Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) hat am 10. Oktober 2025 ein neues Update der Roten Liste der bedrohten Arten vorgestellt – diesmal im Rahmen des Welt-Naturschutzkongresses in Abu Dhabi. Die aktualisierte Liste erfasst inzwischen 172.620 Arten weltweit, darunter 48.646, die als bedroht und 935, die als ausgestorben gelten.
Neben zahlreichen Neubewertungen und Veränderungen im Gefährdungsstatus enthält das Update auch eine traurige Nachricht: Acht Tierarten und eine Pflanzenart wurden nun offiziell als ausgestorben eingestuft – immerhin weniger als im Vorjahr, als 19 Tierarten (+1 Pflanze) neu in diese Kategorie aufgenommen wurden.
Auf einen Blick: Neu ausgestorbene Arten laut IUCN Rote Liste 2025
- Dünnschnabel-Brachvogel (Numenius tenuirostris) – brütete in Westsibirien, überwinterte in Südeuropa und Nordafrika – letzte bestätigte Beobachtung 1995 in Marokko
- Weihnachtsinsel-Spitzmaus (Crocidura trichura) – Weihnachtsinsel, Indischer Ozean – seit 1985 kein Nachweis mehr
- Nullarbor-Langnasenbeutler (Perameles papillon) – Nullarbor-Ebene, Südaustralien – vermutlich zwischen 1920 und 1960 ausgestorben
- Südlicher Langnasenbeutler (Perameles notina) – Südost-Australien – keine Nachweise seit dem späten 19. Jahrhundert
- Südwestlicher Langnasenbeutler (Perameles myosuros) – Südwest-Australien – zuletzt 1907 gesammelt
- Kegelschnecke Conus lugubris – São Vicente, Kap Verde – letzte Sichtung 1987
- Madeira-Kohlweißling (Pieris wollastoni) – Madeira, Portugal – seit 1986 verschollen
- Landschnecke Leptaxis vetusta – Azoren, Portugal – nur fossile Nachweise, keine Funde seit über 50 Jahren
- Ebenholzgewächs Diospyros angulata – Mauritius – seit Mitte des 19. Jahrhunderts verschollen
Dünnschnabel-Brachvogel – erstes Vogelaussterben auf Europas Festland seit 1500
Auch der Dünnschnabel-Brachvogel gilt mit dem Update der IUCN Red List 2025 nun offiziell als ausgestorben. Die letzte bestätigte Sichtung stammt aus dem Jahr 1995 in Marokko. Eine internationale Studie, veröffentlicht im November 2024 im Fachjournal IBIS, hatte das Aussterben bereits mit einer Wahrscheinlichkeit von 96 % bestätigt.
Der Zugvogel brütete in den Mooren Westsibiriens und überwinterte in den Feuchtgebieten rund um das Mittelmeer und Nordafrika. Regelmäßige Beobachtungen gab es auch in Frankreich, Italien, Griechenland und den Niederlanden.
Sein Verschwinden ist vor allem auf die Trockenlegung von Brutgebieten, den Verlust von Feuchtgebieten und Jagd zurückzuführen. Damit ist der Dünnschnabel-Brachvogel die erste kontinentale Vogelart Europas, die in der Neuzeit durch menschlichen Einfluss ausgestorben ist.
Weihnachtsinsel-Spitzmaus – vierte von fünf endemischen Säugetierarten verschwunden

(© Australia Post, Briefmarke 1982, Motiv: Christmas Island Shrew (Crocidura trichura))
Die Weihnachtsinsel-Spitzmaus, ein kleines endemisches Säugetier der abgelegenen Weihnachtsinsel im Indischen Ozean, gilt nun offiziell als ausgestorben. Nachdem sie 1985 kurzzeitig wiederentdeckt wurde, blieb sie trotz intensiver Suchaktionen verschollen. Sie ist damit die vierte von fünf endemischen Säugetierarten der Insel, die verloren gegangen ist.
