Was wäre, wenn der Beutelwolf wieder durch Tasmaniens Wälder streifte und der Dodo Mauritius erneut zu seiner Heimat machte? Modernste Wissenschaft und Technologien machen es möglich, ausgestorbene Tiere wieder zum Leben zu erwecken.
Das Artensterben ist zwar ein natürlicher Prozess, doch durch menschliches Zutun hat es in den letzten 500 Jahren ein rasantes Tempo aufgenommen. Viele Tiere, die einst die Erde bevölkerten, sind für immer verschwunden – oft durch Überjagung oder invasive Tierarten. Mit Methoden wie Klonen, Geneditierung und Rückzüchtungen versuchen Forscher nun, diese Verluste rückgängig zu machen. Hier sind sieben spannende Beispiele.
Klonen: Tiere mithilfe lebender Zellen zurückholen
Beim Klonen nutzen Wissenschaftler lebende Zellen einer Spezies, um daraus eine genetisch identische Kopie zu erzeugen. Diese Methode erfordert intakte Zellkerne, weshalb sie nur bei Arten funktioniert, von denen vor ihrem Aussterben Gewebeproben kryokonserviert wurden. Längst ausgestorbene Tiere, von denen nur fragmentierte DNA aus Museumsproben existiert, lassen sich nicht klonen – hier kommt die Geneditierung ins Spiel.
Pyrenäensteinbock: Das erste geklonte ausgestorbene Tier
Der Pyrenäensteinbock (Capra pyrenaica pyrenaica), eine Unterart des Iberiensteinbocks, war das erste ausgestorbene Tier, das mithilfe moderner Biotechnologie zurückgebracht werden sollte. Die lebenden Zellen stammten von Celia, dem letzten bekannten Pyrenäensteinbock, die kurz vor ihrem Tod im Jahr 2000 aus einer Gewebeprobe entnommen und kryokonserviert wurden.
Forscher nutzten diese Zellen, um Zellkerne in entkernte Eizellen von Hausziegen zu implantieren. Die so erzeugten Embryonen wurden Leihmüttern eingepflanzt, darunter Hybriden aus Haus- und Wildziegen. Von 285 Embryonen überlebte nur ein Tier die Geburt. Am 30. Juli 2003 wurde Celias Klon geboren, starb jedoch wenige Minuten später an einem Lungendefekt.
Trotz dieses frühen Todes markierte der Versuch einen wichtigen Durchbruch: Er zeigte, dass es grundsätzlich möglich ist, ausgestorbene Tiere zu klonen. Das Klonen des Pyrenäensteinbocks sollte dazu beitragen, die Art in ihrem ursprünglichen Lebensraum in den Pyrenäen wiederanzusiedeln und das ökologische Gleichgewicht der Region zu stärken.
Geneditierung: DNA neu schreiben
Das herkömmliche Klonen ist für viele ausgestorbene Arten keine Option. Dies liegt entweder daran, dass keine lebenden Zellen verfügbar sind oder, wie bei Vögeln, dass die technische Manipulation ihrer Eizellen bislang nicht möglich ist. Vogel-Eizellen sind riesig im Vergleich zu denen von Säugetieren, denn das Eigelb, der Dotter, eines Vogeleis ist quasi die Eizelle. Der Dotter ist von verschiedenen Schutzschichten umgeben, darunter das Eiweiß, die Membranen und schließlich die harte Kalkschale. Diese Struktur macht die Manipulation der Eizelle, wie sie beim Klonen nötig wäre, extrem schwierig.
Hier bietet Geneditierung eine Alternative: Mithilfe moderner Techniken wie CRISPR-Cas9 können genetische Informationen ausgestorbener Arten in das Erbgut lebender Verwandter integriert werden, um ihre Merkmale zu rekonstruieren. Dieses Verfahren wird sowohl bei Vögeln als auch bei Säugetieren eingesetzt.
Dodo: Rückkehr eines ikonischen Vogels?
