östlcihes hasenkänguru lagorchestes leporides
Das Bild aus dem Jahr 1853 stammt von John Gould, der das Östliche Hasenkänguru 1841 erstmals wissenschaftlich beschrieb. John Gould, Public domain, via Wikimedia Commons)

Östliches Hasenkänguru

Tanzender Hase in Down Under

Die frühen Siedler fanden auf den Ebenen im Südosten Australiens eine große Bandbreite an känguruartigen Beuteltieren vor – sowohl riesige Tiere, die Jäger mit einem Tritt außer Gefecht setzen konnten, als auch Tiere, die kleiner als Hasen waren. Neben dem heute ausgestorbenen Östlichen Irmawallaby (Notamacropus greyi) gehörten zu jener Zeit die Hasenkängurus (Lagorchestes) zum beliebtesten Jagdwild in dieser Region.

Einst existierten vier Arten von Hasenkängurus, die sich äußerlich zwar recht ähnlich waren, aber ein anderes Sozialverhalten aufwiesen. Das Zentralaustralische Hasenkänguru (L. asomatus) ist nur durch Berichte der Aborigines und anhand eines 1932 gefunden Schädels bekannt; das Brillen-Hasenkänguru (L. conspicillatus) kommt noch heute im Norden Australiens vor; das Zottel-Hasenkänguru (L. hirsutus) ist auf dem Festland ausgestorben und lebt nur noch auf zwei kleineren Inseln vor der Küste Westaustraliens und das Östliche Hasenkänguru ist seit 1890 verschwunden.

Mit einer Körperlänge von rund 50 Zentimetern konnte ein Östliches Hasenkänguru gerade einmal so groß wie ein europäischer Hase werden. Und nicht nur seine Größe erinnert an unsere heimischen Hasen, auch sein haariges Maul, seine langen Ohren und die graubraune Farbe und Textur seines Fells gehören dazu. Es verwundert also nicht, dass der britische Ornithologe und Tiermaler John Gould der Gattung 1841 den Namen Lagorchestes verlieh, was aus dem Griechischen kommt und „tanzender Hase“ bedeutet.

Trotz allem wies der Turatt, wie das Östliche Hasenkänguru in der Sprache der Aborigines aus dem Murray-Darling-Becken hieß, auch Unterschiede zu Hasen auf: Er hatte nämlich einen etwa 33 Zentimeter langen, muskulösen Schwanz. Zudem besaß er, wie fast alle Kängurus, deutlich längere und kräftigere Hinter- als Vorderbeine.

Östliches Hasenkänguru – Steckbrief
alternative BezeichnungenHasenspringer, Turatt
wissenschaftliche NamenLagorchestes leporides, Lagorchestes leporoides, Macropus leporoides, Macropus leporides, Largoehestes leporides
englische NamenEastern Hare-wallaby, Common Hare-wallaby, Brown Hare-wallaby, Hare Kangaroo, Hare Wallaby, Hare-like Kangaroo
ursprüngliches VerbreitungsgebietAustralien
Zeitpunkt des Aussterbens1890
Ursachen für das AussterbenLebensraumverlust, fehlende Brandrodungen der Aborigines, eingeschleppte Tiere

Östliches Hasenkänguru lebte im Südosten Australiens

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Die Karte zeigt das einstige Verbreitungsgebiet des Östlichen Hasenkängurus im Südosten von Australien. (© Wilhelm Klave, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Das kleine Beuteltier aus der Familie der Kängurus (Macropodidae) bewohnte einst offene Grasländer im Südosten Australiens. Sein Verbreitungsgebiet umfasste dabei Teile der Bundesstaaten New South Wales, Victoria und South Australia. Subfossile Funde veranlassen den britisch-australischen Biologen Andrew Burbidge und sein Team in Conservation Status and Biogeography of Australia’s terrestrial Mammals (2009) dazu, das Verbreitungsgebiet des Östlichen Hasenkängurus auf den Süden von Queensland auszuweiten.

