Benannt nach Bilqis, der Königin von Saba
Der englische Trivialname „Queen of Sheba’s gazelle“ und der wissenschaftliche Artname der Jemen-Gazelle, bilkis, leiten sich von Bilqis, der Königin von Saba oder der Queen of Sheba, ab. Diese sagenhafte Figur tritt in islamischen, jüdischen und christlichen Traditionen auf. Ihr Königreich, bekannt für seinen Reichtum und seine kulturelle Blüte, lag im Süden Arabiens, dem heutigen Jemen. Bilqis gilt als Symbol für Weisheit, Schönheit und Eleganz und wird in Legenden oft mit anmutigen, aber ziegenähnlichen, behaarten Beinen dargestellt. Die Namensgebung der Jemen-Gazelle ist wahrscheinlich eine Hommage an die legendäre Schönheit und Bedeutung der Königin von Saba, die tief mit der Geschichte und Kultur des Jemens verwurzelt ist.

Die Jemen-Gazelle wurde erst 1985 durch den Anthropologen Colin P. Groves und den Zoologen Douglas M. Lay wissenschaftlich beschrieben. Als Grundlage für die Beschreibung dienten ihnen fünf Schädel und Häute von ausgewachsenen und jungen Tieren, die bereits 1951 in der gebirgigen Region um Ta’izz an verschiedenen Orten in Höhenlagen von 1.220 bis 2.135 Metern im Jemen geschossen wurden. Die Fundorte der Exemplare waren El-Hauban, Ta’izz, Usaifira, Jabal Zabra und Mukha. Ob die Tiere durch Handel dorthin gelangt waren, bleibt unklar.
Diese Mitte des 20. Jahrhunderts durch den US-amerikanischen Tropenmediziner Harry Hoogstraal gesammelten Gazellen befinden sich heute im Field Museum of Natural History in Chicago, USA. Seit der Sammlung dieser Exemplare im Jahr 1951 gibt es fast keine Informationen mehr über die Biologie oder Verbreitung der Jemen-Gazelle, und es wurden auch keine weiteren Sichtungen gemeldet. Damals wurde jedoch berichtet, dass die Art in der Region um Ta’izz noch häufig vorkam.
Jemen-Gazelle – Steckbrief
wissenschaftliche Namen | Gazella bilkis, Gazella arabica bilkis, Gazella gazella arabica |
englische Namen | Yemen gazelle, Queen Sheba’s gazelle, Queen of Sheba’s gazelle, Bilkis gazelle |
ursprüngliches Verbreitungsgebiet | Jemen |
Zeitpunkt des Aussterbens | unklar, möglicherweise in den 1950er- oder 1960er-Jahren |
Ursachen für das Aussterben | unklar, vermutlich Bejagung, fehlende Schutzmaßnahmen, Lebensraumverlust |
IUCN-Status | ausgestorben |
Keine Nachweise seit 1951
Die südwestliche Arabische Halbinsel ist bekannt für ihre reiche biologische Vielfalt und ihren hohen Grad an Endemismus. Im Gegensatz dazu steht jedoch der Mangel an Informationen über die Naturgeschichte und den Naturschutzwert dieser Region. Seit 1965 haben mehrere ornithologische Expeditionen Nordjemen durchquert, jedoch ohne eine einzige Sichtung der Jemen-Gazelle. Auch der Ornithologe Richard F. Porter, der zwischen 1979 und 1987 sechs Expeditionen in Nordjemen unternahm, konnte keinerlei Gazellen beobachten.
Im Februar 1992 versuchte der französische Tierökologe Arnaud Greth, die Jemen-Gazelle in den Bergen Jabbel Sabit und Jabbel Samah, zwischen Ta’izz und Al Thurbah, ausfindig zu machen. Doch trotz umfassender Nachforschungen gab es keine Sichtungen. Als Greth über 100 Einheimischen in den umliegenden Dörfern Fotos der Gazelle zeigte, berichteten alle, dass sie die Art seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hätten. Diese Ergebnisse wurden 1993 in einem Artikel im Journal Oryx mit dem Titel Bilkis Gazelle in Yemen – Status and Taxonomic Relationships veröffentlicht.
Da sämtliche Untersuchungen im vermuteten Verbreitungsgebiet der Jemen-Gazelle keine Hinweise auf ihre Existenz erbrachten, führte die Abwesenheit von Sichtungen oder weiteren Exemplaren schließlich dazu, dass die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) die Art im Jahr 2000 offiziell als ausgestorben erklärte.
Wann ist die Jemen-Gazelle ausgestorben?

