Einst beherrschten Moas die Landschaften Neuseelands – teils riesige, flugunfähige Vögel, die zu den größten Vögeln der Erdgeschichte zählten. Heute sind sie verschwunden, nur noch fossile Überreste erinnern an sie. Doch wie konnte eine ganze Tiergruppe innerhalb weniger Jahrhunderte ausgelöscht werden? Und was verrät ihr Verschwinden über den Einfluss des Menschen auf die Natur?
Moas gehörten zur Gruppe der Laufvögel, einer uralten Linie flugunfähiger Vögel, zu der auch Strauße, Emus und Kiwis zählen. In Neuseeland entwickelten sich neun verschiedene Arten, die sich in Größe, Lebensraum und Lebensweise unterschieden. Die größten Vertreter, die Riesenmoas (Dinornis robustus und D. novaezealandiae), konnten eine Körperhöhe von über drei Metern und ein Gewicht von mehr als 250 Kilogramm erreichen. Kleinere Arten wie der Küstenmoa (Euryapteryx curtus) blieben mit rund einem Meter Größe deutlich kompakter.
Diese Vögel bewohnten nahezu alle Ökosysteme Neuseelands – von dichten Wäldern über Buschlandschaften bis hin zu offenen Grasländern. Ohne natürliche Feinde, abgesehen vom Haastadler auf der Südinsel, konnten sie sich ungehindert vermehren und dominierten die Pflanzenfressergemeinschaft der Inseln. Über Jahrtausende gedieh diese einzigartige Fauna – bis der Mensch kam und das Schicksal der Moas für immer veränderte.
Ein schnelles und unumkehrbares Massensterben
Vor über 600 Jahren erreichten polynesische Siedler Neuseeland – und mit ihnen begann eines der dramatischsten Artensterben des Pazifiks. Innerhalb von nur 300 Jahren waren alle Moa-Arten vollständig verschwunden.
Die im Fachjournal Science of the Total Environment veröffentlichte Studie Was Extinction of New Zealand’s Avian Megafauna an Unavoidable Consequence of Human Arrival? untersuchte das Verschwinden von sechs Moa-Arten anhand fossiler Funde und hochentwickelter computergestützter Modelle. Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass die Hauptursache für das Verschwinden der Moas die Jagd durch den Menschen war – sowohl auf ausgewachsene Tiere als auch auf ihre Eier.
Jagd als Hauptursache – auch ohne Massenausrottung
Lange wurde diskutiert, ob die Moas durch intensive Bejagung oder Umweltveränderungen wie Klimawandel und Habitatzerstörung verschwanden. Die neuen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass klimatische Schwankungen im späten Holozän keine wesentliche Rolle spielten. Vielmehr führte die anhaltende, aber moderate Nutzung der Moas durch den Menschen unausweichlich zu ihrem Niedergang.
Interessanterweise waren die Jagdraten nicht einmal außergewöhnlich hoch. Die Forscher berechneten, dass jährlich nur etwa vier bis sechs Prozent der Moa-Population gejagt wurden. Zusätzlich wurden 2,5 bis zwölf Prozent ihrer Eier gesammelt. Doch für eine Art mit einer langsamen Fortpflanzungsrate war selbst diese geringe Entnahme fatal. Moas legten vermutlich nur wenige Eier im Jahr, und ihre Küken hatten eine lange Entwicklungszeit – die Population konnte sich schlicht nicht schnell genug regenerieren.
Im Gegensatz zu vielen anderen ausgestorbenen Tierarten wurden die Moas also nicht durch großangelegte Massenjagden ausgerottet. Stattdessen reichte eine vergleichsweise geringe, aber stetige Nutzung aus, um ihre Populationen unwiederbringlich zu destabilisieren.
Zahlen aus der Simulation

(© Frederick William Frohawk, Public domain, via Wikimedia Commons)
Die Simulation zeigt, dass selbst eine moderate Jagd die Moas an den Rand des Aussterbens brachte. Hier sind die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Die erste Moa-Art verschwand bereits nach 100 Jahren, alle waren innerhalb von 300 Jahren ausgestorben.
- Der durchschnittliche jährliche Populationsrückgang lag zwischen 2 % für den Küstenmoa und 3,7 % für Mantells Moa (Pachyornis geranoides).
- In Zeiten besonders intensiver Jagd lagen die Rückgangsraten sogar bei 7,6 bis 13,3 % pro Jahr.
- Die am stärksten gejagte Art war der Nordinsel-Riesenmoa (D. novaezealandiae) mit einer jährlichen Jagdquote von 6 %.
- Die niedrigste durchschnittliche Jagdquote hatte der Küstenmoa mit 4 %.
- Die höchsten maximalen Jagdraten wurden bei anderen Arten gemessen: Sie lagen zwischen 7,2 % beim Küstenmoa und 15,2 % beim Südinsel-Riesenmoa (D. robustus).
