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Zeichnung der Cascade-Trichternetzspinne aus der wissenschaftlichen Erstbeschreibung (1927) von V. V. Hickman. Die Tiere waren braun gefärbt. (© Hickman 1926)

Cascade-Trichternetzspinne

Verschwunden seit 1926

Am ersten Weihnachtstag 1925 entdeckte der australische Zoologe Vernon Victor Hickman am Flussufer in der Cascades-Region in der Nähe von Hobart, der Hauptstadt der australischen Insel Tasmanien, zwei rund 18 Zentimeter tiefe, mit Spinnennetz ausgekleidete Wohnröhren im weichen Boden. Die Durchmesser der Erdröhren lagen bei rund 1,5 Zentimetern. In einer der Wohnröhren fand Hickman „einen schönen kissenförmigen Eierkokon, 25 Millimeter lang und 15 Millimeter breit“ sowie eine bislang unbekannte Spinnenspezies.

Die heute unter dem Trivialnamen bekannte Cascade-Trichternetzspinne beschrieb Hickman 1927 anhand eines weiblichen Exemplars wissenschaftlich als Atrax pulvinator. Der australische Arachnologe Michael R. Gray ordnete die Spinnenart 1988 schließlich der Gattung Hadronyche zu. Laut des Atlas of Living Australia sollen noch zwei weitere Spinnen (ebenfalls weiblich) dieser Art 1926 gesammelt worden sein, die sich heute wohl im Australian Museum in Sydney befinden.

Wohnröhre Trichternetzspinne Australien
Das Foto zeigt eine Wohnröhre einer Trichternetzspinne auf dem Mount Glorious in Queensland, Australien. (© shannon mccoll, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Trichternetzspinnen weben sogenannte Trichternetze, die etwa unter einem Bett aus Moos in einer selbst gegrabenen Wohnröhre münden. Mit dieser Konstruktion, aber manchmal auch freilaufend, erbeuten die Spinnen als Lauerjäger wirbellose Tiere wie Schaben, Tausendfüßer oder Käfer sowie auch kleinere Wirbeltiere wie Eidechsen oder Frösche. Neben dem Beutefang dienen die Wohnröhren den Spinnen auch als Unterschlupf. Zudem bewacht das Weibchen den Eikokon nach der Paarung in der Wohnröhre.

Gray beschreibt die Cascade-Trichternetzspinne in seiner Revision of the Australian Funnel-web Spiders (2010) anhand des weiblichen Holotypus neu. Mit 16,35 Millimetern Körperlänge handele es sich um eine relativ kleine Trichternetzspinnenart. Das Weibchen weise eine Carapax-Länge von 6,15 und eine Breite von 5,64 Millimetern auf. Der Hinterleib beziehungsweise das Abdomen der Spinne misst 10,2 Millimeter Länge und habe eine Breite von 8,5 Millimetern. Die mit schwarzen Borsten und braunen Härchen versehenen Beine waren zwischen 13,5 und 17,8 Millimeter lang. Da bei Trichternetzspinnen üblicherweise ein ausgeprägter Geschlechtsdimorphismus besteht, ist anzunehmen, dass die männlichen Tiere kleiner und andersgestaltig waren.

Cascade-Trichternetzspinne – Steckbrief
wissenschaftliche NamenHadronyche pulvinator, Atrax pulvinator
englischer NameCascade Funnel-web Spider
ursprüngliches VerbreitungsgebietTasmanien (Australien)
Zeitpunkt des Aussterbensfrühestens 1926
Ursachen für das AussterbenLebensraumverlust

Cascade-Trichternetzspinne: Eine Giftspinne aus Tasmanien

Atrax robustus
Bei Trichternetzspinnen sind Weibchen (unten) in der Regel größer als Männchen (oben). Beide Geschlechter weisen zudem häufig eine andersartige Gestalt auf. Das Bild zeigt die Sydney-Trichternetzspinne – eine der giftigsten Spinnen der Welt. (© Sputniktilt, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Zur Spinnentier-Unterordnung der Vogelspinnenartigen (Mygalomorphae) gehören 351 Gattungen. Gerade einmal drei dieser Gattungen, die zur Familie der Australischen Trichternetzspinnen (Atracidae) gehören, sind toxisch und können dem Menschen gefährlich werden. Derzeit sind 36 Arten von Australischen Trichternetzspinnen beschrieben, allesamt leben auf dem Kontinent selbst oder auf Inseln im Südpazifik.

