Die Arktis, einst ein stabiler Speicher von organischem Kohlenstoff, setzt mittlerweile mehr Kohlendioxid (CO₂) frei, als sie aufnimmt. Laut dem aktuellen NOAA Arctic Report Card 2024 sind insbesondere der tauende Permafrost, verstärkte mikrobielle Aktivität und vermehrte Waldbrände für diese Entwicklung verantwortlich. Die Arktis, die lange als Kohlenstoffspeicher fungierte, setzt nun verstärkt Treibhausgase frei. Diese Entwicklung verstärkt die globale Erwärmung und bedroht arktische Ökosysteme sowie die dort lebenden Tierarten.
Wenn der Permafrost taut: Kohlenstofffreisetzung mit globalen Folgen

Arktisches Meereis schwindet: Seit 1979 nimmt die Eisfläche jährlich um rund 11,5 Prozent ab – ein klares Zeichen des Klimawandels.
(© NASA/Goddard, Public domain, via Wikimedia Commons)
Permafrostböden, die mehr als die Hälfte des globalen organischen Kohlenstoffs im Boden speichern, tauen durch steigende Temperaturen auf. Vergleichbar mit einem Gefrierschrank, in dem aufgetaute Lebensmittel schnell verderben, setzen sich bei tauendem Permafrost mikrobielle Prozesse in Gang, die gespeicherte organische Materie zersetzen und große Mengen Kohlendioxid (CO₂) und Methan freisetzen.
Zusätzlich tragen Tundra-Brände nördlich des Polarkreises sowie Brände in den borealen Wäldern nahe der Arktis erheblich zur Freisetzung von Kohlendioxid bei. Laut dem NOAA Arctic Report Card 2024 wurden im Jahr 2024 allein durch Brände in der hohen Arktis 42,3 Millionen Tonnen CO₂ freigesetzt – das zweithöchste Niveau seit Beginn der Messungen.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist der rapide Anstieg der Meerestemperaturen. Eine Studie von Merchant et al. (2024) zeigt, dass die Oberflächentemperaturen der Ozeane nicht linear, sondern beschleunigt ansteigen. Während der Erwärmungstrend zwischen 1985 und 1989 noch bei 0,06 Grad Celsius pro Jahrzehnt lag, stieg er zwischen 2019 und 2023 bereits auf 0,27 Grad Celsius pro Jahrzehnt an. Dies hat gravierende Auswirkungen auf Meeresströmungen und Wettermuster, die wiederum den Permafrost und die Eisbildung in der Arktis beeinflussen.
Auswirkungen auf die Tierwelt
Die rapide Erwärmung hat bereits spürbare Auswirkungen auf arktische Tierarten. Ein prominentes Beispiel sind die wandernden Karibus (Rangifer tarandus), deren Populationen in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten um 65 Prozent gesunken sind. Der Lebensraum dieser Tiere verändert sich drastisch: Während sich die Tundra begrünt, verdrängen höhere Sträucher die für Karibus lebenswichtigen Flechten, was ihre Nahrungssuche erschwert.
Auch arktische Robbenarten wie die Ringelrobbe (Pusa hispida) passen sich an die Veränderungen an, indem sie zunehmend die Fernöstliche Navaga (Eleginus gracilis) anstelle des energiehaltigeren Arktischen Dorsches (Arctogadus glacialis) konsumieren. Die langfristigen Folgen dieser Ernährungsumstellung sind jedoch noch ungewiss.
Eine der am stärksten bedrohten Arten ist der Eisbär (Ursus maritimus). Besonders in der Hudson Bay laufen die Bestände Gefahr, bereits in den 2030er-Jahren regional auszusterben, wenn der Klimawandel ungebremst fortschreitet. Wissenschaftler prognostizieren, dass eine Erwärmung um mehr als zwei Grad Celsius die eisfreien Perioden so weit verlängert, dass Eisbären nicht mehr genügend Nahrung finden können und bereits in den 2030er-Jahren aussterben könnten.
