Beifang Rochen
Rochen als Beifang: Schleppnetzfischerei führt häufig zur unbeabsichtigten Erbeutung von Rochen- und Haiarten – ein bedeutendes Problem für den Erhalt mariner Ökosysteme und die nachhaltige Nutzung von Meeresressourcen. PoojaRathod, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Haie, Rochen und Seekatzen: Ein Drittel steht vor dem Aussterben

Seit mehr als 420 Millionen Jahren haben Knorpelfische – Haie, Rochen und Seekatzen (Holocephali) – die Ozeane durchstreift und dabei fünf Massenaussterben überlebt. Doch nun zeigen ein Bericht der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) und eine aktuelle Studie im Fachjournal Science ein erschreckendes Bild: Ein Drittel aller Haie, Rochen und Seekatzen weltweit ist vom Aussterben bedroht.

Der IUCN-Bericht The Global Status of Sharks, Rays, and Chimaeras identifiziert globale und regionale Bedrohungen für 1.266 Arten dieser Tiergruppen. Die Studie Ecological Erosion and Expanding Extinction Risk of Sharks and Rays, deren Hauptautor der Meeresbiologe und Artenschutzexperte Nicholas K. Dulvy ist, belegt zudem, dass die Bestände von Haien und Rochen seit 1970 vor allem durch Überfischung um die Hälfte geschrumpft sind.

Wissenschaftler warnen vor einem zunehmenden Verlust dieser Arten und fordern dringend Maßnahmen, um Überfischung einzudämmen, den Handel zu regulieren und nachhaltige Fischereipraktiken zu etablieren. Ohne sofortige Schutzmaßnahmen könnten weitere Arten das Schicksal des Java-Stachelrochens (Urolophus javanicus) teilen, der 2023 von der IUCN als ausgestorben eingestuft wurde und als die erste durch menschliche Aktivitäten ausgestorbene Meeresfischart gilt. Auch von Suess‘ Zitterrochen aus dem Roten Meer und der Haiart Carcharhinus obsoletus aus dem Südchinesischen Meer fehlt jede Spur.

Bedrohungen für Haie, Rochen und Seekatzen

Knorpelfische spielen eine zentrale Rolle in marinen Ökosystemen. Sie regulieren Nahrungsketten, tragen zur Stabilisierung von Kohlenstoffspeichern bei und sichern die Lebensgrundlagen zahlreicher Küstengemeinden. Doch trotz ihrer ökologischen und wirtschaftlichen Bedeutung sind viele Knorpelfische heute stark gefährdet.

Die Hauptursache für ihren Rückgang ist laut dem IUCN-Bericht und der Studie die Überfischung, sowohl durch gezielte Befischung als auch durch Beifang. Weitere Bedrohungen umfassen den Klimawandel, der ihre Lebensräume verändert, die Plastikverschmutzung, die ihre Gesundheit beeinträchtigt, und die steigende Nachfrage nach Produkten wie Haifleisch, Leberöl und Rochenhäuten. Diese Faktoren zusammengenommen bringen viele Arten an den Rand des Aussterbens.

Überfischung als Hauptbedrohung

Haie und Rochen als Beifang
Ein Hai als Beifang: Haie fallen oft unbeabsichtigt der kommerziellen Fischerei zum Opfer, was zum Rückgang der Bestände beiträgt.
NOAA-NMFS, Public domain, via Wikimedia Commons)

Die Überfischung stellt laut dem IUCN-Bericht die größte Gefahr für Haie, Rochen und Seekatzen dar. Rund 67 Prozent dieser Arten sind allein durch exzessiven Fischfang gefährdet. Sowohl industrielle Fischereiflotten als auch kleine Küstenfischereien setzen die Bestände massiv unter Druck. Zu den führenden Fangnationen zählen Indonesien, Indien und Spanien. Besonders in Indonesien ist der Druck auf die Populationen enorm: Über 60 Prozent des gesamten Fangs von Haien und Rochen entfallen dort auf Rochenarten. Haiflossen, das wirtschaftlich wertvollste Produkt, werden in großen Mengen nach China und Taiwan exportiert, wo die Nachfrage ungebrochen hoch ist.

Laut der Science-Studie hat sich der weltweite Fang von Haien und Rochen zwischen 1950 und 2000 von 750.000 Tonnen auf 1,5 Millionen Tonnen verdoppelt, während der Fischereiaufwand im gleichen Zeitraum verdreifacht wurde. Besonders alarmierend ist der Rückgang der Populationen: Mehr als 100 Haiarten verzeichneten zwischen 1975 und 2009 einen Bestandsrückgang von über 80 Prozent.

Bereits eine Studie unter der Leitung von Global Fishing Watch, die im Januar letzten Jahres veröffentlicht wurde, wies auf ein weiteres Problem hin: Ein Großteil der globalen Fischereiaktivitäten wird von sogenannten „dunklen Flotten“ ausgeführt – Schiffe, die nicht öffentlich verfolgt werden und bis zu 76 Prozent der industriellen Fischerei ausmachen. Diese „unsichtbaren“ Aktivitäten finden sogar in Meeresschutzgebieten wie den Galápagos-Inseln statt, was den Schutz mariner Ressourcen erheblich erschwert.