Die Maclear-Ratte und die Weihnachtsinsel-Ratte verschwanden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, 2009 folgte die Weihnachtsinsel-Zwergfledermaus. Nur der Weihnachtsinsel-Flughund (Pteropus natalis) hat bislang überlebt – steht jedoch seit 2014 als „vom Aussterben bedroht“ auf der australischen Roten Liste.
Die Ursachen für den Zusammenbruch der Tierwelt auf der Insel sind vielfältig. Krankheiten, die nach der Einschleppung der Hausratte auf die Insel gelangten, spielten ebenso eine Rolle wie invasive Arten – darunter Katzen, die Gelbe Spinnerameise und die Kapuzen-Wolfszahnnatter. Diese trugen nicht nur zum Aussterben der Spitzmaus bei, sondern gefährden auch andere Tiergruppen.
So gilt der Weihnachtsinsel-Waldskink seit 2014 als ausgestorben, mehrere Vogelarten sind stark bedroht, und selbst die berühmten Roten Landkrabben, bekannt für ihre jährliche Wanderungen zum Meer, geraten zunehmend unter Druck.
Drei australische Beuteltiere – Opfer der europäischen Besiedlung
Erstmals bewertet und gleich in die Kategorie „Ausgestorben“ aufgenommen wurden drei australische Beuteltierarten: der Südwestliche Langnasenbeutler (Marl), der Südliche Langnasenbeutler und der Nullarbor-Langnasenbeutler. Alle drei verschwanden bereits im frühen 20. Jahrhundert – als Folge der massiven Umweltveränderungen nach der europäischen Besiedlung Australiens.
Der Südliche Langnasenbeutler war in den Graslandschaften im Süden Australiens verbreitet. Seit dem späten 19. Jahrhundert gibt es keine Nachweise mehr. Sein Rückgang fiel zeitlich mit der Ausbreitung intensiver Weidewirtschaft und der Einschleppung von Katzen zusammen – eine Kombination, die für viele australische Kleinbeuteltiere fatal wurde.
Der Südwestliche Langnasenbeutler wurde zuletzt 1907 gesammelt und war vermutlich kurz darauf verschwunden. Neben Katzen werden auch Krankheiten und möglicherweise Jagddruck als Ursachen diskutiert. Der Rotfuchs, der erst um 1910 nach Westaustralien gelangte, spielte dabei wohl noch keine Rolle.

(© Gavan Mitchell, Imaging Technician, ADAPT Lab, Department of Anatomy & Physiology, University of Melbourne, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)
Der Nullarbor-Langnasenbeutler wurde anhand von Museumspräparaten und Knochenfunden erst 2018 beschrieben. Sein wissenschaftlicher Name papillon („Schmetterling“) bezieht sich auf ein dunkles Muster auf dem Hinterteil. Weibchen waren deutlich größer als Männchen – ein relativ seltener Fall bei Säugetieren, der möglicherweise mit Konkurrenz um knappe Ressourcen in der trockenen Nullarbor-Region zusammenhing.
Das Aussterben der Art ist vermutlich auf eingeschleppte Raubtiere wie Katzen und Füchse sowie auf Lebensraumzerstörung durch Viehhaltung und Kaninchen zurückzuführen. Wann genau sie verschwand, ist unklar; Schätzungen reichen von den 1920er- bis 1960er-Jahren.
Der Verlust dieser drei Arten steht exemplarisch für ein größeres Muster: Der australische Biologe Andrew Burbidge zählte 2024 mindestens 40 ausgestorbene Säugetierarten und sechs Unterarten, die seit Beginn der europäischen Besiedlung im Jahr 1788 verschwunden sind – mehr als auf jedem anderen Kontinent. Zu den Opfern gehören nicht nur große Arten wie der Beutelwolf, sondern auch zahlreiche kleinere, bodenlebende Beuteltiere wie die Langnasenbeutler.
Meeresschnecke Conus lugubris – ausgestorben an den Küsten von Kap Verde

(© MJ Tenorio / Senckenberg Ocean Species Alliance)
Ebenfalls als ausgestorben gilt nun die Meeresschneckenart Conus lugubris. Sie war ausschließlich an der Nordküste der Insel São Vicente verbreitet. Seit 1987 wurde kein Exemplar mehr gefunden – trotz gezielter Suchaktionen, die bis 2024 jährlich fortgesetzt wurden.