Die bekannteste Trichternetzspinne ist wohl die im Stadtgebiet und der Umgebung Sydneys endemische Sydney-Trichternetzspinne (Atrax robustus). Sie gehört neben der Brasilianischen Wanderspinne (Phoneutria nigriventer) zu den giftigsten Spinnen der Welt. Zwischen 1927 und 1981 sind 13 Menschen an einem Biss durch die Sydney-Trichternetzspinne gestorben. Doch seit 1981, als das Gegengift auf den Markt kam, seien keine Todesfälle mehr verzeichnet worden, so ein Report der School of Biomedical Sciences der Universität Melbourne aus dem Jahr 2019.

Über die Giftigkeit der zur Gattung Hadronyche gehörenden Cascade-Trichternetzspinne ist nichts bekannt, aber aufgrund ihrer Gattungszugehörigkeit weiß man, dass ihr Gift beim Menschen eine ähnlich starke Wirkung entfalten kann. Die Bisse einiger Hadronyche-Arten werden bisweilen mit dem Gegenserum für die Sydney-Art behandelt.

(Warum) ist die Cascade-Trichternetzspinne ausgestorben?

Sowohl über die Lebens- und Verhaltensweisen der Cascade-Trichternetzspinne als auch über den Grund ihres möglichen Verschwindens ist kaum etwas bekannt. Das Department of Natural Resources and Environment Tasmania gibt an, dass die Typuslokalität, wo Hickman die Cascade-Trichternetzspinne einst entdeckte, durch städtebauliche Entwicklungen nicht mehr existiere. Auch in Tasmania’s Threatened Fauna Handbook (1999) verweisen die Autoren auf den Verlust des natürlichen Verbreitungsgebiets sowie auch die Möglichkeit, dass das weiche Moos, das die Trichternetzspinnen zum Bauen ihrer Höhlen verwenden, mit zunehmender Besiedlung von Menschen zertrampelt und beschädigt werden könne.

Hobart Tasmanien
Die Cascade-Trichternetzspinne lebte nahe der Hauptstadt Tasmaniens (Hobart) in der Cascades-Region. (© OpenStreetMap, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Die Weltnaturschutzorganisation IUCN listet die Cascade-Trichternetzspinne in ihrer Roten Liste bislang nicht, aber seit 1995 wird sie in den Listen des tasmanischen Threatened Species Protection Act unter dem Status ‚ausgestorben‘ aufgeführt. Der Grund: Seit ihrer Entdeckung im Jahr 1925 konnten trotz sporadischer Suchaktionen am Fundort keine weiteren Exemplare ausfindig gemacht werden.

In der 2010 von Gray veröffentlichten Revision der Australischen Trichternetzspinnen wird deutlich, dass der Arachnologe es durchaus für möglich hält, dass die Cascade-Trichternetzspinne noch existiert. So stellt er die bisherigen Suchmethoden infrage und nennt effektivere Möglichkeiten zum Auffinden der Spinnenart. Bislang hätte es sich um bei Tageslicht stattfindenden visuellen Suchen im Buschland des Cascades-Gebiets gehandelt, die sich in erster Linie auf Baumstämme, Felsen und Bachufer beschränkten. Gray schlägt daher etwa den Einsatz von Bodenfallen vor, denn bei einer anderen Spinnenart derselben Gattung, H. flindersi aus South Australia, seien damit gute Erfolge beim Auffinden männlicher Tiere und Bruthöhlen der Weibchen erzielt worden.

Die Cascade-Trichternetzspinne ist nicht die einzige Art, die auf der australischen Insel Tasmanien in der Neuzeit ausgestorben ist. Ein ähnliches Schicksal erlitten etwa der Glatte Handfisch (Sympterichthys unipennis) Anfang des 19. Jahrhunderts, der Tasmanische Emu 1873, der Beutelwolf 1936 und der Lake-Pedder-Regenwurm um 1972.

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