Klimawandel: Veränderung der Lebensräume

Der Klimawandel verschärft die Bedrohung für Haie, Rochen und Seekatzen erheblich. Steigende Meerestemperaturen, die Versauerung der Ozeane und der Verlust kritischer Lebensräume wirken sich besonders negativ auf zehn Prozent der bereits bedrohten Arten aus. Arten in polaren Gewässern stehen vor neuen Herausforderungen: Sie müssen sich mit neuen Konkurrenten auseinandersetzen oder ihre angestammten Lebensräume ganz verlassen. Im Ostpazifik zeigt sich das Ausmaß dieser Bedrohung besonders deutlich: Hier gelten 23 Prozent der Haie als hochgradig anfällig für die Folgen des Klimawandels, während 76 Prozent moderat anfällig sind.

Neben dem Klimawandel verschärfen zusätzliche Faktoren die Situation, darunter der Verlust von Lebensräumen durch Küstenentwicklung, die Verschmutzung der Meere sowie der zunehmende Druck durch den Tourismussektor. Diese kumulativen Belastungen setzen die Populationen von Knorpelfischen unter enormen Druck und gefährden die Stabilität der marinen Ökosysteme.

Plastikverschmutzung: Unsichtbare Gefahr

Plastikmüll ist eine weitere ernsthafte Bedrohung für Haie, Rochen und Seekatzen. Studien zeigen, dass viele dieser Tiere Plastikpartikel aufnehmen, was ihre Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit stark beeinträchtigen kann. Besonders betroffen ist der Lebensraum des Fleckhais (Galeus melastomus), der Meeresboden, der in vielen Regionen stark mit Plastikmüll belastet ist. Eine Untersuchung in der Nähe Siziliens ergab, dass über 80 Prozent der Kleingefleckten Katzenhaie (Scyliorhinus canicula) Plastik in ihrem Verdauungstrakt hatten. Solche Funde verdeutlichen die weitreichenden Auswirkungen der Plastikverschmutzung auf marine Ökosysteme und die darin lebenden Arten.

Steigende Nachfrage nach Hai- und Rochenprodukten

Haifischflossen
Haiflossen als begehrtes Handelsgut: Der internationale Handel mit Haiflossen treibt die Überfischung zahlreicher Haiarten voran und stellt eine erhebliche Bedrohung für deren Bestände dar.
Cloneofsnake, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Die weltweite Nachfrage nach Produkten wie Haifleisch, Leberöl und Rochenhäuten hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Der Handel mit Haifleisch stieg von 157 Millionen USD in den frühen 2000er-Jahren auf 283 Millionen USD im Jahr 2016. Ein Drittel der bedrohten Tiefseehaie wird gezielt wegen ihres Fleisches und ihrer Lebern gefangen, aus denen Öl gewonnen wird. Darüber hinaus finden Körperteile bestimmter Arten auch Anwendung in der Medizin.

Besonders die wasserresistenten Häute von Rochen haben sich in den letzten Jahren als begehrtes Luxus-Lederprodukt etabliert – eine Alternative zu Schlangen- und Krokodilhäuten, die vor allem in Asien stark nachgefragt wird. Laut dem IUCN-Bericht sind derzeit 70 Prozent der 29 gehandelten Rochenarten vom Aussterben bedroht, doch nur wenige von ihnen stehen auf den CITES-Listen, die den internationalen Handel regulieren.

Besorgniserregend ist zudem der Trend, ständig neue Verwendungsmöglichkeiten für Haie und Rochen zu erschließen. Dieser treibt die Nachfrage weiter in die Höhe und verstärkt den Druck auf die ohnehin gefährdeten Bestände.

Das Aussterberisiko von Haien und Rochen

Die im Dezember 2024 veröffentlichte Studie zeigt, dass das Aussterberisiko für große und mittelgroße Haie und Rochen höher ist als für kleinere Arten. Der Rückgang ihrer Bestände begann ab 1970 in Flüssen, Flussmündungen und Küstengewässern und hat sich seitdem bis in die offenen Ozeane ausgeweitet. Besonders betroffen sind große, küstennah lebende Arten, die einen signifikanten Rückgang ihrer Populationen verzeichnen.

Mantarochen
Haie und Rochen sind aufgrund ihrer langsamen Fortpflanzungsraten besonders anfällig für Überfischung. So wird der Riesenmanta (Mobula birostris) erst nach acht bis zehn Jahren geschlechtsreif und bringt nur alle drei bis vier Jahre ein einziges Junges zur Welt.
NOAA Photo Library, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)

Aktuell sind ein Drittel der erfassten Hai- und Rochenarten in einer der Bedrohungskategorien der Roten Liste der IUCN eingestuft („gefährdet“, „stark gefährdet“ oder „vom Aussterben bedroht“). Damit gehören sie nach den Amphibien zu den am stärksten bedrohten Wirbeltiergruppen.

