Sudan: Das letzte Nördliche-Spitzmaulnashorn-Männchen, das 2018 verstarb
Das Tier auf dem Foto ist Sudan, das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn. Es starb im März 2018. Er hatte keine Hörner, da diese ihm zum Schutz vor Wilderern bewusst entfernt wurden. Lengai101, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)

Können wir das Nördliche Breitmaulnashorn noch retten?

Tief in der afrikanischen Savanne Kenias, im Tierreservat Ol Pejeta Conservancy, leben die letzten bekannten Vertreter ihrer Unterart: die 24-jährige Fatu und ihre 35-jährige Mutter Najin. Das Nördliche Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum cottoni), eine Unterart, steht am Rand des endgültigen Aussterbens. Doch internationale Forschungsteams setzen alles daran, mit modernster Biotechnologie eine Rettung dieser Tiere zu ermöglichen.

Die Geschichte von Fatu und Najin ist geprägt von jahrzehntelanger Wilderei und der Zerstörung ihres Lebensraums, wodurch die Population an den Rand des Aussterbens gedrängt wurde. Seit dem Tod des letzten bekannten Männchens, Sudan, im Jahr 2018 gilt das Nördliche Breitmaulnashorn als funktionell ausgestorben – eine natürliche Fortpflanzung ist nicht mehr möglich. Dank moderner Reproduktionstechnologien eröffnen sich allerdings neue Möglichkeiten für die Erhaltung der Unterart. Laut einem Bericht von News24 haben Wissenschaftler bereits 36 Embryonen entwickelt, die für eine Implantation in eine Leihmutter vorbereitet werden.

Der Niedergang des Nördlichen Breitmaulnashorns

Verbreitungsgebiet des Nördlichen Breitmaulnashorns
Verbreitung des Nördlichen Breitmaulnashorns laut IUCN:
Braun – Früheres Vorkommen (ausgestorben), Rot –Möglicherweise ausgestorben, Blau – Aktueller Schutzort (Ol Pejeta, Kenia). (© IUCN Red List of Threatened Species, species assessors and the authors of the spatial data., CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Das Nördliche Breitmaulnashorn war einst in Zentral- und Ostafrika weit verbreitet, von Uganda über den Tschad bis in den Sudan. Archäologische Funde belegen, dass es noch in der Antike im Niltal und sogar in Marokko vorkam. Doch jahrzehntelange Wilderei sowie die fortschreitende Zerstörung seines Lebensraums führten zu einem dramatischen Rückgang der Population. In den 1970er-Jahren sank der Bestand auf weniger als 40 Individuen im Garamba-Nationalpark (Demokratische Republik Kongo) – ein kritischer Tiefpunkt.

Obwohl Schutzmaßnahmen kurzfristig zu einer leichten Erholung führten, wurde diese Entwicklung durch die bürgerkriegsbedingte Instabilität der Region wieder zunichtegemacht. Insbesondere durch illegale Wilderei paramilitärischer Gruppen aus dem Sudan nahm die Population erneut rapide ab.

Bei Erhebungen im Jahr 2008 konnten keine Hinweise mehr auf wildlebende Exemplare gefunden werden. Daher wurde das Nördliche Breitmaulnashorn 2009 offiziell als in der Wildnis ausgestorben eingestuft. Zu diesem Zeitpunkt existierten nur noch acht Exemplare in menschlicher Obhut – sechs im Zoo Dvůr Králové (Tschechien) und zwei im San Diego Zoo Safari Park (USA). Da sich die Nashörner in Gefangenschaft kaum fortpflanzten, entschied man sich für eine letzte Rettungsmaßnahme: 2009 wurden vier Tiere in das Ol Pejeta Reservat in Kenia umgesiedelt, in der Hoffnung, dass eine naturnahe Umgebung ihre Fortpflanzung begünstigen würde.

Unter den umgesiedelten Nashörnern befand sich auch Sudan, das letzte bekannte männliche Individuum der Unterart. Er wurde bis zu seinem Tod im Jahr 2018 rund um die Uhr von bewaffneten Rangern bewacht. Heute existieren mit Najin und Fatu nur noch zwei lebende Vertreter dieser Unterart.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Nördliches Breitmaulnashorn, 1920  fotografiert von Herbert Lang
Männliches Nördliches Breitmaulnashorn, 1920 fotografiert vom deutschen Zoologen Herbert Lang.
Herbert Lang, Public domain, via Wikimedia Commons)

Da sowohl Najin als auch Fatu aufgrund von Gebärmutterproblemen keine Schwangerschaft austragen können, ist eine natürliche Fortpflanzung ausgeschlossen. Fatu ist jedoch das letzte Nashornweibchen ihrer Art, das noch lebensfähige Eizellen produziert, was sie zur Schlüsselfigur für die In-vitro-Fertilisation (IVF) macht.

