Neue Studie: Biologische Invasionen in Deutschland
Was verbindet den Asiatischen Laubholzbockkäfer, den Waschbären, die Nilgans, die Beifuß-Ambrosie, den Signalkrebs und das Drüsige Springkraut? – Sie alle gehören zu den rund 2.000 etablierten invasiven Arten, die jetzt erstmals systematisch für Deutschland erfasst wurden.

Fast 2.000 invasive Arten: Wie gebietsfremde Tiere und Pflanzen Deutschlands Natur verändern

Biologische Invasionen gehören zu den gravierendsten, aber oft unterschätzten Ursachen für den weltweiten Verlust an Artenvielfalt. Sie gefährden die Stabilität von Ökosystemen, verdrängen heimische Tier- und Pflanzenarten und verursachen enorme wirtschaftliche und ökologische Folgekosten. Eine neue Studie im Fachjournal Environmental Sciences Europe macht deutlich: Auch in Deutschland ist das Problem weitreichender als bisher angenommen.

Deutschlands „heimliche Invasoren“: 1.962 etablierte Arten

Ob Waschbär, Nilgans oder Drüsiges Springkraut – viele Tier- und Pflanzenarten, die heute ganz selbstverständlich zur deutschen Landschaft gehören, stammen ursprünglich aus anderen Teilen der Welt. Eine neue Studie unter der Leitung des ehemaligen Senckenberg-Forschers Philipp J. Haubrock, heute an der Bournemouth University tätig, liefert nun erstmals eine vollständige Übersicht aller in Deutschland dauerhaft etablierten gebietsfremden Arten – also solcher, die sich erfolgreich fortpflanzen und stabile Populationen gebildet haben. Insgesamt wurden 1.962 Arten aus 594 Familien und 35 Stämmen erfasst.

Die Mehrheit dieser Arten gehört zu den Gefäßpflanzen, Insekten und Wirbeltieren. Rund 80 Prozent leben in terrestrischen Lebensräumen, während nur etwa fünf Prozent Süßgewässer, Feuchtgebiete oder marine Systeme besiedeln. Viele stammen aus benachbarten Regionen Europas und Asiens (Paläarktis), ein erheblicher Anteil jedoch auch aus Nordamerika. Bei etwa 17 Prozent der Arten ist die Herkunft unbekannt – ein deutliches Zeichen für bestehende Forschungslücken.

Besonders bemerkenswert: Die erfasste Zahl liegt deutlich über bisherigen Schätzungen. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) etwa listet derzeit nur rund 1.015 etablierte gebietsfremde Arten, davon 107 als invasiv. Diese Differenz erklärt sich vor allem durch unterschiedliche Definitionen und Bewertungsansätze. Während das BfN den Begriff „invasiv“ betont, erfasst die neue Studie alle etablierten nicht-heimischen Arten, unabhängig von bereits bekannten Schäden. Die Diskrepanz verdeutlicht: Das tatsächliche Ausmaß biologischer Invasionen in Deutschland wurde bisher deutlich unterschätzt – mit potenziell weitreichenden Folgen für Forschung, Politik und Naturschutz.

Deutschland als europäischer Invasions-Hotspot

Karte invasive Arten in Deutschland
Anzahl etablierter gebietsfremder Arten pro Bundesland: Am stärksten betroffen sind Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Auf die Bevölkerungszahl bezogen liegt Bremen vorn.
(© Haubrock et al. (2025), Environmental Sciences Europe, Abb. 2, CC BY 4.0)

Deutschland zählt zu den europäischen Kernregionen für die Einschleppung und Etablierung gebietsfremder Arten. Das liegt nicht nur an der zentralen geografischen Lage inmitten Europas, sondern auch an einer Vielzahl infrastruktureller, wirtschaftlicher und ökologischer Faktoren.