Ursache ihres Verschwindens war vor allem die Zerstörung ihres ohnehin sehr kleinen Lebensraums durch Küstenbebauung und Tourismusentwicklung.
Bezeichnend ist auch, dass sie sich damit – wenn auch als Meeresart – zu den zahlreichen terrestrischen Verlusten auf den Makaronesischen Inseln gesellt. Laut einer aktuellen Studie sind dort bereits mindestens 220 endemische, landbewohnende Arten der Kapverden, Azoren, Kanaren, Madeira und Selvagens seit der menschlichen Besiedlung ausgestorben – darunter Landschnecken, Insekten, Vögel, Reptilien und Säugetiere. Das Beispiel von Conus lugubris zeigt, wie eng marine und terrestrische Ökosysteme auf Inseln miteinander verknüpft sind – und wie stark beide unter den Folgen menschlicher Eingriffe leiden.
Zwei weitere Arten der Makaronesischen Inseln ausgestorben

(© Geni, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Der Madeira-Kohlweißling war endemisch auf der portugiesischen Insel Madeira und gilt als einer der ersten Schmetterlinge Europas, die infolge menschlicher Eingriffe ausgestorben sind. Die Art – von einigen Forschern als Unterart des auch bei uns heimischen Großen Kohlweißlings (Pieris brassicae) angesehen – wurde zuletzt 1986 beobachtet und trotz wiederholter Suchaktionen in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr gefunden. Nach rund 15 Jahren ohne Nachweise meldeten Wissenschaftler 2007 das endgültige Aussterben der Art.
Über die genauen Aussterbeursachen herrscht bis heute Unsicherheit. Neben Lebensraumverlust durch Bebauung und Landwirtschaft nennen Fachleute auch den massiven Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden als Faktoren. Eine Hypothese besagt, dass der Madeira-Kohlweißling durch die Einschleppung des Kleinen Kohlweißlings (Pieris rapae) in den 1950er-Jahren mitsamt eines Virus ausgerottet wurde. Eine zweite Erklärung sieht den Grund im Einschleppen der Kohlweißlings-Schlupfwespe (Cotesia glomerata), einem Parasiten, der zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingeführt wurde.
Ebenfalls neu als ausgestorben gilt die Landschnecke Leptaxis vetusta von den Azoren. Sie war endemisch auf der Insel Santa Maria und wurde ausschließlich als Fossil gefunden – trotz wiederholter Suchkampagnen in den letzten fünf Jahrzehnten. Es wird spekuliert, dass es es bei L. vetusta auch um eine fossile Art handeln könnte, doch bis zur endgültigen Klärung bleibt sie in der Roten Liste verzeichnet.
Diospyros angulata – verschollene Ebenholzverwandte von Mauritius
Auch die Holzart Diospyros angulata gilt nun offiziell als ausgestorben. Sie war endemisch auf Mauritius und gehört zur Gattung der Ebenholzbäume, deren dunkles, dichtes Holz einst stark begehrt war. Von der Art sind nur zwei Herbarbelege bekannt – aus den Jahren 1839 und 1851. Trotz gezielter Suchaktionen seit den 1980er-Jahren konnte kein lebendes Exemplar mehr gefunden werden.
Das Verschwinden von Diospyros angulata steht stellvertretend für den Verlust vieler Pflanzenarten auf Mauritius, verursacht durch Abholzung, eingeschleppte Arten und die Umwandlung der ursprünglichen Wälder in Zuckerrohrplantagen. Damit reiht sich die Art ein in die lange Liste tropischer Inselpflanzen, die verschwanden, bevor sie ausreichend erforscht werden konnten.
Zwei Arten kehren von der EX-Liste zurück
Nicht nur neue Aussterbefälle prägen das aktuelle Update der IUCN Roten Liste. Zwei Arten, die jahrzehntelang als verschwunden galten, wurden 2025 wieder in eine niedrigere Kategorie eingestuft. Sie gelten nun nicht mehr als ausgestorben.
