Eurycea rathbuni
Der Texanische Brunnenmolch (Eurycea rathbuni) gehört derselben Gattung wie der Blanco-Brunnenmolch an. Einige Wissenschaftler vermuten bisweilen, dass es sich beim Texas- und Blanco-Brunnenmolch um ein und dieselbe Spezies handeln könnte. Ryan Hagerty/USFWS, Public domain, via Wikimedia Commons)

Blanco-Brunnenmolch

Vermisste Arten haben es schwer

Das letzte Mal, dass jemand einen Blanco-Brunnenmolch in freier Wildbahn sah, war 1951. Damals grub ein Kieswerk, das nördlich der texanischen Stadt San Marcos tätig war, eine Quelle im trockenen Flussbett des Blanco Rivers aus. Dabei sickerte etwas Wasser heraus und mit diesem mehrere weiße, fast durchscheinende Molche. Das geschah daraufhin: Die Kiesarbeiter steckten vier der Amphibien in einen Plastikeimer, wobei zwei der Tiere von einem vorbeifliegenden Reiher gefressen worden und eines verloren gegangen sein soll. Das vierte identifizierte man als neue Spezies. Das ausgewachsene, weibliche Typusexemplar wird bis heute konserviert in einem Glas im Biodiversity Center der Universität von Texas aufbewahrt.

Seit der Entdeckung des Blanco-Brunnenmolchs sind mehr als 70 Jahre vergangen und es blieb bei diesem einen Repräsentanten der Art. Die üblichen Kategorien wie ‚gefährdet‘ oder ‚vom Aussterben bedroht‘ greifen bei ihm nicht, denn die Amphibie gilt schlicht und einfach als ‚vermisst‘ (lost). Wir haben weder Beweise für seine Existenz noch für seine Ausrottung. Niemand weiß, ob der Blanco-Brunnenmolch überhaupt noch lebt. Die Kategorie ‚vermisst‘ umfasst Arten, die Wissenschaftler – je nach Definition – seit mindestens zehn oder seit mehr als 50 Jahren nicht mehr gesehen haben.

Für einen Organismus ist der Status ‚vermisst‘ der denkbar schlechteste, denn es handelt sich häufig um eine vom Aussterben bedrohte Art, für die aber keine Schutzmaßnahmen eingeleitet werden, da von ihrer Existenz niemand weiß. So hat auch der U.S. Fish & Wildlife Service (FWS) Anfang 2022 entschieden, dass der Blanco-Brunnenmolch nicht als ‚bedroht‘ oder ‚gefährdet‘ einzustufen ist, da er – so die Begründung – möglicherweise bereits ausgestorben sei.

So der Blanco-Brunnenmolch tatsächlich ausgestorben ist, kann über die Gründe nur spekuliert werden. Klar ist, dass Molche eine semipermeable Haut besitzen, die sie anfällig gegenüber Verunreinigungen, wie Abflüsse aus landwirtschaftlichen Betrieben oder Kläranlagen, macht. Die IUCN nennt als mögliche Gründe für das Verschwinden der Spezies jedenfalls die Verschlechterung oder Erschöpfung des Grundwasserleiters, in dem die Art vorkam.

Blanco-Brunnenmolch – Steckbrief

alternative BezeichnungBlanco-Brunnensalamander
wissenschaftliche NamenEurycea robusta, Typhlomolge robusta, Typhlomolge robustus
englische NamenBlanco Blind Salamander, Robust Blind Salamander
ursprüngliches VerbreitungsgebietBlanco River, Texas (USA)
Zeitpunkt des Aussterbensunklar, frühestens 1951
Ursachen für das Aussterbenunklar

Angepasst an ein Leben im Wasser und in der Dunkelheit

In Höhlen lebende Molche oder Salamander gehören zur Familie der Lungenlosen Salamander (Plethodontidae). Sie leben hauptsächlich oder ausschließlich in unterirdischen Strömen in Höhlen und weisen spezielle Anpassungen an diesen Lebensraum auf. Einige der Arten, wie die Brunnenmolche oder Brunnensalamander in Texas, haben nur rudimentäre oder sogar fehlende Augen, anderen fehlt jegliche Pigmentierung, was sich in einer blassgelben oder rosafarbenen Haut äußert. Der Blanco-Brunnensalamander verbringt – wie auch andere Salamander der Gattung Eurycea – höchstwahrscheinlich sein ganzes Leben in grundwassergefüllten Höhlen unter der Erde; das heißt, er ist ein Stygobiont.