Ein dichtes Netz aus internationalen Handelsrouten, See- und Binnenhäfen, Flughäfen und Verkehrsachsen – insbesondere in Ballungsräumen wie Hamburg, Frankfurt oder dem Ruhrgebiet – macht Deutschland zu einem logistischen Drehkreuz. Verpackungsmaterialien, Pflanzenimporte, Aquarientiere oder Erdanhaftungen an Maschinen bieten zahlreiche Einfallstore für Arten, die unbeabsichtigt mitgeliefert werden. Hinzu kommen Tourismus, Online-Handel und klimatische Veränderungen, die neuen Arten das Überleben erleichtern.

Die Studie zeigt: Die meisten etablierten Arten wurden in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gemeldet – Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte, starkem Handel und vielfältigen Lebensräumen. Bezieht man die Zahlen auf die Einwohnerzahl, liegt jedoch Bremen vorn – ein Hinweis auf die Rolle von Häfen als Eintrittspforten für biologische Invasoren.

Einfuhrwege biologischer Invasoren und neue Vektoren

Bereits seit Jahrhunderten gelangen gebietsfremde Arten nach Mitteleuropa – oft ganz gezielt: zur Jagd, als Zierde, für Forst- oder Landwirtschaft. So wurden etwa der Damhirsch (Dama dama), das ursprünglich von der Iberischen Halbinsel stammende Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) oder der Jagdfasan (Phasianus colchicus) durch Menschen eingeführt und im Lauf der Zeit fest etabliert. Auch der Besatz von Gewässern mit fremden Fischarten oder die Anpflanzung exotischer Bäume in Parks und Wäldern war lange gängige Praxis.

Globale Handelswege als Einfallstor für biologische Invasoren
Globale Handelswege als Einfallstor: Über Containerfracht, Verpackungsmaterialien und Transporte gelangen viele gebietsfremde Arten unbeabsichtigt nach Deutschland – oft als blinde Passagiere an Bord internationaler Warenströme.

Heute sind es jedoch andere Wege, über die neue Arten nach Deutschland gelangen – meist unbeabsichtigt und unkontrolliert:

  • Containerfracht und Verpackungsmaterialien
  • Erdanhaftungen an Baumaschinen und Fahrzeugen
  • der internationale Handel mit Zierpflanzen, Saatgut und Aquarientieren
  • die Freisetzung von Heimtieren und Gartenpflanzen

Auch der Tourismus spielt eine Rolle: Samen, Sporen und kleine Tiere reisen unbemerkt mit Gepäck, Kleidung oder Fahrzeugen. Hinzu kommt der Klimawandel, der wärmeliebenden Arten zunehmend das dauerhafte Überleben in Mitteleuropa ermöglicht – Arten, die früher an natürlichen Klimabarrieren gescheitert wären, finden nun geeignete Bedingungen.

In Städten entstehen zudem neue ökologische Nischen: Versiegelte Böden, Wärmeinseln und begrünte Infrastruktur fördern die Etablierung invasiver Arten. Städte fungieren damit nicht nur als Einfallstor, sondern auch als Verstärker ihrer Ausbreitung.

Je nach Lebensraum unterscheiden sich die Haupteinfuhrpfade deutlich:

  • Marine Arten: Ballastwasser von Schiffen, Aquakultur
  • Süßwasserarten: Angeln, Boote, Fischbesatz
  • Terrestrische Arten: Gartenbau, Baustellenerde, Landmaschinen, Saatgut

Verzerrte Datenlage: Unsichtbare Invasoren und übersehene Gruppen

Die Studie macht deutlich: Unser Wissen über biologische Invasionen in Deutschland ist lückenhaft und verzerrt. Bestimmte Artengruppen und Lebensräume sind in den bisherigen Erhebungen deutlich unterrepräsentiert.

So sind insbesondere aquatische und marine Arten nur unzureichend dokumentiert – obwohl gerade Gewässerökosysteme besonders sensibel auf invasive Eingriffe reagieren. Auch Moore, Feuchtgebiete und Übergangszonen gehören zu den verwundbarsten Lebensräumen, werden aber in Monitoringprogrammen bislang kaum berücksichtigt.

