Im April 2025 veröffentlichten der Copernicus Climate Change Service (C3S) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) den European State of the Climate Report 2024 (ESOTC). Der Bericht zeigt deutlich: Der Klimawandel ist in Europa längst Realität – mit gravierenden Folgen für die Artenvielfalt.
2024: Rekordhitze und der Verlust klimatischer Stabilität
Das Jahr 2024 markiert einen historischen Wendepunkt: Erstmals überschritt die globale Durchschnittstemperatur die symbolische Grenze von 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau – ein Schwellenwert, den die Klimaforschung seit Jahren als kritisch einstuft. Europa erwärmte sich im gleichen Zeitraum sogar etwa doppelt so stark wie der globale Durchschnitt, mit einem Temperaturanstieg von durchschnittlich 2,4 Grad Celsius seit den 1980er-Jahren.
Diese beschleunigte Erwärmung führt zu tiefgreifenden Veränderungen von Lebensräumen – vor allem für jene Arten, die auf kühle, stabile oder jahreszeitlich klar strukturierte Umweltbedingungen angewiesen sind. Sie geraten zunehmend unter Druck, weil ihre ökologischen Nischen schwinden – oft schneller, als sie sich anpassen oder ausweichen können.
Schmelzende Gletscher, steigende Meere – Verlust von Lebensräumen
Die Gletscher in Skandinavien und auf Spitzbergen verzeichneten 2024 ihre höchste jemals gemessene Masseverlustrate – sie gehören damit zu den am schnellsten schmelzenden Gletscherregionen der Welt. Diese drastischen Rückgänge betreffen nicht nur alpine Ökosysteme, sondern wirken sich auch auf das Wassersystem ganzer Regionen aus – von der Quellregion bis in die Tieflandflüsse.
Zugleich erreichten die Wassertemperaturen in europäischen Seen und Meeren neue Rekordwerte. Besonders betroffen ist das Mittelmeer, ein globaler Hotspot der Artenvielfalt. Dort führen Überhitzung, Sauerstoffmangel und das Vordringen invasiver Arten zu einem massiven Verlust an ökologischer Stabilität – mit teils irreversiblen Folgen für viele heimische Tier- und Pflanzenarten. Manche von ihnen sind dadurch akut vom Aussterben bedroht.
Extremwetter als direkte Bedrohung

(© Carl Osbourn, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons)
Das Jahr 2024 war in Europa von einer Häufung extremer Wetterereignisse geprägt:
- Südosteuropa verzeichnete den heißesten Sommer seiner Geschichte: 43 Hitzetage innerhalb von nur 97 Tagen sowie die längste je dokumentierte Hitzewelle belasten Mensch, Tier und Vegetation gleichermaßen.
- Waldbrände, vor allem in Griechenland, zerstörten großflächig Wälder, Buschlandschaften und wertvolle Lebensräume – darunter auch Rückzugsorte für bedrohte Arten.
- Gleichzeitig kam es zu extremen Starkregenereignissen und Überschwemmungen, etwa im Zuge von Sturm Boris, der mehrere Länder Zentral- und Osteuropas traf. Hunderte Menschen verloren ihr Leben. Ökologische Schäden betrafen vor allem Auenlandschaften, Flussufer und Brutgebiete seltener Vogelarten.
Die ökologische Bilanz ist besorgniserregend: Fortpflanzungszyklen vieler Arten wurden gestört, Blüh- und Brutzeiten verschoben sich, Nahrungsnetze brachen lokal zusammen – mit langfristigen Folgen für die Stabilität ganzer Ökosysteme.
Klimarekorde, Extremwerte – und ihre Folgen für Mensch und Natur
Europa blickt auf ein Jahr der Superlative zurück: 2024 war nicht nur das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, sondern auch geprägt von einer Vielzahl meteorologischer Extremwerte. Die Zahl der Tage mit starkem Hitzestress und Tropennächten erreichte den zweithöchsten Stand aller Zeiten. Zugleich nahm die Fläche mit weniger als 90 Frosttagen im Jahr so stark zu wie nie zuvor – ein klares Anzeichen für den Verlust stabiler, saisonaler Klimabedingungen. Die Zahl der Kältestresstage sank auf einen historischen Tiefstand.

(© Hubert Koch, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Südosteuropa traf es besonders hart: Hier wurde nicht nur die längste Hitzewelle Europas registriert, auch der Sommer war der trockenste der letzten zwölf Jahre. Flüsse führten gebietsweise außergewöhnlich wenig Wasser, und die Variabilität der Sommerniederschläge nimmt weiter zu – mit gravierenden Folgen für Landwirtschaft, Wasserversorgung und Ökosysteme.
