Die Südliche Corroboree-Scheinkröte (Pseudophryne corroboree) – auch bekannt als Schwarzgelbes Scheinkrötchen oder Südlicher Corroboree-Frosch – gehört zur Familie der Australischen Südfrösche (Myobatrachidae). Diese uralte Froschlinie existiert ausschließlich in Australien und lässt sich rund 100 Millionen Jahre zurückverfolgen. Mit ihrer auffälligen gelb-schwarzen Zeichnung zählt der Südliche Corroboree-Frosch zu den markantesten Amphibien des Kontinents – und zugleich zu den am stärksten bedrohten. Anders als viele andere giftige Frösche (wie etwa Pfeilgiftfrösche) kann er seine Hautgifte nicht nur über die Nahrung aufnehmen, sondern auch selbst produzieren. In der Hoffnung, das Überleben der Art zu sichern, haben Wissenschaftler nun erstmals ihr vollständiges Genom entschlüsselt.

(© Tnarg 12345 at the English-language Wikipedia, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)
Das Schwarzgelbe Scheinkrötchen war einst in den Hochlagen des Kosciuszko-Nationalparks im südlichen New South Wales weit verbreitet. Heute jedoch leben in der Wildnis Schätzungen zufolge weniger als 50 erwachsene Tiere. Laut IUCN gilt die Art als vom Aussterben bedroht und kommt nur noch in wenigen, isolierten Restpopulationen entlang des nordwestlichen Randes ihres früheren Verbreitungsgebiets vor.
Noch in den 1970er-Jahren war die Südliche Corroboree-Scheinkröte regelmäßig zu beobachten. Doch bereits in den 1980er-Jahren setzte ein drastischer Populationsrückgang ein. Inzwischen wird die Art als funktionell ausgestorben betrachtet – das heißt: Ohne menschliche Hilfe durch Erhaltungszuchtprogramme würde sie in der Wildnis nicht überleben. Hauptursache des Rückgangs ist die weltweit grassierende Amphibienkrankheit Chytridiomykose, ausgelöst durch den eingeschleppten Pilz Batrachochytrium dendrobatidis.
Der Lebensraum des Froschs ist extrem spezialisiert: hochgelegene, kühle und feuchte Torfmoore in Höhenlagen zwischen 1.300 und 1.760 Metern. Diese seltenen Biotope reagieren besonders empfindlich auf Trockenheit, steigende Temperaturen und Feuer. Die verheerenden Buschbrände 2019/2020 zerstörten große Teile des Lebensraums – und töteten rund zwei Drittel der Tiere in den Schutzeinrichtungen im Nationalpark.
Die eng verwandte Schwesterart, die Nördliche Corroboree-Scheinkröte (P. pengilleyi), ist bislang weniger stark rückläufig – möglicherweise aufgrund einer höheren Resistenz gegenüber der Chytridpilz-Infektion.
Zucht, Schutz und Wissenschaft – letzte Hoffnung für eine bedrohte Art
Im Juni 2024 wurde ein bedeutender Meilenstein erreicht: Mit der Freisetzung von über 3.400 Eiern fand die bislang größte Auswilderung im Rahmen des bereits 2001 gestarteten Erhaltungsprogramms statt. Ein Teil der Eier wurde in geschützten, chytridfreien Gehegen platziert, ein anderer direkt in ehemalige Brutgebiete im offenen Gelände – in der Hoffnung, sogenannte „wild-fit“ Frösche zu fördern, die durch Kontakt mit der Umwelt eine natürliche Resistenz gegen den Chytridpilz entwickeln können.

(© Pelagic, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Australische Forschungseinrichtungen reagierten früh auf den Rückgang der Corroboree-Frösche: Bereits seit 1997 laufen koordinierte Zuchtprogramme in mehreren Zoos, darunter das Healesville Sanctuary in Victoria, der Melbourne Zoo und der Taronga Zoo in Sydney. In speziell angelegten, feuerfesten Freilandgehegen werden stabile, chytridfreie Populationen aufgebaut. Seither konnten Hunderte Frösche und Tausende Eier erfolgreich ausgewildert werden. Die Wildpopulationen sind allerdings stark fragmentiert und langfristig nicht überlebensfähig, wenn diese Nachzucht nicht fortgesetzt wird.