Zudem liegt der Fokus der Forschung stark auf gut sichtbaren und wirtschaftlich relevanten Gruppen – etwa auf Gefäßpflanzen und Insekten. Andere Organismengruppen wie Pilze, Weichtiere, Ringelwürmer (Anneliden), Protisten und Mikroorganismen gelten dagegen als „unsichtbare Invasoren“: Sie sind schwerer zu erfassen, oft kaum bekannt und erhalten wenig öffentliche oder wissenschaftliche Aufmerksamkeit.

Invasive Pflanzenart in Deutschland: Riesen-Bärenklau
Riesen-Bärenklau: Die Pflanze aus dem Kaukasus wurde als Zierpflanze eingeführt. Ihr Pflanzensaft kann in Verbindung mit Sonnenlicht schwere Hautverätzungen verursachen. Außerdem verdrängt sie heimische Arten.
Zmq, Public domain, via Wikimedia Commons)

Dabei können gerade diese Arten tiefgreifende Effekte auf Ökosysteme haben – etwa durch die Veränderung von Stoffkreisläufen, Nahrungsketten oder Symbiosen. Studien zeigen, dass selbst nicht-pathogene Mikroorganismen durch Konkurrenz, biochemische Prozesse oder parasitäre Beziehungen ganze Lebensgemeinschaften destabilisieren können – an Land wie im Wasser.

Ein markantes Beispiel ist das Cyanobakterium Raphidiopsis raciborskii, das ursprünglich aus tropischen Regionen stammt und seit den 1990er-Jahren auch in Deutschland vorkommt. Die Art verändert die Zusammensetzung des Phytoplanktons in Seen, kann andere Cyanobakterien verdrängen und unter bestimmten Bedingungen toxische Substanzen produzieren. Da ihr Nachweis nur über spezielle Laboranalysen gelingt, wurde diese stille Invasion lange übersehen.

Hinzu kommt: Für viele dieser Gruppen fehlt es an taxonomischer Expertise, standardisierten Erfassungsmethoden und kontinuierlicher Förderung. Forschungsgelder und Monitoringprojekte konzentrieren sich häufig auf charismatische oder ökonomisch relevante Arten – etwa große Säugetiere, Vögel oder farbenfrohe Pflanzen. Weniger auffällige oder schwer nachweisbare Arten bleiben hingegen unter dem Radar.

Insgesamt zeigen diese Lücken: Die tatsächliche Zahl dauerhaft etablierter gebietsfremder Arten dürfte deutlich höher liegen als bislang angenommen – und viele potenziell invasive Arten bleiben unerkannt.

Die Kosten der Invasion: Milliardenschäden weltweit

Invasive Arten sind nicht nur eine ökologische Bedrohung – sie verursachen auch enorme wirtschaftliche Schäden. Laut dem Weltbiodiversitätsrat IPBES belaufen sich die weltweiten Kosten biologischer Invasionen auf über 423 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Betroffen sind nahezu alle Sektoren: von Landwirtschaft und Forstwirtschaft über Gesundheit und Infrastruktur bis hin zu Fischerei und Wasserversorgung.

In Deutschland fehlen bislang systematische Erhebungen zu den Gesamtkosten – doch einzelne Beispiele verdeutlichen die Dimension. Besonders gravierend sind die Folgen der Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), deren extrem allergene Pollen bei vielen Menschen schwere Atemwegserkrankungen auslösen. Die jährlichen Gesundheitskosten durch Ambrosie werden europaweit auf bis zu 7,4 Milliarden Euro geschätzt. Allein in Deutschland können die Behandlungskosten pro betroffener Person zwischen 1.300 und 2.100 Euro liegen.