Um das Aussterberisiko systematisch zu bewerten, entwickelte die Studie den sogenannten Red List Index (RLI). Dieser Index reicht von 1 (alle Arten sind sicher) bis 0 (alle Arten sind ausgestorben). Ein niedrigerer Wert zeigt ein höheres Aussterberisiko an. Der neue RLI für Haie und Rochen soll helfen, Fortschritte im Schutz der Ozean-Biodiversität zu messen, die am meisten gefährdeten Arten und Regionen zu identifizieren und gezielte Schutzmaßnahmen zu entwickeln.

Die Forscher analysierten den RLI über einen Zeitraum von 50 Jahren, von 1970 bis 2020, und stellten fest, dass er in diesem Zeitraum um 19 Prozent gesunken ist – ein alarmierender Hinweis auf das gestiegene Aussterberisiko. Besonders betroffen sind Arten wie Teufelsrochen, Adlerrochen, Hammerhaie, Requiemhaie, Engelshaie und Tiefseehaie. Diese Arten erfüllen zentrale ökologische Funktionen, und ihr Rückgang hat bereits zu einem Verlust der funktionalen Vielfalt von Haien und Rochen um 22 Prozent geführt, was die Gesundheit mariner Ökosysteme gefährdet.

Die Studie identifizierte auch sogenannte „dunkle Flecken“, Regionen mit besonders schwachem Fischereimanagement, in denen die Bestände drastisch zurückgehen. Dazu zählen die Gewässer zwischen Japan und Taiwan, Indonesien und Papua-Neuguinea, der Golf von Bengalen sowie der westliche Indische Ozean. Gleichzeitig wurden auch „helle Flecken“ hervorgehoben: In den Gewässern vor den USA, Kanada, Großbritannien, Europa, Australien, Neuseeland und Teilen Südafrikas konnten durch nachhaltiges, wissenschaftlich fundiertes Fischereimanagement Erfolge erzielt und das Aussterberisiko für Haie und Rochen verringert werden.

Was zum Schutz von Haien, Rochen und Seekatzen getan werden muss

Die IUCN und die Autoren der Studie betonen die Dringlichkeit entschiedener Maßnahmen, um Haie, Rochen und Seekatzen vor dem Aussterben zu bewahren. Ein zentraler Ansatz ist das nachhaltige Fischereimanagement, wie es in Ländern wie Australien und den USA erfolgreich umgesetzt wird. Hier reduzieren wissenschaftlich fundierte Fangquoten und streng überwachte Fischereipraktiken den Druck auf die Bestände enorm. Zudem ist der Einsatz umweltschonender Fangmethoden, die Beifang minimieren, von entscheidender Bedeutung.

Ein weiterer entscheidender Schritt ist der Schutz kritischer Lebensräume. Die Initiative Important Shark and Ray Areas (ISRAs) identifiziert weltweit bedeutende Lebensräume dieser Arten und unterstützt die Schaffung von Meeresschutzgebieten, die speziell auf den Schutz von Haien und Rochen ausgerichtet sind.

Auch der internationale Handel muss stärker reguliert werden. Strengere Handelsbestimmungen und neue Listungen im Rahmen von CITES (dem internationalen Abkommen über den Handel mit gefährdeten Arten) könnten den Druck auf Haiflossen, Rochenhäute und andere Produkte reduzieren. Solche Handelsregulierungen sind essenziell, um die Ausbeutung dieser Tiere zu begrenzen.

Zudem müssen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels intensiviert werden. Die Reduzierung von CO₂-Emissionen ist unerlässlich, um die Erwärmung und Versauerung der Ozeane einzudämmen, die vor allem gefährdete Arten erheblich beeinträchtigen.

Nicht zuletzt spielt die Aufklärung und Bildung eine wesentliche Rolle. Eine gut informierte Öffentlichkeit kann den gesellschaftlichen Druck erhöhen, nachhaltigere Fischereipraktiken und strengere Handelsregulierungen zu fördern. Das Bewusstsein für die Bedeutung von Haien, Rochen und Seekatzen als Schlüsselspezies in marinen Ökosystemen muss gestärkt werden.

Nur durch eine Kombination aus wissenschaftlich fundiertem Management, gezielten Schutzmaßnahmen, verstärkter Bildung und globaler Zusammenarbeit können die weiteren ökologischen Verluste gestoppt und das Überleben der Knorpelfisch-Arten gesichert werden.

Quellen

  • Dulvy, N. K., Pacoureau, N., Pollom, R. A., Booth, H., Maire, E., Fiorenza, E., … & Simpfendorfer, C. A. (2024). Ecological erosion and expanding extinction risk of sharks and rays. Science, 386, eadn1477. https://doi.org/10.1126/science.adn1477
  • IUCN. (2024). The global status of sharks, rays and chimaeras. International Union for Conservation of Nature. https://doi.org/10.59216/ssg.gsrsrc.2024
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