Zusätzlich setzen der Art drei Hauptbedrohungen besonders zu: die durch den Klimawandel verstärkten Dürren, häufigere Buschbrände und invasive Tierarten. Der Frosch ist auf temporäre, wasserführende Moore und Tümpel zur Fortpflanzung angewiesen – bleiben die Niederschläge aus oder trocknen die Gewässer zu früh, überleben die Kaulquappen nicht. Auch Brände vernichten nicht nur Lebensraum und Tiere, sondern verändern Hochmoore dauerhaft. Eingeschleppte Arten wie Wildschweine, Pferde und Hirsche zerstören den Boden und die Vegetation und gefährden damit zusätzlich die Restpopulationen.
Neue Hoffnung durch Genomforschung
Ein weiterer Hoffnungsschimmer für den Schutz der Südlichen Corroboree-Scheinkröte ist die Entschlüsselung ihres vollständigen Genoms. Ein Forschungsteam um Tiffany Kosch von der University of Melbourne veröffentlichte die Ergebnisse kürzlich im Fachjournal Wellcome Open Research. (Hinweis: Die Studie wurde bereits publiziert, befindet sich aber noch im Peer-Review-Verfahren.)
Dabei zeigte sich: Das Erbgut des kleinen Froschs ist außergewöhnlich umfangreich – drei Mal so groß wie das menschliche Genom und eines der größten bisher bekannten Froschgenome. Viele nahe verwandte Arten besitzen deutlich kleinere Genome, darunter eines der kleinsten, das je bei Fröschen dokumentiert wurde.
Ein zentrales Merkmal: Das Genom des Südlichen Corroboree-Froschs enthält besonders viel nicht-kodierende DNA – also Abschnitte, die nicht direkt als Bauplan für Proteine dienen. Lange galten diese Bereiche als „überflüssig“, heute weiß man, dass sie zentrale Funktionen bei der Genregulation und der Entwicklung von Organismen übernehmen können. Zudem besteht das Genom zu einem großen Teil aus wiederholten Sequenzen, die immer wieder auftreten – ungewöhnlich für Frösche und Hinweis auf eine besondere evolutionäre Entwicklung.
Diese genetische Karte eröffnet neue Möglichkeiten im Kampf gegen die Chytridpilz-Erkrankung. Erste Projekte prüfen, ob sich genetisch widerstandsfähige Linien durch gezielte Zucht oder gentechnische Verfahren entwickeln lassen. Ziel ist es, Merkmale zu identifizieren, die eine Resistenz gegen den Pilz verleihen, um langfristig stabile Populationen aufzubauen.
Auf Grundlage des entschlüsselten Genoms führt Kosch derzeit weitere Studien durch, um die Anfälligkeit der Art besser zu verstehen. Dabei soll auch untersucht werden, warum nicht alle Amphibienarten gleichermaßen betroffen sind: Der eng verwandte Nördliche Corroboree-Frosch zeigt etwa eine höhere Resistenz. Solche Unterschiede könnten Hinweise liefern, welche genetischen Faktoren Schutz bieten – und wie sich diese gezielt fördern lassen. Die genetischen Erkenntnisse könnten auch beim Schutz weiterer bedrohter Amphibienarten eine Rolle spielen.

(© CorroboreeFrog.jpg, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)
Die Entschlüsselung des Genoms ist ein wissenschaftlicher Meilenstein: Über zehn Jahre arbeitete das Team an der vollständigen Sequenzierung. Gewebeproben aus Australien wurden tiefgefroren bei -80 Grad Celsius nach New York transportiert, wo sie im Rahmen des Vertebrate Genomes Project (VGP) analysiert wurden – einer Initiative mit dem Ziel, hochwertige Referenzgenome aller bekannten Wirbeltierarten zu erstellen.
Auch die weitere Forschung zur Rettung der Art wird Jahre in Anspruch nehmen. Der Südliche Corroboree-Frosch gilt als das prioritäre Froschgenom Australiens, da er als eine der symbolträchtigsten Amphibienarten des Landes unmittelbar vom Aussterben bedroht ist. Zwar zählt er zu den 110 priorisierten Arten im Threatened Species Action Plan der australischen Regierung – doch insgesamt stehen mehr als 2.200 Arten auf der nationalen Liste bedrohter Tier- und Pflanzenarten (Environment Protection and Biodiversity Conservation Act).
Ein Modellfall für den globalen Amphibienschutz?
Das Schwarzgelbe Scheinkrötchen steht sinnbildlich für eine globale Krise: Amphibien sind heute die am stärksten bedrohte Wirbeltiergruppe weltweit. Laut IUCN gelten über 40 Prozent aller bekannten Arten als gefährdet. Einer der Hauptverursacher dieses dramatischen Rückgangs ist der Chytridpilz, der bei Amphibien die tödliche Krankheit Chytridiomykose auslöst.