Zeitzeugen berichten, dass die Jemen-Gazelle Anfang der 1950er-Jahre noch häufig in der Region um Ta’izz vorkam. Dennoch blieben systematische Suchen nach der Art in den Jahren 1965, 1979, 1987 und 1992 erfolglos. Da 1992 Einheimische angaben, die Gazelle seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen zu haben, lässt sich vermuten, dass die Art in den 1950er- oder 1960er-Jahren ausgestorben ist.
Im Jahr 1985 machte Chris Furley, ein Fachtierarzt für Zootiere, auf einer privaten Farm, der Al Wabra Wildlife Farm in Katar, ein Foto von einer Gruppe Gazellen. Der Zoologe Colin Groves vermutete, dass es sich um überlebende Exemplare der Jemen-Gazelle handeln könnte, doch dies konnte nie bestätigt werden. Laut der Studie von Greth, Groves und anderen Wissenschaftlern (1993) gab es möglicherweise eine kleine Population von Jemen-Gazellen in der Sammlung von Scheich Al-Thani auf derselben Farm, doch diese Tiere sollen ohne Nachwuchs verstorben sein.
Auch im Maxwell- und Chester-Zoo in Großbritannien wurden kleine Gruppen der Jemen-Gazelle gehalten, die aber vermutlich mit der Arabischen Wüstengazelle (Gazella gazella cora) oder mit Neumanns Gazelle (G. g. erlangeri) hybridisiert wurden. Allerdings gibt keine Hinweise, dass die Gazellen in den britischen Zoos tatsächlich Hybriden waren.
Gründe für das Aussterben der Jemen-Gazelle
Warum die Jemen-Gazelle ausgestorben ist, bleibt bis heute ein Rätsel. Trotz ihrer bis Mitte des 20. Jahrhunderts einst häufigen Präsenz im jemenitischen Hochland sind die genauen Ursachen für ihr Verschwinden weitgehend unklar. Weder gab es systematische Feldstudien, um ihre Population zu überwachen, noch wurden umfassende Schutzmaßnahmen ergriffen, die ihr Überleben hätten sichern können.
Übermäßige Bejagung und Lebensraumverlust
Als Colin Campbell Sanborn und Hoogstraal 1951 die ersten Exemplare sammelten, die damals als Gazella gazella arabica – eine Unterart der Arabischen Gazelle (Gazella arabica) – etikettiert wurden, war die Jemen-Gazelle im Ta’izz-Gebiet noch relativ häufig. In ihrer Veröffentlichung Some Mammals of Yemen and their Ectoparasites (1953) schrieben sie:
„Gazellen sind in den Hügeln um Ta’izz sehr häufig, aber abgesehen von einem jungen Exemplar, das in einem Dickicht im Garten und Obstgarten des Königs in Usaifira, wenige Meilen von Ta’izz entfernt, gefangen wurde, sahen wir keine in kultivierten Feldern oder in der Nähe von Straßen oder Wegen in dieser Region. Stattdessen wurden sie allein oder in Begleitung von ein oder zwei anderen auf mit Euphorbien [Wolfsmilchgewächse] bewachsenen Hängen gesichtet, die von den bewirtschafteten Gebieten durch Hügel getrennt sind. In den letzten drei oder vier Jahren wurden Gazellen nach unseren Informationen regelmäßig von Offizieren und den Königlichen Wachen von Ta’izz zur Nahrung gejagt.“
Some Mammals of Yemen and their Ectoparasites. Zoology 34. 1953. S. 249. C. C. Sanborn & H. Hoogstraal
Möglicherweise mieden die erwachsenen Jemen-Gazellen die Nähe zu Straßen und landwirtschaftlichen Flächen, weil sie von Soldaten und den königlichen Wachen gezielt zur Nahrungsbeschaffung gejagt wurden. Auf den mit Wolfsmilchgewächsen (Euphorbien) bedeckten Hängen fanden sie vermutlich sowohl Schutz als auch Nahrung.

Ein im Jahr 2023 veröffentlichter Artikel von Adnan Elmansoury zeigt deutlich, dass die Jagd auf bedrohte Tierarten im Jemen trotz bestehender Naturschutzgesetze und internationaler Abkommen wie dem Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten (CITES) weiterhin weit verbreitet ist. Arten wie die Arabische Oryx (Oryx leucoryx), der Arabische Leopard (Panthera pardus nimr) und die Echtgazelle (Gazella gazella) werden nach wie vor gejagt, oft als Teil kultureller Traditionen. Diese Jagd wird häufig sogar in sozialen Medien dokumentiert und gefeiert.
