Prachtmoho (Moho nobilis)
Der Prachtmoho (Moho nobilis) ist ein typisches Beispiel für in der Studie genannte Risikofaktoren wie Inselendemismus und ökologische Spezialisierung, die ihn 1934 aussterben ließen. (© Doreen Fräßdorf, fotografiert im Muséum national d’histoire naturelle in Paris, Frankreich, 2024)

Gemeinsame Merkmale ausgestorbener Vögel: Ein Blick in die Vergangenheit

Seit der Neuzeit sind über 200 Vogelarten nachweislich ausgestorben oder verschwunden – Tendenz steigend. Viele weitere Fälle bleiben vermutlich unentdeckt, insbesondere auf Inseln oder in abgelegenen Gebieten. Prognosen zeigen, dass die Geschwindigkeit des Artenverlusts weiter zunehmen wird, was den Handlungsbedarf im Artenschutz unterstreicht.

Eine aktuelle Studie der University of Utah widmet sich den Merkmalen der seit 1500 ausgestorbenen Vogelarten, um herauszufinden, welche biologischen Eigenschaften und Umweltfaktoren das Risiko des Vogel-Aussterbens erhöhen. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere inselendemische, flugunfähige, großwüchsige und ökologisch spezialisierte Vögel gefährdet sind. Überraschenderweise wiesen auch Arten mit spitzeren Flügeln ein erhöhtes Risiko für ein frühes Aussterben auf.

Biologische Merkmale: Was macht Vögel anfällig für das Aussterben?

Von den untersuchten 216 ausgestorbenen Arten lebten 88 Prozent ausschließlich auf Inseln. Etwa die Hälfte aller im Jahr 1500 noch existierenden, auf Inselvogelarten sind heute entweder ausgestorben oder vom Aussterben bedroht. Die begrenzte Fläche von Inseln führt zu kleinen Populationen und einem Mangel an Rückzugsorten, wodurch diese Arten im Durchschnitt früher verschwanden als Festlandarten.

ein Beispiel für Vogel-Aussterben: Rodrigues-Solitär (Pezophaps solitaria)
Der Rodrigues-Einsiedler war groß, flugunfähig und inselendemisch – Faktoren, die sein hohes Aussterberisiko bestimmten.
Internet Archive Book Images, No restrictions, via Wikimedia Commons)

Ein starker Zusammenhang besteht zwischen Flugunfähigkeit und dem Leben auf Inseln. Von den 41 flugunfähigen Vogelarten, die in der Neuzeit verschwunden sind, lebten 95 Prozent auf Inseln. Flugunfähigkeit erhöht die Anfälligkeit gegenüber eingeführten Raubtieren und menschlicher Jagd erheblich. Auch eine größere Körpermasse birgt Risiken: Inselvögel wie der Dodo, der Rodrigues-Solitär, der Riesenalk oder der Brillenkormoran sind tendenziell größer als Festlandsarten, diese Größe machte sie jedoch anfälliger für Jagd und erschwerte die Erholung nach Populationseinbrüchen.

Spitzere Flügel, die eigentlich eine bessere Flugfähigkeit und Mobilität suggerieren, waren ebenfalls mit einem früheren Aussterben verbunden. Zudem starben ökologisch spezialisierte Arten früher aus. Hoch spezialisierte Arten leben meistens auf Inseln und sind anfälliger, da sie stärkeren Einschränkungen in Bezug auf Nahrung und Lebensraum unterliegen. Generalistische Arten hingegen überleben besser, da sie unter vielfältigen Bedingungen gedeihen können.

Welche Vogelgruppen sind am meisten gefährdet?

Die Familien mit den meisten ausgestorbenen Vogelarten in den letzten fünf Jahrhunderten sind die Rallen (Rallidae) gefolgt von Finken (Fringillidae), Papageien (Psittacidae) und Tauben (Columbidae). Rallen gelten dabei als besonders anfällig: Ein Drittel der heute noch lebenden Arten ist global bedroht. Seit 1500 sind 26 Rallenarten verschwunden, doch die prähistorischen Verluste wiegen noch schwerer. Schätzungen zufolge fielen hunderte, möglicherweise über tausend flugunfähige Rallenarten – vor allem im Pazifik – der menschlichen Besiedlung von Inseln zum Opfer. Zu den in jüngerer Zeit ausgestorbenen Rallen gehören unter anderem die Dieffenbach-Ralle und die Tongatapu-Ralle.

Hotspots des Artensterbens

Hawaii ist der globale Hotspot für Vogelaussterben. Seit 1500 sind 34 Vogelarten auf Hawaii ausgestorben, darunter 23 Kleidervögel (Drepanidini). Habitatzerstörung, eingeschleppte Raubtiere und Vogelmalaria, verbreitet durch versehentlich eingeführte Moskitos, haben zunächst hawaiianische Tiefland-Endemiten ausgerottet. Doch mit dem Klimawandel und den steigenden Temperaturen hat sich die Krankheit auch in höher gelegene Waldgebiete ausgebreitet, was zu Verlusten bei den verbliebenen Kleidervögel führt. Arten wie der ‘Akikiki (Oreomystis bairdi), von dem es im Jahr 2022 nur noch 70 Exemplare gab, sind vermutlich bald in der Wildnis ausgestorben oder ganz verschwunden. Das jüngste Aussterben hawaiianischer Arten führte zur vollständigen Auslöschung der Vogelfamilie Mohoidae. Das letzte Mitglied, der Schuppenkehlmoho, wurde 1987 zuletzt gesichtet.

Neben Hawaii zählen die Maskarenen, Französisch-Polynesien und die Neuseeländischen Inseln zu den bedeutendsten Hotspots für Vogelaussterben. Gemeinsam sind diese Regionen Heimat vieler noch existierender, aber stark bedrohter Arten, deren Schutz dringend intensiviert werden muss.

Aus der Vergangenheit lernen

Die Studie verdeutlicht, dass bestimmte Merkmale das Risiko des Aussterbens erheblich erhöhen. Besonders inselendemische und hoch spezialisierte Arten sind weiterhin stark bedroht. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten eine wertvolle Grundlage, um Schutzmaßnahmen gezielt auf die gefährdetsten Arten auszurichten und deren Überleben zu sichern.

Trotz jüngster Bemühungen, wie etwa spezialisierter Erhaltungsprogramme für hawaiianische Vögel, bleibt die globale Aussterberate hoch. Die Ergebnisse der Forschung unterstreichen die Dringlichkeit verstärkter Maßnahmen, um den fortschreitenden Verlust biologischer Vielfalt zu stoppen und die Zukunft bedrohter Vogelarten zu sichern.

Die Studie hilft, die Faktoren zu entschlüsseln, die in der Vergangenheit zum Aussterben vieler Arten führten, und bietet eine fundierte Basis, um aktuelle Schutzstrategien zu verbessern. Sie macht deutlich, wie entscheidend es ist, gefährdete Vogelarten rechtzeitig durch gezielte, globale Erhaltungsprogramme zu schützen, bevor sie unwiederbringlich verloren gehen.

Quelle

  • Kyle D. Kittelberger, Colby J. Tanner, Amy N. Buxton, Amira Prewett, Çağan Hakkı Şekercioğlu (2024). Correlates of avian extinction timing around the world since 1500 CE. Avian Research Volume 15, 100213, ISSN 2053-7166. https://doi.org/10.1016/j.avrs.2024.100213.
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