Seit langem ist bekannt, dass die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes das Klima beeinflusst. Eine neue Studie, veröffentlicht in Nature, zeigt nun, dass die Auswirkungen auf den Niederschlag noch komplexer und weitreichender sind als bislang angenommen. Forschende aus China und Thailand haben festgestellt, dass die Rodung des Regenwaldes zu einer Verschiebung der Niederschlagsmuster führt: In der Regenzeit fällt mehr Regen über den entwaldeten Flächen, während in der Trockenzeit weniger Niederschlag entsteht. Diese gegensätzlichen Effekte können tiefgreifende Folgen für die Stabilität des Amazonas-Systems und das globale Klima haben.
Der Amazonas-Regenwald erstreckt sich über neun Länder, liegt aber größtenteils in Brasilien und bedeckt eine Fläche von rund sechs Millionen Quadratkilometern. Damit ist er der größte tropische Regenwald der Erde und eines der wichtigsten ökologischen Systeme unseres Planeten. Er beherbergt mehr Pflanzen- und Tierarten als jeder andere Ort und spielt eine zentrale Rolle im Weltklima. Seine Bäume speichern enorme Mengen an Kohlendioxid (CO₂) und tragen so zur Regulierung des globalen Klimas bei. Zudem wirkt der Regenwald als natürliche Wasserpumpe: Durch Verdunstung und Niederschlag beeinflusst er das regionale und globale Wettergeschehen.
Um die Wechselwirkungen zwischen Entwaldung und Niederschlag zu untersuchen, nutzten die Wissenschaftler verschiedene Methoden. Satellitendaten dokumentierten die Waldverluste im Amazonas von 2000 bis 2020. Mithilfe des Wetter- und Klimamodells WRF simulierten sie die Auswirkungen der veränderten Landbedeckung auf die regionalen Niederschlagsmuster. Ein spezielles Wasserdampf-Tracermodell verfolgte den Ursprung des Wasserdampfs und analysierte dessen Einfluss auf den Niederschlag. Die Ergebnisse wurden durch den Vergleich mit vier satellitenbasierten Niederschlagsmessungen validiert.
Warum wird der Regenwald abgeholzt?

(© CactiStaccingCrane, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)
Doch warum schreitet die Abholzung trotz der bekannten negativen Folgen weiter voran? Ein Großteil erfolgt illegal. Hauptgründe sind die Ausweitung der Landwirtschaft – insbesondere für Rinderweiden – sowie die Holzwirtschaft. Der hohe Wert von Tropenholz und die steigende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flächen treiben die Entwaldung weiter voran, während unzureichende Kontrollen bestehende Umweltgesetze unterlaufen.
Auch der Bergbau, insbesondere der illegale Goldabbau, trägt erheblich zur Rodung bei. Große Waldflächen werden zerstört, Schwermetalle wie Quecksilber gelangen in die Flüsse und belasten die Umwelt sowie indigene Gemeinschaften massiv. Der Infrastrukturausbau, etwa durch neue Straßen und Siedlungen, erschließt immer größere Gebiete und beschleunigt die Abholzung zusätzlich.
Zudem setzen Brandrodungen große Mengen an CO₂ frei, was den Klimawandel weiter befeuert. Politische Untätigkeit und wirtschaftliche Interessen erschweren effektiven Schutz. Letztlich ist die Entwaldung des Regenwaldes das Resultat eines komplexen Zusammenspiels aus wirtschaftlichem Druck, politischem Versagen und globaler Nachfrage nach Ressourcen.

(© Phil P Harris., CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons)
Neue Erkenntnisse: Unerwartete Veränderungen im Niederschlag
Bisherige Untersuchungen konzentrierten sich vor allem auf den direkten Feuchtigkeitsverlust durch die Abholzung. Die neue Studie zeigt jedoch, dass nicht nur die lokale Verdunstung betroffen ist, sondern auch weitreichende Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation auftreten. Dieser Feuchtigkeitsverlust wird in der Wissenschaft als Evapotranspiration bezeichnet – ein Prozess, bei dem Wasser sowohl direkt aus dem Boden verdunstet als auch durch Pflanzen an die Luft abgegeben wird. Weniger Wald bedeutet also weniger Feuchtigkeit in der Luft, was sich auf das gesamte Klima auswirkt. Dies sind einige wichtige Erkenntnisse aus der Studie:
- Mehr Regen in der Regenzeit: Veränderte Luftströmungen führen dazu, dass die Niederschlagsmenge über den abgeholzten Flächen steigt. Pro Monat fällt dort mit jedem Prozentpunkt Waldverlust bis zu 0,96 Millimeter mehr Regen. Da sich der Boden schneller erwärmt, erhöht sich die Luftfeuchtigkeit, was verstärkte Regenfälle zur Folge hat.
- Weniger Regen in der Trockenzeit: In der Trockenzeit von Juni bis August verdunstet weniger Wasser aus dem Boden und der Vegetation, sodass die Luft trockener wird und weniger Regen fällt. Dies betrifft nicht nur die entwaldeten Flächen, sondern auch Gebiete bis zu 1.000 Kilometer entfernt.
- Reichweiten der Effekte: Während der Regenzeit von Dezember bis Februar fällt über den abgeholzten Flächen zunächst mehr Regen. Dieser Effekt nimmt jedoch bereits 20 Kilometer entfernt deutlich ab. In der Trockenzeit führt der Wasserverlust zu weitreichender Trockenheit, die ganze Regionen beeinflusst.
Die Folgen der Amazonas-Abholzung
Die Entwaldung des Amazonas hat weitreichende Auswirkungen auf das Klima – sowohl regional als auch global. Die veränderten Niederschlagsmuster führen zu häufigeren Überschwemmungen in der Regenzeit, insbesondere in bereits gerodeten Gebieten. Diese Hochwasserereignisse bedrohen die Landwirtschaft, die Infrastruktur und zahlreiche Ökosysteme.