Auch der blinde und nahezu farblose Perrins Höhlentauchkäfer lebte im Grundwasser in Südfrankreich; er wurde 1945 zuletzt nachgewiesen. Auch der nur in Höhlen in Israel vorkommende blinde Skorpion Akrav israchanani ist wahrscheinlich ausgestorben.

Weiterhin sind die Lungen aller lungenlosen Salamander nur rudimentär oder gar nicht vorhanden. Ihre Atmung erfolgt über die Haut, teils auch über die Mundhöhle. Die in unterirdischen Strömen in Texas vorkommenden Brunnensalamander wie der Blanco- oder der Texanische Brunnenmolch besitzen äußere Kiemen, die gefiederten Geweihen ähneln und die sie ihr Leben lang behalten.

Die IUCN gibt als Typuslokalität für den Blanco-Brunnenmolch ein Gebiet unterhalb des Blanco Rivers nahe der Stadt San Marcos im Hays County, Texas an: Ein unterirdischer, aquatischer Lebensraum im Edwards Aquifer, einem der produktivsten artesischen Grundwasserleiter, aber auch einer der am wenigsten zugänglichen Orte der Welt. Beim Edwards Aquifer handelt es sich um ein komplexes unterirdisches Höhlensystem und um poröses Gestein, das sich über mehr als 10.000 Quadratkilometer über Süd-Zentral-Texas erstreckt. Dort leben Krebstiere sowie verschiedene augenlose Molche und blinde Fische, von denen einer – Satan eurystomus, ein Katzenwels ohne Pigmentierung und äußerlich sichtbare Augen – ebenfalls als ‚vermisst‘ gilt. Der Edwards Aquifer dient außerdem zwei Millionen Texanern der Region als lebenswichtige Trinkwasserressource.

Was die Suche nach dem Blanco-Brunnensalamander so schwer macht

artesische quelle
Eine artesische Quelle ist ein natürlicher Austritt aus einem gespannten Grundwasserleiter. Künstlich angebohrte Grundwasserlagen nennt man artesische Brunnen. (© Michael Gäbler, via Wikimedia Commons)

Im Jahr 2006 versuchten Forscher, den Blanco-Brunnensalamander am Blanco River aufzuspüren. Sie gruben unter anderem drei Oberflächenrisse im trockenen Flussbett des Blanco Rivers frei, allerdings erstreckten sich diese nicht bis in unterirdische Hohlräume, sodass keine Molche ausfindig gemacht werden konnten. Außerdem untersuchten sie Grundwasserquellen nördlich des Gebiets, an dem der Blanco-Brunnenmolch einst entdeckt wurde. Die Quellen reichten zwar bis in unterirdische Lebensräume, brachten aber auch keine Eurycea-Salamander hervor.

Ab 2020 und 2021 widmeten sich Wissenschaftler Brunnen und Quellen in Hays County – bisher ohne Erfolg. Texanische Brunnenmolche, die von der IUCN als gefährdet eingestuft werden, hingegen wurden regelmäßig an mehreren Orten in der Stadt San Marcos beobachtet und gesammelt. Der Umweltjournalist Benji Jones reiste 2022 nach Texas, um den Amphibienliebhaber Andy Gluesenkamp zu treffen, der eine Expedition zum Auffinden des Blanco-Brunnenmolchs leitet. Jones beschreibt in seinem Artikel für das US-Magazin Vox, was die Suche nach dem verschwundenen Brunnenmolch so schwierig macht:

„Höhlenforschung ist auch nicht die beste Methode, um zu versuchen, einen Blanco-Brunnenmolch zu finden (…). In der Nähe von San Marcos gibt es nicht viele dieser natürlichen Eingänge, in denen die verlorene Art leben könnte (…). Zudem ist es möglich, dass der Molch in Wassertaschen noch tiefer unter der Erde lebt.“

Why scientists are desperate to find a salamander that’s been missing for 71 years, Benji Jones, Vox, August 1, 2022.