Dank eines biologischen Gegenspielers – dem Blattkäfer Ophraella communa – konnte die Pollenproduktion der Ambrosie in vielen Regionen bereits deutlich gesenkt werden. Studien zeigen, dass sich dadurch jährlich rund 1,1 Milliarden Euro an Gesundheitskosten einsparen lassen. Ein Beispiel dafür, wie gezielte Maßnahmen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch wirksam sein können.

Biologische Invasoren: Prominente Beispiele

Einige Arten haben sich in Deutschland bereits stark ausgebreitet und verursachen erhebliche Veränderungen – oft auch unbemerkt:

Invasive Art in Deutschland: Spanische Wegschnecke
Spanische Wegschnecke: Die invasive Nacktschnecke stammt vermutlich aus Südwesteuropa und hat sich in Deutschland rasant ausgebreitet.
hedera.baltica, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)
  • Waschbär (Procyon lotor): Ursprünglich aus Nordamerika. Er ist in den 1930er-Jahren aus Pelzfarmen entkommen und heute in vielen Regionen etabliert. Er frisst Amphibien, Vögel und deren Gelege und überträgt Krankheiten. Er bedroht beispielsweise auch die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis).
  • Nilgans (Alopochen aegyptiaca): Seit den 1980er-Jahren ist diese aus Afrika stammende Art zunehmend in Deutschland präsent. Sie verdrängt einheimische Wasservögel durch aggressives Verhalten und Nahrungskonkurrenz, verursacht Flurschäden auf landwirtschaftlichen Flächen.
  • Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera): Ursprünglich wurde sie als Zierpflanze vom Indischen Subkontinent eingeführt. Die Art ist heute dominant an Bachufern – sie verdrängt heimische Pflanzen und verändert die Bodenerosion sowie Bestäubergemeinschaften.
  • Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia): Sie kommt ursprünglich aus Nordamerika. Die Pflanze ist extrem allergen, ihre Pollen verursachen teils schwere Atemwegserkrankungen.
  • Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum): Dieser führt bei Hautkontakt in Verbindung mit Sonnenlicht zu schweren Reizungen (phototoxische Verbrennungen). Seine Samen sind bis zu sieben Jahre keimfähig. Die aus dem Kaukasus stammende Art verdrängt einheimische Pflanzen und verändert Lebensräume.
  • Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus): Die aus Nordamerika kommende Art verbreitet die Krebspest, gegen die sie selbst immun ist. Der Signalkrebs verdrängt unter anderem den heimischen Edelkrebs (Astacus astacus). Als „Ökosystem-Ingenieur“ beeinflusst er die Sedimentstruktur, den Pflanzenbewuchs und die Artenvielfalt in Gewässern.
  • Roter Amerikanischer Sumpfkrebs (Procambarus clarkii): Er stammt ebenfalls aus Nordamerika und stellt eine massive Bedrohung für Amphibien, Wasserpflanzen und andere Wirbellose dar. Die Spezies gilt als äußerst anpassungsfähig und vermehrungsfreudig. Zudem verursacht sie Schäden in Stadtparks und Gewässern.
  • Asiatischer Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis): Er bohrt sich in gesunde Laubbäume und zerstört die Leitbahnen. In mehreren Städten mussten deshalb bereits große Baumbestände gefällt werden, um eine weitere Ausbreitung der aus Ostasien stammenden Käferart zu verhindern.
  • Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris): Vermutlich aus Südwesteuropa eingeschleppt, hat sie sich bundesweit ausgebreitet und verdrängt einheimische Schneckenarten. Sie ist besonders im Gartenbau und in der Landwirtschaft gefürchtet.
  • Seepocke Austrominius modestus: Sie kam über Schiffe aus Australien und breitet sich an der deutschen Nordseeküste aus, verdrängt einheimische Arten, besiedelt Muschelbänke und erschwert die Austernzucht.
  • Cyanobakterie Raphidiopsis raciborskii: Sie verändert das Phytoplankton in Seen und kann unter bestimmten Bedingungen giftige Substanzen produzieren. Ihre Ausbreitung erfolgt oft unbemerkt – ein typisches Beispiel für stille Invasionen.