Archäologische Funde in der Mannalargenna Cave deuten zudem an, dass das Östliche Hasenkänguru in prähistorischer Zeit auch auf Prima Seal Island, einer Insel in der Bass-Straße zwischen Australien und Tasmanien, vorgekommen ist. Zu diesem Ergebnis kam der Kulturforscher Stephen Brown 1993 in seiner Studie Mannalargenna Cave: A Pleistocene Site in Bass Strait.

Aus historischer Zeit ist die Spezies nur anhand von zwei Individuen, die am Mount Hope im Northern Plains Grassland im Norden Victorias gesammelt wurden, bekannt. Das Östliche Hasenkänguru ist in heutigen Museumssammlungen unterrepräsentiert. Übrigens wurde die Art gemäß Zootierliste einst in den Zoos in Berlin und Frankfurt am Main gehalten.

Man weiß nicht viel über ihn, aber sein Fleisch schmeckte köstlich

Lagorchestes leporides
Östliche Hasenkängurus erreichten eine Länge von 50 Zentimetern; ihr Schwanz maß etwa 32 Zentimeter. Das Gewicht der Tiere ist nicht überliefert, denn sie starben aus, bevor das Wiegen zur gängigen Praxis in der Wissenschaft wurde. (© Photographer: Heath WarwickMuseums Victoria, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons)

Über das Verhalten des Östlichen Hasenkängurus ist kaum etwas bekannt. Ein Großteil dessen, was man weiß, weiß man von den im 19. Jahrhundert agierenden Naturforschern John Gould, Gerard Krefft und Richard Lydekker. Von Lydekker wissen wir seit A Hand-Book to the Marsupiala und Monotremata (1894) etwa, dass es sich beim Östlichen Hasenkänguru um ein ausschließlich nachtaktives und einzelgängerisches Tier handelte. Und den Tag habe es in einer Art „Nest“ im Schutze von Büschen verbracht, so Gould 1863 in The Mammals of Australia.

Gould erwähnte auch die Schnelligkeit des Östlichen Hasenkängurus über kurze Distanzen hinweg und seine Fähigkeit, zu springen. In A Gap in Nature (2011) geben Tim Flannery und Peter Schouten einen Bericht von Gould wieder. Diesem nach soll ein Östliches Hasenkänguru einen halben Kilometer lang von Hunden gejagt worden sein und plötzlich die Laufrichtung gewechselt haben. Es kam dann auf sechs Meter an Gould heran und sprang etwa 180 Zentimeter hoch problemlos über seinen Kopf hinweg. Krefft behaupte 1866 in On the Vertebrated Animals of the Lower Murray and Darling sogar, Östliche Hasenkängurus konnten 240 Zentimeter hoch springen.

Krefft berichtete auch, dass es ein Leichtes gewesen sei, Östliche Hasenkängurus zu zähmen, um diese dann mit Keksen, Brot oder gekochtem Reis zu füttern. Zu seinen Tierbeschreibungen gehörte es in der Regel dazu, auf seine Weise wiederzugeben, welche kulinarischen Eigenschaften diverse Säugetiere besaßen. Es handelt sich mitunter um die einzigen Anmerkungen darüber, wie heute ausgestorbene Tierarten schmeckten. Im Fall des Östlichen Hasenkängurus notierte Krefft: „Das Fleisch ist köstlich, tatsächlich ist es mit das beste Fleisch, das ich jemals gegessen habe“.

Vom plötzlichen Verschwinden des Östlichen Hasenkängurus

Die Zahl der Östlichen Hasenkängurus nahm in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rapide ab – warum, weiß niemand. Noch in den 1840er-Jahren gab Gould an, dass die Beuteltiere ziemlich oft in allen Ebenen South Australias – vor allem in jenen zwischen dem Murray River und den Gebirgen – anzutreffen waren. Üblich seien Östliche Hasenkängurus auch in den Liverpool Plains und in der Nähe des Naomi und des Gwydir Rivers in New South Wales gewesen. Krefft zufolge waren Östliche Hasenkängurus zwischen 1856 und 1857 häufig in der Region zwischen den Flüssen Murray und Darling anzutreffen. Nach den 1850er-Jahren setzte schließlich der plötzliche Populationsrückgang ein, dessen Ursachen bis heute nicht endgültig geklärt werden konnten.