- Die höchsten Eier-Sammelraten wurden beim Küstenmoa beobachtet: bis zu 32,7 % der Eier wurden pro Jahr entnommen.
Diese Zahlen machen deutlich, wie fragil große Tierarten mit langsamer Fortpflanzung auf selbst geringe menschliche Eingriffe reagieren.
Warum hätten Schutzgebiete kaum geholfen?
Die Studie untersuchte auch, ob großflächige Schutzgebiete („No-Take-Zones“) die Moas hätten retten können. Die Forscher simulierten alternative Szenarien, in denen große Teile Neuseelands als jagdfreie Zonen geschützt worden wären. Das Ergebnis: Damit Moas eine Überlebenschance gehabt hätten, hätten mindestens 50 Prozent der neuseeländischen Landfläche vor der Jagd geschützt bleiben müssen. Doch dieses Szenario wäre in der Praxis kaum umsetzbar gewesen, da die bevorzugten Lebensräume der Moas mit denen der menschlichen Siedler überlappten.
Die ersten polynesischen Siedler lebten als Jäger und Sammler und waren stark auf Wildnahrung angewiesen. In vielen pazifischen Kulturen wurden rāhui (temporäre Jagdverbote) eingesetzt, um Ressourcen zu schonen – doch für die Moas kamen solche Maßnahmen entweder zu spät oder waren nicht weitreichend genug.
Selbst wenn solche Schutzgebiete eingerichtet worden wären, hätten sie ohne eine drastische Begrenzung der Jagd kaum Wirkung gezeigt. Ein vollständiges Verbot der Jagd hätte bedeutet, dass Moas als Nahrungsquelle für Menschen nicht mehr nutzbar gewesen wären – eine unrealistische Annahme angesichts der damaligen Lebensweise der polynesischen Siedler.
Was wir für den modernen Artenschutz lernen können

(© Doreen Fräßdorf, fotografiert im Natural History Museum at Tring, England, 2024)
Das Schicksal der Moas verdeutlicht, wie empfindlich große, langsam reproduzierende Tiere auf menschliche Eingriffe reagieren. Selbst scheinbar niedrige Jagdraten reichten aus, um eine komplette Tiergruppe innerhalb weniger Jahrhunderte auszulöschen.
Die Forschung zeigt, dass große, flugunfähige Vögel wie Kasuare wesentlich größere Schutzgebiete benötigen, die weitgehend unberührte Lebensräume umfassen. Erkenntnisse aus vergangenen Aussterbewellen, wie jener der Moas, liefern wertvolle Hinweise darauf, wie sich heutige Schutzstrategien effektiver gestalten lassen. Nur durch großflächige Reservate und gezielte Maßnahmen kann das Überleben gefährdeter Arten langfristig gesichert werden. Auch kleinere, endemische Arten wie der Kiwi sind stark von Habitatverlust betroffen, doch besonders große Laufvögel sind aufgrund ihres hohen Platzbedarfs und ihrer langsamen Fortpflanzung besonders anfällig für menschliche Eingriffe.
Die Studie legt außerdem nahe, dass der Schutz großer Tierarten nicht nur auf einzelne Schutzgebiete beschränkt sein kann. Vielmehr müssen großflächige, zusammenhängende Landschaften erhalten bleiben, um eine echte Überlebenschance zu gewährleisten. Zudem ist das Timing entscheidend: Schutzmaßnahmen müssen frühzeitig und konsequent umgesetzt werden, bevor Populationen ein kritisches Minimum unterschreiten. Sobald ein Rückgang einmal begonnen hat, kann selbst ein Jagdverbot oft nicht mehr ausreichen, um das Überleben der Art zu sichern.
Eine Lektion aus der Vergangenheit für die Zukunft
Die Simulation stützt die Annahme, dass die Moas nicht überleben konnten, sobald Menschen oder ein anderer großer Säugetierräuber Neuseeland erreichten. Tatsächlich hätte ihr langfristiges Überleben erfordert, dass die Jagdquoten extrem niedrig gehalten und Schutzgebiete so großflächig eingerichtet worden wären, dass die Moas keine praktikable Nahrungsquelle mehr dargestellt hätten. Diese rückblickenden Erkenntnisse kommen für die ausgestorbenen Moas zwar zu spät, zeigen aber, dass prozessbasierte Simulationsmodelle, wie sie hier eingesetzt wurden, großes Potenzial für den Schutz verbliebener flugunfähiger Vögel und anderer bedrohter Megafauna haben. Werden wir die Fehler der Vergangenheit wiederholen – oder gelingt es uns, die letzten verbleibenden Megafauna-Arten der Erde zu bewahren?
Quelle
- Tomlinson, S., Fordham, D. A., & Brook, B. W. (2025). Was extinction of New Zealand’s avian megafauna an unavoidable consequence of human arrival? Science of the Total Environment, 923, 170266. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2025.170266
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