Der Dodo (Raphus cucullatus), ein flugunfähiger Vogel von Mauritius, starb im 17. Jahrhundert aus. Obwohl sein Genom 2022 aus Überresten wie Knochen entschlüsselt wurde, ist es stark beschädigt und lückenhaft. Forscher vergleichen daher das Dodo-Genom mit dem der nächsten lebenden Verwandten, der Kragentaube (Caloenas nicobarica), um die fehlenden Teile zu rekonstruieren und ein möglichst vollständiges Bild des Dodo-Genoms zu erstellen.
Durch gezielte Geneditierung könnten typische Dodo-Merkmale wie die Körpergröße und Schnabelform wiederhergestellt werden. Das modifizierte Genmaterial wird in eine befruchtete Eizelle der Kragentaube eingebracht und der Embryo würde in einem Ei der Kragentaube heranreifen.
Der resultierende Vogel wäre kein echter Dodo, sondern eine Annäherung – genetisch ähnlich, aber nicht identisch. Die Rückkehr des Dodos wäre dennoch ein faszinierendes Experiment, auch wenn das ursprüngliche Ökosystem von Mauritius sich inzwischen stark verändert hat.
Wandertaube & Elfenbeinspecht: Die Wälder Nordamerikas wiederbeleben
Die Wandertaube (Ectopistes migratorius) war einst der häufigste Vogel Nordamerikas, doch Überjagung ließ die Art Anfang des 20. Jahrhunderts aussterben. Wissenschaftler wollen das Erbgut der Wandertaube mithilfe ihrer nächsten Verwandten, der Felsentaube (Columba livia), rekonstruieren.
Die Wiederbelebung der ausgestorbenen Wandertaube soll auf ähnliche Weise wie beim Dodo funktionieren: Wissenschaftler sequenzieren DNA von Museumsproben der Wandertaube und vergleichen sie mit dem Erbgut der Felsentaube. Anschießend werden die genetischen Merkmale der Wandertaube in die DNA der Felsentaube integriert, um Vögel zu schaffen, die der ausgestorbenen Art in Aussehen und Verhalten ähneln.
Die Wiederbelebung der Wandertaube gestaltet sich wahrscheinlich sehr viel einfacher als die des Dodos. Die rund 100 Jahre alte DNA der Wandertaube ist vermutlich weniger fragmentiert und vollständiger als die 300 Jahre alte Dodo-DNA, was eine präzisere und vollständigere Rekonstruktion des Genoms ermöglicht.
Das Ergebnis der Geneditierung könnte genetisch und funktionell sehr nah an einer echten Wandertaube sein. Nach erfolgreicher Zucht in Volieren sollen diese Vögel in die Natur entlassen werden, um die ökologische Rolle der ursprünglichen Wandertauben wiederherzustellen: Sie spielten eine Schlüsselrolle bei der Waldregeneration in Nordamerika, indem sie Samen verbreiteten und den Boden auf natürliche Weise düngten. Erste Freisetzungen könnten in den 2030er-Jahren erfolgen.
Auch der Elfenbeinspecht (Campephilus principalis), zuletzt 1944 in Nordamerika gesichtet, soll mithilfe von Geneditierung zurückgebracht werden. Welche lebende Vogelart als Grundlage für die genetische Rekonstruktion dient, ist noch unklar. Ziel ist es, bis 2025 erste Exemplare zu züchten und die Art langfristig wieder in den Wäldern des südlichen USA anzusiedeln, wo sie einst eine wichtige ökologische Rolle spielte.
Beutelwolf: Die Rückkehr der Tasmanischen Tiger
Der Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus), auch als Tasmanischer Tiger bekannt, war bis zu seiner Ausrottung im Jahr 1936 Australiens größtes fleischfressendes Beuteltier. Mithilfe seines nächsten Verwandten, der Dickschwänzigen Schmalfußbeutelmaus (Sminthopsis crassicaudata), könnte seine Wiederbelebung bald Wirklichkeit werden. Forscher wollen die Zellen der kleinen Beutelmaus genetisch so verändern, dass sie dem Beutelwolf ähneln. Diese Zellen sollen dann zu Embryonen heranwachsen, die von einem größeren Beuteltier als Leihmutter ausgetragen werden.
