Heidehuhn Foto
Das Heidehuhn war ein Bodenbewohner, der nur gelegentlich zum Abäsen von Beerenfrüchten auf Bäume oder Sträucher flog. Internet Archive Book Images, No restrictions, via Wikimedia Commons)

Heidehuhn

Heidehuhn statt Truthahnbraten zum Thanksgiving-Dinner

Noch zur Kolonialzeit bewohnten zahlreiche Heidehühner einen Großteil der offenen kargen Landschaften Neuenglands – das Gebiet, in dem die Besiedlung Amerikas begann. Für frühe europäische Siedler stellten die schmackhaften, leicht zu fangenden Vögel eine wichtige Nahrungs- und für professionelle Jäger eine lukrative Geldquelle dar. David Day schreibt im The Doomsday Book of Animals dazu:

„Die Vögel waren in der alten Buschlandschaft von Boston so verbreitet, dass … Bedienstete mit ihren Dienstherren vereinbarten, dass ihnen nicht öfter als ein paar Mal in der Woche Heidehühner auf den Tisch gebracht werden.“

The Doomsday Book of Animals, 1981, D. Day

Der Biologe Jeff A. Johnson äußert gegenüber dem Texas Standard 2015, dass das Thanksgiving-Dinner der ersten englischen Siedler im heutigen Neuengland im frühen 17. Jahrhundert nicht etwa aus wilden Truthähnen, sondern aus Heidehühnern bestanden habe. Spätestens Ende des 18. Jahrhunderts hatte das Heidehuhn den zweifelhaften Ruf, ein preiswertes, im Überfluss vorhandenes Armeleuteessen zu sein.

Mit dem enormen Zustrom europäischer Einwanderer in den Osten Nordamerikas konnten sich die Heidehühner, so zahlreich sie auch gewesen sein mögen, nicht lange halten. Abgesehen von der massiven Bejagung machten ihnen die mit den neuen Siedlern mitgebrachten Hunde, Katzen und Ratten zu schaffen. Heidehühner waren nämlich Bodenbrüter und somit besonders empfindlich gegenüber die räuberischen Tiere (vor allem gegenüber Katzen). Schon Mitte des 19. Jahrhunderts gab es kaum noch Heidehühner auf dem nordamerikanischen Festland.

Heidehuhn– Steckbrief
alternative BezeichnungenCupidohuhn, Cupido-Huhn, Östliches Präriehuhn
wissenschaftliche NamenTympanuchus cupido cupido, Tympanucho cupido cupido, Tympanuchos cupido cupido, Tetrao cupido
englische NamenHeath Hen, Eastern Prairie Chicken, Martha’s Vineyard Sage-hen
ursprüngliches VerbreitungsgebietUSA (Neuengland, New Hampshire, Virginia)
Zeitpunkt des Aussterbens1932
Ursachen für das AussterbenBejagung, Lebensraumverlust, eingeschleppte Tiere, Geflügelkrankheit, Inzucht

Fortschreitende Kultivierung des Landes lässt Präriehühner verschwinden

Das gemeinhin als eine Unterart des Präriehuhns geltende Heidehuhn bevorzugte einen anderen Lebensraum als seine nahen Verwandten. Die Trivialnahmen Heidehuhn und Präriehuhn deuten dies bereits an. Während das Heidehuhn karge Heidelandschaften mit Buschwerk bewohnte, leben die anderen Präriehühner in Präriegebieten. Das historische Verbreitungsgebiet der Heidehühner umfasste einst das östliche Nordamerika: die Küstengebiete Neuenglands, vom Süden New Hampshires bis in den Norden Virginias. In vorgeschichtlicher Zeit kamen die Vögel wahrscheinlich auch in Florida vor. Die anderen Präriehuhn-Unterarten hingegen kommen eher im Westen der USA vor und bewohnen Prärien in Texas, Indiana, North und South Dakota.

Heath Hens
Heidehühner besaßen zwei gelb-orangefarbene nackte Luftsäcke, die für gewöhnlich mit Federn bedeckt waren. Bei der Balz werden die Luftsäcke, die bei den männlichen Tieren um einiges größer ausgeprägt sind als bei den Weibchen, zu Kugeln aufgeblasen. (© James Turvey, Public domain, via Wikimedia Commons)

Viele Wissenschaftler sind der Überzeugung, allein der enorme Jagddruck habe zum Rückgang der Bestandszahlen bei den Heidehühnern geführt. Nicht so die IUCN, sie sieht den Verlust des Lebensraums durch die Umwandlung der natürlichen Landschaften in landwirtschaftliche Flächen und den Weidedruck durch Schafe als Hauptursache für ihr Verschwinden an. Auch bei den anderen noch existenten Präriehuhn-Unterarten sorge dies für eine Fragmentierung des Lebensraums und somit zu isolierten Populationen und einem Verlust der genetischen Vielfalt, was wiederum in einer Abnahme der Fruchtbarkeit resultiere.