Die von Fatu entnommenen Eizellen werden nach Europa transportiert und dort im Labor mit kryokonserviertem Sperma verstorbener Nördlicher Breitmaulnashörner befruchtet. Schätzungen zufolge könnten durch weitere Entnahmen etwa zehn zusätzliche Eizellen gewonnen werden, bevor die ovariellen Funktionen von Fatu nachlassen. Mittlerweile wurden 36 befruchtete Eizellen – oder Embryonen – entwickelt, die für eine Implantation bereitstehen. Da Fatu eine Schwangerschaft nicht selbst austragen kann, setzen Wissenschaftler auf eine nahe verwandte Unterart – das Südliche Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum simum) – als Leihmutter.

Das Südliche Breitmaulnashorn galt Ende des 19. Jahrhunderts bereits als ausgestorben, bis eine kleine Population in Südafrika wiederentdeckt wurde. Durch gezielte Schutzmaßnahmen konnte sich der Bestand erholen und wuchs bis 2012 auf über 20.000 Tiere an. Doch zunehmende Wilderei, insbesondere in Südafrika, führte zu einem erneuten dramatischen Rückgang – bis 2021 sank die Zahl auf etwa 15.940 Individuen. Trotz dieser Verluste ist das Südliche Breitmaulnashorn nach wie vor die mit Abstand häufigste Nashorn-Unterart weltweit und kommt neben Südafrika auch in Namibia, Botswana, Simbabwe, Uganda, Eswatini und Mosambik vor.

Durchbruch: Erster erfolgreicher Embryotransfer

Ein bedeutender Fortschritt wurde durch das Arterhaltungskonsortium BioRescue erzielt: 2023 gelang erstmals die erfolgreiche Implantation eines Embryos in eine Leihmutter, einem Südlichen Breitmaulnashorn. Obwohl der erste Versuch aufgrund einer bakteriellen Infektion der Leihmutter scheiterte, wurde die prinzipielle Durchführbarkeit der Methode nachgewiesen. Dies ebnet den Weg für die Übertragung eines Embryos des Nördlichen Breitmaulnashorns auf eine Leihmutter.

Dieser Fortschritt hat nicht nur für das Nördliche Breitmaulnashorn Bedeutung – die Technik könnte auch zur Rettung anderer stark bedrohten Arten wie des Sumatra-Nashorns beitragen, dessen Population in der Wildnis auf etwa 40 Individuen geschätzt wird. Die Unterart Nördliches Sumatra-Nashorn ist bereits ausgestorben.

Moderne Technologien als Schlüssel zum Überleben

Neben der IVF setzen Forscher auf innovative Stammzelltechnologien. In Zusammenarbeit mit japanischen Wissenschaftlern wird daran gearbeitet, aus Stammzellen neue Eizellen und Spermien zu generieren. Gelingt dies, könnte das genetische Material verstorbener Nashörner genutzt werden, um eine genetisch vielfältigere Population wiederherzustellen.

Auch ein Forschungsteam der Universität Oxford entwickelt eine alternative Methode: Es untersucht, ob unreife Eizellen aus den Eierstöcken verstorbener Nashörner gewonnen und im Labor herangereift werden können. Diese Methode könnte auch nach dem Tod von Fatu und Najin zur langfristigen Erhaltung der Art beitragen.

Ethische Fragen und Zukunftsaussichten

Die Erfolgswahrscheinlichkeit einzelner IVF-Versuche bleibt ungewiss. Bisherige Erfahrungen mit der Südlichen Breitmaulnashorn-Leihmutter zeigen, dass mehrere Versuche notwendig sein könnten. Angesichts der langen Tragzeit von bis zu 18 Monaten und zahlreicher potenzieller Komplikationen bleibt das Projekt mit hohen Unsicherheiten behaftet. Ein weiterer kritischer Punkt ist die geringe genetische Vielfalt. Wissenschaftler warnen, dass ein zu enger Genpool die Überlebenschancen der Art langfristig beeinträchtigen könnte.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die angewandten Techniken nicht nur das Nördliche Breitmaulnashorn retten, sondern auch für den Schutz weiterer bedrohter Arten von entscheidender Bedeutung sein werden.

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