Lag-Phasen: Die unsichtbare Zeitbombe

Amerikanischer Sumpfkrebs - eine invasive Tierart
Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs breitet sich in Deutschland zunehmend aus. Seine hohe Anpassungsfähigkeit und Vermehrungsrate machen ihn besonders schwer zu kontrollieren.
Luc hoogenstein, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Ein zentrales Ergebnis der Studie: Bei 97,9 Prozent der etablierten gebietsfremden Arten in Deutschland sind die ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen nicht systematisch dokumentiert. Doch fehlende Daten bedeuten nicht, dass keine Risiken bestehen. Viele invasive Arten entfalten ihr Schadpotenzial erst Jahre oder sogar Jahrzehnte nach ihrer Etablierung – in sogenannten Lag-Phasen.

Diese Verzögerungsphasen beschreiben den Zeitraum zwischen der Ankunft einer Art und dem spürbaren Auftreten negativer Effekte. Während dieser Zeit können sich Populationen langsam aufbauen, genetisch an veränderte Bedingungen anpassen oder neue ökologische Nischen erschließen – meist ohne dass es bemerkt oder überwacht wird.


Die Ursachen für solche Lag-Phasen sind vielfältig: Manche Arten benötigen bestimmte Umweltfaktoren, die erst durch Klimawandel, Landnutzungsänderungen oder neue Wirt-Parasit-Interaktionen entstehen. Andere wirken eher indirekt – etwa durch die schleichende Veränderung von Nahrungsnetzen, Konkurrenzverhältnissen oder Bodenprozessen. Auch verzögerte Wechselwirkungen mit Krankheitserregern, Parasiten oder invasiven Begleitarten können dazu führen, dass Arten lange unterschätzt werden.

Ein typisches Beispiel ist der Waschbär, der sich zunächst unauffällig verbreitete, heute jedoch durch Prädation auf Amphibien und Vögel, Krankheitsübertragung und seine Anpassungsfähigkeit zunehmend problematisch wird. Auch invasive Wasserpflanzen oder Algen können plötzlich kippende Ökosysteme auslösen, wenn sie bestimmte Schwellenwerte überschreiten oder mit anderen Stressfaktoren zusammentreffen.

Gerade diese unsichtbare Dynamik macht das Management invasiver Arten so herausfordernd. Ohne kontinuierliches Monitoring, interdisziplinäre Forschung und vorausschauende Strategien können sich biologische Invasionen unbemerkt festsetzen – mit langfristigen, oft irreversiblen Folgen für Biodiversität, Ökosystemleistungen und menschliche Gesundheit.

Politischer Handlungsbedarf

Die neue Liste etablierter nicht-heimischer Arten ist nicht nur ein wissenschaftliches Verzeichnis – sie bietet auch eine praktische Grundlage für politische Entscheidungen und Naturschutzmaßnahmen. Denn nur was bekannt ist, kann auch bewertet, reguliert und gegebenenfalls bekämpft werden. Die Datenbasis schafft die Voraussetzung für ein evidenzbasiertes Handeln in Naturschutz, Verwaltung und Politik.

Auf Basis der nun verfügbaren Daten können:

  • Risikobewertungen erstellt werden, um das Schadpotenzial einzelner Arten zu analysieren – sowohl im Hinblick auf Ökosysteme als auch auf Landwirtschaft, Infrastruktur oder Gesundheit.
  • Prioritätenlisten entwickelt werden, die dabei helfen, knappe Ressourcen gezielt dort einzusetzen, wo die Risiken am größten oder die Ausbreitung am weitesten fortgeschritten ist.
  • Managementmaßnahmen abgestimmt und effizient koordiniert werden – vom Monitoring über Frühwarnsysteme bis zur langfristigen Eindämmung oder Beseitigung invasiver Populationen.