Die IUCN nennt als einen der möglichen Gründe die Veränderung des Lebensraumes aufgrund der Beweidung desselben durch Schafe und Rinder und der damit einhergehenden Zerstörung des Graslandes. Als weiteren Grund gibt die Weltnaturschutzorganisation die Vertreibung der australischen Ureinwohner aus weiten Teilen Australiens durch die europäischen Siedler an, sodass die traditionellen Winter-Brandrodungen der Aborigines im Lebensraum der Östlichen Hasenkängurus ausblieben.

Das kontrollierte Brennen im Busch folgte bei den Aborigines nach bestimmten Regeln, wie dem Vegetationsverlauf und dem Bedarf der Ureinwohner. Durch die traditionellen Feuer förderten sie unter anderem das Wachstum vorhandener Nutzpflanzen und neuer Pflanzen, die dort lebenden Tieren als Nahrung dienten. Die Folge fehlender Brandrodungen kann also sein, dass es keine kleinflächigen Gebiete mit jungem und altem Pflanzenbewuchs mehr gab, was wiederum dazu geführt haben mag, dass die Östlichen Hasenkängurus keine ausreichende Nahrung mehr fanden. Weiterhin kam es durch die fehlenden Winter-Brandrodungen vermehrt zu verheerenden Bränden in den Sommermonaten. Auch dem Schweinsfuß-Nasenbeutler wurde dies zum Verhängnis und er starb Anfang des 20. Jahrhunderts aus.

Führten invasive Arten zum Aussterben des Östlichen Hasenkängurus?

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Östliches Hasenkänguru im Zoologischen Museum Sankt Petersburg. Dieser kleine Vertreter der Kängurus besaß grau-braunes Fell an der Oberseite, rote Flanken und eine weiße Unterseite. (© Andrew Butko, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)

Im The Doomsday Book of Animals geht David Day 1981 davon aus, dass der in Australien durch Siedler eingeführte Rotfuchs (Vulpes vulpes) für die Östlichen Hasenkängurus zu einem der gefährlichsten Feinde wurde. Eingeführt wurden die Füchse aus Europa ursprünglich, um die traditionelle Fuchsjagd der britischen Kolonialherren aufrechtzuerhalten, und zum Eindämmen der ebenfalls eingeführten Kaninchen. Letztendlich verzeichneten die Füchse jedoch ein enormes Populationswachstum und fraßen vor allem einheimische statt invasive Tierarten.

Da Rotfüchse erst ab 1871 ins Land gelangten, zweifeln einige Wissenschaftler an, dass diese bereits so verbreitet gewesen waren, als dass sie das Verschwinden des Östlichen Hasenkängurus hätten verursachen können. Bernhard Kegel weist in Ausgestorbene Tiere (2021) noch auf streunende Katzen hin, die die Populationen dezimiert haben könnten.

Flannery vermutet 1990 in Australia’s Vanishing Mammals, dass neben dem Überbesatz mit Schafen bis in die 1890er-Jahre die vermehrte Einführung von Hasen während der 1880er-Jahre und schwere Trockenperioden als Kombination von Faktoren das Aussterben des Östlichen Hasenkängurus bewirkt haben.

Das letzte Östliche Hasenkänguru, ein weibliches Tier, wurde laut Flannery und Schouten 1889 in New South Wales gesammelt. Eine letzte Sichtung soll es 1890 ebenfalls in New South Wales gegeben haben. Danach habe es keine Sichtungen mehr gegeben, aber bis in die 1930er-Jahre hinein waren sich Forscher nicht im Klaren darüber, dass die Spezies ausgestorben ist.

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