarbenen Kehllappen beobachtet – typische Merkmale des Südinsel-Kokako.

Die Art bevorzugte einst feuchte, dichte Wälder mit reichem Unterwuchs und hielt sich häufig in Bodennähe auf. Diese Lebensweise machte sie besonders anfällig für eingeschleppte Raubtiere wie Hermeline, Hausratten und Katzen. Im Gegensatz zum Nordinsel-Kokako (Callaeas wilsoni), dessen Bestand sich durch gezielte Schutzmaßnahmen stabilisieren konnte, blieb der Südinsel-Kokako lange Zeit ohne aktive Schutzbemühungen.

Trotzdem bestehen berechtigte Hoffnungen auf sein Fortbestehen. Der South Island Kōkako Charitable Trust betreibt seit Jahren systematische Suchaktionen, unterstützt durch ein öffentliches Meldesystem, Tonfallen und automatische Audiorekorder. Seit 2017 lobt der Trust zudem eine Belohnung in Höhe von 10.000 NZD für einen belastbaren Nachweis aus. 2024 wurde in Kooperation mit der University of Canterbury ein beweglicher Kokako-Roboter entwickelt, der mithilfe von Gesang und Bewegungen Artgenossen anlocken soll. Der Einsatz des Modells ist in ausgewählten Rückzugsgebieten geplant.

Obwohl ein endgültiger Beleg bislang aussteht, zeigen die Vielzahl glaubhafter Sichtungen, die kulturhistorische Bedeutung der Art für die Māori und die laufenden Nachweisanstrengungen, dass der Südinsel-Kokako nicht vollständig abgeschrieben ist. Sollte sich seine Existenz bestätigen, könnten gezielte Schutzmaßnahmen folgen – von der Sicherung geeigneter Lebensräume bis zur Entwicklung eines Wiederansiedlungsprogramms. Voraussetzung dafür ist jedoch ein gesicherter Nachweis, für dessen Erbringung engagierte Organisationen weiter intensiv arbeiten.

Hoffnung in Zeiten des Artensterbens

Die Beispiele sogenannter Lazarus-Arten aus Australien und Neuseeland zeigen, dass selbst Tierarten, die über Jahrzehnte als ausgestorben galten, nicht zwangsläufig verloren sind. Sie machen deutlich, dass gezielte Schutzmaßnahmen – von Habitatpflege über kontrollierte Zucht bis zur Bekämpfung invasiver Arten – in der Lage sind, selbst stark dezimierte Populationen zu stabilisieren oder wieder aufzubauen. Entscheidend sind dabei wissenschaftlich fundierte Programme, eine langfristige Betreuung der Bestände sowie die konsequente Einbindung lokaler Gemeinschaften.

Derartige Erfolge sind weder Zufall noch spontane Erholung der Natur, sondern das Ergebnis langjähriger und koordinierter Anstrengungen im Naturschutz. Sie unterstreichen die Bedeutung eines entschlossenen Handelns, auch wenn zunächst nur geringe Chancen auf eine Rückkehr bestehen. Gerade die Beispiele aus abgelegenen Regionen – etwa den neuseeländischen Inseln oder dem australischen Outback – machen deutlich, wie wertvoll systematische Forschung, technologische Hilfsmittel und lokale Expertise sein können.

Zugleich erinnern sie daran, dass der Schutz gefährdeter Arten nicht bei deren Wiederentdeckung endet. Vielmehr beginnt dann eine ebenso anspruchsvolle Phase: der langfristige Erhalt und die Wiederherstellung überlebensfähiger Populationen. Die Geschichten der hier vorgestellten Arten belegen, dass es sich lohnt, auch für vermeintlich verlorene Spezies zu kämpfen. Jede Wiederentdeckung bietet die Gelegenheit, wertvolle Erkenntnisse über bedrohte Arten zu gewinnen und gezielt Maßnahmen zum Schutz ihrer verbleibenden Lebensräume umzusetzen.

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