Ziel ist es, ein Tier zu schaffen, das dem Beutelwolf äußerlich und funktional ähnlich ist, auch wenn es kein echter Beutelwolf sein wird. Die Rekonstruktion basiert auf dem zu 99,9 Prozent entschlüsselten Beutelwolf-Genom, ergänzt durch RNA-Analysen und moderne Sequenzierungstechnologien. Die Rückkehr des Beutelwolfs kann das ökologische Gleichgewicht in Tasmanien unterstützen, denn als Spitzenprädator könnte er helfen, invasive Arten wie Füchse und Kaninchen zu kontrollieren.
Rückzüchtungen: Die Nachbildung ausgestorbener Tiere
Bei Rück- oder Abbildzüchtungen versuchen Wissenschaftler und Züchter, durch gezielte Kreuzung lebender Verwandter die Merkmale eines ausgestorbenen Tieres nachzubilden. Dabei werden Tiere mit den gewünschten Merkmalen über Generationen selektiert, bis das Ergebnis dem Original möglichst nahekommt.
Zwar entstehen dabei keine genetischen Kopien, aber die Nachbildungen können viele Eigenschaften und Funktionen der ausgestorbenen Art wiederherstellen. Die Methode ist dabei nicht nur auf das Aussehen beschränkt: Auch das Verhalten und die ökologische Funktion des ausgestorbenen Tieres können – zumindest teilweise – wiederhergestellt werden. Dennoch bleibt eine Herausforderung, dass die Rückzüchtungen in einem heutigen Lebensraum existieren müssen, der sich teilweise stark vom ursprünglichen Habitat des ausgestorbenen Tieres unterscheidet.
Auerochse: Kehrt der Landschaftsgestalter zurück?
Der Auerochse (Bos primigenius), der wilde Vorfahre heutiger Rinder, starb 1627 aus. Rückzüchtungsprojekte nutzen Hausrindrassen, die noch typische Auerochsen-Merkmale tragen, um Tiere zu züchten, die dem Original ähneln. Beispiele für ähnliche Rassen sind das Sayaguesa-Rind, das Ungarische Steppenrind oder die Chianina-Rinder.
Durch gezielte Kreuzung und Selektion entstehen Tiere, die in Größe, Hornform und Verhalten dem Auerochsen nahekommen, wobei in jeder Generation Tiere mit den stärksten auerochsenähnlichen Merkmalen weitergezüchtet werden. Durch wiederholte Kreuzungen und strenge Selektion über mehrere Generationen entstehen Tiere, die dem Auerochsen immer näherkommen.
In den 1920er-Jahren entstand durch Rückzüchtung das Heckrind, das jedoch kleiner und massiger als der Auerochse blieb. Moderne Projekte wie das Tauros-Programm oder das Auerrind-Projekt haben robustere Tiere mit mehr Ähnlichkeit zum Auerochsen hervorgebracht, darunter höhere Schulterhöhen und ausgeprägte Hörner. Rückgezüchtete Auerochsen könnten helfen, offene Weidelandschaften zu schaffen, die Artenvielfalt fördern und degradierte Landschaften revitalisieren.
Quagga: Ein unfertiges Zebra in Südafrika
Das Quagga (Equus quagga quagga), eine Unterart des Steppenzebras, starb 1883 aus. Seit 1987 arbeitet das von Reinhold Rau initiierte Quagga-Projekt daran, durch gezielte Zucht Steppenzebras mit reduziertem Streifenmuster zu schaffen, die dem Quagga optisch ähneln. Besonders auffällig beim Quagga war die geringere Streifenanzahl, vor allem im hinteren Körperbereich, sowie seine bräunliche Färbung – Merkmale, die durch sorgfältige Auswahl bei den Zuchttieren nachgebildet werden sollen.
Mit jeder Generation werden die Streifen der Tiere weiter reduziert, und in der fünften Generation existierten bereits etwa 90 Tiere, die dem historischen Quagga sehr ähnlich sehen. Bis 2022 wuchs die Population auf rund 200 Tiere an. Einige der gezüchteten „Rau-Quaggas“ wurden in der Karoo-Region Südafrikas angesiedelt, um die ökologischen Funktionen des Quaggas wiederherzustellen.
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