Treibhausgase: Warum Methan und Kohlendioxid so schädlich sind

(© Michael Cameron (NOAA), Public domain, via Wikimedia Commons)
Methan (CH₄) und Kohlendioxid (CO₂) sind zwei der bedeutendsten Treibhausgase, die zur globalen Erwärmung beitragen. Während CO₂ über Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleibt und den langfristigen Klimawandel antreibt, ist Methan kurzfristig sogar noch gefährlicher: Es hat eine etwa 80-mal stärkere Erwärmungswirkung als CO₂ über einen Zeitraum von 20 Jahren.
Methan entsteht vor allem durch den Abbau organischer Materie im tauenden Permafrost sowie durch menschliche Aktivitäten wie Viehzucht und fossile Brennstoffgewinnung. Obwohl es sich innerhalb von etwa zwölf Jahren in der Atmosphäre abbaut, führt seine hohe Treibhauswirkung zu einer Beschleunigung der Erwärmung. Dies verstärkt wiederum das Tauen des Permafrosts und setzt noch mehr Methan frei – ein gefährlicher Rückkopplungseffekt, der das Klima weiter destabilisiert.
Globale Konsequenzen und Handlungsbedarf
Die Arktis beeinflusst durch ihre Funktion als globales Kühlsystem das gesamte Klimasystem. Das Abschmelzen von Meereis verringert die Reflexion von Sonnenstrahlen und fördert die weitere Erwärmung. Zudem verändert sich die atmosphärische Zirkulation, was zu extremeren Wetterereignissen weltweit führen kann.
Insbesondere die beschleunigte Erwärmung der Ozeane trägt zur Destabilisierung der Arktis bei. Die Studie von Merchant et al. zeigt, dass fast die Hälfte des jüngsten Temperaturanstiegs auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist. Diese Entwicklung verstärkt die Treibhausgasfreisetzung in der Arktis, was einen gefährlichen Rückkopplungseffekt erzeugt.
Der NOAA Arctic Report Card 2024 betont, dass zur Bewältigung dieser Herausforderungen eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und indigenen Gemeinschaften erforderlich ist. Indigene Völker verfügen über jahrhundertelange Erfahrung im Umgang mit klimatischen Veränderungen und können wertvolle Erkenntnisse zur Anpassung liefern. Gleichzeitig sind tiefgreifende Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen notwendig, um den überhitzten Planeten zu stabilisieren.
Ein Blick auf Europa: Potenzial für Kohlenstoffspeicherung
Während die Arktis zunehmend zur Quelle von Kohlendioxid und Methan wird, zeigt ein neuer Bericht von BirdLife Europe das immense Potenzial europäischer Ökosysteme zur Kohlenstoffspeicherung. Laut dem Report könnten vollständig restaurierte natürliche Ökosysteme in der EU etwa 13 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern, was den globalen jährlichen CO₂-Emissionen entspricht. Besonders Wälder, Moore und Feuchtgebiete könnten durch gezielte Renaturierungsmaßnahmen erhebliche Mengen CO₂ binden und so zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Eine verstärkte Renaturierung könnte helfen, einige der durch die Arktiserwärmung ausgelösten negativen Rückkopplungseffekte abzuschwächen und die Netto-Kohlenstoffbilanz Europas erheblich zu verbessern.
Die Arktis befindet sich in einem anhaltenden, rasanten Wandel mit weitreichenden globalen Folgen. Ohne entschlossenes Handeln riskieren wir irreversible Veränderungen des Klimasystems.
Quellen:
- Moon, Twila A. et al. (2024). NOAA Arctic Report Card 2024: Executive Summary.
- Merchant, C. et al. (2025). Accelerated Ocean Surface Warming, Environmental Research Letters.
- BirdLife Europe (2025). Carbon Sequestration on Land through Nature-Based Solutions and Land-Use Trade-Offs.
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