Auch Dieter Luther weist in Die ausgestorbenen Vögel der Welt (1986) darauf hin, dass es im 19. Jahrhundert auf dem nordamerikanischen Festland im gesamten Verbreitungsgebiet der Präriehühner zu einem andauernden Bestandsrückgang gekommen sei. Die Ursachen sieht er in der Zerstörung ihrer Brutgebiete im Zuge der fortschreitenden Kultivierung des Landes und in der starken Verfolgung durch die Siedler.

Gemäß Luther verschwand das Heidehuhn in Massachusetts und Neuengland etwa um 1830. Ein letzter Nachweis aus den Oststaaten der USA stammt von 1869, wobei allerdings nicht sicher sei, ob es sich tatsächlich um Heidehühner oder um aus dem Westen importierte Große Präriehühner (T. c. pinnatus) handelte. Westliche Präriehühner seien als Jagdwild besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wiederholt in den Osten Nordamerikas gebracht worden.

Martha’s Vineyard: Der letzte Zufluchtsort des Heidehuhns

Marthas Vineyard Map
Die Insel Martha’s Vineyard befindet sich im Atlantischen Ozean vor der Südküste von Cape Cod im US-Bundesstaat Massachusetts. Sie gilt als der letzte Zufluchtsort der Heidehühner. (© NormanEinstein, via Wikimedia Commons)

Heidehühner zählen zu den ersten Vogelarten, die US-Amerikaner zu schützen versuchten. Bereits 1791 kam es den Menschen in den Sinn, dass etwas getan werden muss, damit das Heidehuhn noch mehr als nur ein paar Jahrzehnte überdauert. So legte man dem New Yorker Parlament eine Gesetzesvorlage zum „Schutz des Heidehuhns und anderem Jagdwild“ vor. Die Gesetzesvorlage beinhaltete die Einführung einer Schonzeit bei der Jagd auf die Vögel, allerdings hielt sich kaum jemand an das neue Gesetz.

Seit den 1830er-Jahren, spätestens aber ab 1870 waren Heidehühner auf dem Festland Nordamerikas verschwunden; die letzten 300 Exemplare fanden auf der vor Massachusetts liegenden Insel Martha’s Vineyard Zuflucht. Über die Heidehühner-Population auf der Insel und ihr Verschwinden existieren genaue Informationen, da ab 1906 jährliche Zählungen durchgeführt wurden. Für die Zeit davor ist bekannt, dass es 1890 aufgrund von Wilderei und der Nachstellung durch Katzen nur noch zwischen 120 und 200 Vögel waren. Und Ende des 19. Jahrhunderts sank die Zahl der Heidehühner noch weiter, sodass lediglich 70 Tiere übrig waren.

Ein striktes Jagdverbot und die Einrichtung des „Heath Hen Reserve“ 1908 sollten dafür sorgen, dass sich die Populationszahl der Heidehühner wieder erholt. Der amerikanische Ornithologe Edward Howe Forbush schreibt 1919 in The Heath Hen of Martha’s Vineyard über die Entwicklung:

„Seit der Einrichtung des Reservats wuchs die Zahl der Vögel von Zeit zu Zeit außerordentlich an, doch durch Waldbrände wurde sie wieder dezimiert. Am 2. Mai 1907, nach einem schweren Feuer 1906, konnten die Beauftragten nur 21 Vögel finden. (…) Während einer sorgfältigen Inspektion 1916 zählte ich ganze 800 Vögel, und der zuständige Superintendant glaubte, es seien um die 2.000. Kurz danach fegte ein heftiges Feuer über das Reservat. Im darauffolgenden Winter folgte ein Schwarm Habichte, die sehr schädlich für Präriehühner sind, und im April 1917 konnte ich nicht mehr als 126 zählen, wovon ein Großteil Männchen waren. Wahrscheinlich haben weniger als 50 Weibchen den Winter überlebt.“

The Heath Hen of Martha’s Vineyard, 1919, E. H. Forbush

Eine Vielzahl unglücklicher Ereignisse sorgten dafür, dass die Bestandszahlen der Heidehühner einbrachen: der große Brand 1916 während der Brutsaison, strenge Winter, Inzucht, das plötzliche Auftauchen räuberischer Habichte (Accipiter gentilis) und ein Überschuss an Hähnen. Weiterhin hat die offenbar durch Geflügel eingeschleppte Schwarzkopfkrankheit (Histomoniasis), eine parasitäre Infektionskrankheit bei Hühnervögeln (Galliformes), die häufig tödlich endet, zusätzlich für sinkende Bestandszahlen gesorgt.