Die gesundheitlichen Risiken steigen parallel: Laut dem Weltklimarat (IPCC) könnten bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad Celsius jährlich bis zu 30.000 hitzebedingte Todesfälle in Europa auftreten – mit besonders hohen Belastungen in Südosteuropa.
Auch die Gewässer reagierten spürbar auf die Erwärmung: Die Mittelmeerregion und europäische Seen erreichten 2024 ihre jeweils höchsten je gemessenen Oberflächentemperaturen. In Skandinavien und auf Spitzbergen verloren die Gletscher so viel Masse wie nirgendwo sonst weltweit – ein Rekord an Verlust in nur einem Jahr.
Gleichzeitig trafen andere Regionen Europas extreme Niederschläge: Westeuropa verzeichnete eines der zehn nassesten Jahre seit 1950. Besonders dramatisch war die Lage in Valencia (Spanien), wo historische Regenmengen zu massiven Überschwemmungen führten.
Trotz all dieser Belastungen gibt es auch positive Entwicklungen: Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Europa erreichte 2024 einen neuen Höchststand von 45 Prozent – ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Transformation.
Auch die Arktis im Wandel
Nicht nur Europa steht unter wachsendem Klimadruck – auch die Arktis, eine der empfindlichsten Regionen der Erde, gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht. Im Jahr 2024 verzeichnete sie ihr drittwärmstes Jahr insgesamt und das viertwärmste an Landflächen seit Beginn der Aufzeichnungen.
In der norwegischen und der Barentssee wurden im August und September Rekordtemperaturen gemessen. Gleichzeitig war die Meereisbedeckung in der Barentssee und der Hudson Bay deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt – mit einem ungewöhnlich späten Gefrierbeginn im Herbst.
Besorgniserregend sind auch die Kohlenstoffemissionen aus arktischen Waldbränden, die 2024 den dritthöchsten Wert in der 22-jährigen Satellitenbeobachtung erreichten. Selbst Regionen, die einst als „ewig kalt“ galten, zeigen heute klare Anzeichen klimatischer Instabilität – mit unbekannten Folgen für globale Wetterdynamik, Meeresspiegel und Artenvielfalt.
Städte: Fortschritte bei der Anpassung – aber Risiken bleiben hoch
Europäische Städte zeigen zunehmend Fortschritte bei der Anpassung an den Klimawandel. Technische Lösungen wie Hitzeschutzmaßnahmen, naturbasierte Ansätze wie Stadtbegrünung und organisatorische Maßnahmen – etwa Frühwarnsysteme – stärken die Resilienz gegenüber Klimaextremen.
Doch die Herausforderungen bleiben groß: Vor allem Starkregen und Überschwemmungen stellen eine akute Bedrohung für urbane Infrastrukturen, Versorgungsnetze und die Bevölkerung dar. Viele Städte sind weiterhin nur unzureichend vorbereitet auf die Intensität und Häufigkeit extremer Wetterereignisse – und besonders kleinere Kommunen verfügen oft nicht über die nötigen Ressourcen für wirksame Klimaanpassung.
ESOTC 2024: Daten & Fakten
Globale Durchschnittstemperatur | +1,5 °C über vorindustriellem Niveau (erstmals 2024 erreicht) |
Temperaturanstieg Europa (seit 1850) | +2,4 °C |
Wärmste Jahre Europas | Die 10 wärmsten Jahre traten alle nach 2007 auf – 2024 ist Rekordjahr |
Gletscherschwund (Europa gesamt) | -915 km³ seit 1976 |
Mittelmeer-Meerestemperatur | +1,3 °C gegenüber 1980er-Jahren |
Flächen mit < 90 Frosttagen | Größte Ausdehnung seit Beginn der Aufzeichnungen |
Waldbrandbetroffene Menschen | 42.000 Personen in Europa 2024 |
Extremwetter-bedingte Todesopfer | mind. 335 Menschen, 85 % durch Überschwemmungen |
Klimawandel = Artensterben
Die Verbindung zwischen Klimakrise und Artensterben ist wissenschaftlich gut belegt. Steigende Temperaturen, veränderte Niederschlagsmuster, häufigere Extremwetterereignisse und das Zusammenbrechen ökologischer Gleichgewichte wirken wie ein multipler Belastungsfaktor für viele Tier- und Pflanzenarten.
Besonders betroffen sind:
- Amphibien, die auf feuchte, kühle Lebensräume angewiesen sind – Dürreperioden und Hitzesommer lassen ihre Fortpflanzungsgewässer verschwinden.
- Insekten, die unter Hitzestress, verschobenen Blühzeiten und Nahrungsmangel leiden.