Obwohl es Gesetze zum Schutz von Wildtieren gibt, sind diese entweder schwach oder werden kaum durchgesetzt. Das jemenitische Umweltrecht schützt theoretisch Tiere in ausgewiesenen Naturschutzgebieten, jedoch gibt es kein explizites Verbot der Jagd auf bedrohte Arten außerhalb dieser Gebiete. Darüber hinaus mangelt es an spezialisierten Gerichten und effektiven Durchsetzungsmaßnahmen. Zwar erlassen lokale Behörden gelegentlich Verbote, die die Jagd auf seltene Tiere in bestimmten Regionen untersagen, doch diese werden selten rigoros umgesetzt, wodurch die Tiere weiterhin bejagt werden. Die unkontrollierte Jagd auf Wildtiere wird dabei weniger von der jemenitischen Bevölkerung, sondern hauptsächlich von ausländischen Jagdgästen betrieben.
Die Stadt Ta’izz blieb bis 1948 von einer Stadtmauer umgeben, bis sie unter König Imam Ahmed ibn Yahya zur zweiten Hauptstadt des Jemen wurde, was eine städtische Expansion ermöglichte. Diese städtische Ausdehnung könnte den natürlichen Lebensraum der Jemen-Gazelle verkleinert und zerstört haben, wodurch die Tiere aus ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet verdrängt wurden.
Fehlende Schutzgebiete und der Jemen-Konflikt
Die IUCN definiert Schutzgebiete als klar abgegrenzte geografische Räume, die rechtlich oder auf andere Weise langfristig dem Schutz der Natur gewidmet sind. Vor Beginn des Jemen-Konflikts – ein Bürgerkrieg, der 2014 ausbrach und bis heute andauert – verfügte der Jemen über lediglich zehn ausgewiesene Schutzgebiete. Diese deckten nur 0,77 Prozent des Landes und 0,44 Prozent der Küsten- und Meeresgebiete ab. In der Praxis blieben diese Schutzmaßnahmen oft rein theoretisch, da der Naturschutz im Jemen durch Faktoren wie Unterentwicklung, Korruption, politische Instabilität und mangelnde Ressourcen massiv behindert wurde. Die wachsende Bevölkerung erhöhte zudem den Druck auf die ohnehin begrenzten natürlichen Ressourcen des Landes.

Der anhaltende Konflikt hat die Erforschung der Biodiversität im Jemen erheblich erschwert. Da direkte Feldforschung kaum noch möglich ist, stützen sich Wissenschaftler zunehmend auf Fernerkundungstechniken, um Veränderungen in der Landbedeckung zu analysieren – ein wichtiger Indikator für die Gesundheit von Ökosystemen. Zwar gibt es vereinzelt Fälle, in denen Konflikte die Natur durch eingeschränkten menschlichen Zugang schützen, doch in den meisten Fällen führen sie zu einem beschleunigten Verlust der Biodiversität, da der Umweltschutz enorm geschwächt wird. Dies wird auch in einem 2021 veröffentlichten Bericht zur Erhaltung von Schutzgebieten im Jemen-Konflikt hervorgehoben.
Der Jemen ist aufgrund seiner Lage an der Schnittstelle dreier biogeografischer Zonen reich an Biodiversität. Viele Menschen in ländlichen Gebieten sind direkt auf natürliche Ressourcen angewiesen. Der Verlust der Artenvielfalt hat daher besonders drastische Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der ärmeren Bevölkerung. Trotz internationaler Unterstützung vor 2015 blieb die Fähigkeit des Jemens, Umweltgesetze effektiv umzusetzen, stark begrenzt. Besonders das Socotra-Archipel, das für seine einzigartige Artenvielfalt und seinen hohen Grad an Endemismus bekannt ist, stand im Zentrum internationaler Naturschutzbemühungen, doch auch hier erschwerten der Konflikt und zunehmender Tourismus den Schutz der Natur.
Die genauen Ursachen für das Aussterben der Jemen-Gazelle sind weiterhin unklar. Es wird jedoch vermutet, dass übermäßige Bejagung und das Fehlen effektiver Schutzmaßnahmen gegen illegale Jagd die Hauptgründe dafür waren. Bis 2021, und vermutlich auch bis heute, gibt es in Ta’izz und den umliegenden Regionen keine großen Schutzgebiete, in denen möglicherweise versteckte Populationen der Jemen-Gazelle überlebt haben könnten. Selbst wenn noch eine kleine Population der Jemen-Gazelle existieren sollte, sind die Bedingungen im seit einem Jahrzehnt andauernden Bürgerkrieg alles andere als ideal, um das Überleben dieser oder anderer bedrohten Wildtierarten zu sichern.
