Ein Bericht zeigt, dass es um die Biodiversität in Deutschland schlecht steht: Rund ein Drittel der erfassten Arten sind gefährdet, viele Lebensräume befinden sich in einem schlechten Zustand.
Der am 1. Oktober 2024 veröffentlichte Faktencheck Artenvielfalt ist mit über 1.000 Seiten der umfassendste Bericht über den Zustand der Biodiversität in Deutschland. Er liefert eine Bestandsaufnahme der Artenvielfalt, identifiziert Trends und Treiber des Artensterbens und gibt konkrete Handlungsempfehlungen, um dem Verlust entgegenzuwirken. Der Bericht dient auch als Orientierung für die Politik und Maßnahmen auf nationaler Ebene. Mehr als 150 Wissenschaftler aus 75 Institutionen haben an diesem Bericht gearbeitet. Die Initiative wird vom Bundesforschungsministerium finanziert.
Bestände vieler Arten in Deutschland rückläufig
Von den etwa 72.000 heimischen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten wurden etwa 40 % hinsichtlich der Gefährdung ihrer Populationen untersucht und in Roten Listen erfasst. Fast ein Drittel dieser Arten gilt als bestandsgefährdet, das heißt, sie sind entweder stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht und etwa 3 % der Arten gelten als ausgestorben:
- Reptilien und Amphibien: Insgesamt sind 69 % der Reptilien- und 50 % der Amphibienarten in Deutschland gefährdet. Diese Gruppen leiden besonders stark unter Lebensraumverlust und anderen Umweltbelastungen.
- Insekten: Bei vielen Insektenarten, wie Ameisen (52 %), Bienen (48 %) und Tagfaltern (41 %), sind die Bestände gefährdet. Dies betrifft vor allem Arten, die auf spezialisierte oder seltene Lebensräume angewiesen sind.
- Fischarten: 42 % der Süßwasserfische und Neunaugen sind gefährdet, insbesondere in belasteten Gewässern.
- Vögel im Agrarland: Vogelarten, die in intensiv genutzten Agrarlandschaften leben, wie der Kiebitz oder die Feldlerche, verzeichnen starke Rückgänge aufgrund der veränderten Landnutzung. Vögel im Agrarland haben in den letzten 40 Jahren mehr als die Hälfte ihrer Population verloren.
Obwohl diese Gruppen stark gefährdet sind, fehlen für viele Artengruppen, insbesondere für wirbellose Tiere, ausreichende Daten, um eine genaue Einstufung vornehmen zu können. Die Boden-Biodiversität, die für die Gesundheit von Ökosystemen von entscheidender Bedeutung ist, wird in den Roten Listen bisher nur zu weniger als 5 % abgebildet. Dies erschwert verlässliche Aussagen über den Zustand der biologischen Vielfalt im Boden.
Über die Hälfte der Lebensräume in Deutschland ist in einem schlechten Zustand. Rund 60 % der Lebensraumtypen zeigen rückläufige Tendenzen, insbesondere Grünland, Äcker, Moore und Küstengewässer. Auch in Städten gehen naturnahe Lebensräume durch Ausbau und Verdichtung verloren. Positive Entwicklungen gibt es nur vereinzelt, wie bei Laubwäldern, die jedoch durch den Klimawandel bedroht sind.
Positive Trends in der Artenvielfalt
Der Verlust an biologischer Vielfalt trifft besonders jene Arten trifft, die spezialisierte Lebensräume benötigen, welche zunehmend verschwinden. Es gibt aber auch positive Trends, die sich bei bei einigen Artengruppen, insbesondere Säugetiere, Vögel, Tagfalter und Libellen, zeigen. Solche Arten sind in der Lage, sich an unterschiedliche Lebensräume anzupassen, sodass ihre Bestände teilweise zugenommen haben:
- Waldvögel: Häufige Waldvogelarten, wie der Buchfink oder der Waldkauz, zeigen teils positive Bestandstrends, da ihre Lebensräume aktuell weniger stark belastet sind.
- Libellen: Einige Arten von Libellen und andere Fließgewässerarten profitieren von Schutzmaßnahmen an Gewässern und zeigen eine Erholung der Bestände.
- Säugetiere: Arten wie der Rotfuchs oder der Dachs haben stabile oder steigende Populationen, da sie gut an verschiedene Lebensräume angepasst sind.
Eine große Rolle spielen auch invasive Arten in Deutschland. Fremde Arten können in Städten manchmal sogar die Biodiversität fördern. Von den 1.015 gebietsfremden Arten gelten hierzulande allerdings 107 als invasiv, da sie heimische Arten, besonders in Flüssen und Küstengewässern, verdrängen. Auf dem Land sind Pflanzen wie der Staudenknöterich und Tiere wie der Waschbär problematisch, während eingeschleppte Pilzkrankheiten heimische Bäume, Insekten und Amphibien bedrohen.
Den negativen Trends entgegenwirken
Der größte Druck auf die biologische Vielfalt kommt durch Lebensraumverlust und die Intensivierung der Landwirtschaft, wobei auch der Klimawandel erste spürbare Effekte zeigt. Dennoch gibt es positive Entwicklungen, etwa durch verbesserte Wasserqualität und die Förderung natürlicher Strukturen in Wäldern und Agrarlandschaften. Um den Biodiversitätsverlust zu stoppen, sind verstärkte Wiederherstellungsmaßnahmen und eine naturfreundliche Wirtschaftsweise notwendig, unterstützt durch erfolgsbasierte Anreize und rechtliche Verankerungen.
Die Wissenschaftler des Berichts betonen, dass es notwendig ist, Wirtschaft, Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Fischerei so zu gestalten, dass Ökologie und Ökonomie miteinander verbunden werden. Statt sich aus der Natur zurückzuziehen, sollten Menschen lernen, ihre Lebensräume mit denen der Tiere in Einklang zu bringen. Es gilt, Wege zu finden, wie mehr Raum für Tiere geschaffen werden kann, ohne die menschlichen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Der Faktencheck Artenvielfalt liefert wissenschaftliche Grundlagen und zeigt, dass biologische Vielfalt das Wohlergehen und die Wirtschaft stärkt.
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