In einigen Teilen des Aquifers stehe das Wasser unter so starkem Druck, dass es an die Oberfläche schießt und artesische Quellen ausbildet. So etwas erleichtere die Suche nach Tieren, die eigentlich im Grundwasser leben, denn die Quellen würden die Lebewesen an die Oberfläche bringen, wo Wissenschaftler sie in Netzen fangen können. Bislang hatten die Wissenschaftler mit dieser Methode keinen Erfolg bei der Suche nach dem Blanco-Brunnenmolch – vielleicht auch, weil die Wasserquellen nicht an den richtigen Standorten waren. Diese Art der Suche setzt voraus, dass man riesige Mengen an Wasser untersuchen müsste, um ein einzelnes Individuum zu finden: „Als würden Sie in einem Lagerhaus von der Größe eines olympischen Schwimmbeckens mithilfe von Eimern nach einem Haargummi suchen.“

Vielversprechend: Umwelt-DNA zum Auffinden des Blanco-Brunnenmolchs

grottenolm
Grottenolme (Bild), die auch in der Hermannshöhle im Harz angesiedelt wurden, ähneln aufgrund konvergenter Entwicklung den Brunnenmolchen, atmen aber mit Lungen trotz ihrer roten Kiemenbüschel am Hinterkopf. (© Special Collections of the University of Amsterdam, Public domain, via Wikimedia Commons)

Eine vielversprechendere Methode, die auch bei der Suche nach dem Monster von Loch Ness zum Einsatz kam und die möglicherweise dabei hilft, den Blanco-Brunnensalamander ausfindig zu machen, sei, laut Gluesenkamp, eine Untersuchung von sogenannter Umwelt-DNA oder eDNA. Dabei handelt es sich um DNA-Spuren von Organismen in ihrer Umwelt, denn alle Organismen geben ständig DNA an ihre Umgebung ab, etwa durch Niesen oder abgestorbene Haut und Haare.

Bei der eDNA-Methode entnehmen Forscher Wasser-, Boden- oder Luftproben und gleichen diese mit einer Datenbank ab, in der die DNA bekannter Arten enthalten sind. Mit dieser Technik lassen sich unter Umständen Teile des Genoms von Tieren in den Proben nachweisen. Gluesenkamp will an mehreren Dutzend Brunnen in Texas Proben entnehmen, um nach dem Blanco-Brunnenmolch zu suchen. Sollte der verlorene Molch irgendwo in der Nähe von dem Ort leben, an dem eine Wasserprobe entnommen wurde, muss auch ein Teil seiner DNA in dem Wasser enthalten sein.

Doch es gibt ein Problem: Wissenschaftler haben keine DNA des Blanco-Brunnenmolchs. Gluesenkamp will stattdessen nach Genen suchen, die zu Artverwandten gehören. Wenn die Analyse DNA zum Vorschein bringt, die ähnlich anderer blinder Höhlensalamander ist und nicht mit deren DNA übereinstimmt, deutet dies darauf hin, dass der Blanco-Brunnenmolch existiert. Das reiche aber längst nicht aus, um zweifelslos nachzuweisen, dass die Tierart wiederentdeckt wurde. Dafür braucht es physische Beweise, sodass Gluesenkamp im Falle gefundener DNA, Fallen aufstellen muss, um ein Individuum zu fangen. Nur auf diese Weise kann er mit Sicherheit sagen, dass er einen Blanco-Brunnenmolch gefunden hat.

