xerces-bläuling Glaucopsyche xerces
Verschiedene Exemplare des ausgestorbenen Xerces-Bläuling aus der Sammlung des Field Museum of Natural History in Chicago. Brianwray26, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Xerces-Bläuling

Ich dachte immer, da wären noch mehr.

Als der Entomologe W. Harry Lange am 23. März 1941 am einstigen Militärstützpunkt Presidio in San Francisco Insekten sammelte, fing Lange unwissentlich den Xerces-Bläuling, der heute als der letzte seiner Art angesehen wird. Lange äußerte sich später dazu und sagte: „Ich dachte immer, da wären noch mehr. Ich lag falsch.“

Es gibt verschiedene Angaben darüber, wann genau der Schmetterling aus der Familie der Bläulinge (Lycaenidae) zum letzten Mal gesichtet wurde. So nennt das Buch California Butterflies (1986) wie auch Kathy Keatley Garveys Artikel (2011) vom UC Davis Department of Entomology and Nematology das Jahr 1941. In California Insects (1980) wird dagegen das Jahr 1943 angegeben. Einen großen Unterschied macht das nicht, denn sicher ist: Der Xerces-Bläuling ist ausgestorben.

Die Spezies wurde 1852 von einem französischen Schmetterlingskundler und Botaniker namens Jean Baptiste Boisduval wissenschaftlich beschrieben. Boisduval benannte den Schmetterling nach den persischen Königen Xerxes I. und II. aus dem 5. Jahrhunderts vor Christus.

Xerces-Bläuling – Steckbrief
wissenschaftlicher NameGlaucopsyche xerces
englischer NameXerces Blue
ursprüngliches VerbreitungsgebietSan Francisco, Kalifornien (USA)
Zeitpunkt des Aussterbens1940er-Jahre
Ursachen für das AussterbenLebensraumverlust, Verschwinden der Hauptfutterpflanze

Mit der Urbanisierung des Sunset District verschwand der Xerces-Bläuling

Wissenschaftler nehmen an, dass der Xerces-Bläuling der erste amerikanische Schmetterling war, der infolge von Lebensraumverlust aufgrund städtischer Entwicklung ausgestorben ist. Der Schmetterlingskundler James W. Tilden beklagt den Verlust des Xerces-Bläuling in einem 1956 in den Lepidoterist’s News veröffentlichten Artikel. Er schreibt, die Schmetterlingsart starb kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aus:

„Nur ein paar Jahre zuvor war er der charakteristischste Schmetterling der Küsten-Sanddünenregion, das als Sunset District bekannt war, doch die vollständige Besiedlung des Gebietes ließ dem Xerces-Bläuling keinen Lebensraum.“

Noch in den 1930er-Jahren war der Xerces-Bläuling, so Tilden weiter, in unbebauten Gegenden des Sunset District und am Lake Merced anzutreffen. „Einige Tiere überlebten Jahre in Fort Funston, aber diese verschwanden auch, als die Region platt gemacht wurde. Zurzeit (1956) ist der einstige Lebensraum des Xerces zu fast 100 Prozent besiedelt.“

Tilden bringt das Aussterben des Schmetterlings auch mit dem Verschwinden einer Seerosen-Art (Hosackia) in Verbindung. Diese Sanddünenpflanze war nämlich sehr empfindlich gegenüber Veränderungen des Bodens. So beobachtete Tilden, dass die Pflanze an einigen Orten verschwand, bevor der Xerces-Bläuling es tat.

Vermutlich waren die Xerces-Raupen, aus denen später Schmetterlinge werden sollten, auf die Sanddünenpflanze spezialisiert und konnten sich ohne diese nicht entwickeln. Damit war die Fortpflanzung des Xerces-Bläuling besiegelt. Man hat den Schmetterling indes auch auf Lupinen gesichtet, allerdings haben Beobachtungen gezeigt, dass diese Pflanzengattung zur Entwicklung der Xerces-Raupen offensichtlich ungeeignet war.

Es gab Bemühungen, bei denen mit dem Xerces-Bläuling verwandte Schmetterlingsarten in dessen einstigen Lebensraum wieder angesiedelt werden sollten. Zu diesen Arten gehört etwa der Palos-Verdes-Bläuling (Glaucopsyche lygdamus palosverdesensis), eine Art Cousin des Xerces aus Los Angeles, der hauptsächlich in Labors gezüchtet wird. Er gilt als einer der seltensten Schmetterlinge der Welt.

Xerces-Bläuling – Eine Population des Silber-Bläulings?

Silber-Bläuling Silvery Blue Glaucopsyche lygdamus
Der weit verbreitete Silber-Bläuling sieht dem Xerces-Bläuling zwar sehr ähnlich, Genanalysen zeigen jedoch, dass es sich um unterschiedliche Arten handelt. (© Justin Meissen from St Paul, United States, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Bis zuletzt hoffte Felix Grewe vom Field Museum of Natural History in Chicago, dass es sich beim Xerces-Bläuling nicht um eine eigene Art handelt, denn dann wäre er jetzt nicht ausgestorben. Grewe und seine Kollegen sind in einer im Juli 2021 veröffentlichten Forschungsarbeit der Frage nachgegangen, ob der Xerces-Bläuling lediglich eine isolierte Population des weiter verbreiteten, ihm sehr ähnlich sehenden Silber-Bläulings (Glaucopsyche lygdamus) war.

Die Forscher analysierten dafür DNA, die sie einem Museumexemplar entnahmen, und verglichen sie mit Proben des Silber-Bläulings. Das Genmaterial wies kaum Gemeinsamkeiten auf, sodass davon auszugehen ist, dass der Xerces-Bläuling tatsächlich eine eigene Art darstellt – und damit ausgestorben ist.

Mutationen: Nicht immer war der Xerces-Bläuling lavendelblau

Der Xerces-Bläuling besaß eigentlich blaue Flügel mit weißen Punkten, aber das Besondere an dieser Schmetterlingsart war, dass von ihr fünf verschiedene Varianten beziehungsweise Mutationen existierten. Die verschiedenen Formen trugen die Namen xerces, polyphemusmertila, antiacis und huguenini. Sie unterschieden sich unter anderem in der Größe der weißen Flecken und der Blaufärbung.

Das teils sehr unterschiedliche Aussehen führte dazu, dass manche Wissenschaftler die Schmetterlinge zunächst verschiedenen Arten zuordneten, was sich dann als fehlerhaft herausstellte. Bei den verschiedenen Formen handelt es sich auch um keine Unterarten des Xerces-Bläuling. Vielmehr zeigen sie in besonderem Maße die Auswirkungen, die genetische Mutationen auf eine kleine Population haben können.

Das Schicksal des Xerces-Bläuling erinnert stark an das der Laysan-Eule oder dem von Sloans Uraniafalter. Die Raupen beider Nachtfalter konnten sich ebenfalls aufgrund zerstörter Vegetation nicht mehr entwickeln. Eine anderer ausgestorbener Falter, der zur Familie der Bläulinge gehört, ist Morants Bläuling. Dieser war in Südafrika endemisch und wurde nach 1879 nicht mehr gesichtet.

Bisherige Seitenaufrufe: 54