Zwar erholte sich der Bestand 1920 noch einmal und es konnten 600 Vögel gezählt werden, doch anschließend reduzierte sich Zahl der Exemplare immer weiter, bis Ende 1927 nur noch fünf männliche Vögel übrig waren. Das letzte Heidehuhn, das den Spitznamen Booming Ben trug, starb im März 1932 auf Martha’s Vineyard.

Der Ornithologe Alfred Otto Gross ist vor allem für seine im Auftrag des Massachusetts Department of Fish and Game ab 1923 durchgeführten Studien an den letzten verbliebenen Heidehühnern auf Martha’s Vineyard bekannt. Neben einigen Artikeln und einer Monographie mit dem Titel The Heath Hen (1928) produzierte Gross einen Stummfilm, der die letzten Heidehühner zeigt. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um das einzige Filmmaterial über die ausgestorbene Vogelart.

Unterart des Präriehuhns oder (k)eine eigenständige Art?

Tympanuchus cupido cupido
Balzende Heidehühner mit aufgestelltem Federschopf und Schwanz: In der Mitte ist ein Männchen mit aufgeblasenen Luftsäcken und vorne ein weiblicher Vogel zu sehen. (© Edward Howe Forbush, Public domain, via Wikimedia Commons)

Bis heute ist der taxonomische Status des Heidehuhns nicht vollständig geklärt. Einige betrachten es als Nominatform beziehungsweise Unterart des im westlichen Nordamerika endemischen Präriehuhns (Tympanuchus cupido), andere halten es für eine eigenständige Art und wiederum andere bezweifeln, dass es sich sich überhaupt von anderen Präriehühnern unterscheidet. Unbestritten ist, dass neben dem unterschiedlichen Verbreitungsgebiet zwischen dem Heidehuhn und den anderen Präriehuhn-Unterarten morphologische Unterschiede bestehen – nur wie es zu diesen Unterschieden gekommen ist, bleibt ein Rätsel.

Der amerikanische Naturschützer T. Gilbert Pearson stellte in Birds of America volume II 1917 fest, dass Heidehühner mit etwa 43 Zentimeter Körperlänge und einem Gewicht von rund 900 Gramm kleiner und leichter waren als ihre Gegenstücke auf dem Festland Amerikas. Forbush beschreibt die Unterschiede folgendermaßen:

„Das Heidehuhn ist die östliche Form des Präriehuhns. Es ist kleiner und oben rötlicher oder rostiger als sein westlicher Artverwandter und unten sehr viel weniger weiß; seine beiden Fußwurzeln sind (…) kürzer; die starren Federn der Nackenbüschel sind spitzer und weniger zahlreich.“

The Heath Hen of Martha’s Vineyard, 1919, E. H. Forbush

Weiterhin sollen beim Heidehuhn die dunklen Streifen auf den Brustfedern und an der Seite breiter als bei anderen Präriehühnern sein. Und während die Schwanzfedern des Heidehuhns graubraun gewesen sein sollen, sind die der Präriehühner dunkelbraun.

Genetische Studien sollen Artstatus des Heidehuhns klären

heidehuhn museumsexemplar
Heidehuhn im National Museum of National History in Washington, D.C., USA. Heidehühner gehören zur Familie der Fasanenartigen (Phasianidae) und zur Unterfamilie der Raufußhühner (Tetraoninae). (© Daderot, CC0, via Wikimedia Commons)

Für eine 2004 veröffentlichte Studie verglichen der Evolutionsbiologe Eric P. Palkovacs und sein Team mtDNA-Haplotypen aller Präriehuhn-Arten (Tympanuchus) mit Proben des Heidehuhns, die sie der Haut von Museumexemplaren entnommen haben. Das Ergebnis der Untersuchung legt nahe, dass die Hühnerpopulation auf Martha’s Vineyard eine divergierende mitochondriale Abstammungslinie darstellt. Die untersuchten Heidehühner würden sich von den Präriehuhn-Arten auf dem Festland unterscheiden und den Großen Präriehühnern am ähnlichsten sein.