Namibcypris costata – winziger Überlebender im Untergrund Namibias
Die nur 0,8 Millimeter kleine Muschelkrebsart Namibcypris costata wurde 1987 in Quellen des südlichen Kaokovelds im Nordwesten Namibias entdeckt und galt seit 1996 als ausgestorben. Sie lebt im unterirdischen Süßwasser und war wohl nur zufällig an der Oberfläche gesammelt worden.
Neuere Bewertungen zeigen, dass ihr Lebensraum – unterirdische Quellsysteme – zwar stark gefährdet, aber nicht vollständig zerstört ist. Die IUCN stuft die Art deshalb vorsichtshalber als vom Aussterben bedroht ein.
Die Region ist empfindlich gegenüber Verschmutzung oder Eingriffen in den Wasserhaushalt, und selbst Sanierungsarbeiten an Quellen könnten den Bestand beeinträchtigt haben. Ob die Art tatsächlich noch existiert, ist unklar – doch die Möglichkeit einer Restpopulation kann nicht ausgeschlossen werden.
Existiert Perrins Höhlentauchkäfer doch noch?
Auch der Grundwasserkäfer Siettitia balsetensis, besser bekannt als Perrins Höhlentauchkäfer, wurde im neuen Update von ausgestorben auf unzureichende Datengrundlage hochgestuft.
Der nur 2,25 Millimeter große, blinde Käfer wurde 1904 in der französischen Gemeinde Le Beausset erstmals beschrieben – als erster im Grundwasser lebender Käfer der Welt. Sein Lebensraum lag in den Karstspalten und unterirdischen Wassersystemen Südfrankreichs. Der letzte bestätigte Nachweis stammt aus dem Jahr 1945.
Weil der Lebensraum nur unzureichend erforscht und schwer zugänglich ist, halten Fachleute es für plausibel, dass die Art in kaum untersuchten Bereichen weiter existiert. Es fehlt jedoch an Feldstudien, um das zu bestätigen.
Bedeutung der Neueinstufungen
Beide Fälle zeigen, dass Aussterbeerklärungen oft mit Unsicherheiten behaftet sind – besonders bei Arten, die im Verborgenen leben. Während bei Namibcypris costata der hochsensible Lebensraum Anlass zu vorsichtigem Optimismus gibt, mahnt der Fall Siettitia balsetensis, wie lückenhaft unser Wissen über unterirdische Ökosysteme bleibt. Solche Neueinstufungen sind relativ selten, aber sie verdeutlichen, dass manche Arten noch die Chance haben, wiederentdeckt zu werden.
Ein globales Warnsignal
Jede neu ausgestorbene Art ist ein unwiederbringlicher Verlust – und ein Zeichen dafür, wie dringend die verbleibende biologische Vielfalt geschützt werden muss. Auch wenn die Zahl der neu bestätigten Aussterbefälle 2025 geringer ausfällt als im Vorjahr, bleibt der Trend besorgniserregend: Trotz zahlreicher Neuentdeckungen und Neubeschreibungen verschwinden weiterhin Arten unwiederbringlich – darunter zunehmend endemische Inselarten wie der Madeira-Kohlweißling und die Azoren-Landschnecke Leptaxis vetusta.
Die Rote Liste der IUCN ist das wichtigste globale Instrument zur Bewertung des Aussterberisikos von Arten und zur Beobachtung von Biodiversitätstrends. Sie teilt Arten in neun Kategorien ein – von „nicht bewertet“ bis „ausgestorben“ – und bildet damit die Grundlage für internationale Naturschutzmaßnahmen und politische Entscheidungen zum Erhalt der Artenvielfalt.
Quelle
- IUCN (2025, 10. Oktober). Arctic seals threatened by climate change, birds decline globally – IUCN Red List update. https://iucn.org/press-release/202510/arctic-seals-threatened-climate-change-birds-decline-globally-iucn-red-list
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