Diese Infektion befällt die Haut – ein zentrales Organ, über das Amphibien atmen, Wasser aufnehmen und ihren Salzhaushalt regulieren. Die Krankheit führt zu einer Verdünnung der Haut, stört die Osmoregulation und endet oft mit Herzversagen. Besonders in kühlen, feuchten Lebensräumen verbreitet sich der Pilz rasch. Auf allen Kontinenten außer der Antarktis hat er bereits Hunderte Arten dezimiert oder sogar ausgelöscht, darunter die Goldkröte und der Chiriqui-Harlekinfrosch.
Wenn es gelingt, mithilfe genetischer Forschung krankheitsresistente Populationen aufzubauen, könnten diese Erkenntnisse auch für andere Arten wegweisend sein. Die Südliche Corroboree-Scheinkröte hätte damit das Potenzial, weltweit Modell zu stehen – für eine neue Generation von Artenschutzstrategien.
Lehren aus dem Lazarus-Projekt: Die Magenbrüterfrösche
Wie bedeutsam genetisches Wissen nicht nur für den Erhalt, sondern auch für die potenzielle Wiederbelebung ausgestorbener Arten sein kann, zeigt ein De-Extinktionsprojekt aus Australien. Im Rahmen des sogenannten Lazarus-Projekts versuchte ein Forschungsteam um Mike Archer von der University of New South Wales, 2013 den Südlichen Magenbrüterfrosch (Rheobatrachus silus) mithilfe moderner Klontechniken wieder zum Leben zu erwecken. Diese Art gehört – wie auch der Corroboree-Frosch – zur Familie der Australischen Südfrösche und gilt seit 1983 als ausgestorben.
Der Frosch war einzigartig: Die Weibchen verschluckten ihre befruchteten Eier, stellten die Produktion von Magensäure ein und brachten ihre voll entwickelten Kaulquappen später durch den Mund zur Welt – ein weltweit einmaliger Fortpflanzungsmechanismus. Auch der später ausgestorbene Nördliche Magenbrüterfrosch (R. vitellinus) zeigte dieses außergewöhnliche Verhalten.
Zwar gelang es dem Lazarus-Team bislang nicht, lebensfähige Tiere zu erzeugen, doch ein entscheidender Fortschritt wurde erreicht: Zellkerne aus tiefgefrorenen Proben konnten erfolgreich reaktiviert und bis in ein frühes Embryonalstadium entwickelt werden. Dieser wissenschaftliche Durchbruch macht deutlich, welches Potenzial in der Kombination aus Genomarchivierung, Zellbiologie und Klontechnologie für künftige Strategien des Artenschutzes steckt.
Zukunft durch Gene?
Während die Magenbrüterfrösche als ausgestorben gelten und nur noch im Labor erforscht werden können, besteht für die Südliche Corroboree-Scheinkröte noch eine Chance. Die Entschlüsselung ihres Genoms markiert einen Wendepunkt: Sie eröffnet die Möglichkeit, gezielt krankheitsresistente Tiere zu züchten, stabile Populationen wieder aufzubauen und vielleicht sogar andere bedrohte Arten vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren.
Beide Geschichten – die der Corroboree-Scheinkröte und der Magenbrüterfrösche – machen deutlich, wie schmal der Grat zwischen Bewahrung und Verlust ist. Sie zeigen, wie entscheidend wissenschaftliche Forschung, geschützte Lebensräume, Erhaltungszucht, verlässliche Finanzierung und politischer Wille sind, um dem weltweiten Artensterben wirksam entgegenzutreten.
Quellen
- Kosch, T. A., Bentley, L., Johnson, R. N., Georges, A., & Hogg, C. J. (2025). A chromosome-level reference genome for the critically endangered Southern Corroboree frog (Pseudophryne corroboree) [version 1; peer review: awaiting peer review]. Wellcome Open Research, 10, 228. https://doi.org/10.12688/wellcomeopenres.19622.1
- Reardon, A. (2024, June 16). Bulk release of southern corroboree frog eggs boosts wild species survival hopes in Kosciuszko National Park. ABC News. https://www.abc.net.au/news/2024-06-16/bulk-egg-release-southern-corroboree-frog-kosciuszko/103974198
- Stock, P. (2025, April 30). Tiny ‘functionally extinct’ frog could be saved after scientists sequence genome. The Guardian. https://www.theguardian.com/environment/2025/apr/30/tiny-functionally-extinct-frog-could-be-saved-after-scientists-sequence-genome
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