Biologische Invasoren in Neuseeland dank Klimawandel: Graumantelbrillenvogel
Zwei Graumantelbrillenvögel – einst in Australien beheimatet, haben sie sich seit den 1850er-Jahren in Neuseeland etabliert. Ihr Erfolg zeigt, wie klimatische Veränderungen und biologische Invasionen die Vogelwelt beeinflussen. Bernard Spragg. NZ from Christchurch, New Zealand, Public domain, via Wikimedia Commons)

Klimawandel und biologische Invasionen: Was Neuseelands Vogelwelt uns lehrt

Neuseeland ist bekannt für seine einzigartige Vogelwelt – doch sie befindet sich in ständigem Wandel. Eine aktuelle Studie, veröffentlicht im Fachjournal Molecular Ecology, zeigt, dass sich die Zusammensetzung der Arten über Millionen Jahre hinweg verändert hat – und dass sich dieser Prozess mit dem menschengemachten Klimawandel drastisch beschleunigt. Viele der heutigen Vogelarten sind das Ergebnis wiederholter Einwanderungswellen aus Australien. Was in der Vergangenheit geschah, könnte sich nun in rasantem Tempo wiederholen.

Was die Genforschung über frühere biologische Invasionen verrät

Wissenschaftler analysierten die genetischen Beziehungen zwischen fast allen endemischen Vogelarten Neuseelands und ihren ausländischen Verwandten. Dabei stellten sie fest, dass viele neue Arten während der Eiszeiten aus Australien einwanderten. Diese Pioniere waren besonders anpassungsfähig und eroberten unterschiedlichste Lebensräume.

Als sich durch den Klimawandel offene Landschaften mit Gras- und Buschland ausbreiteten, fanden Arten wie die Paradiesgans (Tadorna variegata) ideale Bedingungen vor. Mithilfe genetischer Untersuchungen konnten die Forscher den Zeitpunkt der Artbildungen rekonstruieren und zeigen, dass klimatische Veränderungen immer wieder neue Wellen der Einwanderung auslösten.

Was die Vergangenheit uns für die Zukunft lehrt

Maskenkiebitz
Der Maskenkiebitz war ursprünglich in Australien beheimatet. Ab den 1930er-Jahren hat sich diese anpassungsfähige Vogelart aber in Neuseeland angesiedelt.
Benjamint444, GFDL 1.2, via Wikimedia Commons)

Die Studie belegt, dass sich Neuseelands Vogelwelt nicht nur durch Evolution vor Ort veränderte, sondern stark von der Einwanderung neuer Arten geprägt wurde. Während spezialisierte Waldvögel oft nicht mit den neuen Bedingungen zurechtkamen, konnten sich flexible Arten erfolgreich ausbreiten.

Nicht nur heutige Neuzugänge, sondern auch einige der ikonischsten endemischen Vögel Neuseelands stammen aus solchen Invasionswellen. Der Haastadler, eine der größten Greifvogelarten der Geschichte, kam während der Eiszeit nach Neuseeland und wurde zum gefürchteten Jäger der Südinsel-Riesenmoas. Auch der Rußstelzenläufer (Himantopus novaezelandiae) und die Fächerschwänze (Rhipidura spp.) kamen in diesen Perioden ins Land.

Doch nicht nur die Eiszeiten hatten Einfluss: Bereits vor acht Millionen Jahren schufen tektonische Hebungen neue Regenabschattungsgebiete. Vor vier Millionen Jahren führte eine Abkühlungsphase zur Entstehung von Gras- und Buschlandschaften. Diese Prozesse setzten spezialisierte Arten unter Druck und eröffneten neuen Einwanderern Chancen – genau wie es heute geschieht, nur in ungleich schnellerem Tempo.

Parallelen zur Gegenwart

Auch heute beobachten Forscher eine ähnliche Entwicklung: Der Graumantelbrillenvogel (Zosterops lateralis) hat sich in den letzten Jahrzehnten in Neuseeland etabliert – ganz ohne menschliches Zutun. Während diese Art von den veränderten Bedingungen profitiert, kämpfen spezialisierte endemische Vögel ums Überleben.