Eine zweite genetische Untersuchung durch die Biologen Jeff A. Johnson und Peter O. Dunn aus dem Jahr 2006 bestätigt im Wesentlichen die Ergebnisse der vorangegangenen Studie, warnt aber davor, in diese zu viel hineinzuinterpretieren. Der Grund dafür sei, dass mtDNA-Haplotypen kleiner Populationen, die einen genetischen Flaschenhals durchlaufen, eine höhere Abweichung aufgrund von Gendrift aufweisen, als dies taxonomisch eigentlich der Fall gewesen wäre. Johnson und Dunn können zeigen, dass Heidehühner 30 Jahre vor ihrem Aussterben eine geringere genetische Variation aufwiesen als heutige Präriehühner. Aber auch die Populationen der nächsten lebenden Verwandten des Heidehuhns – das Große Präriehuhn, das Attwateri-Präriehuhn (T. c. attwateri) und das Kleine Präriehuhn (T. pallidicinctus) – seien heute im größten Teil ihres Verbreitungsgebiets in Amerika rückläufig, wobei der Verlust der genetischen Variation wahrscheinlich zu ihrem Verschwinden beitrage.

Insofern alle von Johnson und Dunn untersuchten Heidehuhn-Exemplare von Martha’s Vineyard stammten, ist es nicht verwunderlich, dass die Tiere eine geringe genetische Vielfalt aufweisen, denn auf der Insel lebten nie mehr als tausend Heidehühner und der Austausch mit dem Festland war begrenzt. Auf diese Weise könnten sich also die morphologischen Unterschiede des Heidehuhns im Vergleich zu anderen Präriehühnern herausgebildet haben.

Heath Hen Project will ausgestorbenes Heidehuhn zum Leben erwecken

Großes Präriehuhn
Das heute noch lebende Große Präriehuhn (Bild) ist größer als das ausgestorbene Heidehuhn und seine Federschopfe am Kopf enden rund statt spitz. (© GregTheBusker, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Im Rahmen von Überlegungen, wieder Präriehühner auf Martha’s Vineyard anzusiedeln, hat sich das 2014 ins Leben gerufene Heath Hen Project die genetische Wiedererweckung des Heidehuhns zum Ziel gesetzt. Der ursprüngliche Plan, Große Präriehühner auf Martha’s Vineyard anzusiedeln, damit diese die ökologische Nische des Heidehuhns füllen können, ist nicht umsetzbar. Die Gründe: Präriehühner würden weitläufiges Grasland und vielfältige Populationen benötigen, um gedeihen zu können. Ein Leben in einem kleinen, isolierten Habitat wie Martha’s Vineyard in geringer Anzahl sei nicht möglich. Isolierte Präriehuhn-Populationen würden schnell aussterben. Das zeige sich auch daran, dass sich schon die in historischer Zeit aus dem Westen Nordamerikas nach Neuengland gebrachten Großen Präriehühner dort nicht halten konnten. Wenn Große Präriehühner nicht auf der Insel leben können, bleibt nur die Wiederbelebung des Heidehuhns, so die Wissenschaftler des Forschungsprojekts, die auch die Wiederauferstehung der ausgestorbenen Wandertaube anstreben.

Die Heidehuhn-Population auf Martha’s Vineyard schaffte es, von 50 auf 2.000 Tiere anzuwachsen, nachdem Maßnahmen zum Schutz der Vögel eingeführt wurden. Große Präriehühner wären dazu nicht in der Lage, doch warum? Die Experten vermuten, dass Heidehühner Unterschiede im Verhalten, in der Ausbreitung und in der Nutzung ihres Lebensraums gezeigt hätten. Möglicherweise hatten sie andere Fruchtbarkeitsgene oder Gene, die Inzucht nicht zum Problem werden ließen. Die Erfassung der genetischen Grundlagen für die Anpassung der Heidehühner an ihren Lebensraum sei ein Schlüssel, um die Vogelart wieder zum Leben zu erwecken.

Die Wissenschaftler des Heath Hen Project fassen die drei Phasen, mit denen sie die De-Extinktion des Heidehuhns erreichen wollen, folgendermaßen zusammen: Genomforschung, Wiederbelebung und Wiederherstellung. Im Prinzip soll durch das Klonen konservierter Heidehuhn-Zellen aus Museumsexemplaren mithilfe von Haushühnern zum Austragen der Nachkommen die Ausrottung des Heidehuhns rückgängig gemacht werden.

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