Die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 über invasive gebietsfremde Arten bildet dabei den rechtlichen Rahmen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Arten von unionsweiter Bedeutung zu benennen, ihre Ausbreitung zu verhindern und etablierte Bestände aktiv zu bekämpfen. Deutschland hat erste Umsetzungsinstrumente geschaffen – etwa Artenlisten und regionale Managementpläne –, doch es fehlt bislang eine bundesweit abgestimmte, vorausschauende Strategie, die alle relevanten Akteure und Ebenen einbezieht.

Die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 über invasive gebietsfremde Arten bildet dabei den rechtlichen Rahmen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Arten von unionsweiter Bedeutung zu benennen, ihre Ausbreitung zu verhindern und etablierte Bestände aktiv zu bekämpfen. Deutschland hat erste Umsetzungsinstrumente geschaffen – etwa Artenlisten und regionale Managementpläne –, doch es fehlt bislang eine bundesweit abgestimmte, vorausschauende Strategie, die alle relevanten Akteure und Ebenen einbezieht.

Ein solcher Ansatz muss auch die Zivilgesellschaft, Wirtschaft und kommunale Praxis mitdenken:

  • Bauwirtschaft, Transport und Tourismus gelten als bedeutende Eintragswege, denen durch gezielte Informationsarbeit und Auflagen begegnet werden kann.
  • Kommunen und Landnutzende spielen eine zentrale Rolle bei Prävention und Bekämpfung vor Ort.
  • Hobbygärtner, Tierhalter oder Online-Händler können unbeabsichtigt zur weiteren Verbreitung beitragen.

Die aktuelle Studie liefert eine belastbare Datengrundlage – jetzt braucht es politischen Gestaltungswillen, klare Zuständigkeiten und ausreichende Mittel, um aus der Erkenntnis wirksames Handeln zu machen.

Konsequenzen für Forschung, Naturschutz und Öffentlichkeit

Biologische Invasionen zählen zu den drängendsten – und zugleich am meisten unterschätzten – Umweltbedrohungen unserer Zeit. Die neue Studie von Haubrock et al. zeigt: Die Zahl dauerhaft etablierter gebietsfremder Arten in Deutschland ist deutlich höher als bislang angenommen, die Datenlage lückenhaft und der Handlungsbedarf akut.

Deutschland steht im Zentrum dieser Entwicklung. Die Folgen betreffen nicht nur sensible Naturschutzgebiete, sondern auch Städte, Agrarlandschaften, Gewässer und die menschliche Gesundheit. Das macht entschlossenes Handeln auf allen Ebenen nötig:

  • Forschung und Monitoring müssen gestärkt werden, um gefährdete Ökosysteme besser zu überwachen und das Wissen über wenig beachtete Artengruppen zu erweitern.
  • Politik und Verwaltung benötigen klare, priorisierte Strategien, um Ressourcen gezielt einzusetzen – von der Prävention bis zur Bekämpfung.
  • Öffentlichkeit und Wirtschaft müssen stärker einbezogen werden: Viele Arten gelangen unbeabsichtigt über Gärten, Transporte, Baustellen oder Heimtierhaltung ins Land. Aufklärung, Vorsorge und Mitverantwortung sind zentrale Elemente eines wirksamen Umgangs mit der Herausforderung.

Auch auf globaler Ebene ist die Bedrohung durch invasive Arten besorgniserregend. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES hat in seinem umfassenden Bericht von 2023 invasive Arten als eine der fünf Hauptursachen für den weltweiten Verlust an Biodiversität benannt.

Die neue Artenliste schafft die wissenschaftliche Grundlage – nun braucht es politischen Willen, gesellschaftliche Verantwortung und fachliche Entschlossenheit, um biologische Invasionen wirksam zu begrenzen und die heimische Biodiversität dauerhaft zu schützen.

Quellen

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