Ist der Blanco-Brunnenmolch ein Texanischer Brunnenmolch?

Nicht alle sind davon überzeugt, dass der Blanco-Brunnenmolch überhaupt eine eigenständige Art darstellt. So auch der U.S. Fish & Wildlife Service, der sich unter anderem deshalb dazu veranlasst sah, den Blanco-Brunnensalamander nicht als ‚gefährdet‘ oder ‚bedroht‘ zu listen. Der FWS äußert den Verdacht, dass es sich beim 1951 gefundenen Molch um einen Texanischen Brunnenmolch handelt. Im FWS-Bericht vom März 2022 heißt es dazu:

„Um im Sinne des Gesetzes als gefährdete oder bedrohte Art zu gelten, muss es sich um eine taxonomisch gültige Art handeln. Bei der Bewertung des Status der Spezies haben wir Beweise dafür gefunden, dass der Blanco-Brunnenmolch zurzeit nicht als taxonomische Einheit existiert. Mehrere morphologische Merkmale des Blanco-Brunnenmolchs ähneln oder gleichen denen des Texanischen Brunnenmolchs (…).“

Endangered and Threatened Wildlife and Plants; Three Species Not Warranted for Listing as Endangered or Threatened Species, Fish and Wildlife Service, Department of the Interior, Federal Register Volume 87, Number 49, March 14, 2022.

Es stimmt wohl, dass sich der Blanco-Brunnenmolch und der Texanische Brunnenmolch optisch ähnlich sehen, aber in ihrer Größe unterscheiden sie sich. Auch dafür hat der FWS eine Erklärung: Dies könne an der chemischen Fixierung und Konservierung des Individuums, das 1951 gesammelt wurde, liegen. Möglicherweise führe diese dazu, dass nicht die ursprüngliche Größe des lebenden Exemplars widergespiegelt werde.

Eurcyea spelaea
Der in den USA heimische Grotto-Salamander (Eurycea spelaea) lebt als ausgewachsenes Tier blind in Höhlen. Die Larven besitzen noch funktionsfähige Augen und kommen außerhalb von Höhlen in Bächen vor. (© Peter Paplanus from St. Louis, Missouri, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Gemäß IUCN sind der Blanco- und der Texanische Brunnenmolch parapatrisch im San Marcos Pool des Balcones Aquifer nahe der Stadt San Marcos im Hays County im südzentralen Texas. Das bedeutet, beide gehen aus einer Ursprungsart hervor, wobei sie sich einen Teil ihres Verbreitungsgebiets teilen. Während der Blanco-Brunnenmolch in einer kleinen Region unterhalb des Blanco Rivers im Edwards Aquifer endemisch ist, komme der Texanische Brunnenmolch ausschließlich in Höhlengewässern des Edwards Aquifer, insbesondere im San Marcos Pool, vor.

Durch die hydrogeologische Verbindung könne es, so der FWS-Bericht, möglicherweise zu einer Bewegung zwischen dem Fundort unter dem Blanco River und den Orten, an denen der Texanische Brunnenmolch lebt, kommen, sodass ein Texanischer Brunnenmolch auch außerhalb seines eigentlichen Verbreitungsgebietes angetroffen werden kann. Dies würde erklären, weshalb es sich um ein und dieselbe Art handeln könnte.

Eine Gegenthese dazu gibt es auch: In ihrer 1981 erschienenen Neubeschreibung des Blanco-Brunnenmolchs liefern der Herpetologe Floyd E. Potter und der Evolutionsbiologe Samuel S. Sweet Beweise dafür, dass die geologische Formation, in der der Blanco-Brunnenmolch vorkommt, hydrologisch von derjenigen isoliert ist, in der der Texanische Brunnenmolch als geografisch benachbarte Art vorkommt. Diese Tatsache würde wiederum zeigen, dass es sich um zwei unterschiedliche Arten handeln muss.

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