(© H. Zell, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)
In der Trockenzeit hingegen nimmt die Wasserknappheit drastisch zu. Die steigende Trockenheit erhöht das Risiko von Waldbränden, verlängert Dürreperioden und gefährdet Ernten. Während Überschwemmungen Böden auswaschen und die Erosion verstärken, führt die Trockenheit zu einer Verschlechterung der Bodenqualität – eine doppelte Bedrohung für die Landwirtschaft.
Der Regenwald könnte zudem einen Kipppunkt erreichen, an dem er sich nicht mehr regenerieren kann. Die Wechselwirkungen zwischen Entwaldung, Niederschlagsmangel und zunehmender Trockenheit könnten dazu führen, dass weite Teile des Regenwaldes in eine Savannenlandschaft umgewandelt werden – mit dramatischen Folgen für die Artenvielfalt und das globale Klima. Denn der Amazonas ist ein entscheidender CO₂-Speicher: Seine Abholzung setzt große Mengen an Treibhausgasen frei, was den Klimawandel zusätzlich beschleunigt. Zudem verändert die Verdunstung über dem Regenwald weltweite Wetterphänomene. Eine Destabilisierung hätte demnach nicht nur lokale, sondern globale klimatische Konsequenzen.
Was muss jetzt geschehen?
Die neuen Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass der Schutz des Regenwaldes nicht nur für die Biodiversität, sondern auch für die Stabilität des globalen Klimas unerlässlich ist. Um die schwerwiegenden Folgen der Entwaldung abzumildern, sind Maßnahmen erforderlich:
- Dringender Schutz verbleibender Waldflächen: Jeder verlorene Hektar Wald beeinflusst das gesamte Niederschlagsmuster im Amazonas und verstärkt klimatische Instabilität.
- Aufforstung als Klimaschutzstrategie: Wiederhergestellte Waldflächen können helfen, den Wasserkreislauf zu stabilisieren und langfristig die Niederschlagsmuster zu erhalten. Dabei ist es entscheidend, einheimische Baumarten anzupflanzen und Monokulturen zu vermeiden.
- Verstärkte Forschung zur Niederschlagsverteilung: Die neuen Erkenntnisse müssen in globale Klimamodelle integriert werden, um bessere Vorhersagen zu treffen und Anpassungsstrategien zu entwickeln.
Nicht nur der Amazonas-Regenwald ist für das Klima und die Biodiversität von unschätzbarem Wert. Auch der Atlantische Regenwald, einer der artenreichsten Wälder der Welt, ist stark bedroht – über 80 Prozent der endemischen Baumarten stehen vor dem Aussterben.
Die neue Studie zeigt, dass die Veränderungen in der Niederschlagsverteilung gravierender sind als bislang angenommen. Sie liefert ein weiteres drängendes Argument für den Schutz des Regenwaldes. Nur durch entschlossene Maßnahmen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene kann verhindert werden, dass der Regenwald seinen Kipppunkt erreicht – mit irreversiblen Folgen für die ganze Welt.
Quelle
- Qin et al. (2025). Impact of Amazonian deforestation on precipitation reverses between seasons. Nature, 639(102). DOI: 10.1038/s41586-024-08570-y
Unterstütze diesen Blog! Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, ziehe bitte eine kleine Spende in Betracht. Jeder Beitrag, egal wie klein, macht einen Unterschied. Deine Spende ermöglicht es mir, den Blog werbefrei zu halten und auf Bezahlschranken zu verzichten, damit alle Leser freien Zugang zu den Inhalten haben. Du kannst ganz einfach über den Spendenbutton spenden oder mir ein Buch aus meiner Amazon Wunschliste schenken. Jeder Betrag zählt und wird sehr geschätzt! Vielen Dank für deine Unterstützung!