Caloprymnus campestris
Eine vor 1881 entstandene Illustration des Nacktbrustkängurus von John Gould für sein Buch Mammals of Australia. John Gould, Public domain, via Wikimedia Commons)

Nacktbrustkänguru

Das Nacktbrustkänguru: Gefunden, verloren, gefunden und wieder verloren…

Den Wangkangurru, ein Aborigines-Volk, war das Nacktbrustkänguru als Ngudlukanta seit Jahrtausenden schon bekannt. Die westliche Wissenschaft erfuhr von der Beutelsäugerart erst 1942, als der damalige Gouverneur  von South Australia, George E. Grey, drei Individuen an John Gould nach England schickte. Gould, eigentlich ein Ornithologe, erkannte eine neue Tierart und beschrieb sie 1843 als erster wissenschaftlich. Danach war es still um das Nacktbrustkänguru und es ward 88 Jahre lang nicht mehr gesehen.

Die Wissenschaft ging bereits davon aus, dass das Nacktbrustkänguru ausgestorben ist, als der australische Säugetierkundler Hedley Herbert Finlayson 1931 die Tierart im Nordosten des Bundesstaats South Australia wiederentdeckte.

Als jedoch Mark Eldridge das einzige Nacktbrustkänguru aus der Sammlung des Australian Museum im September 2018 untersuchte, offenbarte sich etwas Interessantes: Das Tier aus der Sammlung wurde zwischen 1902 und 1905 von Henry James Hillier, einem britischen Sammler, am Lake Killalpaninna in South Australia gefunden. Dieser Fund bedeutet nicht nur, dass Nacktbrustkängurus auch an einem anderen Ort als dem Nordosten des Bundesstaates South Australia gelebt haben musste, sondern auch dass Hillier die Beutelsäuger knapp 26 Jahre vor Finlayson wiederentdeckt hat.

Finlayson konnte bei seiner ‚Wiederentdeckung‘ im Dezember 1931 eine Nacktbrustkänguru-Population bestehend aus 17 Tieren beobachten. Zwölf der Tiere fing er ein. Zwischen 1932 und 1935 wurden noch weitere Individuen in der Tirariwüste im Nordosten von South Australia gefangen. Dieses Mal vermutlich wirklich die letzten.

Nacktbrustkänguru – Steckbrief
alternative BezeichnungenSteppenkänguruhratte, Steppenkängururatte, Oolacunta
wissenschaftliche NamenCaloprymnus campestris, Bettongia campestris
englische NamenDesert Rat Kangaroo, Buff-nosed Rat-kangaroo, Plains Rat-kangaroo, Desert Bettong, Plain-loving Jerboa Kangaroo
ursprüngliches VerbreitungsgebietZentralaustralien
Zeitpunkt des Aussterbens1935
Ursachen für das AussterbenBejagung, Lebensraumverlust, eingeschleppte Tiere

Steppenkängururatte: Känguru oder Ratte?

Caloprymnus campestris Nacktbrustkänguru
Nacktbrustkänguru im Museum of Central Australia: Mit 25 bis 28 Zentimeter Körperlänge (ohne Schwanz) war die Art etwas größer als eine Hausratte. (© Mark Marathon, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Rattenkängurus (Potoroidae) sind eng mit den eigentlichen Kängurus verwandt. Sie bewegen sich auf die gleiche Weise fort wie echte Kängurus und sehen ihnen ähnlich: Sie besitzen kurze Vorder- und kräftige, lange Hinterbeine. Und die Farbe ihres Fells ist wie bei den Kängurus bräunlich bis grau.

Der größte Unterschied zwischen Rattenkängurus und Kängurus liegt in der Ernährung. Während sich echte Kängurus ausschließlich von Pflanzen ernähren, zählen Rattenkängurus zu den Allesfressern. Sie essen sowohl Knollen, Samen oder Pilze als auch Insekten, Würmer und Larven. Auf Grünpflanzen verzichten sie meistens – und auf Wasser, denn ihren Flüssigkeitsbedarf decken sie mit der Nahrung.

Damit sind Rattenkängurus optimal an ein Leben in der Wüste Australiens angepasst, wo es nur wenige Pflanzen und selten Wasser gibt. Das Verbreitungsgebiet des maximal ein Kilogramm schweren Nacktbrustkängurus war ziemlich klein. Es kam nur im trockenen Wüstengebiet am Eyresee im Norden South Australias und Südwesten Queenslands vor – eine der heißesten, trockensten und kahlsten Landschaften Australiens.