Sattelvogel aus Neuseeland - leidet unter biologischen Invasoren
Die neuseeländischen Sattelvögel sind endemische Waldbewohner, die unter Lebensraumverlust und der Konkurrenz durch invasive Arten leiden. Schutzmaßnahmen sind entscheidend für ihr Überleben.
Duncan Wright, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Seit dem 19. Jahrhundert haben sich mindestens 13 australische Vogelarten selbstständig in Neuseeland angesiedelt, darunter die Glücksschwalbe (Hirundo neoxena), der Maskenkiebitz (Vanellus miles) und der Graumantelbrillenvogel. Die fortschreitende Entwaldung – einst durch Landwirtschaft, heute verstärkt durch klimatische Veränderungen – begünstigt diese Entwicklung.

Ein entscheidender Faktor ist der Rückgang kühlerer, waldreicher Lebensräume. Viele endemische Arten sind auf diese Habitate angewiesen, während flexible Neuankömmlinge aus Australien und dem Pazifikraum in die Bresche springen. Besonders problematisch ist die Konkurrenz um Ressourcen: Die Neuankömmlinge sind nicht wählerisch, sie finden Nahrung in Gärten, Parks und Buschland, während spezialisierte Waldvögel wie die neuseeländischen Sattelvögel (Philesturnus ssp.) immer weniger Lebensraum haben.

Besonders besorgniserregend: Der heutige Klimawandel verläuft deutlich schneller als vorherige Veränderungen. Während sich Ökosysteme früher über Jahrtausende anpassen konnten, bleibt ihnen heute oft nur ein Bruchteil dieser Zeit. Langsam evolvierende oder spezialisierte Arten haben kaum eine Chance.

Artenschutz: Globale Konsequenzen und Lösungen

Ein ähnlicher Trend zeigt sich weltweit: In Deutschland breiten sich wärmeliebende Arten wie die Nilgans (Alopochen aegyptiaca) und der Halsbandsittich (Psittacula krameri) aus, während einige heimische Arten unter Druck geraten. Exotische Schreie in deutschen Parks sind längst zur Normalität geworden. Auch invasive Pflanzen und Insekten wie das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) oder die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) profitieren von den neuen Bedingungen. Dies zeigt: Der Klimawandel beeinflusst die Artenzusammensetzung nicht nur auf Inseln, sondern weltweit.

Halsbandsittich - biologischer Invasor in Deutschland dank Klimawandel
Ein Halsbandsittich: Einst in tropischen Regionen beheimatet, hat sich diese invasive Papageienart in vielen Teilen Europas, darunter Deutschland, etabliert. Ihre Anpassungsfähigkeit ermöglicht ihr das Überleben in städtischen und ländlichen Gebieten, während heimische Vogelarten zunehmend unter Druck geraten.
Prasan Shrestha, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Die Erkenntnisse aus Neuseeland verdeutlichen, dass biologische Invasionen und Klimawandel untrennbar miteinander verbunden sind. Viele Regionen erleben zunehmende Invasionen von Tieren und Pflanzen, die besser an die neuen Klimabedingungen angepasst sind. Dies führt zu tiefgreifenden Veränderungen in Ökosystemen – oft mit negativen Folgen für spezialisierte heimische Arten.

Die Konsequenzen sind klar: Schutzmaßnahmen müssen verstärkt darauf ausgerichtet werden, die Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Arteninvasionen zu verstehen und aktiv zu steuern. Neben der Erhaltung von Lebensräumen sind gezielte Managementstrategien nötig, um invasive Arten zu kontrollieren und endemische Arten zu schützen. Gleichzeitig müssen die globalen Ursachen – insbesondere die Klimakrise und die Zerstörung von Ökosystemen – stärker in den Fokus der Umweltpolitik rücken.

Neuseeland zeigt uns, dass die Natur sich anpasst – aber nicht immer rechtzeitig. Wenn wir nicht handeln, werden viele endemische Arten der Vergangenheit angehören. Doch es gibt Hoffnung: Mit gezielten Schutzmaßnahmen können wir den Wandel beeinflussen. Denn was heute auf einer Insel am anderen Ende der Welt geschieht, betrifft uns alle.

Quelle

  • Lubbe, P., Rawlence, N. J., Dussex, N., Kardailsky, O., & Knapp, M. (2025). Plio-Pleistocene environmental changes drove the settlement of Aotearoa New Zealand by Australian open-habitat bird lineages. Molecular Ecology, 34(4). https://doi.org/10.1111/mec.17648
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