Verhalten, Ökologie und Aussehen
Über die Biologie der Jemen-Gazelle ist nur wenig bekannt, aber es wird angenommen, dass sie ähnliche ökologische Bedürfnisse hatte wie andere lokale Gazellenarten, wie die Echtgazelle, die Arabische Gazelle oder die in den 1980er-Jahren ausgestorbene Saudi-Gazelle (Gazella saudiya).
Gazellen sind allgemein für ihre schlanke, langbeinige Statur bekannt und gehören zur Familie der Hornträger (Bovidae). Besonders bemerkenswert ist ihre Fähigkeit, mit hoher Geschwindigkeit zu laufen, um Raubtieren zu entkommen – manche Arten erreichen dabei bis zu 80 Kilometer pro Stunde. Sie leben vorwiegend in trockenen, offenen Landschaften wie Steppen, Wüsten und Halbwüsten und ernähren sich hauptsächlich von Gräsern und Kräutern.

Da die bisher bekannten Exemplare der Jemen-Gazelle aus der Region um Ta’izz stammen, wird angenommen, dass diese Gazellen dort heimisch waren. Sie lebten entweder allein oder in kleinen Gruppen von ein bis drei Individuen auf Euphorbien-bewachsenen Hängen, die sich in Höhen von 1.230 bis 2.150 Metern über dem Meeresspiegel befanden und von landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Hügel getrennt waren.
Obwohl vermutet wird, dass die Jemen-Gazelle ausschließlich im Jemen vorkam, könnte sie auch in den südlichen Teilen Saudi-Arabiens existiert haben. Dies liegt nahe, da das Verbreitungsgebiet der Arabischen Wüstengazelle (Gazella cora) in der Asir-Gebirgskette liegt, die sich in der Nähe des vermuteten Lebensraums der Jemen-Gazelle befindet. Aufgrund der geographischen Nähe und ähnlicher ökologischer Bedingungen wird spekuliert, dass die Jemen-Gazelle möglicherweise auch außerhalb des Jemens, insbesondere im Süden Saudi-Arabiens, existiert haben könnte. Allerdings gibt es bisher keine systematischen Untersuchungen, die diese Annahme bestätigen oder widerlegen.
Worin unterschied sich die Jemen-Gazelle von anderen Gazellen?
Gazellen zeichnen sich typischerweise durch eine markante Fellzeichnung aus, die häufig eine hellere Unterseite und dunkle Streifen entlang der Flanken umfasst. Laut Greth und Groves (1993) war die Jemen-Gazelle jedoch die dunkelste aller bekannten Gazellenarten. Ihr auffälliger schwarzer Flankenstreifen und die einzigartige Farbgebung setzten sie von anderen Gazellenarten ab. Ihr Fell war überwiegend kaffeebraun, mit einem zusätzlichen dunklen Braunton, der sich vom Hinterteil bis zum Kopf erstreckte. Unter dem dicken schwarzen Flankenstreifen befand sich ein schmaler rötlicher Streifen. Der Bauch war cremeweiß, und diese helle Färbung zog sich bis zu den Innenseiten der Vorderbeine und Oberschenkel. Wahrscheinlich waren die Beine der Jemen-Gazelle kürzer als die der Echtgazelle.
Wie bei vielen Gazellenarten trugen sowohl die Männchen als auch die Weibchen Hörner, wobei die Hörner der Jemen-Gazelle sich in ihrer Form deutlich unterschieden. Die Hörner der Männchen waren relativ gerade, nach vorne gerichtet und wiesen 12 bis 15 deutlich ausgeprägte Ringe auf. Auch die Hörner der Weibchen waren gut entwickelt und zeigten eine ausgeprägte Ringstruktur, was sie von anderen Arten unterschied.
Taxonomie: Unterart, Art oder keine Art?

In A Morphometric and Genetic Framework for the Genus Gazella (2013) weisen die Autoren darauf hin, dass die Gattung Gazella zu den artenreichsten Gruppen innerhalb der Hornträger gehört. Trotz ihrer ähnlichen Körpergröße und -struktur zeigen Gazellen erhebliche Unterschiede in der Fellfarbe und der Form ihrer Hörner. Diese innerartliche Variabilität macht es schwierig, Gazellenarten allein anhand äußerer Merkmale oder der Schädelstruktur eindeutig zu bestimmen. Hinzu kommt, dass viele Gazellenarten in fragmentierten und voneinander isolierten Gebieten leben, was die genaue Abgrenzung der Arten in der Vergangenheit weiter erschwert hat. Diese taxonomischen Unsicherheiten betreffen auch die Jemen-Gazelle.