- Gebirgsarten, deren Lebensräume in höheren Lagen durch Gletscherschwund und steigende Baumgrenzen zunehmend verschwinden.
- Küstenvögel, deren Brutplätze durch Meeresspiegelanstieg und Überflutungen verloren gehen.
Die Klimakrise wirkt also nicht isoliert, sondern verstärkt bestehende Gefährdungen – mit teils irreversiblen Folgen für die Biodiversität.
Tierische Beispiele aus Europa: Wie der Klimawandel Arten bedroht
Der Klimawandel wirkt sich nicht auf abstrakte Weise, sondern ganz konkret auf einzelne Arten aus. Besonders deutlich zeigen sich die Folgen bei Tieren, die auf bestimmte Lebensbedingungen angewiesen sind oder ohnehin bereits unter Druck stehen. Hier einige Beispiele aus Europa:

(© Tim Bowman, Public domain, via Wikimedia Commons)
- Tagfalter in Mitteleuropa: Hitzewellen, Dürre und veränderte Blühzeiten setzen vielen Schmetterlingsarten zu. Die früher weit verbreitete Goldene Acht (Colias hyale) findet in trockenen Sommern oft keine geeigneten Futterpflanzen mehr – vor allem ihre Raupen, die auf Kleearten angewiesen sind, sind betroffen. Neben dem Einsatz von Pestiziden wirkt sich vor allem der Klimawandel negativ aus, da er zur Verinselung geeigneter Lebensräume führt und die Wanderfähigkeit der Falter einschränkt.
- Hochgebirgsvögel: Der Klimawandel bedroht besonders Arten, die in hochalpinen Regionen leben. Erwärmung, Gletscherrückgang und steigende Baumgrenzen führen dazu, dass ihre Lebensräume schrumpfen. Auch häufigere Extremwetterereignisse wie Starkregen oder späte Schneefälle belasten das Brutgeschehen. Zu den gefährdeten Arten zählen das Alpenschneehuhn (Lagopus muta), die Alpenbraunelle (Prunella collaris) und der Bergpieper (Anthus spinoletta).
- Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans): Diese Amphibienart ist stark an kühle, feuchte Lebensräume gebunden. Hitzesommer und Dürrephasen lassen Tümpel frühzeitig austrocknen – oft bevor sich die Kaulquappen vollständig entwickeln können. Hinzu kommen Hitzestress und UV-Strahlung, die die Laichstadien empfindlich schädigen.
- Wildbienenarten: Die Erderwärmung trifft insbesondere spezialisierte Wildbienen, deren Lebensweise stark an bestimmte Pflanzen oder Bodentypen gebunden ist. Starke Regenfälle überschwemmen die Nester bodenbrütender Arten, während Dürreperioden Blühpflanzen frühzeitig absterben lassen. Zusätzlich führen verschobene Blühphasen zu einem „phänologischen Mismatch“ – Nahrung und Bestäuber passen zeitlich nicht mehr zusammen. Die aktuelle Rote Liste der Wildbienen in Baden-Württemberg zeigt: Nahezu jede zweite Art ist inzwischen gefährdet.
- Papageitaucher (Fratercula arctica): Als Seevogel ist der Papageitaucher stark vom Zustand der Meere abhängig. Die Erwärmung der Ozeane verschiebt das Vorkommen seiner Beutefische, was zu Nahrungsknappheit und sinkendem Bruterfolg führt. Weitere Belastungen sind extreme Wetterereignisse, Überfischung, Küstenbebauung und invasive Arten. Die IUCN führt den Papageitaucher mittlerweile als gefährdet.
Klimaschutz ist Artenschutz
Der European State of the Climate Report 2024 (ESOTC) ist vielmehr Weckruf als Bestandsaufnahme. Er zeigt, wie tiefgreifend die Klimaerwärmung bereits heute unsere Ökosysteme verändert und das Überleben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten gefährdet.
Gleichzeitig macht der Bericht deutlich: Es gibt Handlungsspielräume. Mit gezielten Schutzmaßnahmen, naturbasierten Lösungen und dem konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien lassen sich Lebensräume bewahren und neue ökologische Resilienz aufbauen.
Um die biologische Vielfalt zu bewahren, sind nun entschlossene Maßnahmen auf allen Ebenen gefragt – von der Politik über die Kommunen bis hin zu jedem Einzelnen. Denn jeder Fortschritt im Klimaschutz ist auch ein Schritt gegen das Artensterben.
Quelle
- Copernicus Climate Change Service (C3S) and World Meteorological Organization (WMO), 2025: European State of the Climate 2024 climate.copernicus.eu/ESOTC/2024, doi.org/10.24381/14j9-s541
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