Übrigens: Neben Rattenkängurus gibt es auch Kängururatten (Dipodomys) und es handelt sich dabei um eine völlig andere Tiergattung. Umso verwirrender erscheint es, dass der Zoologe Alfred Brehm Caloprymnus campestris einst als Steppenkänguruhratte bezeichnete. Kängururatten sind nämlich in Mexiko und den USA heimische Nagetiere (Rodentia) beziehungsweise Taschenmäuse. Eine Art der Kängururatten gilt als in den 1940er-Jahren ausgestorben: Dipodomys microps russeolus.

Vom Aussterben der Nacktbrustkängurus

Die Beutelsäuger kamen zwar in nur einem kleinen Gebiet vor, waren dort aber bis in die 1930er-Jahre hinein häufig anzutreffen. Bis es 1935 zu einer Trockenperiode kam, woraufhin die letzte bestätigte Sichtung eines Nacktbrustkängurus 1935 in der Nähe von Ooroowilanie, im Osten des Eyresees verzeichnet wurde.

Die IUCN, die das Nacktbrustkänguru 1994 für ausgestorben erklärte, sieht als Grund für das Aussterben der Beuteltiere die Nachstellung durch eingeschleppte Fressfeinde wie Hauskatzen oder Füchse. Eingeführte Hasen oder Kaninchen stellten möglicherweise zudem Nahrungskonkurrenten für das Rattenkänguru dar. Auch die Bejagung des Nacktbrustkängurus und die Zerstörung seines Lebensraums durch eingeführtes Weidevieh wie Rinder oder Schafe haben wahrscheinlich zum Niedergang der Art geführt.

Neben dem Nacktbrustkänguru gelten noch weitere Rattenkänguru-Arten als ausgestorben: Das Nullarbor-Bürstenkänguru (Bettongia pusilla), das Wüsten-Bürstenrattenkänguru (Bettongia anhydra), das Östliche Bürstenschwanz-Rattenkänguru (Bettongia penicillata penicillata) und das Breitkopfkänguru. Zu den ausgestorbenen Känguru-Arten gehören etwa das Östliche Hasenkänguru, das Zentralaustralische Hasenkänguru (Lagorchestes asomatus), das Mondnagelkänguru (Onychogalea lunata) und das Östliche Irmawallaby (Macropus greyi).

Zahlreiche Sichtungen: Ist das Nacktbrustkänguru doch nicht verloren?

Seit 1957 gab es hin und wieder Menschen, die behaupteten, ein Nacktbrustkänguru in South Australia oder Queensland gesehen zu haben. In einem Artikel für den South Australian Naturalist (1997) dokumentierten S.G. Carr und A.C. Robinson 13 unbestätigte, vermeintliche Nacktbrustkänguru-Sichtungen zwischen 1957 und 1988.

Nach 1988 wurden noch zwei (unbestätigte) Sichtungen bekannt: So will jemand im August 1993 ein aufgescheuchtes Nacktbrustkänguru tagsüber nahe der Goyder Lagoon, nördlich des Fundortes von 1931, gesehen haben. Und eine weitere Sichtung erfolgte im Mai 2011 bei Nacht an der Peake Station auf dem Oodnadatta Track im Norden des Bundesstaates South Australia.

Da der Norden Südaustraliens bislang nicht zum Verbreitungsgebiet des Nacktbrustkängurus zählte, wollten Experten der Peake-Station-Sichtung auf den Grund gehen. Sie durchsuchten die Gegend im August desselben Jahres gründlich. Dabei fand man einen alten Nistplatz mit Kot, der dem kleiner Kängurus ähnelte, sowie Fußspuren. Die Spuren, so die Experten, könnten von einem Nacktbrustkänguru stammen.

Da die Untersuchungen des Kots zeigten, das dieser keine brauchbare DNA enthielt, bleiben die Sichtungen des Nacktbrustkängurus in diesem Gebiet weiterhin unbestätigt. Allerdings räumen die Forschenden Tony Robinson und Tiana Forrest in einem Beitrag für den South Australian Naturalist (2012) die Möglichkeit ein, dass eine kleine Population des Nacktbrustkängurus möglicherweise im Mai 2011 in der Peake-Station-Gegend gelebt hat. Auch wenn für das bislang angenommene Verbreitungsgebiet am Eyresee angenommen wird, dass das Nacktbrustkänguru ausgestorben ist.

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