Groves und Harrison (1967) ordneten die Gazelle aus dem jemenitischen Hochland zunächst mit Vorbehalt als mögliche unbeschriebene Unterart der Echtgazelle ein. Später jedoch beschrieben Groves und Lay (1985) die Jemen-Gazelle als eigenständige Art mit dem Namen Gazella bilkis. Die taxonomische Einordnung dieser Gazelle bleibt jedoch problematisch, da in derselben Region auch Neumanns Gazelle (G. erlangeri) vorkommt, eine kaum erforschte Gazellenart, die ebenfalls gelegentlich als Unterart der Echtgazelle geführt wird. Beide Gazellenarten stammen aus der südwestlichen Arabischen Halbinsel und weisen äußerliche Ähnlichkeiten auf, was die Unterscheidung zwischen ihnen erschwert.
Ein wiederkehrendes Problem ist die mögliche Verwechslung der Jemen-Gazelle mit Neumanns Gazelle. Obwohl Groves und Lay argumentierten, dass es sich um zwei verschiedene Taxa handelt, konnte die Wissenschaft diese Unterscheidung bislang nicht eindeutig bestätigen. Eine genetische Analyse könnte helfen, die beiden Arten klar voneinander abzugrenzen. Allerdings wurden beide Gazellenarten nur selten oder gar nicht in freier Wildbahn beobachtet, wodurch das notwendige genetische Material für eine genaue Untersuchung weitgehend fehlt.
Ist die Jemen-Gazelle möglicherweise die Arabische Gazelle?
Colin P. Groves stellt in The Taxonomy of Arabian Gazelles (1997) eine interessante Hypothese auf. Er vermutet, dass die Jemen-Gazelle möglicherweise keine eigenständige Art ist, sondern vielmehr mit der Arabischen Gazelle identisch sein könnte, die unter anderem im Jemen vorkommt:
„In Verbindung mit der Unsicherheit über den Fundort des Typusexemplars von G. arabica bleibt die sehr reale Möglichkeit, dass die Beschreibung von Gazella bilkis in Wirklichkeit eine Wiederentdeckung von G. arabica bedeutet.“
The Taxonomy of Arabian Gazelles. In: The Gazelles of Arabia. 1997. S. 41f. C. P. Groves

Da es Unklarheiten über den genauen Fundort des Typusexemplars der Arabischen Gazelle gibt, könnte die Beschreibung von Gazella bilkis 1985 fälschlicherweise als Entdeckung einer neuen Art interpretiert worden sein – obwohl es sich in Wirklichkeit um eine bereits bekannte Arabische Gazelle handelte. Groves deutet damit die Möglichkeit an, dass G. bilkis und G. arabica dieselbe Art sein könnten, was durch Unsicherheiten bei den ursprünglichen Fundorten noch verstärkt wird.
Eine zusätzliche Komplikation ergibt sich aus der genetischen Studie The Curious Case of Gazella Arabica (2012), die nahelegt, dass nicht nur die Typuslokalität der Arabischen Gazelle fraglich ist, sondern auch eine Diskrepanz zwischen Schädel und Haut des Lektotypen besteht. Schädel und Haut stammen tatsächlich von zwei unterschiedlichen Individuen, die zwei verschiedene Linien innerhalb der Echtgazellen repräsentieren. Diese Entdeckung erschwert die eindeutige Unterscheidung der Arten weiter, da Fragen über die genetische Abgrenzung zwischen der Jemen- und der Arabischen Gazelle aufgeworfen werden.
Sollte sich herausstellen, dass die Jemen-Gazelle tatsächlich mit der Arabischen Gazelle identisch ist, wäre sie möglicherweise keine eigenständige Art, sondern eine lokale Population oder Unterart der bereits bekannten Arabischen Gazelle. Dies würde erklären, warum nur wenige Exemplare der Jemen-Gazelle gefunden wurden und warum sie seither nicht mehr nachgewiesen werden konnte.
Ähnliche taxonomische Herausforderungen gab es auch bei der ausgestorbenen Algerischen Gazelle. Sie wurde ursprünglich als eigenständige Art beschrieben, später jedoch als sehr ähnlich zur heute noch existierenden Rotstirngazelle (Eudorcas rufifrons) identifiziert. Eine Untersuchung der drei Museumsexemplare zeigte, dass mindestens eines dieser Tiere tatsächlich eine Rotstirngazelle ist. Dies verdeutlicht, wie komplex die taxonomische Einordnung von Gazellenarten sein kann.
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